Der Freihandel aus Sicht bedeutender volkswirtschaftlicher Paradigmen. Das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA
Zusammenfassung
Zunächst wird der Begriff Freihandel näher erläutert, um eine Basis für das Verständnis des in der Diskussion befindlichen Transatlantischen Freihandelsabkommens (Transatlantic Trade and Investment Partnership - TTIP) zu schaffen. In einem zweiten Schritt werden die Positionen von Befürwortern und Gegnern des TTIP dargestellt.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Freihandelsabkommen
2.1 Ursprung und Definition des Freihandels
2.2 Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen
2.2.1 Positionen Pro und Contra TTIP
3. Betrachtung volkswirtschaftlicher Paradigmen in Bezug auf den Freihandel unter besonderer Berücksichtigung des trans- atlantischen Freihandelsabkommens TTIP
3.1 Neoklassik
3.2 Keynesianismus
3.3 Politische Ökonomie
4. Schlussbetrachtung (Fazit/Eigene Meinung)
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika wird derzeit das Abkommen zur Transatlantischen Handels- und Investitions-Partnerschaft (TTIP) verhandelt, das auch in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert wird. In diesem Zusammenhang möchte ich nachfolgend das Thema Freihandel im Hinblick auf die Bewertung unterschiedlicher volkswirtschaftlicher Paradigmen beleuchten.
2. Freihandelsabkommen
Zunächst definiere ich den Begriff Freihandel, um eine Basis für das Verständnis des in der Diskussion befindlichen Transatlantischen Freihandelsabkommens (Transatlantic Trade and Investment Partnership - TTIP) zu schaffen. In einem zweiten Schritt werde ich die Positionen von Befürwortern und Gegnern des TTIP darstellen.
2.1 Ursprung und Definition des Freihandels
Der Gedanke des Freihandels nahm seinen Ursprung in England, wo Adam Smith, D. Riccardo und J.S. Mill ihn entwickelten. Er wurde von der Industrie Englands aufgenommen, weil man damals eine Herabsetzung der Arbeitslöhne erzielen wollte. Durch eine Senkung der Einfuhrzölle für Getreide sollte eine Herabsetzung der Lebenshaltungskosten der Mitarbeiter angestrebt werden, um die Löhne mindern zu können. 1860 wurde der Abschluss des englisch-französischen Handelsabkommens, welches alle englischen Zölle aufhob, erzielt. Dies leitete die liberale Weltwirtschaft ein. Das Ziel des Freihandels, die Zölle komplett abzuschaffen, wurde allerdings nicht erreicht, sondern nur deren starke Herabsetzung. Das Einsetzen der Schutzzollpolitik- dem Protektionismus- um das Jahr 1879 führte zu einer Abwendung vom Freihandel. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde dessen Idee wieder aufgegriffen und als Anstoß zu einer freiheitlichen Handelspolitik genutzt. Die Durchführung des Freihandels fand allerdings erst im Rahmen einer Senkung der Zölle im GATT - General Agreement on Tariffs and Trade- für die teilnehmenden Länder statt1. GATT war ein Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen und eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, welche das Ziel hatte, den weltweiten Handel durch Senkung der Zölle und Außenhandelsbeschränkungen zu steigern. Dieses wurde 1995 zur Welthandelsorganisation (WTO) ausgeweitet2.
Der Freihandel umfasst das außenwirtschaftliche Prinzip, das den internationalen Austausch von Waren und Produktionsfaktoren möglichst von allen Hemmnissen befreien sollte. Es handelt sich somit um eine schrankenlose Austauschbeziehung, welche von Beschränkungen unbehindert, daher frei in Erwerb und Verkehr ist. Die Austauschbeziehung zwischen den handelnden Staaten ist daher von Zöllen, nicht tariflichen Handelshemmnissen und Devisenbewirtschaftung unbeeinflusst und somit frei. Es herrscht hierbei der liberale Gedanke, dass jeder äußere Eingriff den Wirtschaftsablauf hemmen würde. Nur ein unbehinderter Handelsverkehr und ein freier Wettbewerb könne zwischen den Staaten zu optimaler Arbeitsteilung mit optimaler Produktion führen. Jedes Land kann sich daher auf seine Stärken spezialisieren. Diese Idee entspricht der Theorie der komparativen Kosten und erzielt für alle beteiligten Länder den größtmöglichen Wohlstand3, schafft wirtschaftliches Wachstum sowie auch Arbeitsplätze4.
2.2 Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen
Seit Juni 2013 verhandeln die Vereinigten Staaten und die Europäische Union über ein Freihandelsabkommen. In der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership) soll festgehalten werden, wie zukünftig Waren und Dienstleistungen zwischen diesen Ländern gehandelt werden sollen. Diese Verhandlungen sind nicht öffentlich5.
Es sollen Handelshemmnisse unterschiedlicher Regularien auf ein einheitliches Niveau harmonisiert6 und Barrieren gesenkt, sowie Investitionsmöglichkeiten geöffnet werden, um wirtschaftlichen Aktivitäten mehr Möglichkeiten zu bieten7. Falls die Regelungen und Auflagen ausländischer Investoren in deren Heimatland niedriger als im Gastland ausfallen, so müssen diese demnach von dem Partnerland anerkannt werden8.
Durch eine solche Liberalisierung der Märkte soll der Abbau von Hürden (Zölle, Quoten und teure grenzüberschreitende Mehrfachkontrollen9 ) erzielt werden. Kosten sollen somit gesenkt und ausländischen Unternehmen der Zugang zu den Märkten erleichtert werden10. Durch höhere Wettbewerbsfähigkeit würden in der Folge die Kosten für den Verbraucher sinken. Darin könnten ebenfalls mehr Arbeitsplätze und ein höheres Einkommen entstehen11. Zentral für die Verhandlungen sind die nichttarifären Handelshemmnisse. Diese betreffen die Regulierung zur Produktqualität und den Produktionsbedingungen, welche in den betroffenen Staaten je nach Branche unterschiedlich hohe Standards aufweisen und daher dem niedrigeren Niveau angepasst werden sollen. Nichttarifäre Handelshemmnisse können zum Beispiel technische Vorschriften, Lebensmittelrechte, Zulassungsbedingungen oder Umweltauflagen sein12.
Daran anknüpfend ist ein Investitionsschutz zugunsten ausländischer Unternehmen vorgesehen. Dieser soll Investoren in justizfreien Schiedsgerichten außerhalb des nationalen und internationalen Rechts erlauben13, Nachteile einzuklagen, falls sie sich durch staatlich gewollte Einschränkungen des Partnerlandes in ihrer Entscheidungsfreiheit indirekt enteignet fühlen14. Dies bezieht sich vor allem auf beschäftigungsbezogene, soziale und ökologische Produktionsauflagen, die Investoren abschrecken und daher das Wirtschaftswachstum hemmen könnten. Solche Schiedsgerichte bestehen aus einem Vertreter des jeweiligen Konzerns, einem Repräsentanten des Staates und einem neutralen Dritten. Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt15.
2.2.1 Positionen Pro und Contra TTIP
Wie bereits erwähnt, gibt es bezüglich des geplanten TTIP-Freihandelsabkommens Befürworter und Gegner.
Die Befürworter stellen die Vorteile heraus, und sehen gerade im Abbau der bereits genannten Barrieren einen positiven volkswirtschaftlichen Effekt16. Sie erhoffen sich durch die wahrscheinlich steigenden Exporte und höheren Umsätze ein Wirtschaftswachstum und argumentieren, dass mehr Umsatz gleichzeitig mehr Gewinn bedeute, wodurch mehr Investitionen und Arbeitsplätze entstehen könnten17. Ein weiterer positiver Aspekt sei, dass Handelserleichterungen den beteiligten Ländern ermöglichten, sich auf ihre Stärken zu spezialisieren18. Das „Centre for Economic Policy Research“ prognostiziert einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union von 68 bis 119 Milliarden Euro. Das der Vereinigten Staaten würde bei vollumfänglicher Umsetzung den Schätzungen zufolge um 49 bis 95 Milliarden Euro ansteigen19. Auf fünfzehn Jahre hochgerechnet würde in der EU ein langfristiger Wachstumseffekt von 0,48 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und in den USA von 0,39 Prozent daraus resultieren20. Damit stiege das reale Einkommen der privaten Haushalte jährlich um im Durchschnitt bis zu 500 Euro an21. Darüber hinaus prognostizieren Studien des deutschen ifo-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2013, dass das Pro-Kopf- Einkommen in der Europäischen Union um durchschnittlich 5 Prozent und in den Vereinigten Staaten um mehr als 13 Prozent ansteigen würde. Das ifo-Institut schätzt darüber hinaus, dass der Lebensstandard der Deutschen durch die Handelserleichterungen um drei bis fünf Prozent steigen könnte22. Europäische Verbraucher würden darüber hinaus von niedrigeren Preisen profitieren23. Gemäß der Bertelsmann-Stiftung entspräche dies auf 15 Jahre hochgerechnet einem Arbeitsplatzzuwachs für Deutschland von 181.092 neuen Stellen. Die Studien sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da große Schätzunsicherheit besteht und die benutzten Modelle von Vereinfachung und unrealistischer Abstraktion geprägt sind24.
Die Gegner des TTIP kritisieren die ihrer Meinung nach zu starke Liberalisierung und rechnen mit immensen sozialen und ökologischen Kosten, die dem Freihandel durch den Abbau der nichttariflichen Handelshemmnisse entstehen würden. Diese Kosten entstünden vor allem durch die Senkung von Verbraucherschutz- und Umweltstandards25. Bedenken verursacht auch die Harmonisierung der unterschiedlichen Regularien auf einem gemeinsamen niedrigen Nenner, dem niedrigsten Niveau. Unzureichender Verbraucherschutz und gesundheitliche Risiken, gerade in der Lebensmittelbranche, werden - besonders in Deutschland - befürchtet26. In diesem Zusammenhang werden unter anderem in Chlor- wasser gewaschene Hühnchen erwähnt, die durch die Senkung von Handelsbarrieren auf dem europäischen Markt auftauchen könnten27.
Die Kontrahenten befürchten weiterhin den Abbau des Beschäftigungsschutzes. Dies betrifft sowohl das Tarifvertragssystem, als auch das Streik- und Mitbestimmungsrecht, die es in den USA nicht gibt28. Eine Senkung der in Europa geltenden Mindeststandards bezüglich Arbeits- und Verbraucherschutz sowie besonders auch der Ökologie, zugunsten des Machtgewinns internationaler Konzerne würde einen beträchtlichen Rückschritt bedeuten29. Die günstigeren Produktionskosten in den USA (EU-Qualitätsstandards) würden zu Wett- bewerbsvorteilen durch kostengünstigere Angebote führen. Dieser Wettbewerb könnte die bisher innerhalb der europäischen Grenzen geschützten teureren Produkte verdrängen und sogar die binnenwirtschaftlich und regional handelnden kleinen und mittleren Unternehmen stark unter Druck setzen30. Der Investitionsschutz für ausländische Unternehmen steht besonders in der Kritik. Durch ihn würde die außerstaatliche Gerichtsbarkeit in größerem Umfang etabliert werden31.
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1 BROCKHAUS Enzyklopädie in 24 Bänden (1997), S.660 f.
2 SCHUBERT, Klaus/Klein, Martina (2011): http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/17525/gatt-general- agreement-on-tariffs-and-trade.
3 BROCKHAUS Enzyklopädie in 24 Bänden (1997), S660f.
4 Unbekannt (2014) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/184807/ttip-streitpunkt-freihandel.
5 Ebd.
6 Ebd.
7 WDR Redaktion (2015) http://www.iwkoeln.de/presse/interviews/beitrag/michael-huether-und-rudolf-hickel- auf-wdrde-ist-ttip-fluch-oder-segen-226937.
8 HICKEL, Rudolf (2014) http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/-ttip---geplante- transatlantische-entgrenzung-auf-dem-pruefstand;jsessionid=B37FE8BBB15F7A425C872CF5A6688C26.
9 Ebd.
10 Unbekannt (2014) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/184807/ttip-streitpunkt-freihandel.
11 WDR Redaktion (2015) http://www.iwkoeln.de/presse/interviews/beitrag/michael-huether-und-rudolf- hickel-auf-wdrde-ist-ttip-fluch-oder-segen-226937.
12 HICKEL, Rudolf (2014) http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/-ttip---geplante- transatlantische-entgrenzung-auf-dem-pruefstand;jsessionid=B37FE8BBB15F7A425C872CF5A6688C26.
13 Unbekannt (2014) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/184807/ttip-streitpunkt-freihandel.
14 HICKEL, Rudolf (2014) http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/-ttip---geplante- transatlantische-entgrenzung-auf-dem-pruefstand;jsessionid=B37FE8BBB15F7A425C872CF5A6688C26.
15 Ebd.
16 Unbekannt (2014) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/184807/ttip-streitpunkt-freihandel.
17 Ebd.
18 SINN, Hans-Werner (2014) http://www.project-syndicate.org/commentary/hans-werner-sinn-considers-the- risks-of-the-transatlantic-trade-and-investment-partnership/german.
19 Unbekannt (2014) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/184807/ttip-streitpunkt-freihandel.
20 HICKEL, Rudolf (2014) http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/-ttip---geplante- transatlantische-entgrenzung-auf-dem-pruefstand;jsessionid=B37FE8BBB15F7A425C872CF5A6688C26.
21 Ebd.
22 Ebd.
23 SINN, Hans-Werner (2014) http://www.project-syndicate.org/commentary/hans-werner-sinn-considers-the- risks-of-the-transatlantic-trade-and-investment-partnership/german.
24 HICKEL, Rudolf (2014) http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/-ttip---geplante- transatlantische-entgrenzung-auf-dem-pruefstand;jsessionid=B37FE8BBB15F7A425C872CF5A6688C26.
25 Unbekannt (2014) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/184807/ttip-streitpunkt-freihandel.
26 SINN, Hans-Werner (2014) http://www.project-syndicate.org/commentary/hans-werner-sinn-considers-the- risks-of-the-transatlantic-trade-and-investment-partnership/german.
27 Ebd.
28 WDR Redaktion (2015) http://www.iwkoeln.de/presse/interviews/beitrag/michael-huether-und-rudolf- hickel-auf-wdrde-ist-ttip-fluch-oder-segen-226937.
29 HICKEL, Rudolf (2014) http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/-ttip---geplante- transatlantische-entgrenzung-auf-dem-pruefstand;jsessionid=B37FE8BBB15F7A425C872CF5A6688C26.
30 Ebd.
31 Unbekannt (2014) http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/184807/ttip-streitpunkt-freihandel.