Die Bedeutung des § 28 StGB im Rahmen von § 212 und § 211 StGB
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Regelung des § 28 StGB und hat ihren Schwerpunkt in der Bedeutung dieser Norm im Rahmen der § 212 und § 211 StGB. Es soll zunächst die Anwendbarkeit des § 28 StGB im Allgemeinen und im Anschluss die beiden Absätze der Norm getrennt voneinander anhand der jeweils vertretenen Ansichten im Hinblick auf die Teilnahme am Mord erläutert werden. Außerdem sollen die möglichen Auswirkungen einer potentiellen Reform der Tötungsdelikte auf den Streit bezüglich § 28 StGB beschrieben werden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Die Bedeutung des § 28 StGB im Rahmen von § 212 und § 211 StGB
A. Einleitung
B. Die Anwendbarkeit des § 28 StGB
I. Besondere persönliche Merkmale
II. Tat- und täterbezogene Mordmerkmale
1. Täterbezogene Merkmale
2. Tatbezogene Merkmale
3. Unterscheidung im Rahmen des § 211 StGB
C. Die Bedeutung des § 28 StGB im Rahmen von § 211 und § 212 StGB
I. Die Rechtsprechung – § 28 I StGB und strafbegründende Merkmale
1. Argumente der Rechtsprechung
2. Abweichungen in der Rechtsprechung
3. Anwendung von § 28 I StGB
II. Die herrschende Lehre – § 28 II StGB und strafmodifizierende Merkmale
1. Eigenes Argument der herrschenden Lehre
2. Die Gegenansicht entkräftenden Argumente
3. Anwendung des § 28 II StGB
III. Mittäterschaft
IV. Konstellationen
1. Erste Konstellation: täterbezogenes Merkmal nur beim Täter
a) Die Ansicht des BGH
b) Die Ansicht der herrschenden Lehre
2. Zweite Konstellation: täterbezogenes Merkmal nur beim Teilnehmer
a) Die Ansicht der Rechtsprechung
b) Die Ansicht der Literatur
3. Dritte Konstellation: „gekreuzte Mordmerkmale“
a) Die Lösung der Literatur
b) Das Problem der Rechtsprechung
4. Stellungnahme
D. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
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Die Bedeutung des § 28 StGB im Rahmen von § 212 und § 211 StGB
A. Einleitung
Der § 28 StGB. Eine äußerst beliebte Norm in strafrechtlichen Arbeiten, insbesondere im Zusammenhang mit den Tötungsdelikten, § 212 und § 211 StGB. Gleichzeitig aber zählt sie zu den unbeliebtesten Vorschriften des Strafrechts bei den Studenten, was vor allem auf die besonders umstrittenen Rechtsfolgen im Bezug auf die Teilnahme am Mord zurückzuführen ist.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Regelung des § 28 StGB und hat ihren Schwerpunkt in der Bedeutung dieser Norm im Rahmen der § 212 und § 211 StGB. Es soll zunächst die Anwendbarkeit des § 28 StGB im Allgemeinen und im Anschluss die beiden Absätze der Norm getrennt voneinander anhand der jeweils vertretenen Ansichten im Hinblick auf die Teilnahme am Mord erläutert werden. Außerdem sollen die möglichen Auswirkungen einer potentiellen Reform der Tötungsdelikte auf den Streit bezüglich § 28 StGB beschrieben werden.
B. Die Anwendbarkeit des § 28 StGB
Die Strafbarkeit des Teilnehmers hängt grundsätzlich von der Tat des Haupttäters ab. Diese muss tatbestandlich und rechtswidrig sein, nicht jedoch zwingend schuldhaft, was sich vor allem neben § 26 und § 27 I StGB aus § 29 StGB entnehmen lässt, wonach jeder Beteiligte unabhängig von der Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft wird[1]. Es besteht also eine limitierte Akzessorietät der Anstiftung und der Beihilfe und deren Strafbarkeit setzt eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat voraus[2].
Erfüllt also ein Teilnehmer in gleicher Weise wie der Haupttäter ein Mordmerkmal, kommt es problemlos zu seiner Bestrafung wegen Mordes. Probleme entstehen jedoch dann, wenn Täter und Teilnehmer unterschiedliche Mordmerkmale aufweisen oder der Teilnehmer sogar gar kein entsprechendes Merkmal aufweist. Hier wird der § 28 StGB relevant, der eine sogenannte „Akzessorietätslockerung“ darstellt[3].
I. Besondere persönliche Merkmale
- 28 StGB ist dann anwendbar, wenn es sich bei dem verwirklichten Deliktsmerkmal um ein besonderes persönliches Merkmal handelt. Hier wird in § 28 I StGB auf § 14 I StGB verwiesen. Allerdings hat dieser Begriff in beiden Vorschriften eine unterschiedliche Bedeutung. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass der Begriff der besonderen persönlichen Merkmale in § 28 I StGB eine andere Funktion aufweist als in § 14 StGB[4].
- 14 StGB regelt das Handeln für einen anderen in einer der in der Vorschrift genannten Funktionen und soll den Tatbestand bei Sonderdelikten auf Vertreter erweitern, wenn es sich um besondere persönliche Merkmale handelt, die die Strafbarkeit erst begründen. Besondere persönliche Merkmale sind laut der Legaldefinition im Absatz 1 „besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände“, die den Täter objektiv in seiner sozialen Rolle charakterisieren und einen zusätzlichen, mit der bloßen Rechtsgutsverletzung nicht erfassbaren personalen Unwert begründen[5]. Daher sind subjektiv- täterschaftliche Eigenschaften und alle Eigenschaften höchstpersönlichen Charakters und solche, die nicht auswechselbar sind, nicht von § 14 StGB erfasst, da sie wegen ihres personalen Bezugs dem Vertreter gerade nicht zugerechnet werden können[6]. § 14 StGB regelt daher einen kleineren Bereich als § 28 StGB, der dagegen auch höchstpersönliche Merkmale umfasst.
Der Grund für die Verweisung auf § 14 StGB besteht lediglich darin, den Begriff des Merkmals näher zu beschreiben, womit persönliche Merkmale gemäß § 28 StGB Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände sind, die zum Deliktstypus gehören und sich auf den Täter beziehen[7]. Besonders sind persönliche Merkmale, wenn sie die Person des Täters oder eine ihm obliegende Pflichtenstellung charakterisieren[8].
II. Tat- und täterbezogene Mordmerkmale
1. Täterbezogene Merkmale
- 28 StGB soll nach ganz herrschender Meinung die Strafbarkeit nur bei solchen besonderen persönlichen Merkmalen regeln, die täterbezogen sind, die den Täter als solchen charakterisieren, also eine besondere Pflichtenstellung höchstpersönlicher Art, eine ethisch verwerfliche Gesinnung des Täters oder seine persönliche Gefährlichkeit beschreiben[9]. Diese können nicht gleichgesetzt werden mit subjektiven Tatbestandsmerkmalen, da nicht alle Merkmale, die das persönliche Handlungsunrecht mitbestimmen, zugleich besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 StGB sind, wie beispielsweise der Tatbestandsvorsatz oder besondere Absichten wie die Zueignungsabsicht in § 242 StGB[10].
2. Tatbezogene Merkmale
Davon abzugrenzen sind die tatbezogenen Unrechtsmerkmale, für die sowohl nach der Rechtsprechung als auch nach der herrschenden Meinung kein Raum für eine Akzessorietätsaufhebung nach § 28 I oder II StGB besteht[11].
Tatbezogene Merkmale sind Umstände, die die besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens und das Tatgeschehen nach seiner objektiven Beschaffenheit näher kennzeichnen, beispielsweise den tatbestandlichen Erfolg, das Tatmittel oder die Begehungsweise[12]. Soweit ein solches Merkmal objektiv vorliegt und es vom Vorsatz des Teilnehmers umfasst ist, soll es bei der streng akzessorischen Bestrafung nach § 26 und § 27 StGB bleiben[13]. Der Teilnehmer wird daher wegen Mordes bestraft, wenn der Täter ein tatbezogenes Merkmal verwirklicht und der Vorsatz des Teilnehmers sich darauf erstreckt.
[...]
[1] Geppert, Jura 1997, 299 (300).
[2] Wessels/Beulke/Satzger AT, § 13 Rn. 551 ff.
[3] Wessels/Beulke/Satzger AT, § 13 Rn. 555.
[4] Lackner/Kühl, § 14 Rn. 9.
[5] Perron in: Schönke/Schröder , § 14 Rn. 8.
[6] Perron in: Schönke/Schröder , § 14 Rn. 8.
[7] Lackner/Kühl, § 28 Rn. 3.
[8] Lackner/Kühl, § 28 Rn. 4.
[9] Fischer StGB, § 211 Rn. 94; Wessels/Beulke/Satzger AT, § 13 Rn. 558.
[10] Wessels/Beulke/Satzger AT, § 13 Rn. 558.
[11] Fischer StGB, § 211 Rn. 93.
[12] Wessels/Beulke/Satzger AT, § 13 Rn. 558; BGH JR 1996, 161.
[13] Fischer StGB, § 211 Rn. 93.