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Die deutsche Enthaltung zur Resolution 1973 der Vereinten Nationen. Ausdruck einer Zivilmacht?

©2015 Hausarbeit 24 Seiten

Zusammenfassung

In Libyen schlugen die Proteste des arabischen Frühlings im Februar 2011 in einen gewaltsamen Konflikt um. Am 17.02.2011 kam es im Zuge eines Aufrufs der libyschen Opposition, dem „Tag des Zorns“, zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und libyschen Sicherheitskräften, bei denen es zu mehreren zivilen Opfern kam. Im Gegensatz zu den Ereignissen in Tunesien und Ägypten eskalierten die Auseinandersetzungen in Libyen durch die brutale Repression des Regimes jedoch in deutlich höherem Maße und führten innerhalb kürzester Zeit von der „Revolte zur Revolution“ (Lacher 2011: 11).

Infolge der massiven Menschenrechtsverletzungen verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in seiner 6491. Sitzung am 26. Februar 2011 die Resolution 1970 einstimmig. Aufgrund der weiteren Entwicklung verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der 6498. Sitzung am 17. März 2011 die Resolution 1973. In dieser verwies der Rat auf die Resolution 1738, welche den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten bekräftigt. Deutschland als nicht ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen enthielt sich neben Russland, Indien, Brasilien und der Volksrepublik China in der Abstimmung zu dieser Resolution. Diese Enthaltung ist bis heute äußerst umstritten und soll Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Theoretisch soll dieser außenpolitische Akt in das Theorem der Zivilmacht eingebettet werden. Die Frage nach den Gründen der deutschen Enthaltung zur Abstimmung der Resolution 1973 soll in den Zusammenhang mit der Rolle Deutschlands als Zivilmacht gesetzt werden. Die Fragestellung der Arbeit lautet daher: Steht die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung zur Resolution 1973 im Kontext von Deutschlands Rolle als Zivilmacht?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Rahmen - Zivilmacht
2.1 Rollentheorie
2.2 Das Zivilmachtskonzept

3. Der Libyenkonflikt

4. Deutschlands Enthaltung im Kontext der Zivilmacht
4.1 Politische Langfrist-Ambitionen
4.2 Nationale Zielsetzungen
4.3 Internationale Zielsetzungen in Bezug auf Weltordnung und Weltregieren
4.4 Inhaltliche internationale Zielsetzungen
4.5 Außenpolitischer Stil
4.6 Außenpolitisches Instrumentarium

5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Dezember 2010 kommt es zu einer Reihe von Protesten und Aufständen in der arabischen Welt. Beginnend mit der Revolution in Tunesien, werden diese und die darauf folgenden Ereignisse in der arabischen Welt, als arabischer Frühling bezeichnet. Zunächst als positiv angesehen verschlechterte sich die politische und mediale Bewertung der in der arabischen Welt angestoßenen Konflikte schnell. Die erhofften Verbesserungen der Menschenrechtssituationen und die gewünschten Demokratisierungsprozesse blieben weitläufig aus. Das Gegenteil war der Fall im laufe der Konflikte zwischen den Regimen und der Zivilbevölkerung kam es vermehrt zu Gewaltakten und Todesopfern. Auch in Libyen schlugen diese Proteste im Februar 2011 in einen gewaltsamen Konflikt um. Am 17.02.2011 kam es im Zuge eines Aufrufs der libyschen Opposition, dem „Tag des Zorns“, zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und libyschen Sicherheitskräften, bei denen es zu mehreren zivilen Opfern kam (Deutsche Welle 2011: 1). Im Gegensatz zu den Ereignissen in Tunesien und Ägypten eskalierten die Auseinandersetzungen in Libyen durch die brutale Repression des Regimes jedoch in deutlich höherem Maße und führten innerhalb kürzester Zeit von der „Revolte zur Revolution“ (Lacher 2011: 11). Infolge der massiven Menschenrechtsverletzungen und der Gewalt des libyschen Militärs gegen die Zivilbevölkerung, verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in ihrer 6491. Sitzung am 26. Februar 2011 die Resolution 1970 einstimmig. Aufgrund der weiteren Entwicklung des Konflikts verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in ihrer 6498. Sitzung am 17. März 2011 die Resolution 1973. In dieser verwies der Rat auf die Resolution 1738, welche den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten bekräftigt sowie das Versäumen des libyschen Regimes sich an die Resolution 1970 zu halten. Deutschland als nicht ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen enthielt sich neben Russland, Indien, Brasilien und der Volksrepublik China in der Abstimmung zu dieser Resolution. Diese Enthaltung ist bis heute äußerst umstritten und soll Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Theoretisch soll dieser außenpolitische Akt in das Theorem der Zivilmacht eingebettet werden. Die Frage nach den Gründen der deutschen Enthaltung zur Abstimmung der Resolution 1973 soll deshalb in den Zusammenhang mit der Rolle Deutschlands als Zivilmacht gesetzt werden. Die Fragestellung der Arbeit lautet daher: Steht die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung zur Resolution 1973 im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Kontext Deutschlands Rolle als Zivilmacht? Hierbei ist zu untersuchen, ob das Theorem der Zivilmacht eine hohe Erklärungskraft im Bezug zur deutschen Außenpolitik aufweisen kann. Das Fallbeispiel der Resolution 1973 dient hierzu als Untersuchungsgegenstand. Dazu wird zunächst auf die Rollentheorie und das Konzept der Zivilmacht eingegangen, bevor der Libyenkonflikt und die deutsche Enthaltung bei der Resolution 1973 behandelt werden.

2. Theoretischer Rahmen - Zivilmacht

2.1 Rollentheorie

Das Konzept der Zivilmacht entspringt der Rollentheorie. Deshalb soll zunächst auf die hauptsächlichen Merkmale der Rollentheorie eingegangen werden, bevor das Konzept der Zivilmacht spezifiziert werden kann. Die Rollentheorie entstammt ursprünglich den Sozialwissenschaften und der Sozialpsychologie. Sie untersucht die Verhaltensmerkmale, die von einem Inhaber einer gesellschaftlichen Position zu erwarten sind (Gaupp 1983: 21). Nach Dahrendorf ist der „homo sociologicus“ ein Rollenträger, welcher sich am Gesellschaftsspiel, dem Gesellschaftsgefüge beteiligt (Dahrendorf 2006: 17f). In den Internationalen Beziehungen ist die Rollentheorie als konstruktivistischer Ansatz, seit dem Ende des Ost-West Konfliktes stärker in den Fokus theoretischer Überlegungen getreten. Grundannahme dieser Theorie ist das ein Großteil des Verhaltens eines Akteurs von den Erwartungen, die an diesen Akteur gestellt werden abhängen oder aber mit dem Status diesen Individuums in einem sozialen System zu tun haben (Ziemer 2009: 25). Hohen Stellenwert dabei besitzen die politischen Eliten und nationalen Führungspersönlichkeiten als sozial interagierender Akteur. Sie sind existenziell für die Formulierung nationalstaatlicher Präferenzen und für außenpolitische Handlungen. Diese Individuen orientieren sich an nationalen Rollenkonzepten, welche das Akteursverhalten bestimmen. Dabei ist nicht die objektive Position des jeweiligen Landes auf der internationalen Bühne relevant, sondern vielmehr, wie diese Position von den Führungspersönlichkeiten wahrgenommen wird (vgl. Ziemer 2009: 26). In dieser Wahrnehmung einer Rolle sind die Rollenerwartung, die Rollenperformanz und die Rollenkonzeption die ausschlaggebenden Determinanten der eigenen Rollendefinition einer Rollenposition und Rollenkonzeption mit den jeweiligen Rollenelementen. Diese Rollenkonzeption gliedert sich dabei in einzelne Rollenelemente, welche die jeweilige Rolle detailliert beschreibt. Die Rollenerwartung beschreibt dabei die Lage einer Rollenposition im System und die Erwartung die andere Akteure an einen Rolleninhaber stellen. Die Rollenkonzeption dagegen ist die vom Akteur selbst definierte Rolle, welcher er ausübt. Diese Variablen werden von Dahrendorf als „Role taking“ (alter-part) und „Role making“ (ego-part) beschrieben (Dahrendorf 1997: 55). In diesem Zusammenhang ist der Akteur darauf bestrebt seine außenpolitische Rolle möglichst erwartungsstabil an den Erwartungen anderer Akteure anzubinden, dies kann jedoch nur korrelieren, wenn diese Erwartungen auch mit der eigenen Rollenkonzeption vereinbar sind. Die Rollenperformanz also die Handlungen und Entscheidungen eines Akteurs werden sowohl von der Rollenerwartung sowie von der Rollenkonzeption bestimmt. Die nationale Identität und kognitive Denkmuster gewinnen hierbei zunehmend an Bedeutung. Sie sind ausschlaggebend für das Zusammenspiel von „Role taking“ und „Role making“. Außenpolitische Rollenkonzepte sind daher das Ergebnis individueller Selbstperzeption sowie der Interaktion, Adaption und Konditionierung einer Gesellschaft mit, auf und durch ihre Umwelt (Ziemer 2009: 30).

2.2 Das Zivilmachtskonzept

Ein Rollenkonzept ist das Konzept der Zivilmacht. Die Zivilmacht ist eine Rollenkonzeption, welche sich von den Rollenkonzepten einer Supermacht oder Großmacht wesentlich unterscheidet. Der Begriff der Zivilmacht geht dabei auf den Soziologen Norbert Elias zurück. Elias stellt fest, dass gewaltsame Formen der Konfliktaustragung im Verlauf der Entstehung moderner Gesellschaften durch die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols, durch Institutionalisierung alternativer Formen der Konfliktaustragung und durch die Verinnerlichung des Gewaltverbotes zunehmend eingehegt und zurückgedrängt wurden. Dies erlaubt die Entfaltung der Entwicklungspotenziale gesellschaftlicher Arbeitsteilung, die auf Berechenbarkeit und Gewaltfreiheit sozialer Beziehungen angewiesen ist (Maull 2007: 73). Dieses Konzept der Zivilisierung lässt sich ebenfalls auf die Internationalen Beziehungen und das internationale System übertragen. Das Rollenkonzept der Zivilmacht beschreibt dabei eine außenpolitische Grundorientierung, die auf die Zivilisierung der Politik und den Internationalen Beziehungen abzielt (Maull 2007: 73). Der Begriff der Zivilisierung geht dabei auf Dieter Senghaas und das zivilisatorische Hexagon zurück (Maull 2014: 136f.). Eine Zivilmacht ist also ein Akteur, welcher sich in seiner Rolle verpflichtet fühlt die Zivilisierung der Politik voran zuführen. Dieses Konzept weist zwei grundlegende Funktionen auf. Eine normative und eine empirisch-analytische. Normativ kann das Konzept der Zivilmacht als ein Orientierungsrahmen in der Außenpolitik eines Akteurs dienen (Maull 1992: 273). Empirisch-analytisch dient das Konzept der Zivilmacht als analytisches Raster um die außenpolitischen Handlungen eines Staates in das Konzept der Zivilmacht einzuordnen. Diese Analyse ist durch vier Annahmen gekennzeichnet: a) die Fähigkeit und den politischen Willen eines Staates, in signifikanter Weise auf die Gestaltung der zukünftigen internationalen Ordnung einzuwirken, also als „Macht“ im Sinne eines Akteurs aufzutreten, b) dabei “Macht“ ausschließlich oder doch vor allem im Sinne spezifischer Zielsetzungen, nämlich der Zivilisierung der internationalen Politik in regionalen und globalen Zusammenhängen, zur Geltung zu bringen, was c) die Anwendung eines spezifischen Instrumentariums und spezifischer Vorgehensweisen und damit auch d) spezifische strategische und taktische Verhaltensmuster der Zivilmacht in der internationalen Politik impliziert (Maull 2014: 126). Diese staatlichen Verhaltensmuster werden von Hans W. Maull in sechs Verhaltenskategorien des Idealtyps Zivilmacht eingeordnet: 1) politische Langfrist-Ambitionen, 2) nationale Zielsetzungen, 3) internationale Zielsetzungen in Bezug auf Weltordnung und Weltregieren, 4) inhaltliche internationale Zielsetzung, 5) außenpolitischer Stil und 6) außenpolitisches Instrumentarium. Diese Verhaltenskategorien stellen in ihren dazugehörigen Rollensegmenten, welche sich aus den Rollenelementen bilden, die zu analysierenden Felder einer Zivilmacht dar (Maull 2014: 127). Daraus ergibt sich der Idealtyp einer Zivilmacht nach Hanns W. Maull. (siehe Tabelle 1). In dieser sind die Verhaltenskategorien einer Rolle direkt dem Rollensegment einer Zivilmacht zugeordnet. Drei Rollenelemente gewinnen dabei an bedeutender Gewichtung: a) das Bestreben, die internationalen Beziehungen zu zivilisieren und eine regelgeleitete Weltordnung aufzubauen, b) die Bereitschaft zur partiellen Souveränitätsübertragung in diesem Zusammenhang, und c) die Bereitschaft, internationale Normen auch dann zu befolgen, wenn unmittelbare nationale Interessen dies nicht unbedingt nahe legen oder gar dagegen sprechen (Maull 2014: 127). Diese drei Rollenelemente bilden einen übergeordneten Rahmen, welcher das Verhalten eines Idealtypus der Zivilmacht charakterisiert. In der deutschen Außenpolitik ist das Rollenkonzept der Zivilmacht erstmals nach der deutschen Wiedervereinigung in den Fokus theoretischer Überlegungen getreten und ist der Bundesrepublik Deutschland als Rolle historisch wie zeitgenössisch zugeschrieben worden (Maull 2007: 75). Das Analyseschema in Tabelle 1 soll in der vorliegenden Arbeit den theoretischen Rahmen bilden, welcher die Frage beantworten soll, ob die deutsche Enthaltung bei der Resolution 1973 ebenfalls in der Tradition Deutschlands als Zivilmacht steht? Hierbei werden einzelne Rollensegmente nicht näher behandelt, da diese im vorliegenden Fallbeispiel keine ausschlaggebenden Variablen darstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Die analytischen Kategorien des Zivilmachtkonzeptes Quelle: Maull 2014: 143.

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Details

Seiten
24
Jahr
2015
ISBN (eBook)
9783668382916
ISBN (Paperback)
9783668382923
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Erscheinungsdatum
2017 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
Libyen Deutsche Außenpolitik Zivilmacht Außenpolitik
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