Ziel dieser Arbeit ist es, mittels eines analysierenden Vergleichs ausgewählter Auszüge aus Dantes "De Monarchia" und Thomas von Aquins "Über die Herrschaft der Fürsten" und "Summa theologiae" ein Bild eines "idealen" Herrschers des späten Mittelalters zu zeichnen. Es soll untersucht werden, inwiefern Dante und Thomas von gemeinsamen Ursprüngen ihrer Theorien ausgehen, beispielsweise in Bezug auf den Einfluss Aristoteles’ auf die Autoren. Die Übereinstimmung beider Autoren in ihren Theorien, aber auch mögliche Gegensätze sind ebenso Gegenstand der Untersuchung wie eine Betrachtung der jeweiligen Wirkungsgeschichte. Im Mittelpunkt der differenzierten Betrachtung der Textstücke steht unter anderem die Betrachtung der Tugendvorstellungen: Hat sich ein Herrscher nach christlichen oder den Kardinaltugenden zu richten? Stehen Gerechtigkeit und Gesetzgebung in einem Zusammenhang?
„Herrscher, der. Jemand, der herrscht, der die Macht innehat; Machthaber, Regent.“ So lautet die Definition eines Herrschers, wie sie im Duden zu finden ist. Ein Herrscher verfügt im positiven Sinne über Macht, verhält sich herrschaftlich gegenüber seinem Volk, zeigt einen Charakterzug namens Herrschernatur – ein Mensch kann jedoch auch im negativen Sinne wie ein Herrscher auftreten, herrschsüchtig nennt sich dieser Eintrag, den der Duden unter dem des Herrschers vermerkt . Macht, das ist laut Duden die „Gesamtheit der Mittel und Kräfte, die jemandem oder einer Sache andern gegenüber zur Verfügung stehen“ wie auch die „mit dem Besitz einer politischen, gesellschaftlichen [...] Stellung und Funktion verbundene Befugnis [...], über Menschen und Verhältnisse zu bestimmen, Herrschaft auszuüben.“
Aus diesen Definitionen lässt sich bereits entnehmen, dass „Macht“ und „Herrschaft“ eng miteinander verzahnt zu sein scheinen. Auch der Soziologe Max Weber setzt beide Begriffe in einen direkten Bezug: Die Fähigkeit Macht auszuüben stelle die Grundlage zur Ausübung von Herrschaft dar, Herrschaft benötige des Gehorsams, der Fügsamkeit der Beherrschten, derer sich der Herrschende mittels seiner Machtausübung befähigt. Die Anfänge der politischen Theorie- und Ideengeschichte liegen jedoch weitaus früher als Max Weber. Insbesondere die Werke Politeia (Platon) und Politik (Aristoteles) sind zu erwähnen, welche großen Einfluss auf die Schriften späterer Autoren wie Dante Alighieri ausübten.
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. BIOGRAFIE: THOMAS VON AQUIN
3. BIOGRAFIE: DANTE ALIGHIERI
4. DER IDEALE HERRSCHER NACH THOMAS VON AQUIN
4.1. DE REGNO
4.2. SUMMA THEOLOGIAE
5. DER IDEALE HERRSCHER NACH DANTES „MONARCHIA“
6. FAZIT
7. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
7.1. QUELLENTEXTE
7.2. SEKUNDÄRLITERATUR
7.3. NACHSCHLAGEWERKE
7.4. ZEITSCHRIFTENAUFSÄTZE
7.5. INTERNETQUELLEN
1. EINLEITUNG
„ Herrscher, der. Jemand, der herrscht, der die Macht innehat; Machthaber, Regent. “ 1 So lautet die Definition eines Herrschers, wie sie im Wörterbuch „Duden“ zu finden ist. Ein Herrscher verfügt im positiven Sinne über Macht, verhält sich herrschaftlich gegenüber seinem Volk, zeigt einen Charakterzug namens Herrschernatur - ein Mensch kann jedoch auch im negativen Sinne wie ein Herrscher auftreten, herrschs ü chtig nennt sich dieser Eintrag, den der Duden unter dem des Herrschers vermerkt2. Macht, das ist laut „Duden“ die „ Gesamtheit der Mittel und Kr ä fte, die jemandem oder einer Sache andern gegen ü ber zur Verf ü gung stehen “ wie auch die „ mit dem Besitz einer politischen, gesellschaftlichen [...] Stellung und Funktion verbundene Befugnis [...], ü ber Menschen und Verh ä ltnisse zu bestimmen, Herrschaft auszu ü ben. “ 3
Aus diesen Definitionen lässt sich bereits entnehmen, dass „Macht“ und „Herrschaft“ eng miteinander verzahnt zu sein scheinen. Auch der Soziologe Max Weber setzt beide Begriffe in einen direkten Bezug: „ Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen “ 4, sie werde demnach von einem Einzelnen ausgeübt, sei es ein Staat oder ein Monarch, auch willkürlich und unter Unterdrückung des Willens der Nicht-Machtausübenden. Die Fähigkeit, Macht auszuüben stelle nach Webers Definition die Grundlage zur Ausübung von Herrschaft dar: „ Herrschaft soll hei ß en die Chance, f ü r einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden “ 5. Herrschaft benötige des Gehorsams, der Fügsamkeit der Beherrschten, derer sich der Herrschende mittels seiner Machtausübung befähigt.
Die Anfänge der politischen Theorie- und Ideengeschichte liegen jedoch weitaus früher als Max Weber, dessen Theorien seit ihrem Erscheinen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert große Beachtung finden. Bereits die griechischen Gelehrten Platon und Aristoteles befassten sich vier Jahrhunderte vor Christi Geburt mit den Voraussetzungen eines idealen Staates, Gerechtigkeit, einer entsprechenden Gesetzgebung und politischer Ethik. Insbesondere die Werke Politeia (Platon) und Politik (Aristoteles) seien zu erwähnen, welche großen Einfluss auf die Schriften späterer Autoren wie Dante Alighieri ausübten.6,7
Ziel dieser Arbeit ist es, mittels eines analysierenden Vergleichs ausgewählter Auszüge aus Dantes De Monarchia und Thomas von Aquins Ü ber die Herrschaft der F ü rsten und Summa theologiae ein Bild eines „idealen“ Herrschers des späten Mittelalters zu zeichnen. Es soll untersucht werden, inwiefern Dante und Thomas von gemeinsamen Ursprüngen ihrer Theorien ausgehen, beispielsweise in Bezug auf den Einfluss Aristoteles’ auf die Autoren. Die Übereinstimmung beider Autoren in ihren Theorien, aber auch mögliche Gegensätze sind ebenso Gegenstand der Untersuchung, ebenso wie eine Betrachtung der jeweiligen Wirkungsgeschichte. Im Mittelpunkt der differenzierten Betrachtung der Textstücke steht unter anderem die Betrachtung der Tugendvorstellungen: Hat sich ein Herrscher nach christlichen oder den Kardinaltugenden zu richten? Stehen Gerechtigkeit und Gesetzgebung in einem Zusammenhang? Auch auf die Ableitung der Herrschaft von Gott und eine mögliche Autorität des Weltlichen hin sollen beide Autoren untersucht werden.
2. BIOGRAFIE: THOMAS VON AQUIN
Thomas von Aquin ist 1224 oder 1225 in der Grafschaft Aquino bei Neapel geboren worden, das exakte Geburtsdatum ist nicht bekannt. Als Kind sei er den Benediktinermönchen anvertraut worden, wofür es nach Ansicht des Philosophie-Professors Rolf Schönberger jedoch keine hinreichenden Belege gebe, und habe 1239 bereits ein Studium an der Universität von Neapel begonnen.8 Verbrieft ist dagegen Thomas’ Beitritt zum Dominikanerorden 1244, dessen Überzeugungen und Werte er für erstrebenswert gehalten habe.9 In Neapel fand Thomas von Aquin den ersten Kontakt zu den Lehren der griechischen Philosophie, die zu dieser Zeit nur dort zu studieren gewesen seien.10
Für Thomas von Aquin prägend gewesen ist die Begegnung mit den Lehren Aristoteles’, dessen Werke im Laufe des 12. Jahrhunderts zur Grundlage der scholastischen Lehre geworden waren und als Folge einer Übersetzerbewegung größere Verbreitung gefunden hatten.11 Über den Dominikanerorden gelangte Thomas von Aquin 1245 nach Paris, dort studierte er drei Jahre lang bei Albertus Magnus an der theologischen Fakultät und folgte diesem anschließend nach Köln. Albertus Magnus nutzte für seine Lehre auch Werke arabischer Gelehrter; die Mathematik, die Naturphilosophie und die Metaphysik waren verpflichtende Studieninhalte geworden.12
1252 kehrte Thomas von Aquin nach Paris zurück, um die Sentenzen des Petrus Lombardus zu lehren, diese Vorlesung bildete als Scriptum super libros Sententiarum die spätere Grundlage der thomistischen Theologie. Insgesamt 29 Quaestiones disputatae de veritate entstanden zudem, in denen Thomas unter anderem die Erkenntnisfähigkeit des Menschen oder die Frage nach dem Sein thematisiert13 und erste Versuche unternimmt, Aristoteles mit dem Christentum zu verbinden.14
1265 begann Thomas von Aquin, in Rom lebend, mit der Arbeit an seinem Hauptwerk, der Summa theologiae, sowie zwischen 1267 und 127115 mit der Arbeit an einem Fürstenspiegel im Auftrage des zyprischen Fürsten, De regimine principium. Dieses staatstheoretische Hauptwerk Thomas von Aquins befasst sich unter anderem mit den Pflichten des Königs, den Aufgaben der Beherrschten oder dem Vorrang der Monarchie unter den verschiedenen Herrschaftsformen. Sowohl De regimine principium als auch die Summa theologiae vollendete Thomas von Aquin nicht mehr, nachdem er im Dezember 1273 unversehens aufhörte, an seinen Schriften zu arbeiten. Zwar begab Thomas sich noch im Auftrage des Papstes zum zweiten Konzil von Lyon, verstarb jedoch auf der Anreise am 7. März 1274 in der Abtei Fossanova.16,17
3. BIOGRAFIE: DANTE ALIGHIERI
Rund 40 Jahre nach Thomas von Aquin, vermutlich im Mai oder Juni 1265 wird Dante Alighieri im italienischen Florenz geboren. Dante entstammt einer Familie des niederen Adels, muss jedoch als Kind den frühen Verlust der Mutter Bella verkraften.18 Mit neun Jahren sei Dante erstmals Beatrice Portinari begegnet19, welche insbesondere der Divina Commedia als Muse und Inspiration dienen sollte. Über die Jugend- und Studienjahre Dantes ist nur wenig bekannt, ein großer Teil der Beschreibungen entstammt Dantes ca. 1293 erschienener Vita Nuova.20,21 Um 1285 heiratete Dante Gemma di Manetto Donati, seit 1283 soll Dante in Kontakt mit anderen Dichter wie Cecco Angolieri, Forese Donati oder Guido Cavalcanti gestanden und Werke ausgetauscht haben.22 1290 starb Beatrice Portinari.23
Hans Rheinfelder beschreibt Dantes Jugendjahre 1973 als eine „ der wirrsten Perioden der europ ä ischen Geschichte “ 24, bezogen auf die Periode des Interregnums bis zur Wahl Rudolfs I. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. 1266 siegten die Guelfen in der Schlacht bei Benevent endgültig über die Ghibellinen, doch spalteten sich die Guelfen in zwei Parteien: Eine, die ein friedliches, geeintes Italien unter päpstlicher Führung anstrebten; die Zweite, die sich einem Monarchen als ihrem Anführer oder einem der nord- und mittelitalienischen Stadtstaaten unterstellen wollte.
Die Familie Alighieri gehörte jener zweiten Gruppierung der Guelfen an, seit 1301 jedoch hatte die der päpstlichen Führung zugewandte Gruppierung die Macht in Florenz inne.25 Zuvor war Dante selbst ein aktiver Politiker in Florenz: Seit 1295 war er Mitglied mehrerer Stadträte26, 1300 war Dante zudem dem Rat der Prioren angehörig, der die führenden Mitglieder der „ schwarzen “ und der „ wei ß en “ Guelfen ins Exil verbannt hatte. Die nachfolgenden Mitglieder des Prioren-Rates hoben dieses Urteil wieder auf, worauf Papst Bonifatius VIII. Karl von Valois nach Italien rief, damit dieser die päpstliche Herrschaft über Florenz und die Toskaner sichern würde. In der Folge wurden die politischen Gegner mit der Verbannung ins Exil belegt, 1302 folgte ein Urteil zum Tode durch Verbrennung, sollte Dante Florenz noch einmal betreten.27
Zwischen 1303 und 1307 hielt Dante sich wahrscheinlich in Verona und Venedig auf. In dieser Zeit entstehen die unvollendet gebliebenen Werke De vulgari eloquentia, in welchem Dante die Frage nach einer allgemeingültigen italienischen Volkssprache aufwirft, sowie Convivio, vermutlich das erste in Vulgärsprache verfasste philosophische Werk Italiens. Im Convivio führt Dante bereits eine Verbindung zwischen der Philosophie und einer Universalmonarchie an. Zudem begann Dante um 1304 mit der Arbeit an der Commedia, der Erzählung der Jenseitserfahrung Dantes auf dem Weg von der Hölle in das Paradies unter Anleitung Vergils, welche bis zu seinem Tode 1321 fortwährte.28,29,30
[...]
1 Dudenredaktion: Herrscher, der. Duden online (o. J.), abgerufen unter: http://www.duden.de/node/745678/revisions/1333211/view (letzter Abruf: 14.03.2017).
2 Vgl. ebd.
3 Dudenredaktion: Macht, die. Duden online (o. J.), abgerufen unter: http://www.duden.de/node/646644/revisions/1364314/view (letzter Abruf: 14.03.2017).
4 Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundri ß der verstehenden Soziologie. 5., rev. Aufl., Tübingen 1972, S. 28.
5 Weber, Max: ebd.
6 Koch, Hans-Albrecht: Lehrer des Abendlandes. Neue Zürcher Zeitung online (2013), abgerufen unter: https://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/der-lehrer-des-abendlandes-1.18101241 (letzter Abruf: 14.03.2017).
7 Anonym: Griechische Philosophen: Alles durchdacht. Geo.de (o. J.), abgerufen unter: http://www.geo.de/magazine/geo-epoche/10290-rtkl-griechische-philosophen-alles-durchdacht (letzter Abruf: 14.03.2017).
8 Schönberger, Rolf: Lebensgang und Kontext, in: ders.: Thomas von Aquin zur Einf ü hrung. 4., erg. Auflage, Hamburg 2012, S. 14f.
9 Anonym: Thomas v. Aquin, I. Leben, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, Stuttgart 1997, cols 706-709.
10 Vgl.: Schönberger, Rolf: ebd.
11 Precht, Richard David: „ Dass Gott ü ber die Seele in den Menschen str ö mt “, Deutschlandfunk (2015), Interview geführt von Susanne Fritz, abgerufen unter: http://www.deutschlandfunk.de/seele-in-der- philosophiegeschichte-dass-gott-ueber-die.886.de.html?dram:article_id=334035 (letzter Abruf: 14.03.2017).
12 Schönberger, Rolf: a. a. O., S. 20ff.
13 Anonym: ebd.
14 Precht, Richard David: ebd.
15 Jean-Pierre Torrell spricht in seinem Werk Magister Thomas von 1267 als Ursprungsjahr (Vgl. Torrell, Jean-Pierre: Magister Thomas, Freiburg i. Br. 1995, S. 186). Nach Christoph Flüeler habe Thomas von Aquin erst 1271 die Politik Aristoteles’ gelesen, welche allerdings in Thomas’ Fürstenspiegel zitiert werde. Flüeler erachtet daher einen Entstehungszeitpunkt zwischen 1271 und 1273 als angebracht (Vgl. Flüeler, Christoph: Rezeption und Interpretation der Aristotelischen Politica im sp ä ten Mittelalter, Amsterdam 1992, S. 28).
16 Anonym: ebd.
17 Schönberger, Rolf: a. a. O., S. 30.
18 Bezzola, R.R./Binding, G.: Dante Alighieri. 1. Leben, in: Lexikon des Mittelalters, Bd.3, Stuttgart 1986, cols 544-546.
19 Wetherbee/Winthrop: Dante Alighieri, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2015 Edition), abgerufen unter: https://plato.stanford.edu/archives/win2015/entries/dante/ (letzter Abruf: 14.03.2017).
20 Grewe, Andrea: 4.2.4. Dante Alighieri, in: dies.: Einf ü hrung in die italienische Literaturwissenschaft, Stuttgart 2009, S. 148.
21 Mazzotta, Giuseppe: Life of Dante, in: Jacoff, Rachel (Hrsg.): The Cambridge Companion to Dante, Cambridge 1993, S. 4.
22 Bezzola, R.R./Binding, G.: ebd.
23 Mazzotta, Giuseppe: ebd.
24 Rheinfelder, Hans: Dante Alighieri (1973), in: ders.: Dante-Studien, Köln 1975, S. 275.
25 Rheinfelder, Hans: a. a. O., S. 275f.
26 Bezzola, R.R./Binding, G.: ebd.
27 Mazzotta, Giuseppe, a. a. O., S. 8.
28 Mazzotta, Giuseppe, a. a. O., S. 9.
29 Grewe, Andrea: ebd.
30 Rheinfelder, Hans: a. a. O., S. 277.