Die wirtschaftliche Betätigung der „öffentlichen Hand“ ist keine moderne Erscheinung. Mit dem Wechsel politischer Leitbilder hat sich auch die Rolle der öffentlichen Hand im Wirtschaftsgefüge immer wieder gewandelt. Vor allem die vergangenen 30 Jahre waren eher durch Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung geprägt. Dennoch ist die Liste der Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen in öffentlicher Hand noch lang. So war der Bund bis Ende Dezember 2012 an 702 Unternehmen des öffentlichen oder privaten Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt. Hinzu kommen zahlreiche Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen der Länder und Kommunen. In Zeiten knapper Kassen sind es vor allem die Kommunen, die zunehmend in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft treten, um mehr Einnahmen zu generieren. Dies gibt Anlass, sich näher mit den unternehmerischen Aktivitäten der öffentlichen Hand zu beschäftigen und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb zu beleuchten. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage nach der Zulässigkeit dieser Wirtschaftstätigkeit. Diese kann aus verschiedenen juristischen Perspektiven unter die Lupe
genommen werden, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit angeschnitten werden. Der Fokus liegt jedoch auf den Wirtschaftsgrundrechten der privaten Anbieter, insbesondere auf der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Inhalt
Literatur
I Einleitung
II Verfassungsrechtliche Strukturentscheidungen
1.Wirtschaftstätigkeit und Grundgesetz
2. Allgemeines Prinzip der Subsidiarität
3. Gemeinwohl als Voraussetzung jeden staatlichen Handelns
III. Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen als verfassungsrechtliche Garantie
1.Berufsfreiheit von Kommunen (Art.12 Abs.1 GG) und Selbstverwaltungsgarantie (Art.28 Abs. 2 S.1 GG)
IV. Kommunales Wirtschaftsrecht der Länder
V. Schutz privater Konkurrenten durch einfaches Recht
VI. Berufsfreiheit privater Konkurrenten (Art. 12 Abs. 1 GG)
1.Eingriff in den Schutzbereich
a)Schutzbereichseingrenzung der Rechtsprechung
b)Rechtfertigungslösung im Schriftentum
c)Kritik
aa) Schutzbereich berührt?
bb) Liegt Eingriff vor?
2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
VIII. Fazit
Literatur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I Einleitung
Die wirtschaftliche Betätigung der „öffentlichen Hand“1 ist keine moderne Erscheinung. Mit dem Wechsel politischer Leitbilder hat sich auch die Rolle der öffentlichen Hand im Wirtschaftsgefüge immer wieder gewandelt. Vor allem die vergangenen 30 Jahre waren eher durch Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung geprägt.2 Dennoch ist die Liste der Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen in öffentlicher Hand noch lang. So war der Bund bis zum 31. Dezember 2012 an 702 Unternehmen des öffentlichen oder privaten Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt.3 Hinzu kommen zahlreiche Unternehmen und Unternehmens- beteiligungen der Länder und Kommunen. In Zeiten knapper Kassen sind es vor allem die Kommunen, die zunehmend in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft treten, um mehr Einnahmen zu generieren.4 Dies gibt Anlass, sich näher mit den unternehmerischen Aktivitäten der öffentlichen Hand zu beschäftigen und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb zu beleuchten. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage nach der Zulässigkeit dieser Wirtschaftstätigkeit. Diese kann aus verschiedenen juristischen Perspektiven unter die Lupe genommen werden, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit angeschnitten werden. Der Fokus liegt jedoch auf den Wirtschaftsgrundrechten der privaten Anbieter, insbesondere auf der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
II Verfassungsrechtliche Strukturentscheidungen
1.Wirtschaftstätigkeit und Grundgesetz
Eine dem Grundgesetz immanente Wirtschaftsordnung könnte einen ersten Ansatz für oder gegen die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung von Kommunen bieten. Zwar lässt die bestehende Wirtschaftsverfassung den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Nachfrager und Anbieter auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien zu, aus den Grundrechten lässt sich jedoch keine Entscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsordnung entnehmen.5 Im Rahmen der durch die Wirtschafts- grundrechte vorgezeichneten Grenzen ist das Grundgesetz wirtschaftspolitisch neutral. Es fehlt eine eindeutige Aussage, inwiefern der Staat unternehmerisch tätig werden darf.6 Somit lässt sich auch kein allgemeines Verbot wirtschaftlicher Betätigung durch die öffentliche Hand ausmachen.7
2. Allgemeines Prinzip der Subsidiarität
Ein weiterer Ansatz ist die Prüfung eines Vorrangs der Privatwirtschaft, wenn das Grundgesetz von einem allgemeinen Prinzip der Subsidiarität ausgeht (u.a. aus Art.1, 6, 9, 28 GG).8 Demnach würde der Staat in jeglichen Bereichen erst am Ende stehen, auch im wirtschaftlichen Sektor. Aber auch für eine solche allgemeine Subsidiarität ist keine ausdrückliche Regelung zu finden. Die in Art. 23 Abs. 1 GG verankerte Subsidiarität bezieht sich lediglich auf das Verhältnis zur EU, nicht aber auf die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft.9
3. Gemeinwohl als Voraussetzung jeden staatlichen Handelns
Aus ordnungspolitischer Perspektive hat der Staat die Aufgabe, Wettbewerbsregeln festzulegen und sicherzu- stellen, dass diese von den Marktteilnehmern eingehalten werden. Greift der Staat in den Markt ein, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung. Auch die unternehmerische Betätigung der öffentlichen Hand stellt einen solchen rechtfertigungsbedürftigen Markteingriff dar.10 Dabei gilt es zunächst zu unterscheiden, um welche Art von Eingriff es sich handelt: Daseins- und Zukunftsvorsorge, die Vergabe von Aufträgen über Güter- und Dienstleistungen oder eine rein erwerbswirtschaftliche Betätigung.11 Vor allem letzteres Handeln steht in der Kritik, da der Staat in erster Linie das Gemeinwohl fördern soll.12 Er genießt nicht die Freiheiten des Grundgesetzes, sondern er gewährleistet sie. Der Staat handelt nur in Ausübung von Kompetenzen beziehungsweise öffentlichen Aufgaben. Dementsprechend muss der Staat, wenn er sich wirtschaftlich betätigt auch einen „öffentlichen Zweck“ verfolgen. Eine rein erwerbswirtschaftliche Betätigung ist hingegen untersagt.13 Gleiches gilt für die Gemeinden. Sie sind als Träger öffentlicher Gewalt ebenfalls ein „Stück Staat“14.
Dient die Erzielung von Gewinnen jedoch der Finanzierung anderer öffentlicher Aufgaben und entlastet somit den öffentlichen Haushalt, kann die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auch so ausgelegt werden, dass sie das Gemeinwohl fördert.15 Im Bezug auf die Kommunen würde dieser Auslegungsansatz bedeuten, dass, insofern keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zur Verfügung stünden, es durchaus legitim wäre, neue Einnahmequellen zu schaffen.16 Die im Kontext dieser Diskussion oft angeführte „Sasbach- Entscheidung“17 des Bundesverfassungsgerichts beinhaltet kein Verbot erwerbswirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden. Auch das Grundgesetz untersagt nicht ausdrücklich die Generierung anderer Einnahmequellen neben der Erhebung von Steuern.18
Die Finanzverfassung (vgl. Art. 105 ff. GG) geht jedoch davon aus, dass die vorzügliche Finanzierung öffentlicher Aufgaben über Abgaben finanziert wird.19 Besteht die Möglichkeit, den Finanzbedarf über Steuern zu decken, ist eine zusätzliche erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand schlichtweg nicht notwendig. Zudem würde im Falle einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, der Staat einem Verlustrisiko ausgesetzt sein, was nicht der Fall sein sollte.20 Zudem brächte eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand zahlreiche Konflikte mit sich. Bürger, die in unmittelbarer Konkurrenz öffentlicher Wirtschaftstätigkeit stehen, müssten einerseits nach wie vor Steuern zahlen und würden andererseits zusätzlich durch möglichweise geminderte Erwerbschancen belastet.21
Es ist demnach keine Lösung, die Problematik der Kommunen aus immer mehr hinzukommenden Aufgaben bei gleich bleibenden Finanzmitteln, damit zu beheben, ihnen eine erwerbswirtschaftliche Betätigung zu erlauben. Vielmehr sollte das Land mit einer Pflichtenreduzierung bzw. einer legitimen Mittelzuwendung reagieren.22
III. Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen als verfassungsrechtliche Garantie
1.Berufsfreiheit von Kommunen (Art.12 Abs.1 GG) und Selbstverwaltungsgarantie (Art.28 Abs. 2 S.1 GG)
Die rein erwerbswirtschaftliche Betätigung von Kommunen könnte lediglich unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes in Betracht kommen. Dazu müsste die Berufsfreiheit aus Art.12 Abs.1 GG auch für Kommunen gelten. Gemäß Art.19 Abs.3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, sofern sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Es wird nicht nach juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts unterschieden.23 Trotzdem es einige Stimmen in der Debatte gibt, die öffentliche Unternehmen durchaus im gleichen „Subjektionsverhältnis“ sehen wie juristische oder natürliche Personen des Privatrechts24, wird diese Sichtweise nach herrschender Meinung jedoch abgelehnt.25 Art.19 Abs.3 GG findet dann Anwendung, wenn die freie Entfaltung der privaten Persönlichkeit durch juristische Personen wahrgenommen wird.26 Für juristische Personen des öffentlichen Rechts spielt der Art.19 Abs.3 GG aber keine Rolle, da diese in der Regel mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut sind. Dabei nehmen sie keine Freiheiten wahr, sondern handeln in Ausübung von Kompetenzen.27 Selbst, wenn öffentliche juristische Personen nicht in der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe handeln, kann für sie nicht der selbe Grundrechtsschutz gelten, da auch dann keine vergleichbare grundrechtstypische Gefährdungslage vorliegt.28 Dieser Grundsatz gilt unabhängig von Organisations- und Handlungsform öffentlicher Unternehmen. Der Staat darf sich durch Wahl der Rechtsform weder seinen Pflichten entziehen, noch zusätzliche Berechtigungen verschaffen.29 Bei gemischten Unternehmen richtet sich die Rechtslage danach, ob der private oder der öffentliche Teilhaber den überwiegenden Einfluss ausübt.30
Kommunen beziehen sich zudem in der Debatte, ob eine Wirtschaftstätigkeit zulässig ist, oft auf die in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG postulierte Selbstverwaltungsgarantie. Diese gibt den Kommunen das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Als Instrument umfasst der Art. 28 Abs.2 S.1 GG dabei auch die Möglichkeit zur unternehmer- ischen Betätigung der Gemeinden, was jedoch nicht bedeutet, dass diese unbegrenzt ausgeübt werden darf.31 Wird die Gemeinde erwerbswirtschaftlich tätig, muss es sich um solche Angelegenheiten handeln, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln. Jegliches über die Gemeindegrenzen hinaus stattfindende erwerbswirtschaftliche Handeln wird nicht von Art.28 Abs.2 S.1 GG umfasst und bedarf einer zusätzlichen gesetzlichen Ermächtigung.32 Auch wird den Gemeinden durch Art.28 Abs.2 S.1 GG keine Eingriffs- befugnis gegenüber Privatunternehmen verliehen.33
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1 Gemeint ist hier jeder Träger von Staatsgewalt; Gusy, JA 1995, S.166.
2 Vgl . Bundeskartellamt (Hrsg.), Der Staat als Unternehmer 2014, S. 6.
3 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Beteiligungsbericht 2013, S.10.
4 So z.B. kommunale Landschaftsgärtnerei, Nachhilfeunterricht, Autoverwertung etc.; vgl. Aufzählung bei Schink, NVwZ 2002, S.129.
5 Ossenb ü hl, AöR 115 (1990), S.1.
6 Bundeskartellamt (Hrsg.), Der Staat als Unternehmer 2014, S. 10.
7 Gusy, JA 1995, S.166.
8 Oppermann, JUS 1996, S.569.
9 Otting, Neues Steuerungsmodell, S.149 f.
10 Eickhof, in: Edeling, Öffentliche Unternehmen, 2001, S. 67 ff.
11 Stober, Allg. WiVerwR, § 24 II.
12 Ipsen, in: FS Rausching, S.645.
13 Selmer in Stober/Vogel, Wirtschaftliche Betätigung, S.75.
14 BVerfGE 73, 118.
15 Otting, Neues Steuerungsmodell, S.142 f.
16 Otting, DVBI. 1997, S.1258.
17 BVerfGE 61, 82 (106 ff.): „Dabei muss das Unternehmen unmittelbar durch seine Leistung, nicht nur mittelbar durch seine Gewinne und Erträge dem Wohl der Gemeindebürger dienen. Rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Unternehmen sind den Gemeinden untersagt“.
18 Otting, Neues Steuerungsmodell, S.152.
19 Vgl . Stober, Handbuch § 45 IV.
20 Stober, ZHR 145 (1981).
21 Selmer in Stober/Vogel, Wirtschaftliche Betätigung, S.75.
22 Hösch, DÖV 2000, S. 393.
23 Vgl. Dreier, in: FS Scupin, S.81 ff.
24 Bettermann, in: FS Hirsch, S.1 ff.
25 Hösch, DÖV 2000, S. 393.
26 Vgl. BVerfGE 21, S. 362 ff.
27 BVerfGE 39, S. 302 ff.
28 BVerfGE 61, S. 82 ff.
29 Gusy, JA 1995, S.165.
30 Storr, Der Staat als Unternehmer 2001, S.238 ff.
31 Schulz/Tischer, GewArch 2014, S. 1 f.
32 Hösch, DÖV 2000, S. 393.
33 Hauser, Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen 2004, S. 85.