Besonders in Krisenzeiten sind die Handlungskompetenzen der wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsorgane sehr gefragt. Der EZB-Rat nimmt durch seine Entscheidungen erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche und geldpolitische Entwicklung von Staaten, deren Gesellschaften und Unternehmen. Besonders durch die andauernde Staatsschuldenkrise steht die Europäische Zentralbank vor größten Herausforderungen verbunden mit einer enormen Verantwortung.
Eine spannende Frage ist dabei, welche Auswirkungen die anhaltende Niedrigzinspolitik auf mittelständische Unternehmen, die im globalen Vergleich besonders durch den Export von Waren und Dienstleistungen profitieren, haben. Diese Arbeit versucht diese komplexe Situation zu skizzieren.
Inhaltsverzeichnis
01 Frontpage
02 Vorwort
03 Inhaltsverzeichnis
04 Abkürzungsverzeichnis
05-07 Einleitende Problembetrachtung
05 Von der Finanzmarktkrise zur Eurokrise
07 Ziel, Struktur und Eingrenzung der wissenschaftlichen Arbeit
08-18 Zinsentwicklung in den vergangenen Jahren
08 Wachstums- & Stabilitätspakt der Europäischen Zentralbank
09 Ankaufprogramm risikobehafteter Staatsanleihen
11 Deflationärer Einfluss auf das Zinsniveau
13 Auswirkungen der Niedrigzinspolitik
17 Entwicklung der Finanzierungskosten
18 Bankkredit als wichtigstes Fremdfinanzierungsinstrument
19-26 Liquiditätspolitik in der Niedrigzinspolitik
19 Entwicklung von Kapitalstruktur und Eigenkapitalquote
21 Was tun Unternehmen mit ihren Einlagen
25 Opportunitäten alternativer Investments
27-30 Situation in mittel- & langfristiger Betrachtung - ein Ausblick
27 Wohin führt die Niedrigzinspolitik
29 Risiko einer Zinswende - Gefahr steigender Refinanzierungskosten
30 Effizienz & Effektivität der EZB-Geldpolitik
31 Quellen- & Abbildungsverzeichnis
Vorwort
Der weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen ist für ein derart exportie- rende Nation wie Deutschland von großer Bedeutung. Wichtigster Handels- partner als zwischengeschaltetes Bindeglied zwischen den Wirtschaftssubjek- ten sind dabei stets Kreditinstitute und Banken. Sie verbinden den europäi- schen Binnenmarkt miteinander und unterstützen sämtliche Möglichkeiten des internationalen Exports. Daher nehmen sie eine besondere Funktion im Wirt- schaftskreislauf ein.
Schließlich sorgen sie im Rahmen ihrer regulatorischen und gesetzlichen Mög- lichkeiten dafür, die Wirtschaft mit Liquidität zu versorgen. Abhängig sind sie dabei von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die maßgeblich die Geldmenge festlegt. Ihre Aufga- be ist das Schaffen einer stabilen Währungspolitik, die durch eine kontinuierlich niedrige Inflation unterstützt wird. Die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank dienen den Kreditinstituten und Banken als Anhaltspunkt für den aktuellen Preis von Liquiditätsbeschaffung und sorgen für einen kontinuierlichen Wettbewerb untereinander.
Besonders in Krisenzeiten sind die Handlungskompetenzen der wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsorgane sehr gefragt. Der EZB-Rat nimmt durch seine Entscheidungen erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche und geldpoli- tische Entwicklung von Staaten, deren Gesellschaften und Unternehmen. Be- sonders durch die andauernde Staatsschuldenkrise steht die Europäische Zent- ralbank vor größten Herausforderungen verbunden mit einer enormen Verant- wortung.
Eine spannende Frage ist dabei, welche Auswirkungen die anhaltende Niedrigzinspolitik auf mittelständische Unternehmen, die im globalen Vergleich besonders durch den Export von Waren und Dienstleistungen profitieren, haben. Diese Arbeit versucht diese komplexe Situation zu skizzieren.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitende Problembetrachtung
1.1. Von der Finanzmarktkrise zur Euro-Krise
Seit der Einführung im Jahr 1999 ist der Euro innerhalb der europäischen Wäh- rungsunion, auch Eurozone genannt, die gemeinsame Währung von inzwischen 23 Nationen. Die Grundlage dieser ist nach Art. 3 EU-Vertrag (Vertrag über die Europäische Union) und Art. 119 (Vertrag über die Arbeitsweise der EU) eine strenge Koordinierung des Europäischen Binnenmarkts sein. Vorrangiges Ziel der Währungspolitik ist dabei die Preisstabilität, doch seit der Finanzmarktkrise 2008 rutschte die Währungsunion immer mehr in eine Krise.1
Hauptsächlich ist die Euro-Krise eine Verschuldungskrise. Dabei sind einige Mitgliedsstaaten der Eurozone nicht mehr in der Lage ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nachzukommen. Somit sind sie auf die finanzielle Unterstützung der Euro-Partner, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen. Bis heute suchen diese Institutionen nach einer dauerhaften Lösung, um die gemeinsame Währung auch in Zukunft stabil zu halten.
Ursprünglich, so ist es im Vertrag von Maastricht verankert, gelten für die Auf- nahme in die Eurozone exakt festgelegte und unflexible Regelungen (Konver- genzkriterien):2Beispielsweise darf das Haushaltsdefizit eines Jahres nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukt betragen. Genauso darf die be- deutsame Marke der Gesamtverschuldung eines zukünftigen Mitgliedsstaats von 60 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht überschritten wer- den.3
Offensichtlich wurde auf die strikte Einhaltung der geforderten Auflagen in der Vergangenheit nur nachrangig geachtet. So hatten vereinzelte Länder bereits bei Eintritt in die Eurozone einen Gesamtschuldenstand von über 60 Prozent.
Auch Deutschland hat zwischen der Jahrtausendwende und 2010 immerhin 5- mal gegen die Konvergenzkriterien verstoßen.4
Verstärk wurde die Staatsschuldenkrise durch die vorangegangene 2008 aus- gebrochene Finanzmarktkrise. Schließlich führten finanzielle Unterstützungen und Rettungsmaßnahmen für Banken, sowie der Versuch der stetigen Konjunk- turförderung und sinkende Steuereinnahmen zu einem dramatischen Anstieg der Schulden einiger Mitgliedsstaaten. Ihren unumstrittenen Höhepunkt erreich- te diese Situation Anfang 2010: Die Regierung Griechenlands konnte die bisher erfolgreiche Verschleierung der Haushaltsdefizite und Schuldenstände nicht länger aufrechterhalten. Relativ schnell wurde eine Überschuldung des Staats- haushaltes festgestellt. Aufgrund folglich drastischer und unverzüglicher Boni- tätsverschlechterung durch die bedeutendsten Ratingagenturen nahmen die Refinanzierungskosten für griechische Staatsanleihen auf dem Kapitalmarkt unbezahlbare Ausmaße an. Griechenland war fortan schlicht nicht mehr in der Lage, seine Verbindlichkeiten mit eigenen Mitteln zu tilgen. Aus diesem Grund beantragte die griechische Regierung m 23. April 2010 bei der Europäischen Kommission Finanzhilfen, um die Staatsinsolvenz abzuwenden.5
Mit diesem Schritt steuerte Griechenland die gesamte EU in einen verheeren- den Teufelskreis. Aufgrund anhaltender Bonitätsverschlechterung durch die Ratingagenturen wurde es für die griechische Regierung damit immer unattrak- tiver, sich auf dem Kapitalmarkt frisches Geld von Investoren zu leihen. Ähnli- ches Phänomen trat auch bei anderen Mitgliedsländern auf, bei denen Versi- cherungen und Banken, aber auch Privatanleger das Vertrauen verloren. Letz- ten Endes wurde klar, dass die Problematik in Griechenland nur der Auslöser für die Krise im gesamten Euro-Raum war und dringend eine Lösung gefunden werden musste, die bisweilen über die Rettung Griechenlands hinausging.
Anfang 2015 kündigte der EZB-Rat rund um ihren Präsidenten Mario Draghi an, Staatsanleihen für hunderte Millionen Euro zu kaufen. Mit dem Kaufprogramm solle die Inflation zurück auf ein Niveau von etwa zwei Prozent zurückgeführt werden.6
1.2. Ziel, Struktur und Eingrenzung der wissenschaftlichen Arbeit
Diese Projektarbeit soll zunächst aufzeigen, welche Maßnahmen die Europäi- sche Zentralbank zur Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise eingeleitet hat. Gleichwohl wird dargestellt, inwiefern sich die aktuelle Zinssituation gegen- über Zeiten vor der Euro-Krise gewandelt hat und welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Möglichkeit einer günstigen Refinanzierung hat. Ebenso wird über den gesamtheitlichen Einfluss der EZB-Politik auf die grundlegende Kapitalstruktur mittelständischer Unternehmen diskutiert. Besonders ausführlich werden hier mögliche alternative Investments abhängig von unterschiedlichen Kundenbedürfnissen skizziert. Zusätzlich soll im Rahmen eines Ausblicks die Effizienz und Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik und die damit verbundenen Ri- siken einer Zinswende beleuchtet werden.
Aufgrund der Komplexität der bearbeiteten Thematik beschränkt sich diese Pro- jektarbeit hauptsächlich auf die Beleuchtung der Problematik aus Sicht von mit- telständischen Unternehmen. Auf eine Rahmenbetrachtung von privaten Haus- halten kann stellenweise nur kurz hingewiesen werden. Ziel dieser Arbeit ist es, die aktuelle Zinspolitik anschaulich darzustellen und über deren Auswirkung in Unternehmen zu berichten.
2. Zinsentwicklung in den vergangenen Jahren
2.1. Wachstums- & Stabilitätspakt der Europäischen Zentralbank
Der bereits 1997 im Vertrag von Amsterdam verankerte Stabilitäts- und Wachstumspakt soll die Mitgliedsstaaten des Euroraums dazu anhalten, die Aufnahmekriterien, die zu einer Mitgliedschaft in der Wirtschafts- und Währungsunion unabdingbar sind, langfristig einzuhalten und so die wirtschaftliche Stabilität im Euro-Raum zu gewährleisten.7
Infolge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise führte die Bekämpfung derglei- chen zu einer bekanntlich drastischen Ausweitung der Staatsverschuldung. So konnten die Vorgaben der EU-Kommission größtenteils von krisenbetroffenen Staaten nicht eingehalten werden. Vor dem Hintergrund des zu diesem Zeit- punkt nicht absehbaren Ausmaßes der Staatsschuldenkrise wurde 2011 durch die Regierungschefs der Eurozone der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Verhinderung von Staatsbankrotten überschuldeter Euro- Mitgliedsländer geschaffen.
Der ESM ist eine internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg. Insge- samt bündelt und verwaltet der Rettungsschirm ein Kapital von rund 700 Milliar- den Euro. Zur erfolgreichen Bekämpfung der Staatsschuldenkrise ist der ESM unmittelbar in der Lage, am Sekundärmarkt eigene Anleihen auszugeben, und so ein erweitertes Kapital von über 500 Milliarden Euro zu liquidieren.8
2.1.1. Ankaufprogramm risikobehafteter Staatsanleihen
Die Tatsache das sich trotz wirtschaftlicher Stabilisierung die Inflationsrate von aktuell 0,3%9in der Eurozone auf einem historischen Niedrigstand befindet und damit die Gefahr einer Deflation unverhältnismäßig groß ist, unterstützt die Entscheidung des Zentralbankrats, ab März 2015 fortan pro Monat 60 Milliarden Euro für den Ankauf von Wertpapieren ausgeben zu wollen. Die Ankäufe sollen bis mindestens September 2016 weiter getätigt werden, was einem Gesamtvolumen von ca. 1,1 Billionen Euro entspricht.10
An den Finanzmärkten dieser Welt nennen Experten dieses Instrument mittler- weile Bazooka - eine bemerkenswerte Anlehnung an die Panzerfaust, die im Zweiten Weltkrieg verwendet wurde.11Nur wird sie diesmal nicht gegen Panzer, sondern gegen die Kraft der Märkte eingesetzt. Ziel der EZB-Politik ist es dabei die Inflationsrate zurück auf etwa zwei Prozent anzuheben und die Zinssätze dabei mittelfristig zu senken. Diese Konstellation soll wirtschaftliches Wachstum durch die Zunahme von Investitionen und steigenden Konsum fördern. Beson- ders erfolgsversprechend ist dabei ein vergleichbares Programm der amerika- nischen Notenbank Federal Reserve Bank (Fed), bei dem innerhalb von 2009 bis 2014 Anleihen im Gesamtwert von rund 3,5 Billionen US-Dollar (ca. 3 Billio- nen Euro) gekauft wurden und dadurch die amerikanische Wirtschaft vor einem Abgleiten in eine Rezession bewahrt wurde.
Besonders die südeuropäischen Staaten begrüßten verständlicherweise den Entschluss der EZB. Sie erhoffen sich durch die Entscheidung der EZB die Möglichkeit, die anhaltend hohen Zinsbelastungen mittelfristig zu senken. Doch weltweit anerkannte Wirtschaftsexperten stellten den Kurs der EZB öffentlich in Frage. Fundamentales Argument für eine Ablehnung des Kaufprogramms war die Befürchtung, dass dadurch die Durchschlagskraft der als zwingend notwen- dig angesehenen sozialpolitischen und wirtschaftlichen Reformen in den über- wiegend südeuropäischen Staaten, darunter Zypern, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, aber auch in Frankreich und Irland reduziert werden würde.
Der amtierende Bundesbank-Präsident und damit auch Mitglied des EZB-Rats Jens Weidmann wies öffentlich darauf hin, dass das eigentliche Problem der Eurozone, also die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, mit dem Ankauf von Staatsanleihen von risikobehafteten Ländern nicht nachhaltig gelöst werden könne. Ebenso würde von Seiten einiger Kritiker befürchtet, dass die EZB mit der Eröffnung des Kaufprogramms in seiner Größe über das Ziel hinausschieße und die Inflation im Euroraum unbeabsichtigt deutlich stärker anheizen würde.12
Bereits am Abend der Ankündigung durch die EZB reagierte der Devisenmarkt eindeutig und heftig. Der Wechselkurs des Euros zum Dollar erreichte ein Elf- Jahres-Tief und notierte kurzzeitig bei 1,1367 US$/€13. Die drastische Abwer- tungspolitik der EZB belastete die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu den USA und vielen asiatischen Ländern nachhaltig. Nach Meinung von Experten löse die Schwächung der eigenen Währung nicht das kollektive Wettbewerbs- problem vieler Euroländer.14
2.1.2. Deflationärer Einfluss auf das Zinsniveau
In einer umfangreichen Analystenstudie der österreichischen Raiffeisen Zent- ralbank (RZB) aus Dezember 2015 wird ziemlich deutlich dargestellt, welche Faktoren hauptsächlich zur Veränderung des Zinsniveaus beitragen und damit unmittelbar auf allgemeinwirtschaftliche Entwicklungen Einfluss nehmen.
Ein fundamentaler Einflussfaktor wird die nationale und grenzüberschreitende Inflationsentwicklung genannt. Eine steigende Inflationsrate führt zu fallenden Anleihekursen, eine sinkende Inflation bei gleichem Finanzprodukt in der Regel zu steigenden Renditen. Trotz einer geringen Veränderung der Rahmenbedin- gungen lassen sich die Renditeniveaus deutlich verschieben. So könne bei ei- nem Anstieg der unmittelbaren Inflation um 1% das durchschnittliche Renditeni- veau um ca. 0,8% zulegen, so ein Analyst der RZB weiter. Begründet wird ein nahezu proportionales Verhalten durch die Möglichkeit von der gestiegenen Geldmenge zu profitieren, die schlussendlich das Nachfrageverhalten beein- flusst, wohingegen ein der Inflation angeglichenes Renditeniveau natürlicher- weise durch steigende Refinanzierungskosten verhindert wird.
Neben der Inflationsentwicklung spielt auch die Konjunkturentwicklung eine ebenso wichtige Rolle. Besonders aufschlussreich sind dabei adaptive Umfra- geindizes, die ein repräsentatives und nominell zählbares Stimmungsbild ablie- fern. Nach der einfachen volkswirtschaftlichen Theorie sorgt ein steigender In- dex bzw. ein starkes Wirtschaftswachstum immer für steigende Realrenditen. Vorausgesetzt die Inflationserwartungen bleiben unverändert ist so mit einem deutlichen Renditeanstieg zu rechnen. In den vergangenen Jahren konnten die Analysten der RZB den Zusammenhang feststellen, bei dem ein höheres In- dexniveau von durchschnittlich 10 Punkten zu einem um rund 0,4% gestiege- nem Renditeniveau geführt hat.
Ein weiterer bedeutender Faktor, der Einfluss auf die Zinsentwicklung nimmt, ist zudem das Leitzinsniveau. Laut RZB sorgt eine Veränderung der Leitzinsen für die stärkste und nachhaltigste Veränderung der Renditeniveaus. Besonders die massiven Renditeanstiege in den 1990er Jahren resultierten demzufolge auf-grund von mehreren Zinsanhebungen durch die US-Notenbank Fed. Erst mit dem Auslaufen der Zinsanhebungen erreichte die Rendite wieder Normalni- veau.
Nicht zuletzt spielt der Kapitalmarkt und dessen Entwicklung und Erwartungen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Bereits eine übliche Marktspekulation auf steigende Leitzinsen in den nachfolgenden Monaten kann ausreichen, um die Renditen bereits vorzeitig zu erhöhen. Konkret heißt das, dass bei einem Anstieg der Leitzinsen und Zinserwartungen um 1% das Renditeniveau unmit- telbar durchschnittlich um ca. 0,25% unmittelbar erhöht. Verstärkt wird dieser Effekt durch Kapitalmarktspekulationen, die eine Leitzinserhöhung von 1% ver- muten. Hier ist das Renditeniveau schlagartig um 0,73% im Voraus gestiegen.15
Basierend auf diesen Erkenntnissen ist es somit gut nachvollziehbar, dass sich besonders aufgrund der schwächelnden Konjunktur im Europa die EZB für eine kontinuierliche Zinssenkung entschieden hat. Inwiefern das Abrutschen in eine negative Entwicklung positiven Einfluss auf das Inflationsniveau hat, sind sich viele Marktforscher und praxisorientierte Analysten noch uneinig. Sicherlich sorgt ein günstiger Preis zur Beschaffung von Kapital auf Zeit für eine Entlas- tung von krisengeschüttelten Staaten. Schließlich wird denen die Möglichkeit gewährt, sich abhängig von der Bonität im zeitlichen Vergleich kostengünstiger zu refinanzieren. Die Problematik ist dabei sicherlich die Rolle der Endverbrau- cher, die aufgrund ausfallender Verzinsung auf klassische Einlagenprodukte keinerlei Rendite generieren können und aufgrund der Inflationsentwicklung real fürs Sparen bestraft werden. Die aktuelle EZB-Geldpolitik versucht krampfhaft, Konsumenten zum weiteren Geldausgeben zu animieren, um die Konjunktur selbsttragend zu unterstützen. Das Sparen bzw. Horten von Geldern auf Ge- schäfts- aber auch Privatkonten soll so möglichst unattraktiv und schmerzhaft werden.
2.2. Auswirkungen der Niedrigzinspolitik
Ohne Frage, die aktuelle Geldpolitik der EZB ist ähnlich wie in anderen großen Wirtschaftsräumen wie den USA oder Japan sehr expansiv. Phasen mit lang anhaltenden sehr niedrigen Leitzinsen sind zwar ungewöhnlich, waren in der jüngsten Historie allerdings durchaus schon öfters zu beobachten. Auch in Deutschland lag in den 1970er Jahren - auch wenn nur für einen kurzen Zeitabschnitt - das Zinsniveau der Notenbank unter der laufenden Inflation. Die kurzfristige reale Verzinsung war also negativ.
Zunächst ist das Ziel der extrem niedrigen Zinsen das zügige Wiederbeleben der Konjunktur. Die niedrigen Leitzinsen sollen vor allem für günstige Finanzie- rungsbedingungen sorgen und Investitionen der Unternehmen attraktiver ma- chen. Die EZB kann aufgrund ihrer Position im Wirtschaftssystem die niedrigen Konditionen über die Kredit- und Finanzinstitute direkt an den Endverbraucher weiterreichen. So lagen die durchschnittlichen Bankzinsen für Unternehmerkre- dite in Deutschland bei noch 5,8% im September 2008 (Commerzbank: 5,1%). 5 Jahre später im September 2013 sanken diese bereits auf ein Niveau von durchschnittlichen 2,1 Prozent (Commerzbank: 1,9%). Aktuelle Zahlen aus März 2016 zeigen ein noch weiter gesunkenes Niveau auf nunmehr 1,5% (Commerzbank: 1,4%) für einen standardisierten Unternehmerkredit. Selbstverständlich unterstützen niedrigen Zinsen nicht nur institutionelle Kunden, sondern auch den Privatkonsum und Immobilienbau. Die durchschnittlichen Bankzinsen einer klassischen Baufinanzierung (ohne KfW-Fördermittel) gingen ebenso zurück. So zahlte der Kunde im September 2008 noch durchschnittlich 5,4% für eine Immobilienfinanzierung, heute sind es nur noch etwa 1,25% - eine deutliche Vergünstigung von über 70%.
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1Vgl. EZB-Informationsmaterial (2015), S. 2.
2Vgl. Die Bundesregierung (2016), Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht).
3Vgl. Zandonella, Bruno (2009), S. 7-9.
4Vgl. Statista Konvergenzkriterienverstöße 2000-2010 (2016).
5Vgl. Die Welt (2013), Onlineausgabe.
6Vgl. FOCUS Money Online (2016), Onlineausgabe.
7Vgl. Die Bundesregierung (2016), a.a.O.
8Vgl. Hans-Georg Wehling/Martin Große Hüttmann (2013), S. 85-91.
9Vgl. Aktuelle Inflation Juni 2016 (2016).
10Vgl. Süddeutsche Zeitung (2015), Onlineausgabe.
11Vgl. FOCUS Money Online (2015), Onlineausgabe.
12Vgl. ZEIT ONLINE (2015), Onlineausgabe.
13Commerzbank Infobroker vom 22.07.2016.
14Vgl. ZEIT ONLINE (2015), a.a.O.
15Vgl. Frankfurter Allgemeine Finanzen (2004), Onlineausgabe.