Wie sollte eine ideale Erziehungspartnerschaft aussehen wenn man die heutigen Chancen und Schwierigkeiten berücksichtigt?
Zusammenfassung
Die Bedeutung einer Zusammenarbeit zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften wird, wie hier angedeutet, immer wichtiger. Die beschriebene Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bringt sowohl Chancen mit sich, als auch Schwierigkeiten. Dem werde ich in meinen Ausführungen nachgehen, ebenso wie dem Wandel der Familie und der Frage, wie eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft in der Praxis aussehen könnte. Die rechtliche Grundlage für Erziehung basiert auf dem Grundgesetz, Artikel 6 Absatz 2: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan bringt die Möglichkeit einer gemeinsamen Erziehung auf den Punkt, indem er die Möglichkeit der Delegation dieser Pflicht und Verantwortung der Eltern eröffnet: „Eltern tragen die Hauptverantwortung für die Bildung und Erziehung ihres Kindes.“. Dieses Bildungs- und Erziehungsrecht in Bezug auf das einzelne Kind übertragen die Eltern der Tageseinrichtung, es wird nicht wie vergleichsweise bei der Schule verfassungsrechtlich eingeräumt. Trotzdem sind Kindertagesstätten kraft Gesetzes verpflichtet, die Bildungs- und Erziehungsaufgaben in enger Kooperation mit den Eltern zu planen und sie an Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Tageseinrichtung zu beteiligen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
EINFÜHRUNG
1. WIE SOLLTE EINE ERZIEHUNGS- UND BILDUNGSPARTNERSCHAFT AUSSEHEN?
1.1 DIE RECHTLICHE GRUNDLAGE
1.2 DAS IDEALBILD
2. FAMILIE IM WANDEL
2.1 SCHWIERIGKEITEN IN DER ERZIEHUNGSPARTNERSCHAFT
2.2 CHANCEN DER ERZIEHUNGSPARTNERSCHAFT
3. AUSWIRKUNGEN EINER GUTEN ERZIEHUNGSPARTNERSCHAFT
LITERATURVERZEICHNIS
„Der Kindergarten fördert neben dem Elternhaus die Entwicklung der Kinder am nachhaltigsten.Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit beider Bereiche ist daher unabdingbar und bietet gleichzeitig die Chance, Eltern in ihren Erziehungsaufgaben zu unterstützen. Ein wesentliches Element für eine gelingende Kooperation ist der Aufbau einer tragfähigenErziehungspartnerschaft.“
(Stolz 2004, S. 103)
1 Einführung
Familie und Kindergarten, das sind die beiden Orte, an denen heute Kinder in fast allen modernen Gesellschaften aufwachsen (vgl. Rabe-Kleberg 2010, S. 66). Bonfenbrenner beschreibt die Familie und den Kindergarten als zwei Mikrosysteme, die gemeinsam ein Mesosystem bilden. Beide sind Erzieher und Miterzieher und können deshalb als Partner bezeichnet werden (vgl. Thiersch 2004, S. 77).
Das Zusammenwirken von Eltern und pädagogischen Fachkräften, also die klassischeElternarbeit hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Früher wurden Eltern in erster Linieinformiert, ihnen wurde etwas vorgestellt, angeboten, sie wurden eingeladen oder angeregtmitzuarbeiten. Im Gegensatz dazu hat sich der Begriff der Erziehungspartnerschaft entwickelt.Hier geht es nicht mehr darum, dass alle Aktivitäten und Anregungen von den Erzieherinnenausgehen, sondern dass gemeinsam mit den Eltern Aktivitäten überlegt, geplant unddurchgeführt werden. Idealerweise sollten Eltern und Erzieherinnen gemeinsam für das Wohlder Kinder sorgen und bei deren Betreuung, Erziehung und Bildung zusammenarbeiten. BeideParteien tragen gemeinsam Verantwortung für den Bildungsprozess der Kinder (vgl. Wehringer2010, S. 9; vgl. Textor 2010b). Die Bedeutung einer Zusammenarbeit zwischen Eltern undpädagogischen Fachkräften wird, wie hier angedeutet, immer wichtiger.
Die beschriebene Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bringt sowohl Chancen mit sich, alsauch Schwierigkeiten. Dem werde ich in meinen Ausführungen nachgehen, ebenso wie demWandel der Familie und der Frage, wie eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft in derPraxis aussehen könnte. Es ist unmöglich in einer Arbeit mit diesem Umfang das Themakomplett zu erschließen.
1.1 Die rechtliche Grundlage
Die rechtliche Grundlage für Erziehung basiert auf dem Grundgesetz, Artikel 6 Absatz 2: „Pflegeund Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnenobliegende Pflicht.“ Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan bringt die Möglichkeit einergemeinsamen Erziehung auf den Punkt, indem er die Möglichkeit der Delegation dieser Pflichtund Verantwortung der Eltern eröffnet: „Eltern tragen die Hauptverantwortung für die Bildungund Erziehung ihres Kindes.“ (Bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan 2007, S. 438). DiesesBildungs- und Erziehungsrecht in Bezug auf das einzelne Kind übertragen die Eltern derTageseinrichtung, es wird nicht wie vergleichsweise bei der Schule verfassungsrechtlicheingeräumt.
Trotzdem sind Kindertagesstätten kraft Gesetzes verpflichtet, die Bildungs- undErziehungsaufgaben in enger Kooperation mit den Eltern zu planen und sie an Entscheidungenin wesentlichen Angelegenheiten der Tageseinrichtung zu beteiligen (vgl. Art. 13 und 14BayKiBiG). Diese Verpflichtung wird im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan aufgegriffenund im Orientierungsplan für die baden-württembergischen Kindergärten ebenso ausgeführt(vgl. Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die baden-württembergischenKindergärten 2007, S. 51).
Im SGB VIII Artikel 22a Absatz 2 wird weiter konkretisiert, dass Fachkräfte in Kindertagesstätten mit den Erziehungsberechtigten zusammenzuarbeiten haben, „zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses“.
Die Zusammenarbeit von Erziehungsberechtigten und Fachkräften der Kindertageseinrichtungen scheint sozial- und bildungspolitisch unumgehbar geworden zu sein (vgl. Cloos/Karner 2010, S. 169).
1.2 Das Idealbild
Jedes einzelne Bundesland hat in den jeweiligen Bildungs- und Erziehungsplänen die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten ausgeführt und zum Standard erklärt (vgl. Cloos/Karner 2010, S. 169). Beispielsweise beschreibt der bayerische Erziehungs- und Bildungsplan das Idealbild, wie die Zusammenarbeit einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bestenfalls funktionieren sollte, wie folgt:
„Hier öffnen sich Familie und Kindertageseinrichtung füreinander, tauschen ihreErziehungsvorstellungen aus und kooperieren zum Wohl der ihnen anvertrauten Kinder. Sieerkennen die Bedeutung der jeweils anderen Lebenswelt für das Kind an und teilen ihregemeinsame Verantwortung für die Förderung des Kindes. Bei einer partnerschaftlichenZusammenarbeit von Fachkräften und Eltern findet das Kind ideale Entwicklungsbedingungenvor: Es erlebt, dass Familie und Tageseinrichtung eine positive Einstellung zueinander habenund (viel) voneinander wissen, dass beide Seiten gleichermaßen an seinem Wohl interessiertsind, sich ergänzen und einander wechselseitig bereichern.“ (Bayerischer Bildungs- undErziehungsplan 2003, S. 221).
Demnach ist Erziehungspartnerschaft keine Methode, sondern eine Haltung, die gelebt und erfahren wird sowie einige Chancen mit sich bringt. Grundlage ist ein echtes Interesse an den Familien (vgl. Wehringer 2010, S. 9, vgl. Cloos/Karner 2010, S. 171). Dabei ist wichtig, dass die pädagogischen Fachkräfte ihre Haltung und Einstellung gegenüber den Eltern reflektieren (vgl. Bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan 2003, S. 220).
Eine gute Elternarbeit beginnt schon bevor ein Kind in einer Kindertageseinrichtung angemeldetwird. Am Anfang steht die Botschaft, dass die Eltern herzlich willkommen sind und dieEinrichtung besuchen können. Diese Botschaft sollte nach außen klar ersichtlich sein. (vgl.Naumann 2011, S. 125; vgl. Wießler 2007, S. 44-47) Sikcan betont dabei, dass Eltern erfahren,dass die Kindertageseinrichtung ein freudvoller und verlässlicher Ort ist, indem Eltern täglichihre Fragen stellen können, Kontakte knüpfen und sich beteiligen können. (vgl. Sikcan 2008,S.191)
Natürlich ist es die Aufgabe jeder Kindertageseinrichtung die allgemeinen Vorgaben in eigene Richtlinien umzusetzen und das Willkommenheißen auf ihre Art und Weise zu gestalten.
Der erste persönliche Kontakt mit den Eltern ist sehr bedeutend. Meist findet er an Tagen der offenen Tür oder bei Informationsveranstaltungen statt. Neben einer herzlichen Begrüßung spielt die Gestaltung der Räume eine entscheidende Rolle (vgl. Naumann 2011, S. 125 f.). Die Fachzeitschrift Kindergarten heute - basiswissen kita führte dazu eine Umfrage zum Thema „wann nehmen Eltern in einer Einrichtung war, dass sie Willkommen sind“ durch. Hierbei wurde festgestellt, dass das Wohlbefinden von Eltern oft an Details festgemacht wurde. Wenn der Eingangsbereich freundlich und einladend wirkt, es gut riecht, Räume in warmen Farben gestrichen und gut beschildert sind, die Dekoration der Einrichtung wechselt, es einen Platz für Eltern gibt, dann fühlen Eltern sich willkommen (vgl. Welzien 2006, S. 18).
Wie eine qualitativ hochwertige Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern gestaltetwird, hängt auch von den lokalen Bedingungen ab. Eine Kindertageseinrichtung, die sich imsozialen Brennpunktviertel befindet, steht vor anderen Herausforderungen und braucht andereAngeboten, als eine Kindertageseinrichtung im Neubauviertel mit gut verdienenden Familien.
(vgl. Bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan 2007, S. 442) Es gilt, möglichst viele unterschiedliche Familienkulturen im Viertel wahrzunehmen und anzusprechen, um so Hürden aus dem Weg zu räumen. (vgl. Naumann 2011, S. 125) Außerdem ist die Kindertageseinrichtung aufgefordert ihr Angebot für Eltern bedürfnisgerecht zusammenzustellen, beruhend auf einer Situations- und Bedarfsanalyse sowie einer guten Planung und Abstimmung der Angebote auf die Eltern. (vgl. Bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan 2007, S. 442)
Eine gelungene Kooperation zwischen Eltern und Kindertageseinrichtung entsteht dann, wenn Eltern und Kindertageseinrichtung als gleichberechtigte Partner in gemeinsamer Verantwortung für das Kind sorgen und sich auf Augenhöhe begegnen. (vgl. Thiersch 2004, S. 83) Dabei gilt, die Eltern in ihrer Kompetenz ernst zu nehmen, anzuerkennen, wertzuschätzen und zu unterstützen (Textor 2013).
Dass die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zum Wohle der Kinder dienen soll, darf nicht aus dem Blick geraten (vgl. Orientierungsplan für Bildung und Erziehung 2007, S.51). Es muss demnach alles so ausgerichtet werden, damit das Kind in seiner Bildung und Erziehung gefördert wird und sich weiter entwickeln kann. (vgl. Thiersch 2004, S. 83)
Wichtig ist auch, dass Eltern an Bildungs- und Erziehungsprozessen ihres Kindes in derKindertageseinrichtung mitwirken und teil daran haben (vgl. Thiersch 2004, S. 83).
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