Immer stärker weisen die globalen Migrationstendenzen auf die Notwendigkeit erfolgreicher kultureller und sozialer Integration der vielfältigen Gruppen in die Gesellschaft hin. In diesem Kontext gewinnt eine besondere Art der Integration an Bedeutung: die mediale Integration, welche ohne ausreichende Sprachkompetenzen nicht möglich ist. Unter medialer Integration kann man in der Regel die "interkulturelle Integration" verstehen, deren Konzept eine Balance zwischen der aufnehmenden Kultur und der Kultur der Minderheiten aufzubauen, d.h. einen "angemessenen Mittelweg zwischen Assimilation einerseits und Segregation andererseits" für die Entwicklung der Gesellschaft zu wählen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I Entwicklung und zustand der medialen Integration in Deutschland
1. Darstellung der Migranten in deutschen Medien
1.1 Wichtige Merkmale der Berichterstattung über Migranten
1.2 Berichterstattung der Migranten
1.3 Saarbrücker Zeitung als Beispiel der Repräsentation der Migranten in Medien
2. Ethnomedien in Deutschland (am Beispiel der Türkei)
2.1 Rolle der Ethnomedien. Brücke zur Heimat
2.2. Fernsehen und TV-Sender
2.3 Andere Medien (Printmedien, Radio, Internet)
II Multikulturalismus und die mediale integration in kanada
1. Repräsentation der Migranten in Kanada
1.1 Das Migrantenbild in den kanadischen Medien
1.2 Verbrechen in medialen Diskursen
2. Ethnomedien und Kulturvielfalt
2.1 Fernsehen und Radio
2.2 Die Medien der Ureinwohner
III Analyse
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
So here you are
Too foreign for home Too foreign for there Never enough for both1
Immer stärker weisen die globalen Migrationstendenzen auf die Notwendigkeit erfolgreicher kultureller und sozialer Integration der vielfältigen Gruppen in die Gesellschaft hin. In diesem Kontext gewinnt eine besondere Art der Integration an Bedeutung: die mediale Integration, welche ohne ausreichende Sprachkompetenzen nicht möglich ist. Unter medialer Integration kann man in der Regel „die interkulturelle Integration“ verstehen, deren Konzept eine Balance zwischen der aufnehmenden Kultur und der Kultur der Minderheiten aufzubauen, d.h. „angemessenen Mittelweg zwischen Assimilation einerseits und Segregation andererseits“ für die Entwicklung der Gesellschaft zu wählen.2
Die PISA-Studie (2000) hat feststellt, dass es Schülern und Schülerinnen mit Migrationshintergrund an Lesekompetenzen mangelt, was ihren Bildungserfolg erheblich erschwert und zukünftige Berufschancen verschlechtert. Aus diesem Grund besteht für Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund ein großer Verbesserungsbedarf im Bereich Medienkompetenz.
Alle integrationsverbundenen Fragen sind in Kanada, einem klassischen, von Natur aus mehrsprachigen Einwanderungsland, vom Konzept „Multikulturalismus“ geprägt. Allgemein gesprochen setz sich die Situation der medialen Integration zusammen aus der Art der Darstellung der Migranten in den Medien, die Mediennutzung, die Beteiligung der Migranten in der Mediaproduktion und den Ethomedien. Deswegen ist es sinnvoll, in der vorliegenden Arbeit der Frage nachzugehen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der medialen Integration zwischen Kanada und Deutschland erkennbar und welche Elemente auf das deutsche Modell möglicherweise übertragbar sind.
Die vergleichende Analyse wurde auf die Basis der zahlreichen Werke kanadischer Sozial- und Kommunikationswissenschaftler wie Fleras und Hargreaves, wie auch der deutschen Wissenschaftler wie Geißler, Ruhrmann und Jäger beschränkt, was eine spezifische Perspektive entstehen lässt. Dabei wird in drei Schritten vorgegangen. Nach dem ausführlichen Überblick über die Darstellung der Migranten in Deutschland werden die wichtigsten Aspekte der medialen Integration in Kanada genannt. Auf der Grundlage der zwei vorangehenden Kapitel wird die vergleichende Analyse herausgearbeitet.
I Entwicklung und Zustand der medialen Integration in Deutschland
1. Darstellung der Migranten in deutschen Medien
Medien sind die Vermittler sozialer Wirklichkeit in der Gesellschaft, offensichtlich, dass sie die Integrationsfunktion in sich tragen. Die Geschichte Deutschlands als Einwanderungsland begann in den 1950er mit der Ankunft der Gastarbeiter aus verschiedenen Ländern. Das Zitat von Max Frisch beschreibt den Prozess näher: „We called the workers, instead human beings arrived.“ („Wir haben Arbeiter gerufen, stattdessen sind Menschen gekommen“) (Nötzold/Dilli 2009 , 86).
Diese ersten Analysen über Gastarbeiter (in Nordrhein-Westfalen) zeigten die Berichterstattungen, die meist einerseits mit dem schädlichen Einfluss von Migranten auf die Wirtschaft der Region und andererseits mit der Kriminalität verbunden sind (vgl. Ruhrmann / Demren 2000, 2). Erst 14 Jahren nach wurde mithilfe der Bundesregierung eine Studie (Basis - 18 Presseorgane, 2900 Artikel) durchgeführt (von Merten, Ruhrmann), die ein starker und beeinflussender Nachrichtenfaktor, nämlich „Negativität“, nachwiesen, weil fast in einem Viertel aller untersuchten Artikel das Thema „steigende Kriminalität“ im Zusammenhang mit Migranten aufgetaucht hat (vgl. Ruhrmann / Demren 2000, 2).
Als weiteres wurde festgestellt, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen „erwünschten“, und „weniger erwünschten“ Personengruppen besteht. Beispielweise, lassen sie die Gäste, Künstler und Sportler durchweg in einem positiven Licht erscheinen, im Gegensatz dazu sind die ausländischen Arbeitnehmer, Asylbewerber größtenteils mit negativen Implikationen verknüpft. Die Griechen, Italiener und Spanier, die „uns “ durch ihre Kultur, Religion vertraut sind, werden positiver als die Menschen aus anderen Weltecken dargestellt (vgl. Ruhrmann / Demren 2000, 2).
In der Studie (2010) von Weibert wurden die türkischen Einwanderer am häufigsten eher als „Objekt des journalistischen Schreibens“ in den deutschen Medien dargestellt (vgl. Weibert 2010, 226). In Gegensatz dazu können die Straftäter in amerikanischen Zeitschriften selber als Handlungspersonen verstanden werden. Zambonini/ Simon (2008) haben gefunden, dass die Autoren die Migranten als „Durchschnittsbürger“ bezeichnen.
1.1 Wichtige Merkmale der Berichterstattung über Migranten
Eine Übersicht über das Thema gibt Anlass zu den folgenden Beschreibungen und Beobachtungen von häufig auftretenden Kennzeichen in den Reportagen über Migranten. Die Entstehung des Kriminalitätssyndroms gegen ausländische Arbeitnehmer besitzt bei zahlreichen Analysen der Berichterstattung von Migranten in Deutschland einen hohen Stellenwert. Als Nächstes findet man in der Bevölkerungsmeinung viele Fälle von Überrepräsentation unerwünschter Gruppen (Türkei, und andere nichteuropäische Länder) (vgl. Ruhrmann / Demren 2000, 4).
Die Mediendarstellung wird vom Aktualitätssyndrom beeinflusst, d.h., dass obwohl die Ereignisse neu und wichtig sind, werden die vermeintlich inaktuellen Hintergrundinformationen vernachlässigt (vgl. Ruhrmann / Demren 2000, 5).
Auch der Gebrauch der Sprache, die häufig diskriminierende Zuschreibungen enthält, verstärkt den Negativcharakter der Berichterstattung. Man spricht dann allgemein über ein Negativsyndrom, in dem im Zentrum der Darstellung die Migranten als „Problem“, oder „Krise“ stehen (vgl. Geißler 2008, S. 13).
In der Live-TV Berichterstattungen findet sich häufig die Dramatisierungsaspekten, die als negative Einflussfaktoren bei der Berichtserstattung dienen. Der Rechtsradikalismus und die Extremistenbewegungen auf Internet-Seiten, die den Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung haben, verstärken die Fremdfeindlichkeit und verzögern die Integrationsprozesse (vgl. Ruhrmann/ Demren 2000, S. 5).
Es wird vergleichsweise zu anderen Themen wenig über die Migranten und ihre Situation in Deutschland berichtet, ihre persönlichen Lebensbedingungen werden nicht in einem negativen Licht dargestellt - die Migranten tauchen häufig als Kriminelle oder Frevler auf. Diese Verzerrung ins Negative ist auch für die Fernsehnachrichten belegt. So kommt eine Studie zu den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT 1 im Jahr 2003 zu dem Ergebnis, dass mehr als ein Drittel der Berichte über Migranten und Migrantenthemen in einem Zusammenhang mit dem Diskurs über Terror und Terrorismus steht.3
1.2 Berichterstattung der Migranten
In seinem Artikel (2013) gibt Geißler eine Übersicht zum Thema Mediale Integration in Deutschland und vertritt die Auffassung, dass es unerforschte Lücken in diesem Bereich gibt. Es existieren schon zahlreiche Analysen der Printmedien existieren Beispielweise schon, aber nur wenige Untersuchungen zur Fernsehsendungen, und keine systematischen Analysen der Radiosendungen (vgl. Geißler 2013, 162).
In dem Zeitraum von 1996 bis 2006 wurde eine positive Entwicklung der Darstellung der Migranten nachgewiesen. Einen Sonderfall findet man in der Siegener Lokalzeitung, wo die Migranten als unersetzliche Arbeitskraft (auch freiberuflich engagiert sind) auftreten, die gute Nachbarschaft herstellen können, und Vollbürger im kulturellen und zivilen Sinn sind.
Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten
Quelle: Geißler, Reiner (Medien und Migranten), S. 163
Im Gegensatz dazu bleiben die Religionsfragen im Kontext von Islam und Muslime ziemlich heftig diskutiert und die Besonderheiten (Kleidung oder Glaubengründsätze) der Ausübenden dieser Religionen finden eher negative Darstellung. Die Trennung zwischen Islam und Islamismus kommt in den Zeitungen wie BILD, Spiegel, aber auch in den Sendungen von ARD und ZDF nicht vor (vgl. Geißler 2013, 163).
Eine der durchgeführten Analysen untersucht die Darstellung von Migranten als Verbrecher im Vergleich mit den inländischen Frevler oder Angeklagten. Da Kriminalität immer mit negativen Wertungen verbunden ist, tragen die Medien eine große Verantwortung, wie diese Abweichungen von der sozialen Norm gezeigt werden und wie über diese Personen berichtet wird (vgl. Jäger 2000, 208). Die Studie der Tageszeitungen und Zeitschriften ergibt, dass die Hälfte der Quellen die Information über die nationale Zugehörigkeit oder Herkunft enthält (vgl. Jäger 2000, 211). Bei inländischen Täter tauchen die Nennung von Beweggründen und die möglichen Motive auf, der Verweis auf das Verbrechens oder die Tat ist nicht explizit (vgl. Jäger 2000, 212).
In der Berichterstattung über ausländische Täter werden sie hart behandelt und ihre Nationalität wird insofern direkt genannt, als dass beispielweise mangelhafte Sprachkenntnisse, Aussehen und sogar Namen angesprochen werden. Die Straftaten werden brutaler und gefährlicher gezeichnet. Derartige Berichterstattung über „fremdaussehende“ Person mit ausländischer oder nicht deutscher Herkunft erzeugt die Vorstellung, dass sich die Migranten dem deutschen System nie anpassen wollen oder dazu nicht in der Lage sind (vgl. Jäger 2000, 212).
Bei der Untersuchungen der medialen Integration an Beispiel der Berichterstattung von lokalen Printmedien über Türken in Dortmund (2010) kommt die Autorin zu den Schlussfolgerungen, dass Religion in der Regel ein wichtiger Teil des Lebens der türkischstämmigen Migranten ist (vgl. Weibert 2010, 222). Die Schwierigkeiten bestehen darin, dass wenn Probleme wirklich auftauchten, die türkischstämmige Bevölkerung nicht befragt wurde (vgl. Weibert 2010, 235). Die Diskussionen über das Zuwanderungsgesetz und die umstrittene Frage nach der Gründung eines muslimischen Gemeindezentrums erbringt den Nachweis, dass die direkten Teilnehmer des Prozesses nicht zur Sprache kommen (vgl. Weibert 2010, 229). Deswegen ist es unmöglich einen effektiven informativen medialen Zwischenraum abzubilden (vgl. Weibert 2010, 231).
Man findet in den Zeitungen nur einige nützliche Artikel - „Tipps für Migranten“ (Ruhr Nachrichten, 23.6.2003), bei denen im Mittelpunkt die Fragen nach „Übergang Schule-Beruf von jugendlichen Migranten“ stehen (vgl. Weibert 2010, 233). Wenige Berichte über den kulturellen Austausch wurden abgedruckt. Die Ausnahme bildet die mithilfe des Türkischen Vereins organisierte zweitsprachige Veranstaltung, die den Namen „Lesung in zwei Sprachen“ trug (vgl. Weibert 2010, 240).
Bei der Berichterstattung im Bereich der Politik und Wirtschaft kommen das ausführliche Porträtieren der türkischstämmigen Politiker, Untersuchungen zum Wahlverhalten oder Bedeutung der Türken als Bevölkerungsgruppe, oder die Beschreibung der gelungenen geschäftlichen Zusammenarbeit kaum vor (vgl. Weibert 2010, 236). Wohingegen die türkischstämmigen Sportler eine besondere Bedeutung einnehmen und als aktive Mitglieder der Sportgesellschaft dargestellt sind (vgl. Weibert 2010, 239).
Laut der Studie von Margaret Lünenborg werden die Migrantinnen seltener dargestellt, und die Darstellung ist meistens stereotypisch. Die Studie von Huhnkes (1980-1992) vom Nachrichtenmagazins Spiegel zeigt, dass insbesondere Migrantinnen meistens solche Beschreibungen wie „die schwarze Frau“, „die Türkin“, oder „Osteuropäerin“ tragen und das Berichtsthema oft mit der Sexualität verbunden ist (vgl. Lünenborg/ Fritsche/ Bach 2011, 33).
Im Jahre 2004 erschien eine Dokumentation „Fremde Nachbarn“, in der die Muslime zwischen Integration und Isolation geraten. Die Gewalt und Unterdrückung von Frauen wurde als Alltagsleben dieser Gruppe geschildert (vgl. Lünenborg/ Fritsche/ Bach Annika 2011, 39).
1.3 Saarbrücker Zeitung als Beispiel der Repräsentation der Migranten in Medien
Als Beispiel der Darstellung von Migranten in Pressmedien kann die inhaltliche Analyse der Tageszeitungen des Saarlandes näher angeschaut werden. Mithilfe der Grafik kann man die Beschreibung der Migrationsprozesse zwischen 1990 und 2010 in der Saarbrücker Zeitung durch die verschiedenen Kollektivsymbole näher betrachten. Wie man aus der Grafik erkennen kann, sind die dominierenden und mit Migranten geprägten Elemente wie „brechende Dämme“ und „das volle Boot“ am Anfang präsent (vgl. Kreutzer 2015, 169). Die weiteren häufig verwendeten Metaphern waren „Schlepper“, vermutlich um die durch Migrationsprozesse ausgelösten Gesundheitssorgen in den medialen Diskurs zu bringen und vor allem wahrscheinliche Krankheiten zu vermeiden (vgl. Kreutzer 2015, 170).
Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten
Quelle: Kreutzer, Elena (2015), S.164.
Mit solchen Symbolbegriffe wie „Flut“, „Welle“, „Damm“, „Festung“ wurde die negative Konnotation in den Berichterstattungen bezüglich der Flüchtlinge und Asylanten verstärkt (vgl. Kreutzer 2015, 167). Das öffentliche Symbol des „Kopftuches“ entwickelt bis jetzt die zahlreichen Diskussionen über Religionsfragen, Rechtlichkeit und Verdrängen in der Gesellschaft (vgl. Kreutzer 2015, 171). Nach dem Terroranschlag am 11. September 2001 hat die Bezeichnung „Schläfer“ sich nicht nur auf Terroristen verbreitet, sondern auf alle muslimische Migranten, die die Sicherheit des Landes gefährden könnten (vgl. Kreutzer 2015, 172).
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1 Ijeoma Umebinyuo “diaspora blues”. In: https://communicatingacrossboundariesblog.com/2016/05/10/always-too-foreign/
2 Reiner Geißler: Paradigmwechseln - vom „unerwünschten Ausländer“ zur notwendigen Migration und Integration. In: Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): Zur Rolle der Medien in der Einwanderungsgesellschaft. Expertisen und Dokumentationen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bonn 2010. S. 9
3 Georg Ruhrmann: Der Wert von Nachrichten im deutschen Fernsehen. Ergebnisse einer Inhaltsanalyse 1992-2004, Düsseldorf 2006, S. 112. Zitiert nach: Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der FriedrichEbert-Stiftung (Hg.): Zur Rolle der Medien in der Einwanderungsgesellschaft. Expertisen und Dokumentationen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bonn 2010. S. 11.