Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung der "modernen" Laufbewegung in Deutschland. Was 1963 in Bobingen in der Nähe von Augsburg mit dem ersten Volkslauf Deutschlands begann, ist inzwischen zu einem unübersichtlichen Gegenstand geworden. Dieser unübersichtliche Gegenstand soll anlässlich des 50. Geburtstags des Volkslaufs genauer betrachtet und erläutert werden.
Begonnen wird die Arbeit dabei mit den Wurzeln der Laufbewegung in den 1960er Jahren. Es folgt eine Analyse der in Westdeutschland äußerst populären Trimm-Dich-Bewegung sowie dem ostdeutschen Gegenstück, dem GutsMuths-Rennsteiglauf und der Meilenbewegung. Abschließend wird die Königsdisziplin des Laufsports vorgestellt, der Marathon, sowie ein Ausblick gegeben auf neue Spielfelder des Laufsports im Zuge der Globalisierung.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Wie alles Begann – Volksläufe entstehen
2 Trimmy setzt den Weg fort – Wie eine Massenbewegung die Menschen laufen lässt
2.1 Der „Zweite Weg“ und die Folgen des Wirtschaftswunders
2.2 Trimmy beginnt seinen ersten Motivationszyklus
2.3 Was getan wurde
2.4 Das Paradoxon um die Trimm-Dich-Pfade
2.5 Trimmy fängt an zu laufen
2.6 Werbeikone Trimmy
2.7 Die Entwicklung der Trimm-Dich-Bewegung ab der Wiedervereinigung
3 Lauftreffs – organisiertes Laufen
3.1 Von den Wurzeln der Laufgemeinschaften
3.2 Der Lauftreff beginnt sich auszubreiten
4 Parallelbewegungen in der Deutschen Demokratischen Republik
4.1 Die Benachteiligung des Breitensports
4.2 Eile mit Meile - Eine Gegenbewegung zur westdeutschen Trimm-Dich-Kampagne
4.3 Sportfeste für das Volk
4.4 Exkurs: Der GutsMuths-Rennsteiglauf
5 Vom Leistungssport zum Breitensport - Der Marathon erobert die City
5.1 Amerika als Vorbild
5.2 Der Blick geht nach Berlin
5.3 Der Marathon boomt
6 Neues Jahrtausend, Neue Spielfelder
6.1 „Marathonis“ entdecken die Welt
6.2 Auch Deutschland läuft immer weiter
6.3 Was passierte mit dem GutsMuths-Rennsteiglauf?
Quellen
Einleitung
„Die Laufbewegung hierzulande ist alles andere als eine Modeerscheinung.“ Heißt es auf der Homepage von German Road Races, einem Zusammenschluss führender Laufveranstalter. Dieses Zitat bringt mich zum Thema dieser Arbeit, die Entwicklung der „modernen“ Laufbewegung in Deutschland.
Was 1963 in Bobingen in der Nähe von Augsburg begann, ist inzwischen zu einem unübersichtlichen Gegenstand geworden. Da wir dieses Jahr den 50. Geburtstag des Volkslaufs und damit aus meiner Sicht auch 50 Jahre Laufbewegung in Deutschland feiern, versuche ich im Folgenden genau diesen unübersichtlichen Gegenstand ein bisschen verständlicher zu machen und die Laufbewegung damit einmal zeithistorisch zu erfassen.
Alles beginnt bei den Wurzeln der Laufbewegung, nämlich beim angesprochenen ersten Volkslauf, es folgen weitere Kapitel, in denen ich mich mit der Trimm-Dich-Bewegung und dem mit ihr entstandenen Lauftreff beschäftige. Auch die Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik halte ich für sehr interessant, weshalb insbesondere der GutsMuths-Rennsteiglauf und die Meilenbewegung genauer beleuchtet werden. Schließlich komme ich dann zur Königsdisziplin, dem Marathon. Seine Entwicklung in den 1980er und 1990er Jahren hat mich besonders beeindruckt und soll daher meine Arbeit abschließen, bevor ich noch auf die Entwicklung der Laufbewegung im Zuge der Globalisierung komme.
Laufen belohnt den Menschen mit dem Glückshormonen Serotonin und Endorphinen. Diese Hormonfreisetzung macht positiv süchtig. Diese Relikt aus der Steinzeit erinnert uns daran, dass Laufen eine ganz natürliche Sache ist und gut für unseren Körper. Dieses Bewusstsein hat sich mit der Zeit immer mehr durchgesetzt. Vor gut 100 Jahren noch wurden Läufer, die durch die Stadt liefen müde belächelt, teilweise sogar ausgelacht. Man lief allenfalls auf dem Sportplatz. Alles andere war etwas für Exoten.
1 Wie alles Begann – Volksläufe entstehen
Bereits im Jahre 1947 propagierte Dr. Ernst van Aaken, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Bewegungsarmut mit falscher Ernährung und den Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Übergewicht oder auch erhöhter Blutzucker bestand. Er entwickelte die von ihm begründete „Waldnieler Dauerlaufmethode“, die den langsamen Dauerlauf als Alternativmedizin setzte. Zudem setzte sich van Aaken energisch dafür ein, dass auch Frauen laufen sollten. Ernst van Aaaken war damit eine Art Vorreiter der Laufbewegung in der Bundesrepublik. Er spielte später als einer der Gründer der Interessengemeinschaft Älterer Langläufer (IGÄL) eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Lauftreffs und trainierte bis in die 70er Jahre hinein Topathleten aus Deutschland.
Die Geschichte der Laufbewegung beginnt jedoch erst wenig später: Vor 1963 beobachtet Otto Hosse, später der erste Volkslaufwart des Deutschen Leichtathletik Verbandes, in der Schweiz die sogenannten „Wehrläufe“, welche zur Förderung der Kondition der eidgenössischen Männer und zur Vorbereitung auf eine etwaige Landesverteidigung durchgeführt werden. Zusammen mit dem aus Bobingen stammenden damals erst 22 Jahre alten Angestellten Herwig Leiter entwickelt Hosse die Idee des ersten Volkslaufes in der Bundesrepublik Deutschland. Als Standort wird Bobingen, südlich von Augsburg, ausgewählt. Am 13. Oktober 1963 ist es soweit: 1652 Läufer absolvieren den ersten Volkslauf der Bundesrepublik auf Strecken zwischen 800 Metern und 12 Kilometern. Ebenfalls auf dem Programm steht ein 12 Kilometer langer „Volksmarsch“, bei dem die rund 400 Teilnehmer die Distanz in einer an dem Alter orientierten Sollzeit bewältigen.
Auch die von Hosse und Leiter als ideale Distanz für Volksläufe angepriesenen 10 Kilometer müssen in einer Sollzeit von 60 Minuten absolviert werden. Im Ziel erwartet die Läufer ein einfaches von Leiter entwickeltes Stempelsystem zur Zeitmessung und jeden, der in der Sollzeit von 60 Minuten bleibt eine Medaille. Eigens für dieses Ereignis entwirft Leiter Stempeluhren und ein Kanalsystem, mit dem die Einzelzeiten der Läufer genommen werden konnten. Die Streckenposten sind damals noch mit dunklem Anzug, Krawatte und weißer Ordnerbinde akkurat gekleidet. Sie kontrollieren jeden Läufer persönlich auf seine Startnummer und Legitimation.
Ein wichtiger Grund für Hosse und Leiter dieses Event zu organisieren, war unter anderem auch die ab Anfang der 1960er Jahre über Medien bekanntgewordenen Zusammenhänge zwischen Laufen und Gesundheitsvorsorge. Otto Hosse und Herwig Leiter organisieren in den Folgejahren immer mehr Volksläufe, was einen regelrechten Boom auslöste. Sie werden 1964 zum Volkslaufwart des Deutschen Leichtathletik Verbandes und Stellvertreter benannt und koordinierten ab diesem Zeitpunkt sämtliche Volkslauftermine in der Bundesrepublik. Hosse schafft zunächst 3 elektronische Zeitmessgeräte an, die in den Folgejahren ständig ausgebucht sind.
An die Arbeit von Otto Hosse erinnert sich der jahrelange Organisator von Volksläufen in Schleswig-Holstein Rolf Kühnast: "Otto Hosse, der zusammen mit Herwig Leiter so genannte Wehrläufe in der Schweiz miterlebt hatte, kam 1973 persönlich nach Kellinghusen, um die Strecke durch den Rosdorfer Forst abzunehmen." (Schwichtenberg 2011)
Der Volkslauf wird ein Jahr später (1965) vom Deutschen Leichtathletik Verband in das Wettkampfprogramm aufgenommen. In der Wettkampfordnung heißt es:
„Die Durchführung von Volksläufen und Volksgehen soll breiten Schichten der Bevölkerung Gelegenheit geben, sich aktiv sportlich zu betätigen. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat sie in sein Übungs- und Wettkampfprogramm aufgenommen, um auf diese Weise einen Beitrag zum ‚Sport für alle‘ [1] zu leisten, die Volksgesundheit zu verbessern und Freude am einfachen sportlichen Tun zu wecken. Es dürfen nur reine Lauf- und Gehwettbewerbe ohne zusätzliche Erschwernisse für die Teilnehmer (z. B. Gepäck) durchgeführt werden. […] Volksläufe und Volksgehen sind offen für alle. […]“[2]
Als Sollzeiten werden in der Anfangszeit 6:00 Minuten pro Kilometer bei den Männern und 6:30 pro Kilometer bei den Frauen festgelegt und je nach Altersklasse unterschieden. Unter diesem Limit erhält jeder Läufer eine Medaille oder eine ähnlich Auszeichnung. Die Methode der Sollzeiten wird jedoch bereits nach kurzer Zeit durch das heutige Wettkampfsystem ersetzt. Eine Volkslaufveranstaltung unterteilte sich in der Regel in die Kategorien Laufen, wobei die 10km Distanz das Hauptrennen war, Gehen und Wandern.
Die Idee des Volkslaufes wurde auch in den darauffolgenden Jahren immer mehr verbreitet, weshalb man Hosse und Leiter durchaus als zwei Pioniere der Laufbewegung bezeichnen kann. Auch in den Medien wird nun zusehends von der neuen Mode „Volkslauf“ berichtet. So schreibt der Tagesspiegel Mitte der 1960er Jahre von der wie "eine entfesselte Büffelherde" über die Startlinie stampfenden Läufermeute. Und auch der Spiegel berichtete Ende 1969 von den vielen bereits entstandenen Varianten des Volkslaufes vom Frühjahrmarsch um den Starnberger See bis hin zum typischen 10,2 Kilometerlauf in Hamburg.
In den ersten vier Jahren nach Bobingen verdoppeln sich die Veranstaltungs- und Teilnehmerzahlen von Jahr zu Jahr nahezu. 1974 überschreitet die Marke der Volkslauf Teilnehmer erstmals die 500000. Nach stagnierenden Zahlen in den 1980ern, sorgt die Wiedervereinigung für einen erneuten Anstieg der Teilnehmerzahlen. 1999 wurde so die 1-Millionen-Marke überschritten und dann um neuen Jahrtausend 2008 auch die 2 Millionen. Sehr ähnlich dazu verläuft auch die Entwicklung der Veranstaltungszahlen.
2 Trimmy setzt den Weg fort – Wie eine Massenbewegung die Menschen laufen lässt
2.1 Der „Zweite Weg“ und die Folgen des Wirtschaftswunders
Zwischen 1950 und 1960 verringerte sich die wöchentliche Arbeitszeit eines Arbeiters in der Bundesrepublik von 48 Stunden auf 44,5 Stunden. Es gab mehr Urlaubstage und mit dem Fernsehen lockte eine neue Freizeitbeschäftigung. Das war nicht genug: Die Infrastruktur des organisierten Sports verfügte über wenig verschiedene Angebote. In tausenden Gemeinden und Kommunen existierte nicht einmal ein Sport-oder Turnverein. Und in den Kommunen, in denen es welche gab, waren sie männerdominiert und überwiegend nur in einer Sportart verankert. (Wopp 1995, 42)
Im Jahr 1959 beschloss daher der Deutsche Sportbund mit der Aktion „Der zweite Weg“[3] dieser bedrohlichen Entwicklung entgegenzuwirken. Es wurden Sportstätten gebaut und Übungsleiter ausgebildet. „Sport für alle“ wurde als eines der wesentliche Ziele festgelegt, in diesem Rahmen sollte auch der Organisationsgrad der Bundesbürger in Sportvereinen, der 1960 nur bei 9,5% lag, gesteigert werden.
Bereits 1970 war dieser auf 16,5 % gestiegen. Trotzdem schlugen Ende 1969 die deutschen Krankenkassen Alarm. Neben rund 250 000 Herzinfarkten pro Jahr, stiegen auch die Kreislauferkrankungen in der Bundesrepublik. Ungefähr ein Drittel der Männer und 40 Prozent der Frauen hatten durchschnittlich sieben Pfund Übergewicht. Diese Schattenseiten des Wirtschaftswunders ließen den Deutsche Sportbund weitere Schritte gegen Bewegungsmangel beschließen. Noch im Jahr 1969 wurden deshalb zwei Werbeagenturen beauftragt, eine Kampagne zur Bewegungs-und Gesundheitsförderung zu entwerfen. Der Vorschlag der ersten Werbeagentur „Raus aus dem elektrischen Stuhl“ wurde abgelehnt und der zweite Vorschlag der wesentlich jüngeren Agentur „Trimm[4] Dich – durch Sport!“ wurde angenommen.
2.2 Trimmy beginnt seinen ersten Motivationszyklus
Am 16. März 1970 startete die Kampagne „Trimm dich – durch Sport!“ des Deutschen Sportbundes auf einer Bundeskonferenz in Berlin. Der Deutsche Sportbund hatte sich mit Partnern aus Politik, Wirtschaft und Krankenkassen zusammengeschlossen, um die Bundesbürger für Sport zu begeistern. Die Kampagne war zunächst für 4 Jahre angelegt. Ständiger Begleiter und Gesicht war Trimmy, ein Männchen mit gerecktem Daumen.
Der Grafiker, der Trimmy entwarf, beschrieb ihn als „ keinen Supermann und keinen Helden, ein ganz durchschnittlicher, kleiner, schmächtiger und unscheinbarer Bursche “. Ähnlich äußerte sich der Kopf der Trimm-Dich-Bewegung Jürgen Palm:
„Er ist fröhlich, jung und unkompliziert, optimistisch. Man braucht kein Sportler zu sein, um sich mit ihm zu identifizieren. Trimmy ist die personifizierte Lebenslust [...]. Sport ist für alle da, sagt Trimmy, nicht nur für die Jungen, die Starken, die Reichen, Trimmy läuft, reitet, schwimmt, fährt Ski und Rad, Spielt Minigolf und tanzt“ (Palm 1973, 116).
Gegenstand der Trimm-Dich-Bewegung war zunächst die Motivation der Bundesbürger, sich zunächst einmal wieder zu bewegen. Dabei wurde im ersten Jahr 1970 auf die unverbindlichen Erinnerungen an den Sport in Kindheit und Jugend gesetzt. Slogans wie „Lauf mal wieder“ oder „Schwimm mal wieder“ sollten die Bevölkerung wieder zum Sport treiben animieren. In den Folgejahren wurden die Werbesprüche immer wieder angepasst, um neue Perspektiven zum Sport treiben anzubieten und andere Motivationen anzusprechen. So folgte im Jahr 1972 „Trimm dich am Feierabend“ oder 1973 „Trimmer erleben was“ sowie „Trimmer machen eine gute Figur“.
2.3 Was getan wurde…
Eines der Haupthandlungsmittel des DSB war eine Vielzahl von begleitenden Informationsmaterialien (Trimm-Tipps-Broschüren), die kostenlos beim DSB bezogen werden konnten und dem Leser einfache Anleitungen zum individuellen sportlichen Handeln in verschiedenen Sportarten bot. Bereits 1971 gab es 16 Titel mit einer Gesamtauflage von sieben Millionen Exemplaren.
Neben den Broschüren setzte der Deutsch Sportbund vor allem auf Fernsehspots in ARD und ZDF, Anzeigen mit „Trimm-Tipps“ in rund 300 Zeitungen und Zeitschriften sowie Plakate. Auch T-Shirts, Autoaufkleber, Bierdeckel und vieles mehr wurde als Werbewerkzeug verwendet.
Der Werbeaufwand der Kampagne belief sich dabei zwischen 1970 und 1974 auf ca. 40 Millionen D-Mark, von denen ungefähr 35 Millionen gestiftete Leistungen für Anzeigen, Fernsehspots oder Ähnliches waren, 2,8 Millionen Sponsorengelder verwendet und zwei Millionen selbst von DSB aufgebracht wurden. Die staatliche Förderung belief sich lediglich auf 218 000 D-Mark Starthilfe.
Natürlich versuchte der DSB nicht nur durch Werbung, die Bevölkerung zum sportlichen Handeln zu animieren, er schuf auch praxisorientierte Angebote. Die Trimm-Spirale war beispielsweise eine Auszeichnung für fleißige „Trimmer“, bei der es darum ging, auf einer überall erhältlichen Postkarte 100 Punkte durch Trimmen zu erreichen. Dies konnte durch Dauerlauf, aber auch Gartenarbeit geschehen. Wer 100 Punkte erreicht hatte konnte die Postkarte einschicken und bekam gegen eine Gebühr von 1,50 D-Mark eine Urkunde und Anstecknadel.
Ein anderes Aktionsprogramm waren die „Trimm-Spiele“. Sie waren eine Art Volkswettbewerb für jedermann, bei dem es bestimmte einfache sportliche Leistungen zu erreichen galt. Etwa 95% der Teilnehmer erreichte im Durchschnitt diese Anforderungen und gingen mit einer Medaille nach Hause. Beispiel: „ 1972 fanden 3.400 Trimm-Spiele in 100 verschiedenen Städten und Dörfern statt, veranstaltet von Sportvereinen, Betrieben und Schulen. Von den 1,3 Millionen Teilnehmern waren 54% Nichtvereinsmitglieder “ (DSB 1973a, 7) Damit wurde ein wesentliches Ziel, also auch Nichtvereinsmitglieder zum Sporttreiben zu motivieren, erreicht.
Weitere Angebote der Trimm-Dich Bewegung waren der Deutsche Trimm-Club, Trimmstationen an Autobahnrastplätzen für eine aktive „Trimmpause“, das Trimm-Mobil, in dem ein Trimmtest durchgeführt werden konnte und die von Gemeinden und Vereinen veranstalteten Trimmwochen. Darüber hinaus entwickelte der DSB einen Test für Trimmgeräte und vergab einen Preis für das Trimmgerät des Jahres. (DSB 1973a, 273)
2.4 Das Paradoxon um die Trimm-Dich-Pfade
Ein bis heute in den Köpfen vieler verwurzeltes Angebot war und ist der Trimm-Pfad, der als solcher gar nicht vom DSB verbreitet wurde. Der Trimmpfad geht vielmehr auf die Züricher Lebensversicherung Vita zurück, die einen „Vitaparcour“ entwickeln ließ, der aus einer Waldstrecke bestand, an der in verschiedenen Abständen einfache Übungsgeräte wie eine Reckstange oder Baumstümpfe zur Verfügung standen. Diese Vitaparcours wurden kostenlos von der Versicherung genau zu dieser Zeit für Kommunen bereitgestellt. Da diese „Trimmpfade“ jedoch nicht wirklich ausgereift waren, gab es Verwirrung darum, ob sie sinnvoll wären und schließlich 1973 die Antwort des DSB mit dem Trimmpark, einer Freizeitsportanlage in einem Wald zur Erprobung von Kraft, Ausdauer, Spiel und Geschicklichkeit sowie zur Geselligkeit. Diese Trimmparks wurden nun jedoch vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft entwickelt.
Die einzelnen Elemente waren: (DSB 1973c)
1. Trimm-Bahn mit 3000m Jogging-Bahn (Ausdauer, Herz-Kreislauf-Belastung)
2. Trimmplatz mit 12 Übungsstationen an Holzgeräten (Kraft und Kondition)
3. Trimmspielplatz mit Federball, Fußball, Tischtennis, Boccia usw. (für die Familie)
4. Trimmhütte zum Unterstellen, Umkleiden, Erfrischen und eventuelle Sauna.
Die Trimm-Parks setzten sich dennoch nicht komplett durch, sodass in der Folge oftmals Mischungen aus beiden Ideen in den Kommunen, speziell unterstützt von Krankenkassen, errichtet wurden. Bis in die 1980er Jahre entstanden so rund 1500 Trimm-Pfad-Anlagen in der Bundesrepublik. Der Trimm-Pfad hat sich im Endeffekt bis heute als eines der wesentlichen Merkmale der Trimm-Dich-Bewegung durchgesetzt.
2.5 Trimmy fängt an zu laufen
Ein überaus wichtiges Angebot war schließlich die in 1973 entwickelte Idee eine Lauf-Treffs.[5] Nicht zuletzt die große Resonanz dieses Angebots war dafür verantwortlich, dass ab 1975 die Kampagne das Ausdauermotiv „Ein schlauer trimmt die Ausdauer“ anvisiert wurde. Ein neues Laufen wurde entwickelt, der Trimm-Trab. Dieser sollte in einem Tempo ausgeführt werden, das es dem Läufer erlaubt, sich während des Laufens zu unterhalten.[6] (Steffny 2010): „ Beim Trimm-Trab Auftakt 1976 im hessischen Bad Arolsen gab Olympiasieger und damalige Lauflegende Emil Zatopek die denkwürdig einfachste und viel zitierte Begründung fürs Laufen: ‚Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft!‘ .“ Dieses Motto bewegte in den 1970er Jahren Millionen Läufer. Erst 1978 wendet sich die Bewegung dann immer mehr dem Spielen zu, ehe im Jahr 1983 das Gesundheitsprogramm „Trimming 130 - Bewegung ist die besteMedizin“, das Sport bei 130 Pulsschlägen pro Minute zur Gesundheitsförderung empfiehlt.
Die kurze Übersicht der Kampagnen der Trimm-Dich Bewegung:
1970 - 1974 Motivationskampagne „Trimm Dich durch Sport“
1975 - 1978 Konditionskampagne „Ein Schlauer trimmt die Ausdauer“
1979 - 1982 Spielkampagne „Spiel mit - da spielt sich was ab“
1983 - 1986 Gesundheitskampagne „Trimming 130 - Bewegung ist die besteMedizin“
[...]
[1] 1959 hatte der Deutsche Sportbund (DSB) auf seinem Bundestag in Duisburg beschlossen, dass Sport für alle da sein sollte und dass ein zweiter „Weg“ neben dem Leistungssport geschaffen werden sollte.
[2] http://www.flvw.de/leichtathletik/freizeit-und-breitensport-leichtathletik/laufen-und-mehr/volkslauf.html
[3] Der bereits existierende „erste Weg“ war lediglich auf Wettkampfangebote und die Leistungsförderung ausgerichtet
[4] Die Agentur griff auf den Begriff „Trim“ zurück, den die Norweger 1967 in einer bevölkerungsweiten Aktion zur Sportförderung entwickelt hatten und auch ein Jahr darauf von den Niederlanden, Finnland und Schweden verwendet wurde
[5] Auf die Idee und Durchführung wird im folgenden Kapitel näher eingegangen
[6] Auch „Laufen ohne zu Schnaufen“