Ziel dieser Exegese wird es sein, den alttestamentlichen Text (Verse 10 bis 22) in Genesis, Kapitel 28 zu untersuchen. Dabei gilt es natürlich, auch die Quellenlage zu analysieren und zu beschreiben.
Jakob trifft auf seiner Flucht von Beerscheba nach Haran auf einen Ort. Dieser Ort wird durch Jakobs nächtlichen Traum zum Ort der Gottesbegegnung. Jakob erkennt diesen Ort als solchen und kennzeichnet ihn, durch das Aufstellen der Mazzebe. Dadurch wurde Bet-El historisch gesehen zum wichtigen Wallfahrtsort. Durch Jahwes Segenszusage wird Jakob zum Erzvater Israels und gliedert sich somit in die Vätergeschichten ein. Des Weiteren finden die Traditionen von Gelübde und Zehnten in der Textperikope ihre Begründung.
Inhaltsverzeichnis
1 Übersetzung
2 Textkritik
3 Literarkritik
4 Überlieferungsgeschichte
5 Redaktionsgeschichte
6 Formgeschichte
7 Traditionsgeschichte
8 Historische Aussageabsicht und Interpretation
9 Literaturverzeichnis
1 Übersetzung
10 Und Jakob ging heraus aus Beerscheba und er ging nach Haran.
11 Und er stieß an den Ort und er übernachtete da, denn die Sonne war untergegangen und er nahm von den Steinen des Ortes und er legte ihn an sein Kopfende und er legte sich an jenen Ort.
12 Und er träumte und siehe eine Treppe war auf die Erde gestellt und ihre Spitze berührt bis an den Himmel und siehe Engel Gottes stiegen hinauf und stiegen hinab auf ihr.
13 Und siehe JHWH stellt sich zu ihm hin und er sagte:
Ich bin JHWH, der Gott Abrahams, deines Vaters, und Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst gebe ich dir und deiner Nachkommenschaft.
14 Und es wird deiner Nachkommenschaft geschehen wie dem Staub der Erde und du wirst dich ausbreiten nach Westen und nach Osten und nach Norden und nach Süden und alle Geschlechter der Menschen sollen durch dich gesegnet sein und deine Nachkommenschaft.
15 Und siehe ich bin mit dir und ich behüte dich bei allem wohin
du gehen wirst und ich bringe dich zurück zu diesem Land, denn ich darf dich nicht verlassen bis ich getan haben, was ich dir gesagt habe.
16 Und Jakob erwachte aus seinem Schlaf und er sagte:
Fürwahr, der Herr ist an diesem Ort und ich habe es nicht gemerkt.
17 Und er fürchtete sich und er sagte: Wie furchtbar ist dieser Ort, denn dies ist nichts, als das Haus Gottes und dies das Tor des Himmels.
18 Und Jakob machte sich früh am Morgen auf und er nahm den Stein, den er an sein Kopfende gelegt hatte und er stellte ihn als Steinmal auf und er goss Öl auf seine Spitze.
19 Und er nannte den Namen dieses Ortes Bet-El dagegen aber war Lus der frühere Name der Stadt.
20 Und Jakob legte ein Gelübde ab um zu sagen: Wenn der Herr, Gott mit mir ist und mich auf diesem Weg behütet, den ich gehe und er mir Brot zu Essen gibt und ein Kleid zum Anziehen.
21 Und ich kehre in Frieden zu dem Haus meines Vaters zurück und der Herr wird mein Gott sein.
22 Und dieser Stein, den ich als Steinmal aufgestellt habe, wird ein Haus Gottes werden und alles, was du mir geben wirst, als Zehnten werde ich dir verzehnten.
2 Textkritik
Zu der ausgewählten Textperikope führt der textkritische Apparat der Biblia Hebraica Stuttgartensia1 eine Anmerkung. In Vers 14 ª wurde ,,und in deiner Nachkommenschaft'' ergänzt,ובזרעךmöglicherweise ein wie es in Gen 12,3 und Gen 18,18 der Fall ist.
Es wurde damit versucht ein mögliches Verständigungsproblem zu tilgen. Somit ist davon auszugehen, dass es sich bei dieser Zufügung und eine Erweiterung der ursprünglichen Leseart, gemäß der Regel lectio brevior potior 2 , handelt.
3 Literarkritik
Der Textabschnitt, um den es sich in dieser exegetischen Arbeit handelt, steht im Buch Genesis, dem ersten Buch des Pentateuchs. Gen 28, 10-22 gehört zu den Vätergeschichten (Gen 12-36.38) und steht somit zwischen der Urgeschichte (Gen1-11) und der Josefsnovelle (Gen 37.39-50)3.
Das wichtigste Motiv der Vätergeschichten ist die Wiederholung der Segenszusage, in der JHWH Abraham (Gen 12, 1-3), dem Großvater Jakobs, Isaak (Gen 26,24), dem Vater Jakobs und Jakob selbst (Gen 28,13f.) das Land verheißt4. Auffällig ist, dass JHWH Jakob das Land verheißt, obwohl er nicht der erstgeborene Sohn ist. Sein Zwillingsbruder Esau erblickte zuerst das Licht der Welt. Zu erklären ist das durch eine andere Verheißung JHWHs in Gen 25, 23. In dieser verheißt JHWH Rebekka vor der Geburt der Brüder, dass der Ältere dem Jüngeren dienen wird (Gen 25, 23).
Durch eine listige Handlung erlangt Jakob in Gen 27, 1- 45 den Erstgeborenensegen seines Vaters Isaak, welcher eigentlich Esau zustand. Nach dieser listigen Tat, folgt Jakob der Aufforderung seiner Mutter in Gen 27, 43 und macht sich auf den Weg von Beerscheba, in das nördlich gelegene Haran, wo er sich eine Tochter Labans zur Ehefrau nehmen soll.
Durch die vorhergegangen Erzählung in Gen 26, 23 konnte der Leser erfahren, dass Jakob sich zuvor mit seiner Familie in Beerscheba ,,und er ging heraus''ויצאaufhielt. Vers 10 wird durch das Verbum eingeleitet. Dieses steht im Narrativ, wodurch von einem Anschluss an die vorhergegangene Erzählung ausgegangen werden kann5. Folglich ist der Vers eine Überleitung von Gen 26, 23 -28, 9 zu Gen 28, 11-22. Aus Gen 27, 41-45 wird deutlich, dass Jakob einst die Rückkehr in seine Heimat anstrebt. Ein Bezug dazu findet man in der Textperikope 28, 10- 22. In dieser verheißt JHWH Jakob in V.15 seine Rückkehr. Jakobs Wunsch nach einer Rückkehr wird wiederum in V.21 deutlich. Es lässt sich demnach auch hier eine Verbindung zu dem Kontext erkennen. Mit dem Gelübde und der damit verbundenen Selbstverpflichtung Jakobs in den V.20-22 endet dieser Textabschnitt und fordert eine Fortsetzung des Textes. Es schließt sich Gen 29,1, der von Jakobs Aufbruch erzählt, an und stellt wie V.10 eine Überleitung dar. Da es Rückbezüge zu Abraham und Isaak gibt, muss der Text im Kontext der Vätererzählungen gesehen werden.
Die Textperikope ist klar gegliedert. In V.10 handelt es sich um eine Itinerarnotiz6, welche Jakobs Weg beschreibt. In V.11 beginnt dann die eigentliche Handlung, mit der Ankunft an einem ihm unbekannten Ort und der Bereitung seines Nachtlagers. Jakob träumt nachts von den Engeln JHWHs auf der Himmelsleiter (V.12). Der Höhepunkt seines Traumes ist die Theophanie und die folglich damit verbundene Verheißung an Jakob und seine Nachkommenschaft in den V.13-15. Jakob erwacht und erschrickt, als er die Anwesenheit JHWHs an diesem Ort und somit die Bedeutung des Ortes erkennt (V.16-17). In V.19 reagiert Jakob auf den Traum, indem er den Stein, auf welchem er in der Nacht schlief, salbt und den heiligen Ort als ,,Bet-El= Haus Gottes‘‘ benennt. Der Vers 19 stellt das Ziel des Textabschnittes mit der Benennung des Ortes, Kultätiologie, dar7. Die letzten drei Verse sind ein Gelübde Jakobs.
Der Textabschnitt kann zwar gut gegliedert werden und scheint auch inhaltlich schlüssig zu sein, allerdings treten bei genauerer Betrachtung Unstimmigkeiten auf.
scheint einen neuenוהנהDie Eröffnung des 13. Verses mit dem Wort und unerwarteten Aspekt der Situation zu geben. Mit der Weglassung dieses Wortes würde sich der Sinn nicht verändern, da der Vers durch , welches sich auf Jakob bezieht, direkt in Relation zu V.12על'וdas Wort steht.
Eine weitere Auffälligkeit drückt sich in der Verwendung des Gottesnamens8 und der Gottesbezeichnung9 aus. Nur in den V.13-15 und im übrigen Text wird der Gottesnameיהוהwird der Gottesname verwendet. Außerdem sind die Verse 13-15 eine wörtliche Redeאלהים JHWHs. Die darauffolgenden Verse stellen, abgesehen von Jakobs wörtlicher Rede in den Versen 20-22, eine Erzählung dar. Inhaltlich widersprechen die Verse 13-15 dem Gelübde in den V.20-22. JHWH stellt in seiner Verheißung keine Bedingung an Jakob. Er gibt Jakob die Segenszusage und verspricht ihm seinen Schutz. Jakob wiederum verspricht, dass, wenn JHWH seine Zusagen einhält, er ihm eine Mazzebe errichten wird und ihm alles, was er ihm getan hat, verzehnten will, obwohl JHWH nichts forderte.
In der älteren Urkundenhypothese nahm man zunächst an, dass es zwei Hauptquellen Jehova (J) und Elohim (E) gibt. Zu dieser Annahme אלהים und יהוהgelang man, weil ein Wechsel des Gottesbegriffes stattfand. Auch Wellhausen geht davon aus, dass die V.13-16 von J die Rede ist und in den restlichenיהוהverfasst wurden, da in diesen von , welche folglich von E verfasst wurden. AllerdingsאלהיםVersen von lassen sich in V.21 beide Ausdrücke finden.
Doch es gibt auch eine andere Position, die besagt, dass der Wechsel der Gottesbezeichnung sich nicht auf J und E bezieht. Stattdessen hat es viel mehr mit der Unterscheidung zwischen der Kultlegende und ihrer Interpretation zu tun10. Es ist eher davon auszugehen, dass es sich um eine redaktionelle Ergänzung11 handelt.
Da der Gottesbegriff ) immer in einer Verbindung, wieאלהים( steht und der Gottesbegriff nur in V.22מלאכיbeispielsweise in V.12 mit für sich alleine steht, ist nicht davon auszugehen, dass die Urkundenhypothese vertreten werden kann.
Wellhausen stellt hierzu noch eine inhaltlich Frage. Wenn JHWH in V.13 direkt zu Jakob spricht, warum gibt es dann überhaupt eine Leiter und die Engel JHWHs12. Die Engel sollen eigentlich die Offenbarung vermitteln, was sie nicht tun. Stattdessen beginnt eine wörtliche Rede JHWHs. Würde man nun die V.13-16 außer Acht lassen und V.12 direkt mit V.17 verbinden, würde der Text problemlos weitergelesen werden können. Außerdem würde die Leiter als Verbindung zwischen Himmel und Erde in den Vordergrund rücken und die Engel zwischen Himmel und Erde vermitteln13. Was sie durch die V.13-16 nicht tun können.
[...]
1 Biblia Hebraica Suttagrtensia, K. Elliger/ W. Rudolph (Hg.) Stuttgart 5.Auflage 1997, S.44.
2 Vgl. Becker, S.39.
3 Vgl. Rösel, S. 7.
4 Vgl. Rösel, S. 10.
5 Vgl. Rendtorff, S. 512.
6 Vgl. Westermann, Am Anfang, S. 289.
7 Vgl. Westermann, Am Anfang, S.289.
8 Vgl. Rendtorff, S.515.
9 Vgl. Rendtorff, S.515.
10 Vgl. Levin, Der Jahwist, S.216.
11 Vgl. Levin, Der Jahwist, S.216.
12 Vgl. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, S.32.
13 Vgl. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, S.32.