Besonderheiten und Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung bei Kindern in Kindertagesstätten mit Offener Konzeption
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Offene Arbeit in Kindertagesstätten
1.1. Begriffsbestimmung
1.2. Ziele der offenen Arbeit
1.3. Grundbegriffe der Offenen Arbeit
2. Das Kind in der heutigen Zeit
2.1. Das neue Bild vom Kind
2.2. Exkurs: Kinderrechte
2.3. Entwicklungspsychologische Grundlagen und Vorschulisches Lernen
3. Konfliktfelder in der Kindertagesstätte
3.1. Begriffsbestimmung
3.2. Schlüsselthemen für Kinderkonflikte
3.3. Spezifik der Konflikte in der Kindertagesstätte mit Offener Konzeption
4. Lernprozesse der Konfliktbearbeitung
4.1. Leitbegriffe Soziales Lernen und Kommunikative Bildung
4.2. Aufgaben, Anforderungen und Herausforderungen für die Fachkraft in der Offenen Kindertagesstätte
4.3. Rahmenbedingungen im Kontext der kindlichen Konflikte
5. Methoden der Konfliktbegleitung in der Offenen Kita
5.1. Regeln
5.2. „Way of Council“ – der Redekreis
5.3. Mediation
Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Einleitung
Kindertagesstätten mit Offener Konzeption polarisieren - bildungspolitisch und in verschiedenen Fachkreisen sehr gewollt, lösen sie bei Eltern, Pädagogen, Psychologen und Kinderärzten regelmäßig Diskussionen aus, bzw. stoßen sogar auf Ablehnung. „Die Kinder sind sich selbst überlassen. Sie nehmen wichtige Lernangebote nicht wahr. Sie erleben keine Gemeinschaft mehr. Sie lernen nicht, sich unterzuordnen und ihre Bedürfnisse zurückzustellen. Wichtige Kernkompetenzen werden nicht mehr vermittelt. Es ist laut und chaotisch. Das Sozial-und Konfliktverhalten ist geprägt vom Gesetz des Stärkeren“ - so lauten die Argumente gegen die Offene Arbeit in den Kindertagesstätten. Die Befürworter halten das Vertrauen in die intrinsische Entwicklungskompetenz der Kinder, die Anforderungen der modernen Gesellschaft und die Möglichkeiten der differenzierten Gestaltung von Rahmenbedingungen dagegen. In der vorliegenden Ausarbeitung werden gerade diese Gestaltungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund der Entwicklungsaufgabe „Soziales Lernen: Konfliktbearbeitung“ herausgearbeitet. Dabei erfolgt der thematische Zugang über das Konzept der Offenen Arbeit und das zugrunde gelegte sogenannte „neue Bild vom Kind“. Über den Themenkomplex der kindlichen Konflikte mit dem Blick auf die Spezifik dieser in der offenen Kitaarbeit, werden anhand der Gesetzmäßigkeiten des kindlichen Sozialen Lernprozesses, relevante Voraussetzungen und Maßnahmen der Fachkräfte zur Konfliktprävention und -bearbeitung in der Kindertagesstätte mit Offener Konzeption herausgearbeitet. Diese Methoden werden im Abschnitt 5 überblicksartig vorgestellt.
1. Offene Arbeit in Kindertagesstätten
1.1. Begriffsbestimmung
Nähert man sich dem Begriff der „Offenen Arbeit“, so stellt man fest dass es sich dabei um kein einheitliches Konzept, sondern vorwiegend um eine Sichtweise auf das Kind und sein sächliches und personales Umfeld handelt, die sich in vielfältigen organisatorischen Maßnahmen in der Kindertagesstätte (Kita) zeigt. Die Offene Arbeit entwickelte sich in den 70er Jahren in den alten Bundesländern aus einer Unzufriedenheit mit den traditionellen Organisationsformen in den Kindertagesstätten heraus. Der Begriff „offen“ bezieht sich sowohl auf die Strukturen, als auch die Räumlichkeiten. Das heißt: In der Offenen Arbeit werden Gruppenstrukturen aufgelöst und Räume geöffnet. Statt geschlossener Gruppenräume gibt es Funktionsräume, die unterschiedliche Funktionen und Bewegungsmöglichkeiten aufweisen. Dies orientierte sich in der Entstehungszeit des Konzeptes an der Entwicklungsrichtung der Kindergärten zu Bewegungseinrichtungen, in denen vorschulisches Lernen nun nicht mehr vorwiegend im Sitzen stattfindet. Die sinnlichen und motorischen Aktivitäten des Kindes als Lernweg stehen in der Offenen Arbeit im Mittelpunkt. Dazu benötigen die Kinder entsprechende räumliche Bedingungen; wie große Räume, Spielflure, naturnahe Gärten. Aber nicht nur das Öffnen der Räume kennzeichnet Offene Arbeit. Sie beinhaltet auch relativ freie Gestaltungsmöglichkeiten für die einzelne Einrichtung hinsichtlich ihres pädagogischen Profils und ihrer Schwerpunkte in der pädagogischen Arbeit. Weiterhin ist die unbedingte Orientierung an den Bedürfnissen, Interessen und Themen des einzelnen Kindes kennzeichnend für die Offene Arbeit. In der Regel ist die Etablierung eines Offenen Konzeptes in einer bestehenden oder neuen Einrichtung ein Weg, den Kinder und Erzieher fortwährend beschreiten (vgl. Mienert / Vorholz 2011:14-15). Ein Kind könnte Offene Arbeit so beschreiben:
„Ich als Kind kann neue spannende Themen in einer anregenden Umgebung entdecken, kann mich selbst mit diesen Themen auseinandersetzen und habe Erwachsene, die mir zur Seite stehen, mir Entwicklung zugestehen, die die entsprechenden Bedingungen dazu schaffen und diese Bedingungen immer wieder überprüfen.“ (Mienert / Vorholz 2011:15)
1.2. Ziele der offenen Arbeit
Kindern beste Bildungschancen zu ermöglichen und sie damit auf ihr zukünftiges Leben vorzubereiten, ist ein allgemeines Ziel pädagogischer Arbeit mit Kindern. Wenn die Themen der Kinder im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit in der Kindertagesstätte mit Offener Konzeption stehen, ergeben sich daraus spezifische Ziele. Diese Ziele entwickeln sich im Detail aus einem Reflektions- und Aushandlungsprozess des pädagogischen Teams der Einrichtung und sollten immer wieder hinterfragt, gegebenenfalls aktualisiert und stets mit den Eltern abgestimmt werden. Folgende Rahmenziele sind anzustreben:
- Schaffung von Bildungsanlässen, die den Themen der Kinder entsprechen:
Dazu sind die Räume so zu gestalten, dass sie für die Kinder einen Einladungscharakter haben; einladend zum Ausprobieren, zum Bewegen, zum Umgestalten, etc. Dabei ist Ziel, dass die Räume sich verändern und den aktuellen Themen der Kinder damit jeweils entsprechen.
- Ermöglichung des Erwerbs sozialer Kompetenzen:
Den Kindern sind Möglichkeiten zu eröffnen, Zeit mit anderen Kindern und Erwachsenen zu verbringen, in denen sie sich selbst als Persönlichkeit entdecken und weiterentwickeln können. Dies geschieht über das gemeinsame Sprechen, Spielen, Arbeiten, Streiten und Aushandeln. Der Faktor Zeit und die Möglichkeit des Auswählens von sozialen Kontakten an unterschiedlichen Orten sind dafür zentral bedeutsam.
- Bindung an erwachsene Personen:
Aus einer vertrauensvollen stabilen Bindung zu Erwachsenen in der Kindertagesstätte sind Kinder bereit, weitere Bindungen und Beziehungen aufzubauen und aus einer Sicherheit heraus bereit für Entdeckungen und Neues (vgl. Mienert / Vorholz 2011:16)
1.3. Grundbegriffe der Offenen Arbeit
Neben den ideellen Grundgedanken und den Zielen der Offenen Arbeit gibt es Grundbegriffe, die typisch und bedeutsam für das Konzept und in den allermeisten Kindertageseinrichtungen gültig sind.
Die Eingewöhnung findet in den ersten Tagen und Wochen in der Kindertagesstätte statt und ist eine Übergangsphase zwischen der Betreuung des Kindes zu Hause, einer anderen Kindereinrichtung, der hauseigenen Kinderkrippe und der Kindertagesstätte. Ziel der Eingewöhnung ist, dem Kind Sicherheit gegenüber einer oder mehrerer Bezugspersonen zu vermitteln und es mit den Abläufen und Räumlichkeiten vertraut zu machen. In einer Kindertagesstätte mit offener Konzeption ist dieser Phase eine besondere Bedeutung beizumessen, denn das Kind (und seine eventuell begleitende Vertrauensperson aus der Familie) werden einen größeren räumlichen Aktionsrahmen und einen größeren Kreis an Kontaktpersonen vorfinden als in einer Kindertagesstätte mit traditionellem Konzept. Die Eingewöhnung ist daher eine Schlüsselqualifikation für Kindertageseinrichtungen mit offener Konzeption, denn ohne eine sichere interpersonale Basis wird ein Kind in einer offenen Struktur nicht zurechtkommen und sich nicht wohlfühlen (vgl. Mienert / Vorholz 2011:19).
Die Bezugserzieherin in der offenen Arbeit ist diejenige Fachkraft, die für ein Kind besonders verantwortlich ist und definierte Verantwortungsbereiche für dieses Kind übernimmt. Gerade die konkrete Definierung dieser Aufgaben ist bedeutsam, um wichtige pädagogische und organisatorische Kernaufgaben nicht zu vernachlässigen. Dazu können gehören: die intensive Begleitung des Kindes während der Eingewöhnung, die Entwicklungsbeobachtung, die Führung des Entwicklungs-Portfolio mit dem Kind, die Durchführung von Elterngesprächen und die Gestaltung des Kontaktes zu den Eltern (vgl. Mienert / Vorholz 2011:18). Die Bezugserzieherin informiert ihre KollegInnen über aktuelle Besonderheiten des Kindes und gibt relevante Hinweise und Informationen der Eltern an das Team weiter.
Alle Kinder für die eine Fachkraft diese Verantwortung als Bezugserzieherin innehat, ergeben die Bezugsgruppe. Wie sehr sich diese Kinder in der Praxis als Gruppe empfinden, hängt von der Organisation in der Einrichtung ab. Häufig gibt es feste Zeiten, in denen die Bezugsgruppe sich trifft, etwa zum täglichen Morgenkreis, zu gemeinsamen Ausflügen oder Geburtstagsfeiern. Je flexibler diese Bezugsgruppenstruktur umgesetzt wird, desto mehr entspricht sie dem offenen Konzept (vgl. Mienert / Vorholz 2011:18).
2. Das Kind in der heutigen Zeit
2.1. Das neue Bild vom Kind
Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel: Sozialbeziehungen verändern sich, tradierte Lebensstile lösen sich auf, Familienstrukturen verändern sich, Lebenswelten differenzieren und pluralisieren sich. Dies führt zu Veränderungen der Lebenswelt von Kindern und einem Wandel von Kindheit. Die Sicht auf die „Kindheit“, als eigenständige, bedeutungsvolle Lebensphase und die Analyse der Lebenswelt von Kindern in der heutigen Zeit muss auch zu einer angepassten Sicht auf das Kind selbst führen, indem sie entsprechende pädagogische Konzepte hervorbringt. Diese entstehen immer aus einer jeweils vorherrschenden oder individuellen Sicht auf das Kind.
Die benannten gesellschaftlichen Wandlungsprozesse haben zu einem Nachdenken über das Bild vom Kind geführt und neue Sichtweisen über die Entwicklungs- und Bildungsbedürfnisse, über geeignete Lernumgebungen von Kindern hervorgebracht. Das Kind ist Akteur und Konstrukteur seiner eigenen Entwicklung und als solches sehr ernst zu nehmen. Nur das Kind selbst weiß genau, welche Lerninhalte und –prozesse in diesem Moment für das Kind bedeutsam sind. Dabei ist es aber nicht auf sich bezogen, sondern Teil der Gemeinschaft und sozialer Akteur. Um seine Identität ausbilden zu können, benötigt es das Miteinander mit anderen Kindern und Erwachsenen (vgl. Sächsisches Staatsministerium für Soziales (Hrsg.) 2006:7).
2.2. Exkurs: Kinderrechte
Das Bild vom Kind umfasst aber nicht nur den Subjektbezug, sondern auch die Sichtweise auf das Kind als Träger allgemeiner Grund- und spezifischer Kinderrechte. Die Anerkennung und Festschreibung dieser Rechte basiert auf der Anerkennung der Kindheit als eigenständige Lebensphase ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen haben sich im Rahmen der Kindheitsforschung mit Bedürfnissen und Interessen von Kindern beschäftigt und damit die gesellschaftliche Anerkennung von Kinderrechten in Gang gebracht. Aus einer zunächst auf Kinderschutz beschränkten Rechtslage, entwickelte sich der Rechtsanspruch auf Förderung (im Kinder- und Jugendhilfegesetz als Recht auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit). Aber nicht nur das Recht auf Förderung, sondern auch dem Lebensalter angemessene Selbstbestimmungs-und Beteiligungsrechte wurden gesichert. Diese sind in der 1997 durchgeführten Reform des deutschen Kindschaftsrechtes und in der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention anerkannt worden. Die Grundsätze der UN-Kinderrechtskonvention haben insofern für die Arbeit in den Kindertagesstätten Bedeutung, als das sie die Schaffung positiver Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Kindern fordern. Dazu gehören u.a.:
- das Wohl des Kindes (Artikel 3); umfasst Gewährleistung von Sicherheit, Gesundheit, Aufsichtspflicht, Personalschlüssel, Personalqualifikation;
- Berücksichtigung des Kindeswillens und der freien Meinungsäußerung (Artikel 12,13);
- das Recht auf Bildung (Artikel 29)
(vgl. Tietze / Viernickel 2003: 23f.).
In diesem Kontext findet sich das Recht der Kinder auf Unterstützung und Begleitung bei der Gestaltung und Aushandlung ihrer Sozialkontakte und der Unterstützung bei Konflikten wieder. Das Recht auf Sicherheit und Gesundheit ist verwirklicht, wenn die Kinder am Gemeinschaftsleben der Kita teilnehmen, ohne körperlich oder seelisch Schaden zu nehmen. Die praktische Umsetzung dieser Maßgabe erfordert entsprechend qualifiziertes, eine entsprechende Haltung vertretendes Personal in angemessener Menge. Eine qualifizierte Konfliktprävention und –bearbeitungsbegleitung beinhaltet die Respektierung des persönlichen Willens und das Anhören und Einbeziehen der Meinung, der Erfahrungen und individuellen Wertmaßstäbe des Kindes. Letztendlich zielen die Maßnahmen der Konfliktbearbeitung und –prävention als pädagogische Maßnahme in der Kindertagesstätte auf einen entsprechenden Bildungszuwachs ab. Somit sind Konfliktprävention und Konfliktbearbeitung keine freiwilligen oder zusätzlichen Leistungen einer Kindertagesstätte, sondern eine Pflichtaufgabe zur Umsetzung der Kinderrechte im Sinne der durch die Bundesrepublik Deutschland ratifizierten UN- Kinderrechtskonvention.
2.3. Entwicklungspsychologische Grundlagen und Vorschulisches Lernen
Das jeweils vorherrschende Bild vom Kind prägt stets auch die pädagogische Praxis in den Kindertagesstätten. Trotz aktuell bestehender vielfältiger pädagogischer Ansätze, eint alle die Sichtweise, Umweltbedingungen als Teil des kindlichen Entwicklungsprozesses und als Grundlage vorschulischen Lernens zu betrachten, aber dennoch die aktive Teilhabe des Kindes an seiner Entwicklung und bei der Aneignung von Wissen in den Mittelpunkt zu stellen. Kinder sind mit Wahrnehmungs- und Motivationsfähigkeiten ausgestattet, die ihnen ermöglichen vom ersten Lebenstag an mit Einwirkungen von außen aktiv umzugehen. Durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt reifen Hirnstrukturen, indem sich neuronale Verbindungen entwickeln. Auf der Basis von Erfahrungen, entstehen Erwartungen, die mit der Realität in Bezug gesetzt werden. Dabei sind die Entwicklungs- und Lernprozesse in den ersten Lebensjahren an unmittelbare Handlungen und Sinneserfahrungen geknüpft. Das Kind erlebt sich als Verursacher von Effekten.
Ziel dieser Entwicklungen sind zwei Lernergebnisse: die Individuation und die Sozialisation. Individuation ist die Herausbildung der Identität des Kindes und beinhaltet u.a. die Entwicklung von Selbstgefühl und Selbstverantwortlichkeit. Das Kind kann damit in sozialen Kontexten eine eigene Position einnehmen. Sozialisation meint die Gemeinschaftsfähigkeit des Kindes. Sie ermöglicht dem Kind, entsprechend seiner Fähigkeiten, in der Gemeinschaft mitzuwirken. Dazu gehört auch die Akzeptanz und Übernahme gemeinschaftlicher Werte und Normen (vgl. Tietze / Viernickel 2003: 25f.). Beide zentralen Entwicklungsziele (Individuation und Sozialisation) sind miteinander verknüpft und bedingen sich gegenseitig – ohne Entwicklung des Selbst ist ein Bezug zur sozialen Umwelt nicht denkbar, ohne soziale Interaktionen kann sich keine Ich-Identität herausbilden. Dieser Kontext ist noch weiter zu fassen, denn Lernen durch Handeln heißt auch innere und äußere Grenzen zu erleben und vorzufinden. Das Kind lernt im Kontext der Bedingungen von Gesellschaft und Umwelt, sowie seines individuellen Leistungsvermögens. Sein Lernen wird von seinen bisherigen Lernerfahrungen und seinen individuellen Interessen beeinflusst. Innerhalb dieses Bedingungsgefüges ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten und Aufgaben für die Fachkräfte in den Kindertagesstätten (vgl. Mienert / Vorholz 2011:82), die im Folgenden mit dem Blick auf die kindlichen Konfliktprozesse präzisiert werden sollen.
3. Konfliktfelder in der Kindertagesstätte
3.1. Begriffsbestimmung
„…Lernen durch Handeln heißt auch innere und äußere Grenzen zu erleben und vorzufinden…“ (vgl. Mienert / Vorholz 2011:82). Gerade diese sich in vielfältiger Art und Weise manifestierenden Grenzen führen zu Schwierigkeiten in der Interaktion des Kindes mit anderen in der hier zu betrachtenden Mikroebene „Kindergemeinschaft“. Diese Schwierigkeiten werden in der Regel in Form von Konflikten sichtbar. Der Begrifflichkeit aus dem Lateinischen nach meint Konflikt (lat.: conflictus) den Zusammenstoß. Gablers Wirtschaftslexikon definiert als Konflikt den „Prozess der Auseinandersetzung, der auf unterschiedlichen Interessen von Individuen und sozialen Gruppierungen beruht und in unterschiedlicher Weise institutionalisiert ist und ausgetragen wird.“ (http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/konflikt.html, letzter Zugriff 20.08.2015). Dabei werden zwei Konfliktarten unterschieden: der latente und der manifeste Konflikt; des Weiteren ist folgende Unterscheidung nach dem Konfliktgegenstand:
- Sozialer Konflikt: Interaktion zwischen Handelnden, wobei wenigstens eine handelnde Person Unvereinbarkeiten im Denken, Fühlen und Verhalten mit dem Interaktionspartner erlebt, die eine Beeinträchtigung in der Realisierung zur Folge hat;
- Zielkonflikt: miteinander agierende Personen verfolgen unterschiedliche Ziele;
- Bewertungskonflikt: unterschiedliche Wege und Methoden zum Erreichen eines Zieles werden unterschiedlich bewertet;
- Verteilungskonflikt: Parteien können sich nicht über die Verteilung von Ressourcen einigen;
- Persönlicher Konflikt: intrapsychische Differenzen im Entscheiden oder Verhalten;
- Beziehungskonflikt: Störungen im interpersonalen Kontakt;
- Rollenkonflikt: Personen befinden sich in widersprüchlichen Rollen;
- Konflikte in Organisationen: Spannungssituationen, in denen voneinander abhängige Menschen versuchen, unvereinbare Ziele zu erreichen oder gegensätzliche Handlungspläne zu verwirklichen.
(vgl. http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/konflikt.html, letzter Zugriff 20.08.2015)
Die beschriebenen Konfliktarten, hier einem wirtschaftlichen Kontext entnommen, lassen sich problemlos in den Sozialraum Kindertagesstätte übertragen, was deutlich macht, dass diese die gesellschaftliche Realität sowohl abbildet als auch den notwendigen Rahmen nachhaltigen Lernens bietet, gerade weil sie auf natürliche Art und Weise der gesellschaftlichen Realität entspricht.
Konflikte können unter bestimmten Bedingungen Funktionen, wie die Entstehung oder Adaption sozialer Regeln und Normen, sozialer Strukturen und Institutionen erfüllen. Grundlage hierfür ist die gesellschaftliche Annahme der Funktionalität von Konflikten und dem
„Konflikt-Modell einer Gesellschaft, das auf der Annahme eines Pluralismus unterschiedlicher und auch kontroverser Interessen, Einstellungen und Werte beruht und in dem die gewaltfreie Regelung von Konflikten die zentrale Integrationsleistung darstellt.“
(http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/konflikt.html, letzter Zugriff 20.08.2015).
In Bezug auf die Funktionalität von Konflikten in der Kindertagesstätte ist also auch zu überprüfen, inwieweit diese zu Veränderungen in den sozialen Strukturen und Regeln führen (dürfen) und wie ein geeignetes Konfliktmodell unter den Bedingungen der Offenen Arbeit beschaffen sein kann.
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