Auf die Frage, wie eine Gesellschaft aufgebaut und strukturiert sein sollte, suchten schon viele Schriftsteller und Philosophen eine Antwort und sie findet nicht zuletzt Umsetzung in den Verfassungen verschiedener Staaten. Diese Arbeit versucht Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu vergleichen.
So soll zunächst geklärt werden, was nach Auffassung der beiden Vorlagen ein Volk ausmacht und wie es sich selbst versteht, um im Folgenden den Aufbau der Regierung genauer zu betrachten. Im Anschluss daran soll die praktische Umsetzbarkeit der beiden Gesellschaftsmodelle untersucht werden.
Inhalt
1 Einleitung
2 Die Gründung des Volkes
3 Die Strukturierung der Gesellschaft
3.1 Die Pflichten und Rechte des Bürgers
3.2 Die Gesetzgebung
3.3 Die Umsetzung von Gesetzen
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Frage, wie eine Gesellschaft aufgebaut und strukturiert sein sollte, wurde schon von mehreren Schriftstellern versucht zu beantworten und findet nicht zuletzt Umsetzung in den verschiedenen Verfassungen von Staaten. Ich möchte in dieser Arbeit nun versuchen Rousseaus Gesellschaftsvertrag mit dem Grundgesetz zu vergleichen. Aufgrund des Umfangs der Werke musste ich mich natürlich auf einige Vergleichspunkte beschränken. So soll zunächst geklärt werden, was nach Auffassung der beiden Vorlagen ein Volk ist und wie es sich selbst versteht, um im Folgenden genauer den Aufbau der Regierung zu betrachten. Eine Frage, die sich bei Gesellschaftstheorien immer aufdrängt, ist die der praktischen Umsetzbarkeit, die im Anschluss beantwortet werden soll.
Da das Grundgesetz als Gesetzestext klare Handlungsvorschriften, Gesetze, beinhaltet, bin ich der Meinung, dass diese nur schwer zu missverstehen sind. Sie können gewiss ausgelegt werden, was jedoch den Rechtsanwälten überlassen sein soll, jedoch ist deren Grundgedanke und -Idee, um die es in dieser Arbeit gehen soll, fast immer zu erkennen. Anders ist dies jedoch bei Rousseaus Gesellschaftsvertrag. Da sich hier, meiner Ansicht nach, Aussagen zu gleichen oder artverwandten Themen in unterschiedlichen Kapiteln widersprechen oder eben nur bei richtiger Interpretation korrekt verstanden werden. Da der Gesellschaftsvertrag sehr unterschiedlich aufgefasst werden kann, und ich mir nicht anmaße die einzig richtige und schlüssige Interpretation an jeder Stelle gefunden zu haben, gibt es bei fast allen Bezügen auf Rousseaus Werk auch andere mögliche Auslegungen. Doch um mein eigentliches Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren, werde ich in dieser Arbeit versuchen, nur eine, die meiner Meinung nach schlüssigste, Interpretation vorzustellen.
2 Die Gründung des Volkes
Die beiden betrachteten Werke, versuchen auf unterschiedliche Art eine Antwort auf die Frage zu finden, wie Menschen in einer Gemeinschaft miteinander leben sollten. Doch noch bevor sich diese Frage stellt, gilt es die Frage zu beantworten, wieso Menschen in einer Gemeinschaft miteinander leben sollten. Bleibt dem Menschen nicht alle Freiheit, die er nur besitzen kann, wenn er nicht auf andere Menschen Rücksicht nehmen muss? Die Notwendigkeit ein Volk zu gründen, führt Rousseau auf den Umstand zurück, dass der Mensch allein, als Individuum, nicht in der Lage sei den "Widerständen" entgegenzuwirken, die ihn daran hinderten, im vornatürlichen Zustand zu verbleiben, in dem alle Menschen friedlich und ungestört leben. Gemeint ist damit, dass der Menschen unweigerlich sozialisiert sei, sodass es ihm nicht möglich sei friedlich in diesem unsozialisierten, reinen, vornatürlichen Zustand zu koexistieren, sondern er Gesellschaften bilde, die zunächst auf der Herrschaft des Stärkeren beruhten. Das bezeichne Rousseau als Naturzustand und habe zur Folge, dass jedes Individuum seine natürlichen Rechte selbst verteidigen müsse, wozu aber nicht jeder in der Lage sei,1„da die Menschen nun keine neuen Kräfte hervorbringen, sondern nur die vorhandenen vereinen und lenken können, haben sie kein anderes Mittel sich zu erhalten, als durch Zusammenschluss[...] “.2Der Mensch ist also gezwungen Regeln zu entwerfen, um in einer Gemeinschaft leben zu können, da andernfalls das Recht des Stärkeren gelten würde, was zwar einigen, wenigen Menschen ein relativ angenehmes Leben verschaffen würde jedoch müssten auch diese ständig fürchten, dass ein noch stärkerer Mensch sie selbst unterdrückt, sodass auch die Stärksten von der Gründung eines Volkes profitieren und dieser also zustimmen sollten. Auch bei anderen Autoren sei, wie auch bei Rousseau, die Aufgabe eines Staates (unter anderem) der Erhalt des Gemeinwohls.3 Außerdem berücksichtigt das Recht des Stärkeren natürlich nicht den Rechtsanspruch den doch auch die Schwachen haben, wenngleich sie ihn nicht ausüben können. Diese Überlegung führt dazu, dass auch Ägypter, Griechen und Römer, die heute als erste moderne Gesellschaften gesehen werden, doch keine sind. Denn auch in diesen Gesellschaften gab es Sklaven, die keine Rechtsansprüche geltend machen konnten, was Rousseau schließen lässt, dass sich ein Volk immer selbst regieren müsse, d.h. niemandem unterworfen sein dürfe. So sei eine Gruppe unterdrückter, "versklavter" Menschen durch den Umstand, dass sie alle unter einem Herren versklavt sind nicht gleich ein Volk, da diese Unterdrückten, in dem Fall, dass ihr Herrscher stirbt, ihre Zusammengehörigkeit, also ihr Volk-Sein verlören. Auch die Herrschaft einer Gruppe über eine andere, mache diese zweite, unterworfene Gruppe, nicht zu einem Volk. Rousseau konstatiert also, dass auch die Herrschaft Vieler über Wenige, wie es z.B. bei Gruppen, die sich durch Mehrheitsentscheide regieren der Fall ist, kein Volk hervorbringe. Eine eindeutige Antwort, was ein Volk zu einem Volk macht, wer dazugehört und wer nicht, wird jedoch nicht ersichtlich.1
Eine genaue Erklärung, wieso das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu befolgen ist, eingeführt wurde, oder welchen Vorteil des dem Volk verspricht, ist nicht direkt zu finden, jedoch lässt sich in der Formulierung vieler Artikel ein Schutzgedanke erkennen. Als Beispiel seien hier die Grundrechte (Art. 1-19) genannt, die u.a. versuchen Gleichheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit u.v.m. zu Gewährleisten.2 Außerdem sieht es die Verfassung, im Rahmen des Grundrechts, als notwendig für sein Volk an, den „Bundesgrenzschutz“3 sowie die „Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung“4 zu realisieren. Was den Geltungsbereich der Grundgesetzes betrifft, so wird erklärt: „Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“5
Doch wer gehört also zu einem Volk? Ist dies durch den Wohnort bestimmt? Umfasst ein Volk all die Menschen, die sich der Verfassung des Volkes unterwerfen wollen, egal wo sie leben?
Rousseau erklärt dazu, dass die Glieder eines Volkes durch ein gesellschaftliches Band miteinander verbunden seien. Dieses gesellschaftliche Band sei, so Rousseau, das gemeinsame Interesse eine Gesellschaft zu gründen. Denn obwohl ihm Bewusst ist, dass die Menschen unterschiedliche Einzelinteressen verfolgen, vertritt er die Meinung, dass es aufgrund dieser unterschiedlichen Einzelinteressen zu Widersprüchen unter selbigen komme, was die Gründung einer Gesellschaft unvermeidlich mache, sodass doch alle Menschen, neben ihren verschiedenen Einzelinteressen, den Wusch nach einer Gesellschaft teilten.1
Auch hier ist das Grundgesetz im Vergleich wesentlich konkreter: „Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt [...].“2und ergänzt: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“3Obgleich es nicht im Grundgesetz selbst steht, so geht doch aus der Einleitung hervor, dass jeder Deutsche dazu verpflichtet ist die Gesetze des Landes zu respektiert, die er sich, als Teil des Volkes selbst gegeben habe4.
Auch Rousseau setzt diesen Respekt vor dem Staat und seinen Gesetzen voraus, denn er geht davon aus, dass die Bedingungen des Gesellschaftsvertrages, innerhalb eines Volkes, dessen Gründung auf diesem beruht, stillschweigend vorausgesetzt und akzeptiert würden. Anderenfalls sei der Vertrag in jeder Hinsicht5„null und nichtig"6 und die Glieder des Volkes würden ihre „natürliche Freiheit [wiedererlangen]“7, dem entgegenzuwirken der Sinn des Gesellschaftsvertrages ja nun einmal ist und mit diesem Ziel vor Augen ihm sich also jeder unterwerfen sollte. Doch wie sollen durch die Bildung einer Gesellschaft, die aufgrund ihrer Natur versucht alle Mitglieder zu einen, was unweigerlich dazu führt, dass sich die Mitglieder an die Gesellschaft und ihre Ideale anpassen müssen und womöglich auch Rechte an diese abtreten müssen, genau diese Rechte des Einzelnen durch die Gesellschaft geschützt werden? Die Schwierigkeit bei der Bildung eines Volkes besteht, wie Rousseau in einem Zitat des Aristoteles ausdrückt, darin „ ‚[...] eine Form des Zusammenschlusses [zu finden], die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder, indem er sich mit allen vereinigt nur sich selbst gehorcht und genauso frei bleibt wie zuvor.‘ “1
3 Die Strukturierung der Gesellschaft
3.1 Die Pflichten und Rechte des Bürgers
Sowohl der Gesellschaftsvertrag als auch das Grundgesetz sollen also die Grundlagen sein um in einem Volk zusammenzuleben und dieses Volk zu schützen. Doch wie sollte das umgesetzt werden? Wie ist dieses Zusammenleben strukturiert? Wer sorgt für den Schutz?
Die Grundvoraussetzung sei, so Rousseau, dass jedes Mitglied mit all seinen Rechten in der Gemeinschaft, dem Volk aufgehe, da sonst nicht alle Bürger/Innen gleich sein könnten und so, wie bereits beschrieben, die Glieder wieder ihre natürliche Freiheit erlangten. Dieses Aufgehen in der Gesellschaft sei die Grundvoraussetzung für den Gesellschaftsvertrag, auf die sich alle weiteren Bestimmungen berufen und auf die sie sich zurückführen ließen. Wer diese Prämisse nicht akzeptiert, verweigere sich folglich dem Gesellschaftsvertrag und sei nicht Teil des Volkes.2Die Aufgabe der eigenen, egoistischen Ziele und das Eintreten in eine Gesellschaft ist demnach Grundvoraussetzung für den Gesellschaftsvertrag, aber auch für die Gründung einer Gesellschaft. Außerdem wird dadurch, dass jeder sein eigenes Streben hintenanstellt und also seine Kraft fortan nur noch für die Gemeinschaft nutzt, jeder Teil der Gesellschaft, innerhalb der Gesellschaft gleichgestellt, was für die weiteren Ideen des Gesellschaftsvertrages essentiell sein wird. „Gemeinsam stellen wir alle, jeder von uns seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens; und wir nehmen, als Körper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf. Dieser Akt des Zusammenschlusses schafft augenblicklich anstelle der Einzelpersonen [...] eine sittliche Gesamtkörperschaft“3Die einzelnen Glieder des Volkes teilen also neben der Tatsache, dass sie ein Volk bilden und als solches durch ein Band verbunden sind, weiterhin sittliche Vorstellungen. Doch der wichtigste Punkt ist für Rousseau die
[...]
1Vgl. Rousseau, Jean-Jacques: Vom Gesellschaftsvertrag (1977), S. 16f. 2.
2Ebd., S. 17
3Vgl. Habermas, Jürgen: Politische Theorie (2009), S. 18 1
1Vgl. Rousseau, Jean-Jacques, a.a.O., S. 15f.
2Vgl. Art. 1 - 19 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 3
3Art. 12a GG.
4Art. 12a Abs. 3 GG.
5Präambel des GG.
1Vgl. Rousseau, Jean-Jacques, a.a.O., S. 28
2Art. 116 Abs. 1 GG.
3Art. 16 Abs. 1 GG.
4Vgl. Präambel des GG
5Vgl. Rousseau, Jean-Jacques, a.a.O., S. 17
6Ebd.
7Ebd.
1Ebd.
2Vgl. Ebd.
3Ebd., S. 18