Die Entwicklung der Frauenrechte in Indien und Iran. Ein Vergleich
Zusammenfassung
In dieser Arbeit wird folgende These aufgestellt: Nicht allein der Islam ist verantwortlich für die Entwicklung der Frauenrechte, sondern auch historische, politische und kulturelle Faktoren sind maßgeblich, um die Entwicklung der Frauenrechte in beiden Ländern zu verstehen. In diesem Zusammenhang soll die Entwicklung der Frauenrechte in einem muslimisch geprägten Land wie dem Iran, mit Indien, dem Land der Religionsvielfalt, verglichen werden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aktuelle Situation
2.1 Frauenrechte in Indien
2.2 Frauenrechte im Iran
3. Unterschiede und deren Gründe
3.1 Religion
3.2 Politik
3.3 Geschichte
3.4 Gesellschaft und Kultur
4. Diskussion
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der westlichen Gesellschaft wird zunehmend davon ausgegangen, dass die Entwicklung der Frauenrechte und die Konfliktlinien, die sich dabei zeigen, von der Stellung der Frau in der muslimischen Gesellschaft abhängt (Amirpur, K. 2009). Die Entwicklung der Frauenrechte wird daher oft in Zusammenhang mit Religion gestellt und besonders in Bezug auf den Islam wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die Frau nach dem Koran keine maßgebliche Rolle im gesellschaftlichen System spielt, dem Mann untergeordnet ist und daher weniger Rechte hat (Amirpur, K. 2009).
Trotzdem gibt es auch ein Land wie Indien, in welchem Muslime die Minderheitsreligion darstellen und dennoch werden Frauen unterdrückt und haben weniger Rechte als Männer. Indien wird zunehmend zum Fokus der Weltöffentlichkeit wenn es um das Thema sexuelle Gewalt an Frauen geht (Thonipara, J. n.d).
Religion kann somit nicht als alleiniger Faktor angesehen werden, um die Frage zu beantworten, warum die Entwicklung der Frauenrechte auf der Welt so unterschiedlich ist. Aus dieser Überlegung gehen folgende Fragen hervor: Warum sind die Frauenrechte in Indien so unterentwickelt, trotz Demokratie und Wachstum? Kann Religion als alleiniger Faktor angesehen werden, der Frauenrechte beeinflusst oder ist es mehr ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren. Folglich wird folgende These aufgestellt: Nicht allein der Islam ist verantwortlich für die Entwicklung der Frauenrechte, sondern auch historische, politische und kulturelle Faktoren sind maßgeblich, um die Entwicklung der Frauenrechte in beiden Ländern zu verstehen.
In diesem Zusammenhang soll die Entwicklung der Frauenrechte in einem muslimisch geprägten Land wie dem Iran, mit Indien, dem Land der Religionsvielfalt verglichen werden.
2. Aktuelle Situation
2.1 Frauenrechte in Indien
Frauen spielen in der indischen Gesellschaft eine geringere Rolle als Männer. Sie werden benachteiligt, unterdrückt und oft Opfer sexueller Gewalt (Riecker, D. 2014). Sowohl das Beispiel einer Frau, die am 16. Dezember 2012 in der Hauptstadt Neu-Delhi von sechs Männern vergewaltigt und misshandelt wurde, als auch viele andere solcher Beispiele unterstreichen dieses Argument (Riecker, D. 2014). Gewalt gegen Frauen ist in Indien allgegenwärtig und spiegelt sich in allen Klassen, beziehungsweise Kasten wider (Walter, P. 2014). Diese lässt sich durch folgende Beispiele erklären: Abtreibung weiblicher Föten, Mord an weiblichen Säuglingen und Mädchen, sexuelle Übergriffe gegenüber Kindern, Frauen- und Mädchenhandel, Zwangsverheiratung, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung und häusliche Gewalt (Walter, P. 2014). In Indien werden jährlich schätzungsweise eine Million weibliche Föten gezielt abgetrieben, da eine Tochter mit Unkosten verbunden ist, die einige Familien nicht tragen können, wie zum Beispiel Mitgiftzahlungen. Außerdem können Frauen kaum etwas zum Lebensunterhalt ihrer Herkunftsfamilie beitragen und sind somit eine finanzielle Belastung für ihre Eltern (Glaubacker, A. 2009). Wenn neugeborene Mädchen doch auf die Welt kommen, werden sie häufig ausgesetzt oder umgebracht (Walter, P. 2014). Eine G-20-Studie aus dem Jahr 2012 bezeichnet Indien als ,,das frauenfeindlichste Land unter den großen Nationen der Welt“ (Walter, P 2014 S.1).
Die Heirat ist für die Familie der Frau in Indien von großer Bedeutung, da die Tochter so finanziell abgesichert wird. Es werden etwa 95 Prozent der Ehen durch die Eltern arrangiert, welche den Bräutigam für ihre Tochter auswählen. Aufgrund des Arrangements haben Töchter kaum einen Einfluss auf die Wahl ihres Ehemannes. Liebesbeziehungen sind in Indien also bis heute eine Seltenheit. Besonders wichtig ist, dass die Ehe innerhalb derselben Kaste vollzogen wird. Wenn eine Liebesbeziehung aus verschiedenen Kasten zu Stande kommt, werden vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Ehrenmorde durchgeführt, bei welchen die Pärchen sterben müssen, da sie die Familien-Kastenehre beschmutzt haben (Walter, P. 2014).
Auch die Bildung für Mädchen ist in Indien nicht so ausgeprägt wie die der Jungen. Nur etwa 54 Prozent der Mädchen besuchen eine Schule, was zu Folge hat, dass die Analphabetenrate der Frauen nahezu doppelt so hoch ist, wie die der Männer. (Glaubacker, A. 2009). Doch die indische Gesellschaft befindet sich in einem Wandel hin zu einer selbstbestimmten und unabhängigen Rolle der Frau, die für ihre Rechte kämpft. So wurde zum Beispiel das Unglück der jungen Frau in Neu-Delhi 2012 nicht mehr still hingenommen; Stattdessen sind die Menschen auf die Straße gegangen und haben protestiert – gegen ein patriarchales System, das Frauen unterdrückt und ausbeutet (Riecker, D. 2014). Dies ist ein sehr großer Schritt in der Entwicklung der Frauenrechte, da viele Proteste und Demonstrationen in der Vergangenheit ungehört blieben. Ein wichtiger Faktor für diesen Erfolg sind die indischen Medien, die sich intensiv mit dem Thema „sexuelle Gewalt an Frauen“ auseinandergesetzt und an die Öffentlichkeit gebracht haben. Die mediale Öffentlichkeit führte zu einer Prüfung der bestehenden Gesetze, die von Premierminister Manmohan Singh durchgeführt wurde. Dabei gingen mehr als 80.000 Änderungsvorschläge, unter anderem auch von der Bevölkerung selbst ein, die die Gesetzeslage zum positiven veränderten (Riecker, D. 2014). Dennoch ist Indien weiterhin kein sicheres Land für Frauen und ihre Rolle in der Gesellschaft bleibt eingeschränkt. Es zeigen sich jedoch Entwicklungen, die der Frau zu Gute kommen.
2.2 Frauenrechte im Iran
„Iran gilt bei den Diskussionen um Frauenrechte im Islam als das Musterland einer islamischen Rechtsordnung, in der Frauendiskriminierung Programm ist“ (Parhisi, P. 2009 S.1). In der westlichen Gesellschaft wird die Schleierpflicht im Iran als Unterdrückung der Frau angesehen, doch die Komplexität der Frauenrechte im Iran führt viel weiter, als die Frage nach der Kleidung (Parhisi, P. 2009).
In der Verfassung wird der Frau im Iran eine hohe Stellung in der Familie zugewiesen. Die Familie ist ein sehr wichtiges Gut in der iranischen Gesellschaft, womit die Frau in ihrer unabdingbaren Rolle als Mutter nach der Verfassung als ,,Mitkämpferin des Mannes im aktiven Leben“ gilt (Parhisi, P. 2009).
Trotzdem haben iranische Frauen einen geringeren Stellenwert in der Gesellschaft als Männer und dies wirkt sich in fast allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aus. Besonders vor dem Gesetz sind die Werte von Frau und Mann unterschiedlich. Frauen werden zum Beispiel von Schlüsselpositionen des Staates ausgeschlossen, das heißt, sie können den Beruf des Richters nicht ausüben oder für eine Präsidentschaftswahl kandidieren. Auch in anderen rechtlichen Bereichen, wie zum Beispiel der Eheschließung haben Frauen weniger Rechte. Männer dürfen beispielweise mehrere Ehefrauen gleichzeitig haben, während die Frau nur mit einem Mann verheiratet sein darf. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den westlichen Staaten und dem Iran ist, dass Mädchen schon mit 13 Jahren verheiratet werden können (Amnesty International 2013).
Eine wichtige Entwicklung stellt die Kampagne ,,Eine Million Unterschriften für mehr Frauenrechte“ dar. Diese Kampagne beschäftigt sich mit Themen, wie der Heirat von Minderjährigen, dem Ehe- und Familienrecht und der politischen und religiösen Rolle der Frau in der iranischen Gesellschaft (Enayati, H. 2011). Auch in diesem Fall haben die Medien einen großen Beitrag zur Öffentlichkeit geleistet, wie zum Beispiel die Zeitschrift „Zanan“, die ,,zum Sprachrohr eines sogenannten „islamischen Feminismus“ (wurde), der bspw. (..) die sprachliche Umdeutung einzelner kritischer Koranstellen, als auch die Aufteilung des Korans in zwei Ebenen – die historisch-kulturelle, die veränderlich ist, und die kontextunabhängige Ebene, die ewige Gültigkeit besitzt – den Koran und andere religiöse Überlieferungen mit einer emanzipatorischen Sichtweise des Islam [verbunden hat] (Enayati, H. 2011 S. 4). Iranische Frauenrechtsbewegungen sind von großer Wichtigkeit und trotz rechtlicher Diskriminierung lebendig. Ein weiteres Beispiel für Kampagnen, die von Menschenrechtsaktivistinnen ins Leben gerufen wurden ist die Kampagne ,,Stoppt Steinigung für immer“. Für diese Kampagne haben sich eine Gruppe von Menschenrechtsverteidigerinnen, Rechtsanwältinnen und Journalistinnen zusammengeschlossen, um die Steinigung als Konsequenz des Ehebruchs abzuschaffen. An der Spitze der Kampagne steht die berühmte Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, die sich schon für einige Kampagnen wie diese, aber auch für das Zentrum für Menschenrechtsverteidiger eingesetzt hat (Amnesty International 2013).
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