Community of Inquiry. Chancen und Grenzen in der beruflichen Weiterbildung zur Kinästhetik-Peertutorin / zum Kinästhetik-Peertutor
Zusammenfassung
In der beruflichen Weiterbildung werden klassische Präsenzseminare bereits seit Mitte der 90er Jahre durch digital unterstützte Lernangebote ergänzt oder abgelöst. Dabei konnte zu Beginn das Motiv für den Einsatz vor allem im betriebswirtschaftlichen Kontext gesucht werden. Wie Untersuchungen gezeigt haben, können in der beruflichen Weiterbildung mit Lernszenarien, die aus einer Kombination von Face to Face Phasen und E-Learning bestehen, aber auch höhere Lernerfolge gemessen werden. Entscheidend dafür ist nach Kerres nicht der Einsatz digitaler Medien an sich, sondern das mit deren Einsatz verfolgte Bildungsanliegen und die danach auszurichtende Methodenwahl.
In techniknahen Berufsgruppen hat sich E-Learning in verschiedenen Settings und Anwendungskontexten längst etabliert. Anders sieht dies in personengebundenen Dienstleistungsberufen wie der Gesundheits- und Krankenpflege aus. Hier findet berufliche Weiterbildung immer noch, wie im Falle der Kinästhetik, vorwiegend in Form von Präsenzseminaren statt. Digitale Medien spielen für die Aktualisierung berufsrelevanten Wissens sowie für die Weiterentwicklung pflegerischer Handlungskompetenz bisher lediglich eine untergeordnete Rolle. Die Vorteile asynchroner, zeit- und ortsunabhängiger Kommunikations- und Lernmöglichkeiten, gerade in einem klassischen Schichtberuf wie der Pflege, bleiben insofern ungenutzt.
Konzepte, wie die Community of Inquiry, die sich an Deweys Pragmatismus orientieren, fokussieren ein erfahrungsbasiertes Lernen. Durch Erfahrung erworbenes Wissen soll, so die Annahme dieser Ansätze, leichter in situationsbezogenes Handeln umgesetzt werden können.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Lehr- Lerntheoretische Rahmung
2.1 Situiertes Lernen und Konstruktivismus
2.2 Pragmatismus
3 Das Konzept der Community of Inquiry (CoI)
3.1 Strukturelemente einer CoI
3.2 Selbstlernprozesse in einer CoI
3.3 Kooperative Wissensbildung in einer CoI
4 Kinästhetik in der Pflege – Konzept und berufliche Weiterbildungswege
4.1 Etymologie und Entwicklungsgeschichte
4.2 Kinästhetik-Peertutorin / Kinästhetik-Peertutor – der Weiterbildungsweg, spätere Aufgaben und Ziele
4.3 Blended Learning als mögliches Lehr-Lernarrangement
5 CoI – Prüfung der Eignung des Konzeptes im Kinästhetik-Peertutoring- Kurs
5.1 Unterstützung der Selbstlernprozesse
5.2 Unterstützung der kooperativen Wissensbildung
5.3 Grenzen einer CoI – kritische Reflexion
6 Fazit
1 Einleitung
Kinästhetik als erfahrungsbezogenes Bewegungskonzept findet im Gesundheitswesen seit mehr als zwanzig Jahren eine weite Verbreitung. Neue Aktualität erfährt Kinästhetik für berufliche Pflegende derzeit durch den vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) im Jahr 2014 konzipierten und konsentierten nationale Expertenstandard „Erhaltung und Förderung der Mobilität“. Seit 2015 befindet sich dieser in der modellhaften Implementierungsphase (vgl. Berger & Hennings, 2014, S.865). Als Multiplikatoren zur Umsetzung in den Einrichtungen sind unter anderem Kinästhetik-Peertutorinnen und Peertutoren gefragt. Die berufliche Weiterbildung dazu findet derzeit noch als reines Präsenzseminar statt.
In der beruflichen Weiterbildung werden klassische Präsenzseminare bereits seit Mitte der 90er Jahre durch digital unterstützte Lernangebote ergänzt oder abgelöst. Dabei konnte zu Beginn das Motiv für den Einsatz vor allem im betriebswirtschaftlichen Kontext gesucht werden (vgl. Kamin & Meister, 2016, S.58ff). Wie Untersuchungen gezeigt haben, können in der beruflichen Weiterbildung mit Lernszenarien, die aus einer Kombination von Face to Face Phasen und E-Learning bestehen, aber auch höhere Lernerfolge gemessen werden (vgl. Treumann, Ganguin, & Arens, 2012, S.59). Entscheidend dafür ist nach Kerres (vgl. 2014, S.8) nicht der Einsatz digitaler Medien an sich, sondern das mit deren Einsatz verfolgte Bildungsanliegen und die danach auszurichtende Methodenwahl. In techniknahen Berufsgruppen hat sich E-Learning in verschiedenen Settings und Anwendungskontexten längst etabliert. Anders sieht dies in personengebundenen Dienstleistungsberufen wie der Gesundheits- und Krankenpflege aus. Hier findet berufliche Weiterbildung immer noch, wie im Falle der Kinästhetik, vorwiegend in Form von Präsenzseminaren statt (vgl. Kamin & Meister, 2016, S.68). Digitale Medien spielen für die Aktualisierung berufsrelevanten Wissens sowie für die Weiterentwicklung pflegerischer Handlungskompetenz bisher lediglich eine untergeordnete Rolle (ebd., S.69). Die Vorteile asynchroner, zeit- und ortsunabhängiger Kommunikations- und Lernmöglichkeiten, gerade in einem klassischen Schichtberuf wie der Pflege, bleiben insofern ungenutzt.
Bevor eine Weiterbildung wie die zur Kinästhetik-Peertutorin bzw. zum Kinästhetik-Peertutor als Blended Learning Angebot umstrukturiert wird, muss im Sinne Kerres (vgl. 2014, S.8) zunächst geprüft werden, auf Basis welcher Lehr-Lerntheorie und welcher didaktischer Modelle das konkrete Bildungsanliegens erreicht werden kann. So reicht z.B. die Aneignung theoretischen Wissens alleine nicht aus, um pflegebedürftige, mobilitätseingeschränkte Menschen adäquat zu unterstützt. Jede Pflegesituation muss neu analysiert und situationsbezogen sowie problemorientiert gelöst werden können.
Konzepte, wie die Community of Inquiry, die sich an Deweys Pragmatismus orientieren, fokussieren ein erfahrungsbasiertes Lernen. Durch Erfahrung erworbenes Wissen soll, so die Annahme dieser Ansätze, leichter in situationsbezogenes Handeln umgesetzt werden können (vgl. Kerres & de Witt, 2004, S.1). In dieser Arbeit wird daher der Frage nachgegangen, inwiefern sich das Konzept einer Community of Inquiry eignet, in einem als Blended-Learning konzipierten Kinästhetik-Peertutoring-Kurs die kooperative Wissensbildung sowie den Selbstlernprozess zu unterstützen.
Dazu werden zunächst die Ansätze des situierten Lernens und des Konstruktivismus erläutert, sowie deren Verbindung zu Deweys Pragmatismus mit Bezug auf das Konzept der Community of Inquiry (im folgenden mit CoI abgekürzt) dargelegt. Was unter einer CoI zu verstehen ist und durch welche Strukturelemente sie gebildet wird, ist Gegenstand von Kapitel drei. Im Kapitel vier wird zunächst Kinästhetik als bewegungstherapeutisches Konzept in der Pflege dargestellt, bevor auf die Ziele und Inhalte der Kinästhetik-Peertutoring-Kurse und ihre Rolle bei der Umsetzung des neuen Expertenstandards näher eingegangen wird. Die leitende Forschungsfrage soll mit Kapitel fünf beantwortet werden. Dazu zählt auch die kritische Reflexion einer CoI im hier gewählten Kontext. Im abschließenden Fazit werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst.
2 Lehr- Lerntheoretische Rahmung
Die Vorstellungen darüber, wie Lernen konkret abläuft und welche Faktoren Lernen begünstigen, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend geändert. In der Literatur finden sich meist die drei aus der Psychologie stammenden lerntheoretischen Basiskonzepte Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus, welche zeitlich aufeinanderfolgend entstanden sind (vgl. Kerres, 2013, S.130, Riedl, 2011, S.100). Aktuelle Diskussionen fokussieren dabei nicht mehr die Frage, welcher der Ansätze der Überlegenere ist. Je nach verfolgtem Lernziel und Einsatzbereich zeigen sich Stärken und Schwächen in jeder der genannten Lehr- Lerntheorien (vgl. Kerres, 2013, S.151,Kerres & de Witt, 2004, S.5). Geht es um den Erwerb inhaltlichen Wissens, sind Lernformen der direkten Instruktion geeignet, während sich für den Erwerb von Anwendungs- und Handlungswissen situierte bzw. konstruktivistische Ansätze bewährt haben (vgl. Gruber, Mandl, & Renkl, 2000, S.152). Dies gilt auch für den Einsatz digitaler Medien. Der Nutzen wird nicht durch das Medium alleine bestimmt, sondern durch das mit dem Einsatz verfolgte Bildungsanliegen. Das didaktische Arrangement richtet sich insofern nach den Bildungszielen (vgl. Kerres, 2013, S.8, Kerres & de Witt, 2004, S.5).
Zeitgemäße Didaktik beruflicher Bildung ist vorwiegend handlungs- und problemorientiert ausgerichtet und vertritt damit eine eher konstruktivistische Lernauffassung (vgl. Riedl, 2011, S.58). Dies trifft auch auf die Ausbildung in den Pflegeberufen zu, in denen Ansätze situierten und problemorientierten Lernens seit der Umstellung auf lernfeldorientierte Curricula zentrale Bezugspunkte sind (vgl. Schewior-Popp, 2013, S.6f). Der Erwerb theoretischen Wissens in Kinästhetik-Peertutoring-Kursen reicht nicht aus, um als Mentor Kollegen anzuleiten und gemeinsam Pflegesituationen im Bezug auf die Mobilitätsförderung und -erhaltung zu analysieren. Kinästhetik wird nicht als Abfolge von einfachen Grifftechniken gelehrt. Es ist ein erfahrungsbasiertes Konzept, welches von Pflegenden ein umfassendes Fallverstehen sowie Problemlösungskompetenz erfordert (vgl. Asmussen-Clausen, 2003b, S.16). Im folgenden Kapitel wird daher zunächst auf das situierte Lernen und die Lernauffassung des Konstruktivismus näher eingegangen, um in einem zweiten Schritt den Bezug zu Deweys Pragmatismus und der CoI herzustellen.
2.1 Situiertes Lernen und Konstruktivismus
Lernen, so die zentrale Annahme situierter Ansätze, ist an eine konkrete Handlungssituation gebunden und findet in der Interaktion mit Individuen statt. Ziel situierter Ansätze ist die Vermeidung trägen Wissens (vgl. Gruber et al., 2000, S.143). Mit trägem Wissen bezeichnen Riedl und Kerres (2011, S.112, 2013, S.144) insbesondere theoretisch erworbenes, abstraktes Wissen, welches auf außerschulische Situationen nicht übertragen werden kann. Ansätze situierten Lernens versuchen dagegen, den Aufbau trägen Wissens zu vermeiden, indem Lernumgebungen geschaffen werden, die sowohl den späteren Anwendungskontext als auch die soziale Interaktion berücksichtigen. Ziel ist das Lernen in einer möglichst authentischen Lernumgebung und die Konfrontation mit „echten“ Problemen (vgl. Kerres, 2013, S.144).
Überlegungen aus den situierten Ansätzen stießen Anfang der 1990er auf wachsende Akzeptanz (vgl. Kerres, 2013, S.144, Treumann et al., 2012, S.51). Konstruktivistische Lehr- Lernmodelle sehen Lernen im Anschluss daran als aktiven, selbstgesteuerten sozialen Prozess. Dabei integriert der Lerner neues Wissen situations- und kontextgebunden in sein subjektives und kulturell geprägtes Vorwissen (vgl. Treumann et al., 2012, S.51). Entsprechend unterschiedlich und nicht vorhersagbar sind die jeweiligen Lernergebnisse. Mit Konzepten konstruktivistischer Didaktik wird die Auffassung vertreten, dass Wissen vom Lerner, entsprechend seiner subjektiven Wahrnehmung, aktiv und eigenständig konstruiert wird und von außen nicht herstellbar ist (ebd.). Lernen ist demnach ein individueller Prozess.
Die Auffassung, dass Lernen situationsgebunden ist, vertrat bereits John Dewey (1859-1952). Seine Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Entwicklung der CoI (vgl. de Witt, 2011, S.314) und sollen deshalb hier näher erläutert werden.
2.2 Pragmatismus
Dewey beschäftigte sich, neben der Situationsgebundenheit, vor allem mit dem Einfluss der Erfahrung auf das Lernen im konkreten Handlungsvollzug. Als Ausgangspunkt von Lernprozessen sieht er Handlungen, die nach seiner Auffassung erst zu „bildender Erfahrung“ führen (vgl. Czerwionka & de Witt, 2006, S.121). Eine Handlung, die zu bildender Erfahrung führt, muss nach Dewey verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Es darf sich dabei nicht um eine reine Routinetätigkeit im immer gleichen Kontext handeln, da dies nicht zum Denken und Reflektieren anregt (vgl. Dewey, 1994, S.147). Wichtig ist es, nötige situative Veränderungen im Handlungsablauf zu erkennen und diese auf zukünftige Handlungen zu beziehen, im Sinne eines „abgeänderten Reagierens“ (ebd., S.146). Bildende Erfahrung erwirbt der Lernende immer dann, wenn vergangene und zukünftige Handlungen miteinander in Verbindung gebracht werden können und aus der Reflexion darüber neue Handlungsstrategien entstehen (ebd., S.141).
Durch Erfahrung Lernen heißt das, was wir den Dingen tun und das, was wir von ihnen erleiden, nach rückwärts und vorwärts miteinander in Verbindung zu bringen. Bei dieser Sachlage aber wird das Erfahrene zu einem Versuch, zu einem Experiment mit der Welt zum Zwecke ihrer Erkennung. Das sonst nur passive Erleiden wird zum „Belehrtwerden“, d.h. zur Erkenntnis des Zusammenhangs der Dinge.(Dewey, 1994, S.141)
Dabei beschreibt Dewey Lernen als Inquiry-Prozess, welcher sich als typischer Forschungsprozess in fünf Stufen vollzieht (vgl. Kerres, 2013, S.230, nach Hickmann, 2004)
- Selbstbezug: Ausgangspunkt des Forschens ist eine persönlicher Bezug zum Lerngegenstand, der zum Lernen motiviert.
- Definition des Problems: Unter Zuhilfenahme vorangegangener Erfahrungen wird die Situation eingeordnet, das Problem herausgestellt und näher definiert
- Hypothesenbildung: Eine erste Richtung zur Problemlösung wird durch die Formulierung von Hypothesen eingeschlagen.
- Testen und Experimentieren: Die Hypothesen werden durch konkrete Handlungen geprüft.
- Anwendung: Der Lernende reflektiert die mit der Problemlösung gemachte Erfahrung und wendet diese auf andere Bereiche an.
Forschen wird bei Dewey dabei nicht als wissenschaftlicher Prozess gesehen. „Alles Denken ist jedoch Forschung, alle Forschung ist eigene Leistung dessen, der sie durchführt, selbst wenn das wonach er sucht bereits der ganzen übrigen Welt restlos und zweifelsfrei bekannt ist“ (Dewey, 1994, S.150).
Soziale Interaktion und die kooperative Auseinandersetzung mit für den Lernenden relevanten Problemen sind im Sinne des Pragmatismus weitere wichtige Merkmale des forschenden Lernens. Dieses Verständnis von forschendem Lernen wird im Konzept der CoI fortgeführt (vgl. de Witt, 2011, S.314).
3 Das Konzept der Community of Inquiry (CoI)
Das Konzept der CoI wurde von Garrison und Anderson im Rahmen ihrer Forschung zum online Lernen entwickelt. Es baut dabei auf zwei Begriffen auf, die ihrer Ansicht nach für Lernprozesse in der höheren Bildung wesentlich sind: Community und inquiry (Garrison & Vaughan, 2008, S.9).
Forschendes Lernen vollzieht sich danach im sozialen Austausch. Der Gruppe als Ganzes wird im Sinne einer lernenden Gemeinschaft ein Lernpotential zugeschrieben. Dies geht weit über ein reines Lernen in der Gruppe zum individuellen Wissenserwerb hinaus und entspricht Deweys pragmatisch experimenteller Sicht auf das Lernen (vgl. de Witt, 2011, S.314). Demnach verstehen Garrison und Vaughan (2008, S.9) unter einer CoI „a cohesive and interactive community of learners whose purpose is to critically analyze, construct, and confirm worthwhile knowledge.“
Die drei Strukturelemente einer CoI werden im folgenden Kapitel näher beschrieben.
3.1 Strukturelemente einer CoI
Wie in Abbildung 1 dargestellt, konstituiert sich die CoI aus den drei Struktur- bzw. Schlüsselelementen Social Presence, Cognitive Presence und Teaching Presence. Dabei ergänzen diese sich wechselseitig und verstärken sich in ihrer Wirkung (vgl. Garrison & Vaughan, 2008, S.18f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Community of Inquiry Framework (Garrison & Vaughan. 2008, S.18))
Social Presence bezieht sich auf den Umfang, in dem sich Lernende in einer Lerngemeinschaft als reale Person einbringen. Wichtige Kategorien zur Herstellung sozialer Präsenz sind nach Garrison und Vaughan (vgl. 2009, S. 19) offene Kommunikation, Gruppenzusammenhalt und Emotionalität.
Mit Cognitive Presence wird beschrieben, inwiefern es Lernenden gelingt, durch Austausch von Ideen und unterschiedlichen Perspektiven sowie im Diskurs, Wissen zu teilen und neu zu generieren (ebd., S.19).
Teaching Presence wird durch aktive Unterstützung Lehrender hergestellt, kann aber auch von Lernenden selbst durch gegenseitige Bezugnahme erreicht werden. In Lerngemeinschaften sind also sowohl Lehrende als auch Lernende für den eigenen Lernprozess sowie den Lernfortschritt der ganzen Gruppe verantwortlich (vgl. Czerwionka & de Witt, 2006, S.125).
Communities of Inquiry, lernende Gemeinschaften, zeichnen sich vor allem durch ein kooperatives Lernen in der sozialen Interaktion aus. Ein gemeinsames Bearbeiten von Problemen, im Sinne des weiter oben beschriebenen Inquiry-Prozesses, soll dabei ein vertiefendes Lernen unterstützen (ebd., S.120), worauf im Folgenden näher eingegangen wird.
3.2 Selbstlernprozesse in einer CoI
Als mögliche Vorteile kooperativer Lernmethoden konnte in zahlreichen Studien eine verbesserte soziale Kompetenz sowie eine höhere Lernmotivation der Lernenden belegt werden (vgl. Czerwionka & de Witt, S.117). Damit jedoch bessere Lernergebnisse erzielt werden, erfordert kooperatives Lernen nach Dubs (S.195ff, nach Riedl, 2011, S.115) individuelle Kompetenzen wie Sozialkompetenz und „Ungewissheitstoleranz“. Darunter versteht er die Bereitschaft, sich gerade mit Fragen und Problemen zu beschäftigen, deren Ergebnisse nicht unmittelbar zu erkennen sind. Zur Bewältigung der Aufgabenstellung, muss, nach Dubs (ebd.), eine Kooperation der Lernenden auch tatsächlich notwendig sein, da dies die Motivation zur Zusammenarbeit erhöht. Je vergleichbarer dabei der Status zwischen den Gruppenmitgliedern, desto wirksamer erweist sich die Kooperation. Zu beachten sind nach Dubs (S.197f, ebd. S.116f) aber auch sogenannte Prozessverluste, die gerade durch Gruppenarbeit entstehen können. Dazu zählt er z.B., wenn Lernende sich innerhalb einer Gruppe nicht beteiligen oder die kognitiven Unterschiede der Teilnehmer zur Demotivation sowohl Leistungsschwacher als auch Leistungsstarker führt. Ebenso kann eine zu starke Konzentration auf das Lernprodukt die Lernergebnisse mindern, da diskursive Prozesse eher unterdrückt werden, um die Arbeitsaufgabe möglichst schnell zu lösen.
Wie Dubs (S.214, nach Riedl, 2011, S.115f) anmerkt, können die Prozessverluste durch gute Vorbereitung und ein geeignetes Scaffolding der Lehrkraft verringert werden. Die Minimierung dieser Prozessverluste wird im Konzept der CoI mit den drei Strukturelement Social Presence, Cognitive Presence und Teaching Presence eingelöst. Bei Dubs steht der individuelle Lernfortschritt durch ein Lernen in der Gruppe im Mittelpunkt, der so gesehen auch in der CoI gefördert wird. Das charakteristische einer CoI als Lernende Gemeinschaft ist jedoch die kooperative Wissensbildung. Hier zeigt sich ihre Orientierung an Deweys Pragmatismus, der der Gruppe als Ganzes, durch Austausch und Reflexion gemachter Erfahrungen, ein Lernpotential zuschreibt (vgl. Kerres & de Witt, 2004, S.15).
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