Das Konzept von Gerichtigkeit auf multilateraler Ebene. John Rawls "Das Recht der Völker"
Zusammenfassung
Die Konzeption ist hierbei allgemeiner und wird auf fünf Gesellschaftstypen angewandt, welche sich in einem hypothetischen Urzustand und hinter dem Wissen einschränkenden „Schleier des Nichtwissens“ befinden. Erstens „vernünftige liberale [und demokratische] Gesellschaften“, die im ersten Teil „der Idealtheorie“ - behandelt werden. Im zweiten Teil der Idealtheorie werden die „achtbaren [hierarchischen] Völker“ näher behandelt, die sich durch Konsultationshierarchien auszeichnen, aber nicht liberal sind. Zusammen werden diese Typen als „wohlgeordnete Völker“ bezeichnet. Drittens gibt es „Schurkenstaaten“, viertens „durch ungünstige Umstände belastete Gesellschaften“ mit denen sich im dritten Teil, der nichtidealen Theorie, auseinandergesetzt wird. Und letztlich „wohlwollende absolutistische Gesellschaften“, die Menschenrecht achten, aber nicht wohlgeordnet sind, weil sie ihren Bürgern politische Partizipation verweigern.
Leseprobe
John Borden Rawls (geb. 1921, gest. 2002) war einer der bekanntesten politischen Philosophen und der Vertragstheoretiker unserer Zeit. Während seiner fast vierzigjährigen Tätigkeit als Professor für politische Philosophie an der Harvard University, veröffentlichte er 1971 sein wohl berühmtestes Werk „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ („A Theory of Justice“) und wurde somit zum Begründer des egalitären Liberalismus. Sein letztes Werk „Das Recht der Völker“ („The Law of Peoples“, 1999) ist die konsequente Weiterentwicklung des schon in „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ begonnenen Ansatzes einer Ausweitung seiner liberalen Gerechtigkeitskonzeption von nationaler Ebene auf die multilaterale Ebene. Rawls setzt dabei sein Modell eines gerechten Gesellschaftsvertrages ein, um eine friedliche und gerecht Weltordnung - das Recht der Völker - zu entwickeln und so den großen Übeln der Menschheit (Krieg, Unterdrückung und Ungerechtigkeit) zu begegnen.
Die Konzeption ist hierbei allgemeiner und wird auf fünf Gesellschaftstypen angewandt, welche sich in einem hypothetischen Urzustand und hinter dem Wissen einschränkenden „Schleier des Nichtwissens“ befinden. Erstens „vernünftige liberale [und demokratische] Gesellschaften“, die im ersten Teil „der Idealtheorie“ - behandelt werden. Im zweiten Teil der Idealtheorie werden die „achtbaren [hierarchischen] Völker“ näher behandelt, die sich durch Konsultationshierarchien auszeichnen, aber nicht liberal sind. Zusammen werden diese Typen als „wohlgeordnete Völker“ bezeichnet. Drittens gibt es „Schurkenstaaten“, viertens „durch ungünstige Umstände belastete Gesellschaften“ mit denen sich im dritten Teil, der nichtidealen Theorie, auseinandergesetzt wird. Und letztlich „wohlwollende absolutistische Gesellschaften“, die Menschenrecht achten, aber nicht wohlgeordnet sind, weil sie ihren Bürgern politische Partizipation verweigern.
Im ersten Teil (S. 11-68) schildert Rawls eine mögliche Welt, in der ein vernünftiges auf demokratischen Werten basierendes Völkerecht existiert, auf welches sich alle Völker einigen können. Um diese „realistische Utopie“ verwirklichen zu können, muss das Recht der Völker die Unterschiede der verschieden Gesellschaften berücksichtigen. Es soll eben nicht als Reflektion der Werte- und Normensysteme nur bestimmter Gesellschaften gesehen werden, sondern durch seinen Pluralismus, aus vernünftigen Gründen, für alle als anerkennbar gelten und damit auch Stabilität garantieren. Trotz moralischen, philosophischen, politischen oder religiösen Unterschieden ist eine gemeinsamer Gerechtigkeitsauffassung vorhanden in der alle konsentieren. Dies fällt den Völkern der Idealtheorie auch nicht schwer, da sie bereits innerhalb ihrer Gesellschaft eine Gerechtigkeitskonzeption besitzen bzw. von einer gerechten demokratischen und liberalen Regierung geführt werden und somit auch Pluralismus vorherrscht. Diese „Gerechtigkeit als Fairneß“ („Justice as Fairness“, 1958) innerhalb der Gesellschaften würde sich dann auch auf internationaler Ebene manifestieren.
Diese Evolution zu einem gerechten Völkerrecht ist ohne Vorkenntnisse basierend auf „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ leider nur schwer zu verstehen. Rawls’ Theorie setzt bereits auf nationaler Ebene ein, auf der sich Vertragsparteien hinter einem „Schleier des Nichtwissen“ treffen. Dieser Schleier verhindert das Wissen über subjektive Eigenschaften (z.B. Geschlecht, sozialer Status oder Körperbau) und führt unter diversen anderen Einschränkungen und Voraussetzungen zu zwei Gerechtigkeitsgrundsätzen, auf denen eine gerechtes Rechts- und Gesellschaftssystem aufbaut. Rawls setzt diese Konzeption nicht notwendigerweise als Vorstufe für ein gerechtes Recht der Völker voraus - Gesellschaften können auch ohne sie zu ähnlicher Gerechtigkeit gelangen -, dennoch ist sie das Idealbild einer „wohlgeordneten Gesellschaft“. Durch diesen Gesellschaftsvertrag liegt die Souveränität bei der Gesellschaft selbst, der Staat wird erst durch sie gegründet und autorisiert. Rawls spricht deshalb auch vom Recht der Völker und nicht dem Recht der Staaten.
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