Als die wichtigsten durch die Schopenhauersche Philosophie stark beeinflussten Autoren können Julius Frauenstädt, Julius Bahnsen und Philipp Mainländer genannt werden, außerdem natürlich Friedrich Nietzsche und Eduard von Hartmann.
Der sogenannte Pessimismus und auch die Frage der Erlösung sind Kernthemen der Schopenhauerschen Philosophie, die nach dem Suizid drängt sich (damit) auf, man mag in ihr sogar einen „Knotenpunkt“ seiner Philosophie sehen. Diese Gedanken fordern (natürlich) Kritik heraus, und besonders diejenigen, die viel von Schopenhauers Philosophie übernommen haben, kommen an einer solchen nicht vorbei.
Insofern sind die hier behandelten Philosophen Hartmann, Mainländer und Bahnsen nicht nur ihrer selbst wegen interessant, sondern sie dienen, da sie den grundlegenden Gedanken Schopenhauers, dass Leben Leiden sei, sowie vieles seiner Willensmetaphysik übernommen haben, zugleich einer Auseinandersetzung mit Schopenhauers Überlegungen zu den Themen Erlösung und Suizid.
In der vorliegenden Arbeit werden nur die für das Thema der Erlösung besonders interessanten Schopenhauer-Nachfolger Hartmann, Mainländer und Bahnsen betrachtet, besonders mit Blick auf die Frage nach dem Suizid (unter anderem eben als eventuelle Erlösungsmöglichkeit).
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Zu den Themen Erlösung und Suizid
2.1 Eduard von Hartmann
2.2 Philipp Mainländer
2.3 Julius Bahnsen
3 Zusammenfassung und vergleichende Bemerkungen
3.1 Zusammenfassung
3.1.1 Schopenhauer
3.1.2 Hartmann
3.1.3 Mainländer
3.1.4 Bahnsen
3.2 Vergleichende Bemerkungen
3.2.1 Welterlösung und Individualerlösung
3.2.2 Selbsttötung
3.2.3 Leiden
3.3 Schluss
3.3.1 Konsequenter Pessimismus
3.3.2 Weitere Fragen und Probleme
4 Literaturverzeichnis
4.1 Hartmann, Mainländer und Bahnsen
4.2 Sekundärliteratur
1. Einleitung
Als die wichtigsten durch die Schopenhauersche Philosophie stark beeinflussten Autoren können Julius Frauenstädt, Julius Bahnsen und Philipp Mainländer genannt werden, außerdem natürlich Friedrich Nietzsche und Eduard von Hartmann.[1]
Der sogenannte Pessimismus[2] und auch die Frage der Erlösung[3] sind Kernthemen der Schopenhauerschen Philosophie, die nach dem Suizid drängt sich (damit) auf, man mag in ihr sogar einen „Knotenpunkt“[4] seiner Philosophie sehen. Diese Gedanken fordern (natürlich) Kritik heraus, und besonders diejenigen, die viel von Schopenhauers Philosophie übernommen haben, kommen an einer solchen nicht vorbei.
Insofern sind die im folgenden behandelten Philosoph(i)en nicht nur ihrer selbst wegen interessant, sondern sie dienen, da sie den grundlegenden Gedanken Schopenhauers, dass Leben Leiden sei, sowie vieles seiner Willensmetaphysik übernommen haben, zugleich einer Auseinandersetzung mit Schopenhauers Überlegungen zu den Themen Erlösung und Suizid.
Hier sollen nur die für das Thema der Erlösung besonders interessanten Schopenhauer-Nachfolger Hartmann, Mainländer und Bahnsen betrachtet werden, besonders mit Blick auf die Frage nach dem Suizid (unter anderem eben als eventuelle Erlösungsmöglichkeit). Dabei wird dem wenig bekannten[5] Mainländer am meisten Platz eingeräumt, sowohl wegen seiner Unbekanntheit[6] als auch und insbesondere wegen der Suizidthematik[7] – nicht wegen der Bedeutung seiner Philosophie.[8]
Anmerkung zu den Ausdrücken Selbstmord, Suizid, Selbsttötung und Freitod: In der vorliegenden Arbeit werden in nichtwertender, ,neutraler‘ Absicht die Wörter Suizid und Selbsttötung sinngleich benutzt, alle hier genannten Autoren schreiben jedoch fast ausnahmslos Selbstmord. Entgegen der Intuition ist es nicht einfach, zu entscheiden, welches Wort oder welche Wörter in einer (philosophischen) Arbeit über das Sich-selbst-Töten verwendet werden soll(t)en. Zwar ist Selbstmord das zumindest in der Umgangssprache gebräuchlichste Wort; in diesem Begriff aber klingt eine moralische (Vor-)Verurteilung an, weshalb es heute meist vermieden wird. Freitod wirkt oft als Gegenbegriff, ist damit ebenfalls nicht neutral, der Zusammenhang von Freiheit und Selbsttötung zudem kompliziert. Selbsttötung und Suizid scheinen als wertneutrale Begriffe unproblematisch. Zu bedenken ist aber, dass Suizid nicht einfach mit Selbsttötung, sondern auch mit Selbstmord zu übersetzen ist und dass beide Wörter steril wirken, Selbsttötung gilt zudem als amtssprachlich[9]. Nicht zu Unrecht schreibt Jaspers, „Psychiater sagen ,Suicid‘ und rücken durch Benennen einer Rubrik die Handlung in die Sphäre reiner Objektivität, die den Abgrund verhüllt“[10]. Eine eventuell beabsichtigte in moralischer Hinsicht neutrale Verwendung ist also nicht unbedingt neutral, sondern sie kann auch beispielsweise psychiatrisierend wirken. – Dieses begriffliche Problem kann hier nicht weiter erörtert werden. Wesentlicher als eine „,richtige‘ Terminologie“[11] ist wahrscheinlich das Wissen darum bzw. darauf aufmerksam zu machen, dass hier ein Problem vorliegt. Außerdem müsste der jeweilige Kontext mitbetrachtet werden (einen Suizidenten Selbst mörder zu nennen, kann wertend (verunglimpfend?) sein, im philosophischen Gespräch mag aber im Sinne Jaspers Selbstmord (teilweise) angebracht sein; und: was lange Zeit die moralische Verurteilung intendierte, hilft heute vielleicht, das Problem aus dem psychiatrischen Bereich herauszulösen und eben philosophisch zu betrachten). Für eine ausführlichere Diskussion der Begriffsfrage siehe Ostwald 2017.
Zur Zitierweise: Wie allgemein üblich sind Ergänzungen bzw. Streichungen innerhalb von Zitaten durch eckige Klammern gekennzeichnet, ergänzte, veränderte oder gestrichene Endungen ebenso. Primärquellen werden mit dem Namen des Autors sowie dem abgekürzten Titel des Werkes oder der Bandnummer, Sekundärliteratur mit dem Namen des Autors, gefolgt von der Jahreszahl zitiert.
2. Zu den Themen Erlösung und Suizid
2.1. Eduard von Hartmann
Hartmanns[12] (1842-1906) Philosophie stützt sich insbesondere auf Schopenhauer und Hegel, außerdem auf Elemente der Philosophie Schellings (zum Beispiel der Begriff des Unbewussten) und Leibniz’ sowie der damals modernen Naturwissenschaft.[13] Mit seinem dreibändigen Hauptwerk Philosophie des Unbewußten [14] wurde er relativ bekannt[15].
Dem Titel seines Hauptwerkes gemäß ist das Unbewusste der zentrale Begriff der monistischen Hartmannschen Philosophie.[16] Er versteht es als ein umfassendes Prinzip, es ist unräumlich, da es den Raum erst „setzt“[17] und Ursache allen Geschehens (insbesondere des Geistes und der Natur) ist; das Unbewusste ist dabei aktiv und produktiv. Der Zusammenhang von Wille und Welt ist dem bei Schopenhauer ähnlich: „Die Welt ist nur eine stetige Reihe von Summen eigenthümlich combinirter Willensacte des Unbewussten, denn sie ist nur, solange sie stetig gesetzt wird; das Unbewusste höre auf, die Welt zu wollen, und dieses Spiel sich kreuzender Thätigkeiten des Unbewussten hört auf zu sein.“[18] Das, was wir Realität nennen, bestehe nur im „gegenseitig geleisteten Widerstand der individuell vertheilten Willensacte des All-Einen“,[19] also des Unbewussten.[20] Das Unbewusste ist nur eines, während die Vielheit des Bewusstseins die Vielheit der Erscheinung des einen Unbewussten ist.[21]
Da das Hartmannsche Unbewusste aber weder irren noch zweifeln könne[22] – Hartmann spricht von Allwissenheit und -weisheit[23] – ist diese Welt die beste aller Welten: „so dürfen wir uns wohl mit Recht dem Vertrauen hingeben, dass die Welt so weise und trefflich, als nur irgend möglich ist, eingerichtet und geleitet werde, dass, wenn in dem allwissenden Unbewussten unter allen möglichen Vorstellungen die einer besseren Welt gelegen hätte, gewiss diese bessere statt der jetzt bestehenden zur Ausführung gekommen wäre“.[24] Doch dass sie „vollkommen“, also „das bestmöglichste seiner Art“ ist, sagt noch „nicht das Mindeste über ihre Güte“ aus.[25] Auch für Hartmann ist wie für Schopenhauer das Elend zentral:[26] So spricht er von einer „durch und durch elende[n] Welt“[27] und betont, dass „Unlust nicht nur in der Welt im Allgemeinen in hohem Grade überwiegt, sondern auch in jedem einzelnen Individuum, selbst dem unter den denkbar günstigsten Verhältnissen stehenden.“[28] Darum schließt Hartmann, „dass die Existenz der Welt einem unvernünftigen Act ihre Entstehung verdanke“.[29]
Schließlich geht Hartmann davon aus, dass die Welt einen Endzweck ,habe‘. Genauer: „Auf dem Wege der Bewusstseinsentwicklung muss [...] das Ziel des Weltprocesses gesucht werden, und das Bewusstsein ist zweifelsohne der nächste Zweck der Natur, der Welt“[30], denn ein „stetige[r] Fortschritt, eine stufenweise Steigerung“ sei „einzig und allein bei der Entwicklung des Bewusstseins, der bewussten Intelligenz, der Fall“[31]. Um einen Endzweck handelt es sich dabei jedoch nicht: Der höchste Bewusstseinsgrad wird dann die Auslöschung der Welt zur Folge haben (s.u.). Darum müsse man sich diesem Weltprozess hingeben bzw. ihn vorantreiben. Hartmann lehnt daher die individuelle Willens- bzw. Lebensverneinung sowohl in der Form des Suizides als auch in der der Askese ab.[32] Vielmehr soll der Weltprocess nach Kräften vorangetrieben werden: Hartmann fordert „die volle Hingabe der Persönlichkeit an den Weltprocess um seines Zieles, der allgemeinen Welterlösung willen“.[33] D.h. insbesondere, dass er „ die Bejahung des Willens zum Leben als das vorläufig allein Richtige proclamirt; denn nur in der vollen Hingabe an das Leben und seine Schmerzen, nicht in feiger persönlicher Entsagung und Zurückziehung ist etwas für den Weltprocess zu leisten.“ [34] Diese Bejahung gilt aber nur ,vorläufig‘ als das Richtige, nämlich solange, bis die Welt ,reif‘ ist zur „universellen Willensverneinung“[35]. Dieser Weltprocess, bestehend in einem stetigen Fortschritt, einer Steigerung des Bewusstseins[36], hat im übrigen zur Folge, dass das „Elend und [die] Unseligkeit [...] wächst“[37], denn wenn die Intelligenz zunimmt, werden die Illusionen immer mehr untergraben und „so würde der Zustand der Welt immer unglücklicher.“[38]
Den Fortgang beschreibt Hartmann in Stadien der Illusion: im ersten wird das Glück als „dem heutigen Individuum im irdischen Leben erreichbares gedacht.“[39] Im zweiten wird es „als ein dem Individuum in einem transcendenten Leben nach dem Tode erreichbares gedacht.“[40] Im dritten Stadium schließlich gilt das Glück „als in der Zukunft des Weltprocesses liegend“[41]. Diesen Stadien entsprechen die Verzweiflung am gegenwärtigen Dasein, am Jenseits und schließlich die Resignation auf das positive Glück. Als (allerdings nicht so genanntes) viertes Stadium folgt dann die volle Hingabe an den Weltprocess mit dem Ziel der allgemeinen Welterlösung.[42]
Schließlich soll der höchste Bewusstseinsgrad zur Auslöschung der Welt führen: wie dieses Ende des Weltprocesses, die Aufhebung alles Wollens in’s absolute Nichtwollen [...] zu denken sei“, können wir aufgrund unserer unvollkommenen Kenntnisse nicht wissen.[43] „[D]ie Erlösung, die Umwendung des Wollen in’s Nichtwollen, [ist] auch nur als All-Einiger Act, nicht als individuelle, sondern nur als kosmisch-universale Willensmeinung zu denken, als der Act, der das Ende des Processes bildet, als der jüngste Augenblick, nach welchem kein Wollen, keine Thätigkeit, ,keine Zeit mehr sein wird‘. (Off. Joh. 10, 6).“[44]
Hartmann spricht vom „siegreiche[n] Kampf des Bewusstseins gegen den Willen, wie er uns als Resultat des Weltprocesses empirisch vor Augen tritt“; dieser sei nichts Zufälliges, vielmehr sei er „im Bewusstsein begrifflich enthalten, und mit der Entwickelung desselben als nothwendig gesetzt.“[45] (Das Unbewusste hat das Bewusstsein geschaffen, „um den Willen von der Unseligkeit seines Wollens zu erlösen, von der er selbst sich nicht erlösen kann“.[46] )
Der „Endzweck des Weltprocesses“ schließlich sei, den „grösstmöglichen erreichbaren Glückseligkeitszustand, nämlich den der Schmerzlosigkeit, zu verwirklichen“.[47]
Zum Suizid schreibt Hartmann, dieser scheine „[d]er nächstliegende Ausweg [zu sein], um dem Elend des Daseins zu entfliehen“[48]. Ihm kommt es aber auf die „Universalwillensverneinung“[49] an. Askese und Selbsttötung als Versuche einer individuellen Verneinung sind nicht nur vergeblich32, sondern auch Ausdruck von Egoismus: In Bezug auf den, der Suizid verüben möchte, heißt es, „nur damit ihm die Welt untergeht und seine Person das Leid nicht mehr zu fühlen braucht, so mag er es thun; – dieses vom Pistolenschuss zerschmetterte Gehirn wird es freilich nicht mehr erkennen lernen, dass sein Bemühen eitel war, und dass das Bewusstsein trotz des Wechsels der Gehirne fortfährt, zu hoffen und zu leiden“[50]. Tatsächlich aber kann der Suizident sagen, nach dem Tod „,bin Ich es dann doch nicht mehr, der zu leiden hat!‘“ Dagegen lasse sich „nichts einwenden“: vielmehr zeige „der Egoismus hier sein aufrichtigstes Gesicht, seine allerconsequenteste Gestalt“[51].
Das betrifft, anders als bei Schopenhauer, auch den Asketen. „In dem Selbstmörder und in dem Ascetiker ist so wenig bewunderungswürdige Selbstverläugnung wie in dem Kranken, der, um der Aussicht eines endlosen Zahnschmerzes zu entfliehen, sich vernünftigerweise zu dem schmerzhaften Ausziehen des Zahnes entschliesst. Es liegt in beiden Fällen nur klug berechnender Egoismus ohne jeden ethischen Werth vor, vielmehr Egoismus, der in allen solchen Lebenslagen unsittlich ist, wo ihm noch nicht jede Möglichkeit abgeschnitten war, seinen Pflichten gegen seine Angehörigen und die Gesellschaft zu genügen.“[52]
Askese und Streben nach individueller Willensverneinung bergen also Gefahren, nämlich die der Stagnation des Weltprocesses,[53] im schlimmsten Fall droht sogar das Aussterben der ganzen Menschheit durch Enthaltsamkeit; das Unbewusste fiele also in ein frühes Stadium zurück, der Weg zur Erlösung würde wieder länger werden.[54]
Ein (typisches) Opfer „um des Ganzen und des Processes willen“[55] besteht also nicht etwa in einem Aufopfern des Lebens, sondern im Unterlassen einer Selbsttötung. Im Übrigen ist ja dem Menschen, also „dem Erscheinungsindividuum als solchem [...] die Erlösung von seiner Pflicht der Mitarbeit durch den natürlichen Eintritt des Todes sicher“[56].
Wie die universale Erlösung aussehen könnte, lässt Hartmann, wie gesagt, im Unklaren. Gegen „die immer wiederkehrende Beschuldigung [...], dass ich einen ,Massenselbstmord der Menschheit‘ lehre“,[57] setzt er sich zur Wehr: „Ein Ende des Weltprocesses kann nur als ein übernatürlicher Act gedacht werden“[58].
Hartmann formuliert seine Ideen auch in religiöser Weise: „Das reale Dasein ist die Incarnation der Gottheit, der Weltprocess die Passionsgeschichte des fleischgewordenen Gottes, und zugleich der Weg zur Erlösung des im Fleische Gekreuzigten; die Sittlichkeit aber ist die Mitarbeit an der Abkürzung dieses Leidens- und Erlösungsweges.“[59] Es geht also um „einen Gott, der die schwersten Leiden auf sich zu nehmen genöthigt ist, um ein [...] noch schwereres Leiden wenn möglich abzukürzen und aufzuheben“[60]. Hartmann spricht vom „das Allleid des Absoluten“[61], vom „Mitleid mit Gott“[62] und schließlich „kann ich [der Mensch] Gott erlösen [helfen]“[63], mehr noch, „nur durch mich kann Gott erlöst werden“[64].
[...]
[1] Auch Lazar Frh. von Hellenbach (1827-1887) und Alfons Bilharz (1836-1925), Carl Peters (1856-1918), Leopold von Schröder (1851-1920), Paul Deussen (1845-1919) und schließlich Richard Wagner (1813-1883) sind von Schopenhauer beeinflusst, hier aber weniger interessant, sei es, dass sie zu wenig Philosophen sind oder sich zu weit von Schopenhauer entfernt haben (und evtl. das Erlösungs-/Suizidthema nicht berücksichtigen). (Eine Betrachtung Wagners bzgl. des Themas Erlösung (und Selbsttötung) wäre aber sicherlich nicht unergiebig.) Im Folgenden nur einige kurze Anmerkungen zu Hellenbach, Bilharz und Peters:
Der Sozialpolitiker, Philosoph und Okkultist Hellenbach ging von Schopenhauer aus. Er interpretiert die Realität als Summe individueller Willenseinheiten und nimmt die Existenz eines unsichtbaren Leibes hinter dem sichtbaren an, wobei die Seele durch den Leib Erfahrungen (die auch nach dem Tode fortbestehen) erwirbt. (Vgl. Ueberweg 1951: 342 und die Deutsche Biographische Enzyklopädie = anonym 1996.) Während er von einem „in meinen Schriften durchleuchtende[n] transscendentale[n] Optimismus“ (Hellenbach: Vorurtheile Bd. I, S. III) und „meiner optimistischen Auffassung unserer Zukunft“ (Vorurtheile I 178) spricht, schreibt er auch: „Die pessimistische Weltauffassung Schopenhauer’s und Hartmann’s ist unangreifbar, insoweit es sich um die empirische und biologische Welt handelt“ (Vorurtheile I 179). Das Leiden sei „der Läuterungsprocess“: „je mehr man leidet, um so eher wird der wahre Zweck des Lebens erreicht“ (Hellenbach zitiert hier zustimmend Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 42, der wiederum Schopenhauer zitiert; Vorurtheile I 180), wobei er davon ausgeht, dass die „ganze Menschheit [...] sich [...] moralisch verbessern und intellectuell immer mehr entwickeln“ wird (Vorurtheile I 182). Bezüglich des Todes schreibt er, dieser gelte in der Regel „[f]ür das gefürchteste und doch unvermeidliche Uebel in der Welt [...], und zwar [...] wegen der [...] Schmerzen, und [...] wegen der unbekannten Folgen. [...] Das schmerzlose Einschlafen, der Tod an Altersschwäche, ist das eigentlich normale Lebensende, welches aber derzeit eine Ausnahme bildet […, so] dass fasst [!] Alle eines unnatürlichen Todes sterben.“ (Vorurtheile I 355) Hellenbach plädiert für ein „schmerzloses Ende“ (Vorurtheile I 355 (i. O. fett)) und befürwortet dementsprechend Sterbehilfe: „Alle Einwürfe, die da gemacht werden, sind nicht stichhaltig.“ (Vorurtheile I 356ff, hier 356) Insbesondere weist er eine Einmischung der Gesellschaft zurück: „Ob Jemand Recht daran thut, aus einem Leben zu scheiden, aus dem er nichts mehr zu machen weiss, ist eine andere Frage, die Jeder mit seinem Gewissen auszumachen hat [...]; den Staat aber geht dies wahrlich nichts an“ (Vorurtheile I 357). Auch Schopenhauers und Hartmanns Einwände gegen den Suizid weist er zurück (Vorurtheile I 357f). Allerdings schreibt Hellenbach auch, es sei „feig, vor Widerwärtigkeiten zurückzuschrecken und den Kampf aufzugeben, der allein unsere eigene und fremde Entwickelung fördern kann“, schränkt aber ein, dies habe „nicht allgemeine Giltigkeit“ (Vorurtheile I 359). Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass der „Schwerpunkt von Hellenbach’s idealen Bemühungen [...] aber jedenfalls nicht im Gebiet der Philosophie [liegt], sondern in dem der Socialpolitik, wo seine reformatorischen Ideen volle Beachtung verdienen, und von der wohltätigsten, befruchtendsten Wirkung sein könnten.“ (Plumacher 1881: 111) Vgl. zu Hellenbach Hübbe-Schleiden 1891. Bilharz vereint die Willenslehre Schopenhauers mit einem atomistischen Dynamismus (der Wille ist atomistisch in Einzelwillen gespalten). Später nimmt Bilharz einen ontozentrischen Standpunkt ein (statt des Willensbegriffs ist der Seinsbegriff zentral). „[D]er kräftige Optimismus Bilharzens“ (Metz 1927: 9) macht ihn für das vorliegende Thema uninteressant. (Zu Bilharz vgl. Ueberweg 1951: 342 und Metz 1927.) Der Ethnologe und Kolonialpolitiker Peters war Vertreter eines „imperialistisch gedeutete[n] Schopenhauerianismus“ (Vorländer/Geldsetzer 1975: 159), „der in vielen Punkten mit Ed. v. Hartmann übereinstimmt, namentlich in dem erkenntnistheoretischen Realismus, in der Verbindung von Wille und Vorstellung und in der Teleologie. […] Auch auf ethischem Gebiete sind seine Ansichten ähnlich denen v. Hartmanns: ,Aus der Lohe des Scheiterhaufens individueller Eudämonologie steigt wie ein Phönix der kosmische Optimismus empor.‘“ (Überweg 1951: 343)
[2] von lat. pessimum = das Schlechteste, das Schlimmste; das Wort lässt sich erst für 1759, also dem Erscheinungsjahr von Voltaires Candide, nachweisen; im Deutschen 1776 bei Lichtenberg (vgl. Gerhardt 1989: 386f); „[n]ach der Jahrhundertwende findet der Begriff rasch literarische Verbreitung.“ (Gerhardt 1989: 387) Eisler erklärt, Pessimismus heiße „der Standpunkt, wonach das Sein, die Welt, das Leben schlecht ist, so daß ihr Nichtsein dem Dasein vorzuziehen wäre. Der [...] metaphysische (transcendente) Pessimismus betrachtet die Welt (als solche) auch an sich als schlecht, als nicht sein sollend.“ (Eisler 1904: 87)
[3] Marcuse merkt an, dass Schopenhauers Hauptwerk, Die Welt als Wille und Vorstellung eigentlich auch Philosophie der Erlösung hätte heißen können (Marcuse 1953: 121).
[4] Birnbacher 1985: 115
[5] und vielleicht „radikalsten aller Schopenhauer-Schüler“ (Gräfrath 1993: 49)
[6] Sein 1876 veröffentlichtes Hauptwerk erfuhr nur eine vergleichsweise geringe Beachtung (Decher 1996: 223). Seit dem Erscheinen der von Horstmann 1989 herausgegebenen Werkauswahl sind mehrere Veröffentlichungen erschienen, insbesondere ein Sammelband zur Rezeptionsgeschichte, hg. 1993 von Müller-Seyfarth, und dessen Dissertation (Müller 1996) sowie Arbeiten von Decher, Gräfrath und Lütkehaus. Zudem sind 1996 bis 1999 Werke und Nachlass Mainländers neu aufgelegt oder erstveröffentlicht worden, gefolgt von mehreren Sammelbänden.
[7] Bahnsen dürfte nur wenig bekannter sein (seine Charakterologie wäre hier zu nennen), aber der Suizid ist in seiner Philosophie ein weniger wichtiges Thema.
[8] Nicht zu Unrecht nennt Horstmann Mainländers Hauptwerk „verschroben, unausgewogen, durch den Selbstbehauptungswillen eines Autodidakten deformiert, aber unzweifelhaft ein großer Wurf, ein aufregendes Buch“ (Horstmann 1991: 107). Vgl. dazu Horstmanns Sicht, Mainländers Philosophie sei ein „ingeniöses und mit letztem existenziellen Einsatz betriebenes Gedankenspiel in der Grau- und Grauenszone, dem Niemandsland zwischen Mythos, Philosophie und Literatur“ (Horstmann 2011).
[9] Duden 1995: VI 3073
[10] Jaspers 1932: 300; nur der Begriff „Selbstmord“ fordere „unausweichlich, die Furchtbarkeit der Frage zugleich mit der Objektivität des Faktums gegenwärtig zu behalten“ (Jaspers 1932: 301).
[11] Holderegger 1979: 36; Holderegger hat sich in seinem Buch dafür entschieden, „im empirisch-phänomenologischen Teil der Arbeit [...] den Ausdruck ,Suizid‘, im normativen Bereich [...] ,Selbsttötung‘“ zu verwenden (Holderegger 1979: 36).
[12] (Karl Robert) Eduard von Hartmann, geb. am 27.2.1842 in Berlin, gest. 5.6.1906 in Groß-Lichterfelden (heute Berlin)
[13] Schmidt/Schischkoff 1991: 277
[14] Philosophie des Unbewußten. Versuch einer Weltanschauung, 1869 (als ein Band), in erweiterter Fassung und 7. Aufl. 1876 (2 Bände), abermals erweitert, 9. Aufl. 1889. Hier wird, wenn nicht anders angegeben, nach der 10. Auflage von 1890 zitiert.
[15] Er wird sogar als „nachgerade der ,Modephilosoph‘ der Gründerzeit“ (Fischer 1996: 406) bezeichnet. Sein Hauptwerk wurde zum „meistgelesenen philosophischen Buch des 19. Jh.s“ (Gerlach 1999: 621); heute jedoch wird er in den meisten allgemeinen und auch philosophischen Nachschlagewerken und Philosophiegeschichten nicht mehr genannt oder nur noch kurz erwähnt.
[16] Hartmann vergleicht es mit der All-Einheit, Spinozas Substanz, Fichtes absolutem Ich, Schellings absolutem Subjekt-Objekt, Platons und Hegels absoluter Idee, Schopenhauers Willen (Hartmann: Phänom. d. Unbew. I 3).
[17] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 161 (Abschnitt C. Cap. VII.); „Raum und Zeit sind das einzige uns bekannte principium individuationis.“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 162 (Abschnitt C. Cap. VII.))
[18] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 172 (Abschnitt C. Cap. VII.)
[19] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 173 (Abschnitt C. Cap. VII.)
[20] Während das Unbewusste also nur eines ist, gibt es „bei den Bewusstseinen [...] mehrere verschiedene“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 156 (Abschnitt C. Cap. VII.)).
[21] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 159 (Abschnitt C. Cap. VII.)
[22] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 274 (Abschnitt C. Cap. XII.)
[23] Zur Abgrenzung dieser Begriffe s. Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 276 (Abschnitt C. Cap. XII.)
[24] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 277 (Abschnitt C. Cap. XII.)
[25] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 278f (Abschnitt C. Cap. XII.)
[26] Hartmann schreibt, „die persönlichen Urtheile der grössten Geister aller Zeiten“ hätten über die bestehende Welt „in verurtheilendem Sinne“ geschrieben und nennt auch Platon, Kant und Fichte (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 285-288 (Abschnitt C. Cap. XIII.)).
[27] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 393 (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[28] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 352 (Abschnitt C. Cap. XIII.). Zur Begründung macht Hartmann v.a. darauf aufmerksam, dass beim Bilanzieren oft nicht bedacht werde, wie das Leben wirklich war und sein wird (bzw. empfunden wurde und werden wird), „wie es sich im Verschönerungsspiegel der Erinnerung und im trügerischen rosigen Duft der Hoffnung dem unkritischen Blicke darstellt“, werde zugrundegelegt; „die Urtheile der Menschen über ihren eigenen Glückszustand“ müsse man also mit großer Vorsicht aufnehmen (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 291f (Abschnitt C. Cap. XIII.)).
[29] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 283 (Abschnitt C. Cap. XII.)
[30] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 392f (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[31] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 392 (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[32] „Schopenhauer selbst erklärt mit Recht, dass im Selbstmord die Verneinung des Willens nicht erreicht werde, aber im freiwilligen Verhungern soll sie im denkbarst höchsten Maase erreicht sein [...]. Das klingt doch fast absurd“; „wer [...] seinen Leib erst durch Versagung der Nahrung tödten muss, beweist eben damit, dass er nicht im Stande ist, seinen unbewussten Willen zum Leben zu verneinen und aufzuheben./ Aber das Unmögliche als möglich gesetzt, was würde die Folge sein? Einer der vielen Strahlen oder individuellen Objectivationen des Einen Willens, der, welcher sich auf dieses Individuum bezog, wäre aus seiner Actualität zurückgezogen, und dieser Mensch gestorben. Das ist aber nicht mehr und nicht weniger als bei jedem Todesfall geschieht [...]. Darum ist das Streben nach individueller Willensverneinung ebenso thöricht und nutzlos, ja noch thörichter als der Selbstmord, weil es langsamer und qualvoller doch nur dasselbe erreicht: Aufhebung dieser Erscheinung, ohne das Wesen zu alterieren, das für jede aufgehobene Individualerscheinung sich unaufhörlich in neuen Individuen objectiviert. Hiermit ist alle Askese und alles Streben nach individueller Willensverneinung als Verirrung erkannt und bewiesen, freilich als eine Verirrung nur im Wege, nicht im Ziele.“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 398f (Abschnitt C. Cap. XIV.); vgl. II 524 (Nachträge...))
[33] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 402 (Abschnitt C. Cap. XIV.) „Anders ausgedrückt, das Princip der practischen Philosophie besteht darin, die Zwecke des Unbewussten zu Zwecken seines Bewusstseins zu machen.“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 403 (Abschnitt C. Cap. XIV.))
[34] Dies impliziert u.a. „die volle Versöhnung mit dem Leben“ (beide Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 403 (Abschnitt C. Cap. XIV.)). „Darum rüstig vorwärts im Weltprocess als Arbeiter im Weinberge des Herrn, denn der Process allein ist es, der zur Erlösung führen kann.“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 403 (Abschnitt C. Cap. XIV.), vgl. Weismüller 1985: 262)
[35] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 408 (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[36] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 392 (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[37] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 391 (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[38] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 294 (Abschnitt C. Cap. XIII.)
[39] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 295 (Abschnitt C. Cap. XIII.) (i. O. hervorgehoben)
[40] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 355 (Abschnitt C. Cap. XIII.) (i. O. hervorgehoben)
[41] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 368 (Abschnitt C. Cap. XIII.) (i. O. hervorgehoben)
[42] nach Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 295, 355, 368, 402 (Abschnitt C. Cap. XIII.&XIIII) (i. O. teilw. hervorgehoben); vgl. Pauen 1997: 125
[43] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 404 (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[44] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 401 (Abschnitt C. Cap. XIV.). Nach Hartmann sei es sogar möglich, dass „unsere Erde überhaupt nur ein verfehlter Anlauf zu jenem Ziel ist“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 401 (Abschnitt C. Cap. XIV.)). Sollte aber die Menschheit zur Lösung der Aufgabe berufen sein, gibt er drei Bedingungen (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 405-408 (Abschnitt C. Cap. XIV.)) an: „Die erste Bedingung [...] ist die, dass der bei weitem grösste Theil des in der bestehenden Welt sich manifestierenden unbewussten Geistes in der Menschheit befindlich sei“, denn nur dann könne „die menschliche Willensverneinung das gesammte actuelle Wollen der Welt ohne Rest vernichten“. „Die zweite Bedingung [...] ist, dass das Bewusstsein der Menschheit von der Thorheit des Wollens und dem Elend alles Daseins durchdrungen sei,“ und eine „tiefe Sehnsucht nach dem Frieden und der Schmerzlosigkeit des Nichtseins erfasst habe“, wobei ein großer Teil der Menschheit ausreichend sei. Schließlich sei „eine genügende Communication unter der Erdbevölkerung, um einen gleichzeitigen gemeinsamen Entschluss zu gestatten“ die „dritte Bedingung“.
[45] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 394f (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[46] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 396 (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[47] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 396 (Abschnitt C. Cap. XIV.); das „unselige Wollen in’s Nichtwollen und die Schmerzlosigkeit des Nichts zurückzuführen, diese Aufgabe [...] ist das Bestimmende für das „Was und Wie“ der Welt.“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 397 (Abschnitt C. Cap. XIV.))
[48] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 40
[49] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 400 (Abschnitt C. Cap. XIV.)
[50] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 47
[51] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 48. Weiter schreibt Hartmann, „dass dieser Egoismus, wenn er [...] die Illusionen des Lebens [...]“ durchschaut, „er dann nothwendig zur Blausäure oder zu einem anderen rationellen Mittel des Selbstmords greifen muss, und das sobald als möglich, da es schade ist um jede noch an dieses elende Leben verschwendete Stunde.“ (Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 48)
[52] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 373f (Abschnitt C. Cap. XIII.). „[S]owohl der lebensüberdrüssige Heide, als auch der an der Welt und seinem Glauben zugleich verzweifelnde Christ müssen sich consequenterweise entleiben, oder, wenn sie, wie Schopenhauer, durch diese Mittel den Zweck der Aufhebung des individuellen Daseins nicht zu erreichen glauben, müssen sie wenigstens ihren Willen vom Leben abwenden in Quietismus und Enthaltsamkeit oder auch Askese. Es ist der Gipfel der Selbsttäuschung, in diesem Salviren des lieben Ich aus der Unbehaglichkeit des Daseins etwas anderes als die crasseste Selbstsucht, als einen höchst verfeinerten Epikureismus zu sehen, der nur durch eine instinctwidrige Lebensanschauung eine instinctwidrige Richtung genommen hat. [...] Aber selbst die Askese [...] ist auch immer egoistisch [...]“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 373f (Abschnitt C. Cap. XIII.)) Vgl. Suizid als „allerconsequenteste Gestalt“ des Egoismus (Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 48).
[53] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 399 (Abschnitt C. Cap. XIV.). Der „Selbstmord eines noch leistungsfähigen Individuums“ erspare „nicht nur dem ganzen keinen Schmerz [...], sondern“ vermehre „ihm sogar die Qual“, der Process werde zurückgeworfen (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 374 (Abschnitt C. Cap. XIII.)).
[54] Vgl. auch Hartmanns Bemerkungen zur Mystik: „Der Weg, der historisch fast immer eingeschlagen wird, ist der der Vernichtung des Bewusstseins, das Streben, das Individuum im Absoluten aufgehen zu lassen; [...] das Ich will sich zugleich vernichten, und zugleich bestehen bleiben , um diese Vernichtung zu geniessen. [...] (die wahre Selbstvernichtung ist natürlich nur der Selbstmord, aber hier liegt der Widerspruch zu klar zu Tage, als dass er oft das Resultat der Mystik geworden wäre).“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. I 317 (Abschnitt B. Cap. IX.))) – „Der Widerspruch der Mystik führt bei längerer mystischer Uebung nothwendig zu Quietismus, Bewusstseinsabtödtung, Verdummung, Erschlaffung aller Geisteskräfte und schliesslich zum Selbstmord, wenn nicht abergläubische Dogmen (wie die buddhistische Karmalehre) das Ziehen dieser letzten Consequenz verhindern.“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. I 474 (Nachträge...))
[55] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 375 (Abschnitt C. Cap. XIII.)
[56] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 870
[57] Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 525 (Nachträge...), vgl. Hartmann: Neukantianismus 103. Vgl. z.B. Nietzsches kommentierende Zusammenfassung: „Die Menschheit zur Blasirtheit zu führen ist das Hartmannsche Ziel: dann allgemeiner Selbstmord: von der Majorität der Menschen ausgeführt! [...] Ekelhaftes Buch, eine Schande für die Zeit!“ (Nietzsche 7, 650 (Nachlass 1873)) – Vgl. auch Mainländers Kommentar: „Wie denken Sie sich die Götterdämmerung? – Sie schweigen? – Gut, da bleibt mir nichts Anderes übrig, als mir dieselbe auszumalen./ Nachdem aus allen Erdtheilen in Berlin telegraphische Meldungen eingelaufen sind, worin die Anzahl Derjenigen, welche die Welt vernichten wollen, angegeben ist, addiren Sie die Willensverneiner und finden, daß die Majorität etwa 10,000 Menschen beträgt. Sie stoßen einen Freudeschrei aus und eilen alsbald in die Französische Straße, wo Sie, sagen wir 10,000 Depeschen aufgeben des Inhalts: / Morgen Mittag um zwölf Uhr präcise findet Welterlösung statt./ Alle haben sich gleichzeitig zu tödten./ Mordinstrument nach Belieben./ Der Mittag kommt und nun ermorden sich x Millionen Menschen [...]. Sofort beginnt die Götterdämmerung. [...]“ (Mainländer: Schriften II 640f) Vgl. dazu auch Borgwardt 1920, der in einer kurzen Erzählung einen „Akt des Freitodes“ Tausender beschreibt.
[58] „Für einen übernatürlich verstandenen Act der universellen Willensverneinung würde die Bezeichnung „universeller Selbstmord“ schon darum nicht passen, weil „Mord“ nur die gewaltsame Ueberführung aus Leben in Tod, d. h. aus einem natürlichen Zustand in den andern bedeutet, aber niemals Uebergang aus der phänomenalen Existenzweise in eine rein metaphysische actualitätslose Wesenheit bedeuten kann, für welche Tod und Leben gleichmässig aufgehört haben.“ (Hartmann: Phänom. d. Unbew. II 525 (Nachträge...))
[59] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 871
[60] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 867
[61] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 869
[62] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 868
[63] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 871
[64] Hartmann: Phänom. d. sittl. Bew. 871