Sind fragile Staaten eine Sicherheitsbedrohung für die Internationale Gemeinschaft?
Zusammenfassung
Danach wird untersucht, ob fragile Staaten als Sicherheitsrisiko wahrgenommen werden, dabei werden den Zusammenhang zwischen fragile Staaten und transnationale Terrorismus sowie den Zusammenhang zwischen fragile Staaten und die neue Kriege analysiert. Anschließend wird dargestellt, welche Rolle der UN sowie der EU im Rahmen von Sicherheit zukommt und welche Maßnahmen sie hierbei unternehmen. Abschließend wird die Rolle von externen Akteuren in Libyen vorgestellt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Was ist ein Staat?
2.2 Fragile Staatlichkeit
2.2.1 Definition
2.2.2 Ursachen
3. Staatszerfall: Ein globales Sicherheitsrisiko?
3.1 Fragile Staaten und transnationale Terrorismus
3.1.1 Transnationale Terrornetzwerke
3.1.2 Sicherheitspolitische Konsequenzen
3.2 Fragile Staaten und die neue Kriege
4. Die Rolle von externe Akteuren
4.1 Statebuilding im Bereich von Sicherheit
4.1.1 Sicherheitsstrategien von EU
4.1.2 Sicherheitsstrategien von UN
4.2 Fallbeispiel: Libyen
5. Fazit
6. Literatur
1. Einleitung
Seit den 1990er Jahren werden die Staaten, die ihre zentrale Aufgaben als Staat nicht erfüllen sowie ihre Entwicklung nicht fördern können, als "fragile Staaten" gekennzeichnet (Lambach 2014). Die Aufgaben eines modernen Staates sind „zum einen (...) für eine spezifische Bevölkerung innerhalb konkreter Territorialgrenzen die öffentliche Ordnung zu gewährleisten (...) Zum anderen konstituieren alle Staaten gemeinsam das internationale System, sie sind damit die primären (...) Träger der globalen Ordnung.” (Schneckener 2005). Damit werden die Fragile Staaten eine Gefahr für die globale Ordnung angesehen, da die innerstaatlichen Konflikte nicht nur auf das eigene Land zu beurteilen sind, sondern mehrere Länder werden betroffen und somit sind sie nicht in der Lage, die Internationalisierung zu verhindern. Außerdem werden seit dem 11. September die Verbindung zwischen fragilen Staaten und Terrorismus hergestellt (Schneckener 2005), da „wo der Staat unfähig ist, das Überleben seiner Bürger sicherzustellen, treten andere Autoritären und Herrschaftsstrukturen an seine Stelle” wie beispielweise verschiedene Terrornetzwerke wie Al-Qaida und der IS (Lambach 2014). Aus diesem Grund werden die Stabilisierung von fragilen Staaten auch als Teil der Terrorismusbekämpfung dargestellt (Lambach 2014). Die externen Akteure spielen eine wichtige Rolle für den Wiederaufbau dieser Staaten, da nur durch eine gemeinsame Sicherheitsstrategie die Stabilisierung von fragilen Staaten sowie die Bekämpfung gegen den Terroristen gewährleistet kann (Schneckener 2005).
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick in das Thema ,Failing States‘ als eine Ursache für die globale Gefahr zu geben. Außerdem soll der Frage nachgegangen werden, ob die Fragilen Staaten eine Sicherheitsbedrohung für die Internationale Gemeinschaft darstellen. Um diese Fragen zu beantworten, wird zuerst die Definitionen von Staaten sowie die Fragile Staatlichkeit dargestellt. Danach wird untersucht, ob fragile Staaten als Sicherheitsrisiko wahrgenommen werden, dabei werden den Zusammenhang zwischen fragile Staaten und transnationale Terrorismus sowie den Zusammenhang zwischen fragile Staaten und die neue Kriege analysiert. Anschließend wird dargestellt, welche Rolle der UN sowie der EU im Rahmen von Sicherheit zukommt und welche Maßnahmen sie hierbei unternehmen. Abschließend wird die Rolle von externen Akteuren in Libyen vorgestellt.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Was ist ein Staat?
Um Staatszerfallsprozesse zu verstehen, muss zuerst nachvollzogen werden, was der Staat in einem konsolidierten Zustand leisten soll. Der Staat ist grundsätzlich ein politisches System, dass das Zusammenleben des Menschen in einer Gemeinschaft regelt. Er bezeichnet „(...) die Gesamtheit der öffentlichen Institutionen, die das Zusammenleben der Menschen in einem Gemeinwesen gewährleistet bzw. gewährleisten soll.” (Schultze 2011: 584). Nach der klassischen allgemeinen Staatslehre von Georg Jellineks besteht der Staat aus drei Elementen: dem Staatsgebiet, womit das Territorium gemeint ist, dem Staatsvolk, das aus den dem Staat zugehörigen Menschen besteht und der Staatsgewalt, welche die unwiderstehliche herrschende Gewalt des Staates bezeichnet (Schultze 2011: 584). Allerdings sind die Staatsformen in verschiedenen Systemen unterschiedlich beispielweise Demokratie, Monarchie und Diktatur, „zu unterscheiden sind demgemäß Herrschafts- und Regierungsformen. (...). Regierungsformen sind die durch Staatspraxis oder Verfassung festgelegten Methoden, in denen die Staatsgewalt durch ihre Organe ausgeübt wird.” (Bundeszentrale für politische Bildung). Ulrich Schneckener unterteilt die Kernfunktionen des Staates in die drei Bereiche: Sicherheit, Legitimität/Rechtsstaatlichkeit und Wohlfahrt (Schneckener 2007: 102f.). Eine funktionierende Staatlichkeit in einem Staat ist nur dann gegeben, wenn alle drei Kernfunktionen erfüllt werden. Bei der Wahrnehmung der Sicherheitsfunktion ist der Staat dafür zuständig, Sicherheit nach innen und außen zu gewährleisten (Schneckener 2007: 105). Wenn ein Staat nicht fähig ist, diese staatlichen Funktionen auszuüben wird er zu einem fragilen Staat. Damit ist der Staat der wichtigste und mächtigste Akteur im internationalen System, in dem er sowohl Rechte als auch Pflichten innehat, was ihn zum primären Träger der globalen Ordnung macht (Maull 2010: 308).
2.2 Fragile Staatlichkeit
In den folgenden Abschnitten soll erklärt werden, was unter fragiler Staatlichkeit zu verstehen ist. Anschließend werden die Ursachen von fragile Staatlichkeit nach Ulrich Schneckener erläutert.
2.2.1 Definition
Die Fragile Staaten oder gescheiterten Staaten sind politische Begriffe, mit dem ein Land beschrieben wird, wenn es nicht mehr die Kontrolle über sein Territorium hat und somit unwirksam ist. Außerdem können die Staaten auch durch Naturkatastrophen scheitern. Laut Schneckener „(e)s geht um Staaten, deren Institutionen nicht oder nicht mehr in der Lage sind, bestimmte elementare Leistungen für ihre Bevölkerung zu erbringen.“ (Scheckener 2003: 12). Die politischen Akteure dieser Staaten konkurrieren miteinander und praktizieren Mittel von illegalen wirtschaftlichen Netzwerke. Dies hat die Folge, dass die Bevölkerung von dem Staat ungeschützt sowie ungesichert wird. Mit dem Verlust von staatlichen Institutionen steigen daher die Kriminalitätsraten, die Korruption, die Einmischung von Militär in die Politik sowie die Dominanz von terroristischen Gruppen.
2.2.2 Ursachen
Die Ursachen für eine fragile Staatlichkeit sind durch verschiedene Faktoren gekennzeichnet. Laut Schneckener, um die Ursachen für fragile Staatlichkeit festzustellen sind quantitative und qualitative Vorgehensweisen denkbar (Schneckener 2004a: 17). Bei dem quantitativen Ansatz „bemüht man sich auf der Basis umfangreicher Datensätze bestimmter Erklärungsvariablen durch statistische Verfahren zu isolieren.” (Schneckener 2004a: 17). Ein Beispiel für eine quantitative Forschung zur Erklärung von fragiler Staatlichkeit lautet „je weniger ein Staat in den Weltmarkt integriert ist (...), je höher ist die Kindersterblichkeit ((als Indikator für Lebensbedingungen)) und je fragiler die Demokratisierungsbemühungen sind, desto größer ist das Risiko des Staatszerfalls.” (Schneckener 2004a: 17f.). Bei dem qualitativen Ansatz nach Schneckener werden typische Faktoren von fragiler Staatlichkeit durch einen systematischen Vergleich von Fallstudien analysiert. Er unterscheidet eine Vielzahl von Faktoren geordnet durch (1) Struktur-, Prozeß- und Auslösefaktoren zwischen (2) internationaler/regionaler, nationaler und substaatlicher Ebene. Bei den Strukturfaktoren handelt es sich um „jene Bedingungen, die sich aus den natürlichen Gegebenheiten eines Landes ((z.B. der Existenz von Bodenschätzen, den klimatischen Verhältnissen)) und langfristig wirksamen politischen, kulturellen oder sozio-ökonomischen Strukturmerkmalen ergeben ((z.B. koloniales Erbe, multiethnische Bevölkerung, demographische Entwicklung, Einfluß von Groß- und Regionalmächten)).” (Schneckener 2004a: 18). Bei den Prozeßfaktoren “sind jene Bedingungen, die innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens ((510 Jahren)) die Erosion von Staatlichkeit in Gang setzen und vorantreiben.” (Schneckener 2004a: 18). Hier geht es besonders um das Verhalten der Akteure, vor allem die politischen Eliten, Beispiele dafür sind die politische Instrumentalisierung von sozialer Unzufriedenheit, die Politisierung und Polarisierung von ethnisch-kulturellen Differenzen, die Zunahme von politischem Extremismus, Korruption, Kriminalität etc. (Schneckener 2004a: 18). Die Auslösenfaktoren „sind jene Ereignisse, die innerhalb weniger Tage oder Wochen einen abrupten Wandel auslösen.” (Schneckener 2004a:18). Diese Faktoren sind durch verschiedene Ebenen nämlich Makro-, Meso- und Mikroebene unterschiedlich. Bei der internationalen und regionalen Ebene (Makroebene) „geht es um das Verhältnis zwischen dem Staat und seinem internationalen bzw. regionalen Umfeld. Hier stehen die Aktivitäten von externen Akteuren (...) sowie weltpolitische und regionale Entwicklung im Mittelpunkt.” (Schneckener 2004a: 20). In der nationalen Ebene (Mesoebene) geht es um das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft. Zuletzt geht es in der substaatliche Ebene um das Verhältnis zwischen Staat und substaatlichen Akteuren „wie etwa Regionen, Kommunen oder einzelnen, lokalen Bevölkerungsgruppen.” (Schneckener 2004a: 20). In der folgenden Abbildung zeigen die begünstigende Faktoren die fragile Staatlichkeit nach Ulrich Schneckener.
Abbildung 1: Begünstigende Faktoren für fragile Staatlichkeit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schneckener 2004a: 19.
3. Staatszerfall: Ein globales Sicherheitsrisiko?
Nachdem die Definitionen von Staat und fragile Staatlichkeit nun erläutert wurde, werden zunächst die fragilen Staaten als ein Sicherheitsrisiko für die Internationale Gemeinschaft aufgezeigt und inwiefern die fragilen Staaten ein globales Sicherheitsrisiko darstellen.
3.1 Fragile Staaten und transnationale Terrorismus
Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 wurde eine Verbindung zwischen Terrorismus und fragile Staaten hergestellt. Seit den Anschlägen wird in der internationalen Beziehung diskutiert, dass die fragilen Staaten eine große Bedrohung für den internationalen Frieden und Sicherheit darstellen werden, da sie für transnationale Terrornetzwerke „interessant sind (...) vor allem in jenen Staaten, in denen Staatlichkeit ,auf der Kippe‘ steht, die geschwächt sind, oder sich in einem fortgeschrittenen Verfallsprozess befinden.” (Schneckener 2003: 11). Die Staaten bzw. Gebiete, in dene ihre staatliche Kontrolle mangelhaft ist, werden von Terroristen als Ruheräume und als Orte für Trainings- und Ausbildungscamps genutzt. Dadurch können die Terroristen durch die Defizite des Staates ihre Aktivitäten durchführen sowie ihre Propaganda verbreiten (Schneckener 2005). Mit dem Fall des Terroranschlags des 11/9 gehörten 19 Attentäter einem transnationalen Terrornetzwerk (Al Khaida) an mit dem Hauptsitz in Afghanistan. Afghanistan ist ein fragiler Staat, dies zeigt, dass aus innerliche Probleme sowie innergesellschaftliche Konflikte, ein globales Sicherheitsrisiko und Bedrohungen erwachsen können (Schneckener 2003: 11). Aber „die fragile Staaten (sind) weniger eine Ursache für Terrorismus als vielmehr ein begünstigender Faktor für den Aufbau einer Infrastruktur, die für Terroristen zwingend erforderlich ist, um ihr Geschäft auf Dauer betreiben zu können.” (Schneckener 2005). Dadurch nutzen viele transnationale Terrornetzwerke solche Staaten als Basis für ihre globalen Aktivitäten. Allerdings zeigen die fragilen Staaten einerseits durch den Verlust von staatlichen Institutionen sowie die fehlende staatliche Kontrolle, Bedingungen für die globalen Aktivitäten von Terroristen (Schneckener 2003: 11), andererseits konnten laut Newman durch quantitative Ansätze keine allgemeine Korrelation zwischen Fragilität und Terrorismus feststellen (Lambach 2013: 39). Daniel Lambach stellt drei Erklärungen dafür:
„Erstens werden nicht alle Tätigkeiten terroristischer Gruppen durch fragile Staatlichkeit einfacher gemacht. Zum Beispiel benötigen sie eine gewisse Infrastruktur für ihre Kommunikation, ihre Logistik, ihre Finanztransaktionen und ihre Planung. Zweitens verändert es die strategische Logik von Terroristen, wenn sie Basen in „gewaltoffenen Räumen“ (ELWERT 1997) unterhalten, da sie nun auch territoriale Kontrolle ausüben müssen.
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