Ist von den Römern die Rede, werden viele zuallererst an die Asterix Comics denken. In diesen konnte sich ein kleines gallisches Dorf immer wieder und nahezu spielend leicht gegen die mächtigen Römer behaupten und so ihr eigenes kleines Dorf inmitten des römischen Reiches am Leben halten. Heute wissen wir, dass es tatsächlich Gebiete im Römischen Reich gab, in denen sich die Bevölkerung ähnlich erfolgreich gegen den römischen Imperialismus zur Wehr gesetzt hat.
Sucht man ein Pendant zu dem in den Comics vorgestelltem gallischen Dorf im römischen Reich, stößt man auf die Bergregion der damaligen römischen Provinz Kilikien. Auch dieses Gebiet konnte sich der römischen Herrschaft entziehen, da die Römer die Bergregion der Provinz nicht unter ihre Kontrolle brachten. Diese Seminararbeit geht der Frage nach, warum die Römer die Bergregion der Provinz Kilikien nicht eroberten und zu einem Teil des römischen Reiches machten.
Als Quellengrundlage der Arbeit dienen die Briefe Ciceros an seine Freunde sowie an Atticus. Ciceros Erzählungen dienen nachfolgend als Grundlage, um die Sichtweisen der Römer im Bezug auf die Provinz verstehen zu können. Desweiteren wird auf die Überlieferungen von Livius sowie von Polybios zurückgegriffen. Die neuesten ausführlichen Informationen aus der Forschung zum Thema bietet das Buch "Barbarische Bürger" von Karl Feld, an welchem sich die Hausarbeit orientiert. Desweiteren dienen die Forschungen von Bent Shaw, welche er in seinem Artikel mit dem Titel "Bandit Highlands and Lowland Peace" aufzeigt, als wichtige Grundlage.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geographie und Geschichte Kilikien
3. Gründe der ausbleibenden Eroberung
3.1 Wirtschaftlicher Aspekt
3.1.1 Landwirtschaft und Steuern
3.1.2 Militärischer Aufwand
3.1.3 Das Modell der indirekten Kontrolle
3.1.4 Zwischenfazit
3.2 Kultureller Aspekt
3.2.1 Strategische Erwägungen
3.2.2 Phrygien
4. Fazit
5. Quellen - und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ist von den Römern die Rede, werden viele zu allererst an die Asterix Comics denken. In diesen konnte sich ein kleines gallisches Dorf immer wieder und nahezu spielend leicht gegen die mächtigen Römer behaupten und so ihr eigenes kleines Dorf in Mitten des römischen Reiches am Leben halten. Heute wissen wir, dass es Gebiete im Römischen Reich gab, in denen sich die Bevölkerung erfolgreich gegen den römischen Imperialismus zur Wehr gesetzt hat.
Sucht man ein Pendant zu dem in den Comics vorgestelltem gallischen Dorf im römischen Reich, stößt man auf die Bergregion der damaligen römischen Provinz Kilikien. Auch dieses Gebiet konnte sich der römischen Herrschaft entziehen, da die Römer die Bergregion der Provinz nicht unter ihre Kontrolle brachten.
Die Seminararbeit soll der Frage nachgehen, warum die Römer die Bergregion der Provinz Kilikien nicht eroberten und zu einem Teil des römischen Reiches machten. Das römische Reich gilt als eines der größten und mächtigsten Weltreiche aller Zeiten. Die Beantwortung der Themenfrage ist wichtig, da sie mögliche Grenzen der römischen Herrschaft aufzeigen kann. In Zusammenhang mit der Themenfrage wird immer wieder die Frage aufgegriffen, ob die Römer an einem Zugriff auf die Bergregion lediglich kein Interesse hatten, oder ob es ihnen nicht möglich war, diese zu erobern. Als Quellengrundlage der Arbeit dienen die Briefe Cicero’s an seine Freunde sowie an Atticus. Cicero’s Erzählungen dienen nachfolgend als Grundlage, um die Sichtweisen der Römer im Bezug auf die Provinz verstehen zu können. Desweiteren wird auf die Überlieferungen von Livius sowie von Polybios zurückgegriffen. Die neuesten ausführlichen Informationen aus der Forschung zum Thema bietet das Buch „Barbarische Bürger“ von Karl Feld, an welchem sich die Hausarbeit orientiert. Desweiteren dienen die Forschungen von Bent Shaw, welche er in seinem Artikel mit dem Titel „Bandit Highlands and Lowland Peace“ aufzeigt, als wichtige Grundlage für die vorliegende Seminararbeit.
Die Arbeit beginnt mit einer kurzen geographischen, sowie einer geschichtlichen Einordnung der Provinz. Hierbei ist zu erwähnen, dass die Seminararbeit lediglich die römische Geschichte Kilikiens betrachtet und nicht auf vorherige oder nachfolgende Herrschaften eingeht. Anschließend beschäftigt sich die Arbeit mit ihrer Kernfrage, warum die Römer die Bergregion Kilikiens nicht erobert haben. Als erstes werden mögliche wirtschaftliche Aspekte betrachtet. Es wird hierbei der Frage nachgegangen, ob die Bergregion für die römische Wirtschaft möglicherweise nicht ertragreich genug war.
Desweiteren wird die Frage gestellt, ob die Römer möglicherweise Angst vor den Bergbewohner Kilikiens sowie den militärischen Folgen hatten und eine Eroberung daher ausblieb. Anschließend wird das römische Konzept der „indirekten Kontrolle“ über die Bergregion beschrieben und gefragt, ob dieses Konzept bereits als Zugriff gewertet werden konnte. Zusammenfassend wird anschließend ein kurzes Zwischenfazit gezogen. In einem zweiten Teil werden mögliche kulturelle Aspekte untersucht, welche Aufschluss über die Zurückhaltung der Römer in den Bergregionen der Provinz geben sollen. In diesem Zusammenhang wird eine griechische Strategie untersucht, welche Gemeinsamkeit mit der Vorgehensweise der Römer zu haben scheint und möglicherweise eine Erklärung für die römische Zurückhaltung aufzeigt. Am Ende der Untersuchungen wird ein Vergleich zwischen dem Provinzteil Phrygien in Kleinasien und der Provinz Kilikien aufgestellt, da sie offensichtlich große Ähnlichkeiten zueinander aufweisen. Hierbei soll geprüft werden, ob die geographische Lage Einfluss auf die römische Herrschaft hat und was dies für die Beantwortung der Themenfrage bedeutet. Abschließend werden die Ergebnisse in einem Fazit zusammengefasst.
2. Geographie und Geschichte Kilikien
Zunächst einmal ist es erforderlich, die römische Provinz Kilikien geographisch einzuordnen, um anschließend näher auf die Geschichte einzugehen. Die Provinz Kilikien befand sich im östlichen Mittelmeerraum, im Gebiet der heutigen Türkei. Die natürlichen landschaftlichen Grenzen der Provinz waren das Taurusgebirge im Norden, das Amanosgebirge im Osten und das Mittelmeer im Süden. Die westliche Grenze war zu dieser Zeit nicht eindeutig bestimmt. Folgt man Strabon, ist anzunehmen, dass sich die Grenze mit der Stadt Korakesion, dem heutigen Alanya, ziehen lässt.1 Die Provinz selber ließ sich in zwei große Landschaften unterteilen. Zum einen das sogenannte „rauhe“ Kilikien (Cilicia tracheia) im Westen. Dieser Teil Kilikiens kennzeichnete sich durch seine zahlreichen zerklüftete Bergregionen und sein unebenes Terrain. Zum anderen das ebene Kilikien im Osten der Provinz, welches einen direkten Zugang zum Meer sowie weitreichende Flächen bot.2
Im Jahre 102 v.Chr. fingen die Römer an, sich erstmals mit dem Gebiet der späteren Provinz Kilikien zu beschäftigen, als der römische Prätor Marcus Antonius begann gegen Seeräuber im östlichen Teil des Mittelmeers Kriege zu führen.3 Die Angriffe verfolgten das Ziel, die Piraten in der Küstenregion der späteren Provinz zu zerschlagen und damit die Kontrolle über diesen noch unbeherrschten Teil des Mittelmeers zu erlangen. Nachdem die Piraten schlussendlich mittels diplomatischer Mittel zur Aufgabe gezwungen wurden, stand das Flachland der Provinz unter römische Kontrolle.4 Die ersten Bemühungen auf die Berge der Provinz zuzugreifen, verliefen kläglich. In der Folgezeit wurde daher der Fokus auf die Vergrößerung des Flachlandes der Provinz gelegt. Dies führte zu besiedelten Küstenregionen mit vielen Städten. Die Bergregionen der Provinz blieben aufgrund der fehlenden Kontrolle der Römer auf dieses Gebiete, während der gesamten Zeit des römischen Engagements in Kilikien weitestgehend unzureichend erschlossen.5 In der Geschichte der Provinz kam es zu zahlreichen Neuordnungen Kilikiens. Die offizielle Bildung der Provinz ist wohl in das Jahr 63 v.Chr. zu setzen.6 Im Jahre 303 n.Chr. wurde unter dem Kaiser Diokletian das bergige Hinterland von der übrigen Provinz getrennt und mit dem neuen Namen Isauria eingerichtet.7 Die geschichtliche Entwicklung der Provinz verdeutlicht die verstärkte Aktivität der Römer in den küstennahen, ebenen Teilen der Provinz. Dem bergigen Hinterland der Provinz scheint bei oberflächlicher Betrachtung nur wenig Aufmerksamkeit zugekommen zu sein. Was waren also die Gründe der ausgebliebenen Eroberung auf die Bergregionen Kilikiens? Sind die Römer möglicherweise nicht in der Lage gewesen die Bergregion zu erobern, oder hatten sie lediglich kein Interesse an dieser? Um diese Frage zu beantworten, werden zunächst die wirtschaftlichen Aspekte untersucht.
3. Gründe der ausbleibenden Eroberung
3.1 Wirtschaftlicher Aspekt
3.1.1 Landwirtschaft und Steuern
Eine wildromantische Gebirgslandschaft mit steilaufragenden Bergen (…) und tiefeingeschnittenen Schluchten. So charakterisiert der Autor Klaus Sebastian das östliche Hinterland Kilikiens in seinem Buch „Die römische Kaiserzeit“.8
„Das Ebene (…) ist zum größten Teil reich an Ebenen und gutem Land“, schrieb Strabon über den östlichen Teil Kilikiens, welcher von den Römern besiedelt wurde.9
Versucht man die Frage zu beantworten, warum die Römer nicht auf das bergige Kilikien zugriffen, kann dieser Vergleich als Anhaltspunkt dienen. Sahen die Römer in der Bergregion zu wenige wirtschaftliche Möglichkeiten, um aus ihr Profit zu schlagen und wollten sie diese daher nicht erobern?
Anders als das Zitat es vermuten lässt, gab es in den Bergregionen der Provinz grundsätzlich wirtschaftliche Ertragsmöglichkeiten. Das bergige Terrain eignete sich für Ackerbau und Viehzucht.10 Die stark bewaldeten Gebiete wurden für den Abbau von Holz genutzt, welcher als der wichtigste Werkstoff der Antike galt.11
Es lassen sich also auf den ersten Blick wirtschaftliche Argumente für die Römer finden, die Bergregion zu erobern. Betrachtet man das Gebiet jedoch näher, lassen sich Hindernisse für eine organisierte Landwirtschaft feststellen. Hierbei wäre zum einen das sich stark wandelnde Klima zu nennen. Die Bergregionen kennzeichneten sich durch kalte Winter und trockene, heiße Sommer, was den Ackerbau erschwerte. Dies hat zur Folge, dass in dieser Region weniger von Ackerland, als vielmehr von Weideland gesprochen werden konnte, was wiederrum eine geringere Bodenqualität bedeutet.12
Einen weiteren Aspekt stellt die Bevölkerungsdichte dar. Vergleicht man beispielsweise die Bevölkerungsdichte zwischen Berg und Tal, ließen sich große Unterschiede erkennen. Das Tal zeichnete sich durch seine großen Städte, vielen Einwohnern und einer fortschreitenden Urbanisierung aus. Im Kontrast hierzu stehen die Berge, welche ein kaum bewohntes, zivilisationsfeindliches Terrain boten.13 Zwar waren die Römer dafür bekannt, nach dem Grundsatz der „Romanisierung“ ihre Zivilisation und Kultur in eine Region zu bringen, jedoch gestaltete sich dies in einem bevölkerungsarmen und noch dazu schwer begehbaren Gebiet problematisch, was im Kapitel 3.2.2 zur Region Phrygien näher erläutert wird.14
Ein weiterer Grund der Römer, neue Regionen zu erobern, waren die Steuereinnahmen, welche durch eine Eroberung entstanden. Im römischen Reich stellten Steuern in Form von Geld und besonders in Form von materiellen Gütern, welche jede Provinz abzugeben hatte, eine wichtige Einnahmequelle dar.15 Versucht man eine These zur römischen Steuererhebung aufzustellen könnte diese lauten: Je mehr Einwohner ein Gebiet hatte, desto mehr Steuern in Form von Rohstoffen oder Geld brachte dieses Gebiet ein. Eine bevölkerungsarme Region, wie das „rauhe“ Kilikien, hätte dem römischen Reich nach dieser Überlegung nur wenige Steuern eingebracht, das stark besiedelte Tal Kilikiens hingegen viele. Hieraus könnte man schlussfolgern, dass eine Eroberung des „rauhen“ Kilikiens aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Römer wenig Sinn gemacht hätte, was ein Grund für die Zurückhaltung der Römer im Bezug auf diese Region sein könnte. Um diese These zu überprüfen, wird die Stadthalterschaft Cicero‘s in Kilikien näher betrachtet, welche er in den Jahren 50/51 v.Chr. inne hatte.16 In Briefen an seine Freunde und an Atticus beschreibt er unter anderem den wirtschaftlichen Zustand im Bezug auf das Steuereintreiben. Hierbei charakterisiert Cicero die Provinz als eine im Elend verkommene Provinz. Als eine Provinz, welche ruiniert und für alle Zeiten verwüstet ist. Weiter führt er auf, dass es eine verarmte Provinz sei, welche selbst zu arm zum Steuerzahlen ist.17 Er schildert, dass er die Provinz trotzdem nicht verkommen lassen wolle und sie als Stadthalter mittels geringen Steuern und Großzügigkeit zu unterstützen.18 In seinen Erzählungen über die Armut der Provinz bezieht sich Cicero ausschließlich auf die „civitiatis“, also die „Bürgerschaft“.19 Zur Bürgerschaft zählt Cicero den östlichen flachen Teil Kilikiens. Im „rauhen“ Kilikien sitzen die „hostis sempiternos“, die ewigen Feinde, welche Cicero seiner Ausdrucksweise nach nicht als Bürger der Provinz Kilikien ansieht.20
Cicero‘s Darstellung des flachen Kilikiens verdeutlichen, dass auch ein einwohnerreiches Gebiet verarmt sein kann, die Römer aber trotzdem auf ein vermeidlich wirtschaftlich hoffnungsloses Gebiet zugreifen, aus welchem keine Steuereinnahmen zu erwarten sind. Nach dieser Vorgehensweise hätten die Römer demnach auch das Bergland Kilikiens erobern müssen. Dies blieb jedoch aus.
[...]
1 Pilhofer: Romanisierung, S. 18., Strab. geogr. XIV 5,2.
2 Wesch-Klein: Provinzen des IR, S. 115., Pilhofer: Romanisierung, S.17. 2
3 Bechert: Die Provinzen des römischen Reichs, S.99.
4 Ebd., S.99.
5 Ebd., S. 100.
6 Feld: Barbarische Bürger, S. 73.
7 Ebd., S. 73.
8 Sebastian: Die römische Kaiserzeit, S. 516.
9 Strab. geogr. XIV 5,1.
10 Pilhofer: Romanisierung, S. 68.
11 Herz: Holz und Holzwirtschaft, S. 101.
12 Feld: Barbarische Bürger, S. 14.
13 Sebastian: Die römische Kaiserzeit, S. 516.
14 Woolf: Becoming Roman, S. 3f.
15 Garnsey: The Roman Empire, S. 87f., 92.
16 Feld: Barbarische Bürger, S. 73.
17 Cic. fam. III 7, 3., Cic Att.-Br. V 16, 2.
18 Cic Att.-Br. V 21, 5.
19 ebd.
20 ebd., Cic. fam. II 10, 3.