Balanced Scorecard und ihre weiterentwickelten Varianten als zukunftsorientiertes Instrument des Risikomanagements in Industrieunternehmen
Zusammenfassung
Ziel des zweiten Kapitels ist es, eine Orientierung für das Risikomanagement zu geben und die mit der Thematik in Verbindung stehenden grundlegenden Begriffe näher zu erläutern. Es greift die zukünftigen Megatrends für Industrieunternehmen auf, beschreibt die Produktionsarbeit der Zukunft und geht auf deren Chancen und Risiken ein. Der Erfolgstreiber „Unternehmenskultur“, der als Grundlage für das Verankern eines (richtig verstandenen) Risikomanagements gilt, wird ebenfalls in diesem Kapitel beleuchtet.
Um ein wirkungsvolles Risikomanagement zu betreiben, kann der Einsatz der BSC bei der Identifikation von Chancen und Risiken unterstützen. Im dritten Kapitel werden deshalb zunächst die konzeptionellen Grundlagen der BSC erläutert. Aufgrund der erheblichen Defizite des klassischen Risikomanagements werden Aspekte dargestellt, die für eine Verknüpfung von Risikomanagement und BSC sprechen. Das Zusammenführen der beiden Steuerungsinstrumente kann auf unterschiedlichen Anwendungspotenzialen basieren, die in den jeweiligen Teilkapiteln beschrieben werden. Auf Basis der vier beschriebenen BSC-Modelle (BSCPlus, BSC mit eigener Risikoperspektive, Balanced Chance- and Risk-Card und Erfolgsfaktoren-basierte BSC) im Bereich Risikomanagement erfolgt deren Beurteilung hinsichtlich der Aufstellung eines Industrieunternehmens im Umgang mit Risiken und Chancen. Am Ende wird der Einsatz der BSC im Risikomanagement kritisch hinterfragt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Risikomanagement
2.1 Begriffliche Grundlagen
2.2 Zukünftige Herausforderungen für Industrieunternehmen
2.3 Die Rolle der Unternehmenskultur
3 Balanced Scorecard (BSC) als Instrument des Risikomanagements
3.1 Konzept der BSC
3.2 Verknüpfung von BSC und Risikomanagement
3.3 Anwendungspotenziale der Balanced Scorecard
3.3.1 Balanced ScorecardPlus
3.3.2 BSC mit eigener Risikoperspektive
3.3.3 Balanced Chance- and Risk-Card nach Reichmann
3.3.4 Erfolgsfaktoren-basierte Balance Scorecard 18 nach Mayer/Wurl
3.4 Bewertung/Handlungsempfehlungen
3.5 Kritische Reflexion
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Megatrends der Zukunft
Abbildung 2: Perspektiven der BSC
Abbildung 3: Beispiel einer Strategy Map
Abbildung 4: Balanced ScorecardPlus
Abbildung 5: Balanced Scorecard mit eigener Risikoperspektive
Abbildung 6: Balanced Chance- and Risk-Card nach Reichmann
Abbildung 7: Erfolgsfaktoren-basierte Balanced Scorecard
Abbildung 8: Vergleich der Integrationsansätze
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
Industrieunternehmen sind heute rasanten Veränderungen ausgesetzt. Das Umfeld einer stets wachsenden Komplexität und Dynamik, dazu die hohe Volatilität, erreichen das Management der Industrieunternehmen wesentlich schneller als früher.1 Die enormen Fortschritte in der Informationsverarbeitung und die engere Vernetzung der globalen Wertschöpfungsketten2 eröffnen technische, ökonomische sowie soziale Potenziale für deutsche Industrieunternehmen und können gleichzeitig ernsthafte Bedrohungen für ihre Stabilität darstellen. Welchem Wandel müssen sich deutsche Industrieunternehmen in Zukunft stellen? Mit dieser Thematik beschäftigt sich die qualitativ ausgerichtete Studie „Wertschöpfungsorientierte Innovationsstrategien“ des BDI, unterstützt durch „Z_punkt The Foresight Company“. In diesem Kontext zeigt sich, dass eine Verzahnung zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu erwarten ist. Die Unternehmen werden bis 2030 von der allgegenwärtigen Informatisierung vollständig beherrscht. Grund dafür ist die industrielle Revolution, auch unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ bekannt. Es handelt sich dabei um eine Wirtschaftswelt, in der Menschen, Maschinen, Objekte und Softwaresysteme über das Internet verbunden sind und sowohl mit- als auch untereinander kommunizieren. Die Verknüpfung der physischen mit der digitalen Welt eröffnet zwar faszinierende Möglichkeiten für die Industrie sowie gewaltiges Effizienzpotenzial durch flexible und autonome Produktionsabläufe.3 Die neuen Rahmenbedingungen bergen jedoch auch Risiken wie die IT-Unsicherheit. Dabei wird der Stakeholder-Einfluss weiterhin dominieren. Bereits heute nutzen die Kunden-Communitys die offene Kommunikation im Internet zu ihrem Vorteil. Industrieunternehmen können von einer solchen Dynamik überrollt werden, sie können aber auch davon profitieren. Unternehmen, die die Fähigkeit besitzen, eine emotionale Kunden- und Markenbindung zu erschaffen, werden am Ende gewinnen.4 Die Produktion der Zukunft wird komplexer, die Fertigungstiefe weiter abnehmen. Wettbewerbsvorteile werden nur diejenigen Unternehmen erlangen, die in den kommenden zwei Jahrzehnten zum einen die komplexen Technologien mitsamt dem nötigen Know-how beherrschen5 sowie zum anderen nachhaltige Lösungen in ihrer Wertschöpfung anbieten.6 Deutsche Industrieunternehmen werden gefordert sein, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, um der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein. Entscheidend wird es dabei sein, Produktionszeit und Liefertreue zu optimieren, ohne dabei Qualität und Kostenfragen zu vernachlässigen.7 Nur diejenigen Unternehmen, die ihre Risiken effizient steuern und kontrollieren sowie dabei auch ihre Chancen erkennen und nutzen, werden möglicherweise unter den beschriebenen zukünftigen Bedingungen langfristig bestehen und ihren Unternehmenswert steigern.8
Die Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen, sind beträchtlich, die Anforderungen an effiziente Instrumente, mit denen diesen Herausforderungen begegnet werden kann, ebenfalls.9 Das Konzept der Balanced Scorecard (BSC) nach Kaplan und Norton zur erfolgreichen Umsetzung von Strategien scheint durch seine Offenheit ein sinnvolles Instrument der wertorientierten Unternehmensführung zu sein.10 So hat die Studie der Managementberatung „Horváth & Partners" ergeben, dass der Beitrag der BSC zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen enorm ist. Danach gaben fast 80 von 100 befragten Unternehmen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz an, dass sie hinsichtlich Umsatzwachstum und Jahresüberschuss ihre Konkurrenz übertreffen. Doch trotz dieser sehr hohen Zufriedenheit bietet die BSC noch eine Fülle ungenutzter Verbesserungsmöglichkeiten.11
An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an: Durch die zusätzliche Vernetzung der Subsysteme der BSC mit dem Risikomanagementsystem können mögliche Risiken- und Chancenhinweise der Zukunftsszenarien erkannt, die Folgen für die Wertschöpfung frühzeitig eingeschätzt und Handlungsoptionen eingeleitet werden. Durch das gezielte Steuern strategischer Einflussfaktoren und das Berücksichtigen möglicher Chancen und Risiken kann das Unternehmen den eigenen Wert zielgerichtet beeinflussen.12
Ziel dieser Abhandlung ist es, Einsatzmöglichkeiten aufzuzeigen, um das Risikomanagementsystem mit einer BSC in einem wertorientierten Steuerungssystem deutscher Industrieunternehmen zu verknüpfen. Dazu werden vier verschiedene Konzepte zur Integration von Risikomanagement und BSC erläutert und anschließend anhand eines Bewertungsschemas beurteilt. Es wird untersucht, welcher der vier Integrationsmöglichkeiten für Industrieunternehmen am ehesten geeignet ist, um betriebswirtschaftlichen, gesetzlichen und vor allem zukünftigen Anforderungen, die ein effektives Risikomanagementsystem erfüllen soll, zu begegnen. Um den Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit nicht zu überziehen, wird der Fokus auf die Auswahl einer für Industrieunternehmen passenden Variante gelegt. Für Maßnahmen des Aufbaus bzw. der Implementierung einer BSC ist auf weiterführende Literatur zu verweisen.
1.2 Aufbau der Arbeit
Ziel des zweiten Kapitels ist es, eine Orientierung für das Risikomanagement zu geben und die mit der Thematik in Verbindung stehenden grundlegenden Begriffe näher zu erläutern. Es greift die zukünftigen Megatrends für Industrieunternehmen auf, beschreibt die Produktionsarbeit der Zukunft und geht auf deren Chancen und Risiken ein. Der Erfolgstreiber „Unternehmenskultur“, der als Grundlage für das Verankern eines (richtig verstandenen) Risikomanagements gilt, wird ebenfalls in diesem Kapitel beleuchtet.
Um ein wirkungsvolles Risikomanagement zu betreiben, kann der Einsatz der BSC bei der Identifikation von Chancen und Risiken unterstützen. Im dritten Kapitel werden deshalb zunächst die konzeptionellen Grundlagen der BSC erläutert. Aufgrund der erheblichen Defizite des klassischen Risikomanagements werden Aspekte dargestellt, die für eine Verknüpfung von Risikomanagement und BSC sprechen. Das Zusammenführen der beiden Steuerungsinstrumente kann auf unterschiedlichen Anwendungspotenzialen basieren, die in den jeweiligen Teilkapiteln beschrieben werden. Auf Basis der vier beschriebenen BSC-Modelle (BSCPlus, BSC mit eigener Risikoperspektive, Balanced Chance- and Risk-Card und Erfolgsfaktoren-basierte BSC) im Bereich Risikomanagement erfolgt deren Beurteilung hinsichtlich der Aufstellung eines Industrieunternehmens im Umgang mit Risiken und Chancen. Am Ende wird der Einsatz der BSC im Risikomanagement kritisch hinterfragt.
Abschließend wird eine Bilanz dieser Arbeit gezogen sowie ein kurzer Ausblick in die Zukunft des Instrumentariums „BSC im Bereich Risikomanagement“ und dessen Anwendung gewagt.
2 Risikomanagement
2.1 Begriffliche Grundlagen
Risikodefinition
Jedes Unternehmen ist im täglichen Geschäftsleben mit einer Vielzahl von Risiken konfrontiert.13 In der Betriebswirtschaftslehre existiert keine einheitliche Definition des Begriffs Risiko.14 Hölscher und Elfgen beschreiben es wie folgt:
„Risiken sind alle Ereignisse und mögliche Entwicklungen innerhalb und außerhalb eines Unternehmens, die sich negativ auf die Erreichung der Unternehmensziele auswirken können.“15
Bezogen auf die Kerngebiete eines Industrieunternehmens können Risiken im Bereich der Beschaffung zu Lieferengpässen oder Kostenanstiegen führen. In der Produktion folgen daraus im ungünstigsten Fall Qualitätsmängel und Herstellungsfehler.16
Risikomanagementdefinition
Risikomanagement umfasst die Gesamtheit aller organisatorischen Maßnahmen zur Risikoerkennung und zum Risikoumgang im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit.17 Risikomanagement soll als Instrument zur Führungsunterstützung genutzt werden, um Erfolgspotenziale zu sichern, Planungsqualität im Unternehmen zu verbessern und damit letztlich zur nachhaltigen Erhöhung des Unternehmenswerts beizutragen.18
Die Risikolandschaft der Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Diese wird nicht nur von den Effekten der Globalisierung und den Auswirkungen der Finanzkrise geprägt, sondern zunehmend von den Megatrends Industrie 4.0, Ressourcenverknappung und Nachhaltigkeit. Die Ignoranz dieser Entwicklungen bzw. deren falsche Einschätzung führt zu ernstzunehmenden Geschäftsrisiken. Ein formales Risikomanagement nach ISO 31000 ist demnach unzureichend, um neuen und veränderten Risiken zu begegnen. Nur eine langfristige Perspektive, d. h. ein erweitertes Risikomanagement sowie die Prophezeiung der Entwicklungen der nächsten 10 bis 20 Jahre, ist unabdingbar, um ein umfassendes Verständnis von unternehmerischer Verantwortung für Risiken zu fördern.19
Ziele des Risikomanagements
Das Ziel des Risikomanagement besteht nicht darin, mögliche Risiken gänzlich auszuschalten, sie also zu eliminieren; denn damit könnten gleichzeitig mögliche Chancenpotenziale ungenutzt bleiben. Die Zielsetzung ist vielmehr die Erreichung und Sicherung einer risikooptimierten Unternehmensposition.20 Dabei gilt es, zukünftige Gefahren frühestmöglich zu erkennen, zu beurteilen, zu steuern und fortlaufend zu überwachen, um die kontinuierliche Anpassung des Unternehmens an sich stets verändernde Umweltbedingungen zu gewährleisten.21
Das Risikomanagement dient somit zur Erreichung folgender Ziele:
- Existenzsicherung
- Sicherung des zukünftigen Erfolgs
- Marktwertsteigerung des Unternehmens
- Vermeidung oder Senkung von Risikokosten22
2.2 Zukünftige Herausforderungen für Industrieunternehmen
Die Studie des Fraunhofer IAO, die sich auf die Produktionsarbeit der Zukunft - Industrie 4.0 - fokussiert, visualisiert Anforderungen und Möglichkeiten der Zukunft deutscher Industrieunternehmen. Abbildung 1 stellt Megatrends dar, die die Produktionsarbeit der Zukunft beeinflussen werden.
Abgeleitet aus diesen Megatrends haben sich Herausforderungen und damit verbundene Risiken und Chancen herauskristallisiert, denen sich Industrieunternehmen in Zukunft stellen müssen.23
Abbildung 1: Megatrends der Zukunft
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Spath et al. (2013), S. 18.
Umgang mit Komplexität
Die Komplexität in der Produktion nimmt zu. Klaus Bauer, Leiter der Abteilung „Systementwicklung Basistechnologien“ bei Trumpf Werkzeugmaschinen, formuliert die Anforderung an Industrieunternehmen wie folgt:
„Der Wettbewerbsvorteil wird in Zukunft die Beherrschung von Komplexität und komplexen Technologien mitsamt des nötigen Know-hows sein“24
Dr. Jochen Rode, Head of Digital Manufacturing bei SAP Research, ist der Meinung, dass eine Skalierung von Vernetzung und Komplexitätsgrad zu erwarten ist. Die Fertigungstiefe verringert sich, sodass in Zukunft deutlich mehr Lieferanten die Industrieunternehmen beliefern werden. Diese Lieferanten wiederum sind durchdacht zu koordinieren. Das Modell Just-in-Time bzw. Just-in-Sequence werden nach seiner Überzeugung weiterhin dominieren. Und da die Produktvielfalt sich weiterhin ausdehnt und die Losgröße sich weiterhin verringert, kann die Produktion nur dezentral gesteuert werden. Eine zentrale Steuerung wird diesem gigantischen Steuerungsaufwand nicht mehr gerecht.25
Innovationsfähigkeit
Manfred Broy, Professor für Informatik an der Technischen Universität München, stellt folgende These für die Bedeutung der Innovationsfähigkeit auf:
„Deutschland wird gar nicht anders können, als in der Innovation immer eine Nasenlänge voraus zu sein.“26
Allerdings nimmt der Wettbewerb um Innovationen zu. Laut Professor Dieter Spath, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisationen IAO, muss das magische Dreieck aus Kosten, Qualität und Zeit mehr in den Fokus rücken. Es ist eine Optimierung der Produktionszeit und Liefertreue anzustreben, jedoch ohne Qualität und Kostenfragen zu vernachlässigen. Noch kann keine Vorhersage darüber getroffen werden, ob moderne Informations- und Kommunikationstechnik die Produktionsarbeit bahnbrechend revolutionieren werden.27 Aus diesem Grund müssen Industrieunternehmen stets wachsam bleiben, um innovative Technologieentwicklungen aufzugreifen und sich damit Chancenpotenziale zu erschließen.
Flexibilität
Kurzzyklische Märkte werden die Industrieunternehmen weiterhin begleiten. Somit wird der Umgang mit Volatilität die Stärke der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens bestimmen. Die richtige und schnelle Anpassungsfähigkeit in unerwarteten Situationen bei gleichzeitiger Wahrung langfristiger Unternehmensziele und Interessen der Mitarbeiter wird für die Produktionsarbeit der Zukunft unumgänglich sein. Laut Dr. Manfred Wittenstein, Vorstand für Technologie und Innovation bei der Wittenstein AG, müssen die Industrieunternehmen ihre Daten verdichten und aufbereiten, um kurzfristiger Entscheidungen treffen zu können. Aber auch menschlicher Arbeit wird weiterhin eine bedeutende Rolle zugeschrieben, um Flexibilität und Produktivität zu ermöglichen. Somit bleiben auch in der Zukunft qualifizierte und motivierte Mitarbeiter Wettbewerbsfähigkeit des Industrieunternehmens.28
2.3 Die Rolle der Unternehmenskultur
Nicht nur der Einsatz verschiedener Steuerungsinstrumente, wie etwa Frühindikatoren und Szenario-Analysen, spielt für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen eine zentrale Rolle. So besteht laut Studie des WHU-Controllerpanels zwischen einem erfolgreichen Umgang mit Volatilität und einer ausgeprägten Kultur des Informationsaustauschs ein sehr starker Zusammenhang.29
Häufig bemühen sich Unternehmen aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder vor dem Rating-Hintergrund um ein etabliertes Risikomanagement. Daraus resultiert eine „Häkchenmacher-Mentalität“, die Risiken erfasst und ein Self-Assessment durchführt. Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass dieser Ansatz nur eine reine Analyse darstellt und keinesfalls zu einer strategisch ausgerichteten Risikobehandlung führt.30 Hinzu kommt, dass die Risikoanalyse in vielen Unternehmen als Projekt durchgeführt und weniger als kontinuierlicher Prozess verstanden wird. Eine starke Risikokultur kann diesem Problem entgegenwirken.31 Somit muss das Risikomanagement in der Unternehmenskultur irreversibel verankert werden.32 Jeder einzelne Mitarbeiter sollte für das Erkennen von Risiken und Chancen sensibilisiert werden, diese vorbeugend beobachten, strategisch analysieren sowie an die Verantwortlichen kommunizieren.
Um das abstrakte Konstrukt einer gelebten Risikokultur zumindest ansatzweise zu operationalisieren, sollten die im Folgenden dargestellten vier Indikatoren berücksichtigt werden.33
1. Leitungskultur
Ausgangspunkt einer gelebten Risikokultur ist eine klar definierte (Risiko-)Strategie seitens der Geschäftsleitung.34 Es wird vorausgesetzt, dass alle Mitglieder der obersten Führungsebene hinter dem Thema „Risikomanagement“ stehen und ihm höchste strategische Priorität einräumen.35 Das Top Management muss das Risikomanagement in Form eines positiven Images vorleben. Mitarbeiter, die auf Risiken hinweisen, sollten
von der Unternehmensleitung keinesfalls als
„Bedenkenträger“ diffamiert, sondern
belohnt werden.36
2. Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter
Neben der Geschäftsführung kommt leitenden Angestellten die Aufgabe zu, Werte und Risikokultur an die Unterabteilungen zu transportieren und zu kommunizieren. Zudem sollten sie innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche die möglichen Risiken wahrnehmen, bewerten und kontrollieren.37
3. Offene Kommunikation und kritischer Dialog
Zu den Erfolgsfaktoren eines Risikomanagements zählt ebenfalls eine klare Kommunikationsstrategie, die dieses Thema als wertschöpfender Prozess und nicht als „Pflichterfüllung“ versteht.38 Eine angemessene Risikokultur ist vor allem dann gegeben, wenn Mitarbeiter vertraulich und ohne Angst vor möglichen Repressalien ihre Bedenken bezüglich illegaler, unethischer oder fragwürdiger Konzepte äußern können.39
4. Angemessene Anreizstrukturen
Eine wesentliche, motivierende Komponente des vierten Indikators der Risikokultur beinhaltet adäquate Trainingsmaßnahmen. Dabei sollte nicht nur „hartes“ Risikomanagement-Know-how vermittelt werden wie Anwendung statistischer mathematischer Methoden zum Erkennen von Risiken. Der Fokus sollte eher auf das Fördern des ganzheitlichen, interdisziplinären Denkens und Handelns der Mitarbeiter gelegt werden.40 Ebenso können materielle und immaterielle Anreize geschaffen werden41, die Mitarbeiter motivieren, „über den eigenen Tellerrand“ hinauszuschauen und Risiken nicht nur wahrzunehmen, sondern auch einzuschätzen, zu welchen Auswirkungen diese führen können.42
Die BSC kann zur Förderung der Risikokultur beitragen, indem sie die Strategie aktiv im Unternehmen kommuniziert, Zuständigkeiten festlegt sowie das Feedback der Mitarbeiter bei der Strategieentwicklung nutzt und sie somit aktiv daran beteiligt. Jeder Mitarbeiter kann sich dadurch mit seiner Arbeit identifizieren. Das schafft Akzeptanz.43
[...]
1 Vgl. Schäffer et al. (Steuern in volatilen Zeiten), S. 9.
2 Vgl. Schäffer et al. (Steuern in volatilen Zeiten), S. 9.
3 Vgl. Juhl/Schulze (o. J.), Industrie 4.0 - Praxisbeispiele, abgerufen am 12.11.2015
4 Vgl. Arning et al. (2011), S. 8 ff.
5 Vgl. Spath et al. (2013), S. 19.
6 Vgl. Arning et al. (2011), S. 8 ff.
7 Vgl. Spath et al. (2013), S. 20.
8 Vgl. Arning et al. (2011), S. 8 ff.
9 Vgl. Arning et al. (2011), S. 8 ff.
10 Vgl. Bischof (2002), S. 1 f.
11 Vgl. o. V. (2014), Unternehmen mit Balanced Scorecard erfolgreicher, abgerufen am 13.08.2015.
12 Vgl. Form/Reichmann (2000), S. 189.
13 Vgl. Hitzler (2001), S. 4.
14 Vgl. Eisenbarth (2006), S. 3.
15 Vgl. Hölscher/Elfgen (2002), S. 147.
16 Vgl. Hitzler (2001), S. 4f.
17 Vgl. Mensch (1991), S. 18, und Mikus/Götze (1999), S. 4.
18 Vgl. Eisenbarth (2006), S. 3.
19 Vgl. Franz/Mayer (2011), S. 5f.
20 Vgl. Burger/Buchhart (2002), S. 10.
21 Vgl. Diederichs (2004), S. 12.
22 Vgl. Diederichs (2004), S. 12.
23 Vgl. Spath et al. (2013), S. 19.
24 Vgl. Spath et al. (2013), S. 19.
25 Vgl. Spath et al. (2013), S. 18.
26 Vgl. Spath et al. (2013), S. 20.
27 Vgl. Spath et al. (2013), S. 20.
28 Vgl. Spath et al. (2013), S. 19 f. und S. 133.
29 Vgl. Schäffer et al. (2014), S. 38.
30 Vgl. Jacobs (2009), Mut zu mehr Risikokultur, abgerufen am 01.01.2016.
31 Vgl. Jacobs (2009), Mut zu mehr Risikokultur, abgerufen am 01.01.2016.
32 Vgl. Erben/Romeike (2005), Risiko-Kultur. Risikomanagement - nur eine Alibifunktion?, abgerufen am 01.01.2016.
33 Vgl. Steinbrecher (2015), Risikokultur, abgerufen am 01.01.2016.
34 Vgl. Huth/Romeike (2016), S. 100.
35 Vgl. Erben/Romeike (2005), Risiko-Kultur. Risikomanagement - nur eine Alibifunktion?, abgerufen am 01.01.2016.
36 Vgl. Krahe (2010), S. 17.
37 Vgl. Steinbrecher (2015), Risikokultur, abgerufen am 01.01.2016.
38 Vgl. Huth/Romeike (2016), S. 100.
39 Vgl. Steinbrecher (2015), Risikokultur, abgerufen am 01.01.2016.
40 Vgl. Erben/Romeike (2005), Risiko-Kultur. Risikomanagement - nur eine Alibifunktion?, abgerufen am 01.01.2016.
41 Vgl. Steinbrecher (2015), Risikokultur, abgerufen am 01.01.2016.
42 Vgl. Erben/Romeike (2005), Risiko-Kultur. Risikomanagement - nur eine Alibifunktion?, abgerufen am 01.01.2016.
43 Vgl. Peters (2008), S. 91.