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Exegese des Bibeltextes Gen 2,1-9. Textkritik, Übersetzungsvergleich, Literarkritik, Überlieferungs-, Redaktions-, und Formgeschichte

©2017 Quellenexegese 23 Seiten

Zusammenfassung

Innerhalb dieser Proseminararbeit soll die Exegese des Bibeltextes Gen 2,1-9 anhand verschiedener Methodenschritte erfolgen. Diese Schritte der Exegese sind Textkritik und Übersetzungsvergleich, Literarkritik, Überlieferungsgeschichte, Redaktionsgeschichte, Formgeschichte, Traditionsgeschichte sowie die Bestimmung des historischen Ortes und die historische Interpretation. Orientiert wird sich dabei vorrangig an den von Uwe Becker zusammengestellten Hinweisen zu den Methodenschritten der Exegese des Alten Testaments.

Eine Ausnahme ist der siebte Gliederungspunkt dieser Proseminararbeit: Hier wird sich vor allem nach dem Leitfaden der Methodik von Odil Hannes Steck gerichtet, da dieser ausführlicher auf den historischen Ort und die zugehörige Interpretation eingeht als Uwe Becker es tut.

Der Text Gen 2,1-9 war mir bereits vor der Vergabe der Aufgabenstellung, diesen exegetisch zu untersuchen, inhaltlich im Groben bekannt. Es handelt sich um einen Teil der Schöpfungsgeschichte. In diesem wird auf die Schöpfung des Menschen durch Gott eingegangen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Textkritik und Übersetzungsvergleich

2 Literarkritik

3 Überlieferungsgeschichte

4 Redaktionsgeschichte

5 Formgeschichte

6 Traditionsgeschichte

7 Historischer Ort und Interpretation

Schluss

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

Innerhalb der vorliegenden Proseminararbeit soll die Exegese des Bibeltextes Gen 2,1-9 anhand verschiedener Methodenschritte erfolgen. Diese Schritte der Exegese sind Textkritik und Übersetzungsvergleich, Literarkritik, Überlieferungsgeschichte, Redaktionsgeschichte, Formgeschichte, Traditionsgeschichte sowie die Bestimmung des historischen Ortes und die historische Interpretation. Orientiert wird sich dabei vorrangig an den von Uwe Becker zusammengestellten Hinweisen zu den Methodenschritten der Exegese des Alten Testaments. Eine Ausnahme der siebte Gliederungspunkt dieser Proseminararbeit: Hier wird sich vor allem nach dem Leitfaden der Methodik von Odil Hannes Steck gerichtet, da dieser ausführlicher auf den historischen Ort und die zugehörige Interpretation eingeht als Uwe Becker es tut.

Der Text Gen 2,1-9 war mir bereits vor der Vergabe der Aufgabenstellung, diesen exegetisch zu untersuchen, inhaltlich im Groben bekannt. Es handelt sich um einen Teil der Schöpfungsgeschichte. In diesem wird auf die Schöpfung des Menschen durch Gott eingegangen. Auf einer wissenschaftlichen Ebene habe ich mich mit diesem Text allerdings noch nicht auseinandergesetzt.

1 Textkritik und Übersetzungsvergleich

Im Zuge des Übersetzungsvergleiches sollen in dieser Proseminararbeit vier deutsche Übersetzungen nebeneinandergestellt werden. Drei dieser Übersetzungen folgen der Texttradition des masoretischen Textes. Diese sind die Textversionen der Einheitsübersetzung, der Zürcher Bibel und der Elberfelder Bibel. Auch die Texttradition der Septuaginta wird beachtet, nämlich in ihrer deutschen Fassung in der Septuaginta Deutsch. Alle vier vollständigen Texte finden sich im Anhang dieser Proseminararbeit in tabellarischer Form.[1]

Beim Vergleich der vier Übersetzungen fallen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf. Die Texte haben gemein, dass die Handlung im Grunde ein sehr ähnliches Szenario beschreibt. Wie in der Einleitung bereits kurz angeschnitten, besteht dieses zusammengefasst daraus, dass der Mensch zunächst noch nicht existiert, Gott diesen erschafft, im Garten Eden[2] platziert, ihm also einen Lebensraum zuweist, und dort Bäume wachsen lässt. Zu diesen gehören auch zwei besondere Bäume, aber dazu im Folgenden mehr.

Vergleicht man die Übersetzungsversionen, kann man etliche Unterschiede entdecken. Da es den Rahmen dieser Proseminararbeit sprengen würde, alle Unterschiede zu nennen und auf diese einzugehen, sollen lediglich einige exemplarisch aufgezeigt werden. Am meisten unterscheidet sich der Text der Septuaginta Deutsch von den drei anderen, den masoretischen Texten. Dies kann man bereits am ersten Vers erkennen. Während die Masoretentexte untereinander nur geringfügige Unstimmigkeiten erkennen lassen, beginnt die Septuaginta-Deutsch-Übersetzung mit einem völlig anderen Satz: „Und es wurde Abend und es wurde Morgen, sechster Tag.“ Erst im Anschluss an diesen folgt ein Satz, der dem ersten Vers der anderen drei Versionen ähnelt. Die vermutlich bedeutendste Differenz bei Gen 2,1 innerhalb der Masoretentexte ist, dass in der Einheitsübersetzung von „ihr ganzes Gefüge“ die Rede ist, während man in der Zürcher Bibel „ihr ganzes Heer“ und in der Elberfelder Bibel „all ihr Heer“ vorfindet.

Gen 2,2 enthält in der Zürcher und in der Elberfelder Bibel „all seinem Werk“, in der Einheitsübersetzung steht hingegen „sein ganzes Werk“ und in der Septuaginta Deutsch „all seinen Werken“. In Gen 2,7 kann man innerhalb der Einheitsübersetzung „aus Erde vom Ackerboden“ lesen, in der Zürcher Bibel „aus Staub vom Erdboden“ und in der Elberfelder Bibel „〈aus〉 Staub vom Erdboden“. Auch hier weißt die Septuaginta Deutsch wieder den abweichendsten Text auf: Hier wurde der Mensch „als Aufwurf von der Erde“ von Gott geformt. Es lassen sich beim Übersetzungsvergleich also Unterschiede in der Wortwahl entdecken, die stellenweise auch zu Differenzen im Inhalt führen.

Auch stilistische Unterschiede sind vorhanden. Am umständlichsten und „schwülstigsten“ ist der Septuaginta-Deutsch-Text formuliert. Von den Texten der masoretischen Tradition ist derjenige der Elberfelder Bibel etwas „verschlungener“, umständlicher formuliert. Die Septuaginta-Deutsch- und Elberfelder-Bibel-Texte sind die längsten der vier im Übersetzungsvergleich verwendeten. Den kürzesten Text stellt hingegen die Variante der Zürcher Bibel dar. Die Einheitsübersetzung ist am einfachsten und nah an der Umgangssprache formuliert.

Manche Wörter stehen in der Elberfelder Bibel in spitzen Klammern. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu den anderen ausgewählten Übersetzungen. Zu dem Grund, wieso dies so ist, habe ich leider keine Informationen gefunden. Möglicherweise handelt es sich um Wörter, die von der originalgetreuen Übersetzung des masoretischen Textes abweichen, aber an den jeweiligen Stellen für eine bessere Lesbarkeit verwendet wurden. In der Septuaginta Deutsch hingegen werden manche Wörter kursiv geschrieben. Dadurch werden Abweichungen zum masoretischen Text kenntlich gemacht.

Es wurde anhand von Beispielen aufgezeigt, dass offensichtlich Unterschiede zwischen den Übersetzungen bestehen. Nun gilt es, eine Version für die Exegese auszuwählen. Dafür sind verschiedene textkritische Faustregeln hilfreich. Nach Uwe Becker ist es in der Regel so, dass die Übersetzung mit der schwierigeren sowie mit der kürzeren Lesart die wahrscheinlichere ist.[3] Des Weiteren ist diejenige Lesart meist nicht zu bevorzugen, welche sich aus einer anderen leicht erklären lässt.[4]

Da Gen 2,1-9 in der Septuaginta Deutsch und in der Elberfelder Bibel länger ist als die anderen beiden Varianten, fallen diese bei der Entscheidung innerhalb dieser Arbeit heraus, da in der Regel die kürzere Lesart für die Exegese zu verwenden ist. Somit muss nun eine Entscheidung zwischen der Einheitsübersetzung und der Zürcher Bibel gefällt werden. Drei Argumente sprechen für die Zürcher Bibel. Ihr Text ist der kürzeste; zudem ist er umständlicher, also schwieriger, formuliert als der Text der Einheitsübersetzung. Außerdem lässt sich die einfachere, umgangssprachlichere Version der Einheitsübersetzung leicht aus der Zürcher-Bibel-Version erklären, was dafür spricht, dass die Einheitsübersetzung eher die sekundäre Lesart bildet. Die Entscheidung, an welcher Textausgabe die Exegese von Gen 2,1-9 im Rahmen dieser Arbeit vollzogen werden soll, geht also zugunsten der Zürcher Bibel aus.

2 Literarkritik

Der Text ist sowohl nach vorne als auch nach hinten thematisch nicht abgegrenzt. Vor Gen 2,1-9 geht es bereits um Gottes Schöpfungsakt. Es wird sogar bereits vorher schon die Erschaffung des Menschen durch Gott beschrieben, und zwar ab Gen 1,26, wo es heißt: „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich. […]“. Man findet also innerhalb eines größeren Textkomplexes zweimal die Erschaffung des Menschen vor. Es ist allerdings eine unterschiedliche Akzentuierung feststellbar: Innerhalb von Gen 1,26-29 werden dem Menschen zum Beispiel direkt Handlungsanweisungen gegeben: „Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie untertan, und herrscht über die Fische des Meers und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen.“ (Gen 1,28) Innerhalb von Gen 2,1-9 lässt sich so etwas nicht vorfinden. Die unterschiedliche Akzentuierung in der Beschreibung der Schöpfung des Menschen in den zwei Fällen spricht dafür, dass es sich hierbei um eine Doppelüberlieferung handelt.

Im Anschluss an Gen 2,9 wird beschrieben, was in Eden vorzufinden ist, nämlich ein Strom, welcher sich in vier Arme teilt (vgl. Gen 2,10). Da vorher im Text, in Gen 2,8, Eden als Begriff eingeführt wurde und es ab Gen 2,10 um den in Eden entspringenden Strom geht, kann man bei Gen 2,1-9 von einem auch nach hinten nicht abgegrenzten Text sprechen. Auch wird in Gen 2,15 ein weiteres Mal erwähnt, dass der Mensch von Gott in den Garten Eden[5] gesetzt wurde. Dies kann als eine Dublette von Gen 2,8 und Gen 2,15 gewertet werden. In Gen 2,17 spielt auch der in Gen 2,9 bereits eingeführte Begriff des „Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse“ wieder eine Rolle. Auch dies zeigt, dass Gen 2,1-9 keinen inhaltlich deutlich abgegrenzten Text darstellt. Gen 2,1-9 steht in einem größeren literarischen Zusammenhang.

Innerhalb des Textes von Gen 2,1-9 selbst lassen sich Spannungen finden. So ist man bei Gen 2,1-3 bereits an dem Punkt des Geschehens angelangt, an dem die Schöpfung bereits vollendet ist, Gott am siebten Tag ruht und diesen Tag segnet. Die Verse Gen 2,2 und 2,3 bilden zum Teil eine inhaltliche Wiederholung: „Gott […] ruhte am siebten Tag von all seinem Werk, das er gemacht hatte.“ (Gen 2,2) und „[…] an ihm [dem siebten Tag, Anmerkung des Autors] ruhte Gott von all seinem Werk, das er durch sein Tun geschaffen hatte.“ Allerdings stellen die zwei Verse keinen exakt identischen Inhalt dar. Schließlich wird in Gen 2,3 erwähnt, dass Gott den siebten Tag segnete und heiligte, weil er eben die auch schon in Gen 2,2 genannten Handlungen vollführt hat. Bei einer Schichtung des Textes ist es also vorstellbar, beide Verse nebeneinander stehen zu lassen und einer gemeinsamen Entstehungsschicht zuzuordnen.

Liest man den ersten Satz von Gen 2,4, „Dies ist die Geschichte der Entstehung von Himmel und Erde, als sie geschaffen wurden.“, stellt sich die Frage, ob dieser sich einerseits als abschließende Anmerkung auf die vorhergehende Passage oder andererseits auf die darauffolgende Passage bezieht. Schließt man in „Himmel und Erde“ die gesamte Schöpfung mit ein, könnte der Satz zum vorher geschilderten Schöpfungsszenario passen, vermutlich bezieht er sich aber dennoch auf den nachfolgenden Teil. In diesem ist das Geschehen zeitlich wieder zurückversetzt vor den siebten Tag. Dies merkt man daran, dass davon die Rede ist, dass es noch keinen Menschen auf der Erde gibt (vgl. Gen 2,5) und im Anschluss erneut die Schöpfung des Menschen durch Gott beschrieben wird (vgl. Gen 2,7). Im Hinblick darauf, dass die Schöpfung des Menschen bereits an vorheriger Stelle geschildert wurde, kann man Gen 2,7 als Doppelüberlieferung bezeichnen. Der erste Satz von Gen 2,4 bezieht sich tendenziell eher auf das im Text nachfolgende Geschehen, da sich der folgende Satz gut in den weiteren Verlauf ab Gen 2,5 einfügt; in dieser Bibelübersetzung geht der zweite, begonnene Satz von Gen 2,4 sogar direkt in Gen 2,5 über.

Im Übrigen greift der erste Satz von Gen 2,4 den Vers Gen 2,1 wieder auf, da hier bereits etwas ähnliches, eine Art kurze Zusammenfassung oder ein Resümee die Schöpfung betreffend, steht. Ein Unterschied ist allerdings, dass in Gen 2,1 neben Himmel und Erde noch „ihr ganzes Heer“ genannt wird, was die Schöpfung der Lebewesen bereits mit einschließt, was bei Gen 2,4 vermutlich eben nicht so gemeint ist, wie im vorigen Absatz dieser Arbeit erläutert wurde. Gen 2,1 wiederholt sich jedoch nicht nur in ähnlicher Form in Gen 2,4, sondern grundlegend inhaltlich bereits innerhalb des direkt darauffolgenden Verses Gen 2,2: „Und so wurden vollendet Himmel und Erde und ihr ganzes Heer.“ (Gen 2,1) sagt nichts großartig anderes aus als „Und Gott vollendete am siebten Tag sein Werk, das er gemacht hatte, […]“ (Gen 2,2), wenngleich natürlich die Wortwahl eine andere ist.

Aufgrund der Spannung von Gen 2,1 einerseits zu Gen 2,2 sowie andererseits zu Gen 2,4 erscheint es Sinn zu ergeben, diesen ersten Vers vom Rest des exegetisch zu bearbeitenden Textes zu separieren. Gen 2,2 und Gen 2,3 können aus dem bereits genannten Grund trotz des teilweise ähnlichen Wortlauts als zu einer Textschicht gehörend angesehen werden. Mit Beginn von Gen 2,4 lässt sich, wie ebenfalls bereits erwähnt, ein Bruch feststellen. Man befindet sich zeitlich plötzlich wieder vor den Geschehnissen, die sich in Gen 2,1-3 und auch bereits vorher abgespielt haben. Ab diesem Bruch von Gen 2,4 an erscheinen die nachfolgenden, exegetisch zu bearbeitenden Verse bis einschließlich Gen 2,9 als in sich stimmig. Auch Hermann Gunkel sieht einen eindeutigen Schnitt; er verortet ihn bei Gen 2,4b.[6] Gen 2,1 trennt er nicht strikt von Gen 2,2-3. Aufgrund der bisherigen Argumentation innerhalb dieser Proseminararbeit wird aber dennoch weiterhin an dem Bruch ab 2,4a statt 2,4b und an besagter Trennung zwischen Gen 2,1 und 2,2-3 festgehalten.[7] Die Überlegungen in diesem Absatz werden im späteren Verlauf zur Erstellung eines Schichtungsmodells genutzt werden.

3 Überlieferungsgeschichte

Mündliche Vorstufen von Gen 2,1-9 sind durchaus vorstellbar, aber, dem Charakter der Überlieferungsgeschichte entsprechend, eher schwierig zu beweisen. Ebenso kann ich aus eigenen Kenntnissen heraus leider keine Indizien für eine mündliche Vorstufe erkennen, was aber keineswegs bedeutet, dass es keine gibt. Dass man vor der Niederschrift des Textes ähnliche Inhalte bereits mündlich weitergegeben hatte, ist, wie bereits erwähnt, denkbar.

Forschungen zu mündlichen Vorstufen der Genesis hat beispielsweise Hermann Gunkel angestellt. Seiner Meinung nach besteht die Genesis aus Sagen[8], welche schon zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift uralt waren und bereits eine lange Geschichte hinter sich hatten.[9] Es ist zwar aufgrund seiner Wortwahl nicht hundertprozentig belegt, dass er damit jeden Text der Genesis als Sage klassifiziert, aber man kann schon davon ausgehen, dass dies so gemeint ist; schließlich verwendet er „Die Sagen der Genesis.“[10] und „Die Genesis ist eine Sammlung von Sagen.“[11] sogar als Überschriften. Somit kann man seine Aussagen über Sagen und damit über deren Mündlichkeit auch auf Gen 2,1-9 beziehen: Für Gunkel ist eine Sage etwas ursprünglich mündliches Überliefertes, eine Überlieferung der nicht schreibenden Kreise.[12] Für ihn beinhaltet die Genesis „die letzte Niederschrift mündlicher Tradition“[13].

4 Redaktionsgeschichte

Der Methodenschritt der Literarkritik hatte bereits ergeben, dass Gen 2,1-9 in mehrere Textschichten aufteilbar ist. Gen 2,1 wird als einzelne Schicht betrachtet, Gen 2,2 und 2,3 können, trotz sich teilweise wiederholender Wortwahl, zusammen als eine Schicht angesehen werden. Von Gen 2,4 bis einschließlich Gen 2,9 kann man ebenso von einer inhaltlich und formal einheitlichen Schicht sprechen.[14] Aufgrund der Spannungen im Text und der daraus resultierenden Schichtung ist davon auszugehen, dass Gen 2,1-9 nicht auf einen einzigen Autor zurückzuführen ist. Es gilt nun zu versuchen, eine mögliche Schichtenabfolge ausfindig zu machen und diese zu begründen.

Nach Gunkel handelt es sich bei Gen 2,1-3 um die Priesterschrift[15] und bei Gen 2,4b-9 um den Jahwist-Text[16]. Gen 2,4a scheint er bei keinem von beiden einzuordnen. Diese Gliederung kann für die Fragestellung der Redaktionsgeschichte insofern nützlich sein, als dass die klassische These diesbezüglich lautet, dass der Jahwist-Text älter ist als die Priesterschrift. Demnach könnte man Gen 2,4b-9 als älter als Gen 2,1-3 bezeichnen. Problematisch ist das in diesem Fall aber aus zwei Gründen: Zum einen wurde sich in dieser Proseminararbeit für eine etwas abweichende Schichtung entschieden. Des Weiteren ist es so, dass solche Thesen wie die des höheren Alters des Jahwisten im Vergleich zur Priesterschrift an Texten wie Gen 2,1-9 schlecht abzuarbeiten ist.[17]

Allerdings muss man sich trotz bestehender Schwierigkeiten zunächst eine grundlegende Orientierung schaffen, und die These, dass der jahwistische Text älter als die Priesterschrift ist, bietet eine solche Orientierung, die sonst nicht gegeben wäre. Somit wird sich an dieser Stelle dafür entschieden, den Text ab Gen 2,4 als den Text der ältesten Schicht, also als Grundtext, einzuschätzen. Gen 2,4a wird dabei auch hinzugezählt, da diese Textstelle nach der hier verfolgten Argumentation mit Gen 2,4b-9, dem Jahwist-Text, eine gemeinsame Schicht bildet.

Das bedeutet gleichzeitig, dass sowohl Gen 2,1 als auch Gen 2,2-3 nicht die ältesten Schichten sind. Aber welche von beiden ist älter als die andere? Nach Becker lohnt es sich, auf die Position der Textstelle zu achten.[18] Gen 2,1 steht am Anfang der gesamten Texteinheit Gen 2,1-9 und bildet nochmal eine Art Resümee der vorherigen Geschehnisse. Es scheint somit so, dass Gen 2,1 der Texteinheit angehängt wurde; die Position liefert das Indiz dafür. Somit ergibt sich letzten Endes eine Schichtung, in welcher Gen 2,4-9 den ältesten Text, also den Grundtext, darstellt, Gen 2,2-3 den darauffolgend ältesten Text[19] und Gen 2,1 den jüngsten, zuletzt hinzugefügten Abschnitt[20]. Das Schichtungsmodell findet sich im Anhang dieser Arbeit.

5 Formgeschichte

Zunächst ist für die Fragestellung der Formgeschichte eine Gattungsbestimmung vorzunehmen. Die Eigenart eines Textes, um die es in der Formgeschichte geht, kann teilweise durch eine ebensolche Gattungsbestimmung erschlossen werden. Als erstes betrachtet man für diesen Arbeitsschritt die Formmerkmale des zu untersuchenden Textes.[21]

Zunächst wird der Aufbau analysiert: Gen 2,1 enthält die Feststellung, dass auf die beschriebene Art und Weise „Himmel und Erde und ihr ganzes Heer“ geschaffen wurden. In Gen 2,2 und 2,3 werden dann Gottes Handlungen am siebten Tag beschrieben. Gen 2,4a liefert noch einmal eine Zusammenfassung, um welche Geschichte es sich hier handelt. Dann erfolgt innerhalb ab Gen 2,4 ein eindeutiger „Zeitsprung“ zurück zu der Zeit, in der die Schöpfung noch nicht vollendet war. Richtig deutlich wird dieser Sprung ab Gen 2,5, da hier eindeutig von der eben genannten Zeit die Rede ist. Ab hier ist aber auch klar, dass bereits in Gen 2,4 diese Zeit gemeint ist, hier war es jedoch noch nicht eindeutig genannt. Es handelt sich bei dem „Zeitsprung“ um einen szenischen Einschnitt, der sich auch durch die weiteren Verse im Text von Gen 2,1-9 zieht, da sich aus der mit Gen 2,4 angefangenen und ab Gen 2,5 definitiv bestätigten zeitlichen Einordnung im weiteren Verlauf des Textes nicht mehr herausbewegt wird. In Gen 2,7 wird die Schöpfung des Menschen beschrieben und in Gen 2,8 geht es um die Platzierung des Menschen in Eden durch Gott. Gen 2,9 beschreibt das Pflanzen des Baums des Lebens und des Baums der Erkenntnis von Gut und Böse durch Gott.

Gliedernde Textsignale lassen sich beispielsweise in Gen 2,4b finden, nämlich „Zur Zeit, […]“, oder in Gen 2,8: „Dann […]“. Diese beiden Beispiele dienen insofern der Gliederung des Textes, als dass sie auf die zeitliche Einordnung des Geschehens hinweisen. Ein bestimmter auffallender Begriff ist „der siebte Tag“, in Gen 2,2 gleich zweimal, jeweils als „am siebten Tag“, und in Gen 2,3 in der Form „den siebten Tag“. Man findet diese und ähnliche Formulierungen an einigen Stellen der Bibel, sehr oft vor allem in Gen, Ex, Lev und Num.[22] Beispiele sind „[…], und am siebten Tag ist ein Fest für den HERRN.“ (Ex 13,6) oder „[…], am siebten Tag aber ist Sabbat, ein Feiertag, eine heilige Versammlung, da dürft ihr keinerlei Arbeit tun.“ (Lev 23,3) Dass diese Formulierung an so vielen Stellen in der Bibel auftaucht, ist ein Indiz für gewisse Analogien der Texte untereinander und ähnliche oder identische Gattungen.

Wie weiter vorne in dieser Arbeit bereits erwähnt, bezeichnet Herrmann Gunkel die Genesis als eine Sammlung von Sagen[23] ; der Sagenbegriff trifft also nach Gunkel auch auf Gen 2,1-9 zu. Seiner Meinung nach ist eine Sage eine „volkstümliche, altüberlieferte, poetische Erzählung, die Personen oder Ereignisse der Vergangenheit behandelt.“[24] und ihr deutlichstes Kennzeichen, dass sie oft über Dinge berichtet, die unglaubwürdig erscheinen.[25]

Uwe Becker jedoch gibt zwar an, dass viele Beispiele für Sagen in der Genesis enthalten sind, klassifiziert aber Gen 1 und 3 sowie eben auch das für diese Arbeit relevante Gen 2 explizit als Mythe.[26] Schlägt man, um an eine grundlegende Definition zu gelangen, im Duden nach, kann man dort lesen, dass eine Mythe, neuer auch Mythos, nichts anderes ist als eine Sage oder Dichtung, welche von Göttern, Helden und Geistern handelt, ist.[27] Nach dieser Definition ist eine Mythe also eine Sage mit bestimmten Eigenschaften. Demnach wären beide Aussagen richtig: Gen 2,1-7 wäre sowohl Sage als auch Mythe. Sowieso besteht im Allgemeinen bei der Gattungsbestimmung stets auch die Möglichkeit, dass Überschneidungen zwischen den Gattungen vorkommen.[28]

Den vorhergegangenen Überlegungen widersprechen allerdings die Gedanken von Herrmann Gunkel. Er definiert Mythen als „Göttergeschichten, im Unterschiede von den Sagen, deren handelnde Personen Menschen sind.“[29] In Gen 2,1-9 sind Menschen, nicht die handelnden Personen, sondern Gott. Nach Gunkels Terminologie wäre Gen 2,1-9, wie bereits im vorletzten Absatz angenommen, eine Sage, jedoch keine Mythe. Letztendlich ist die Gattungseinordnung von Gen 2,1-9 also eine Frage der Begriffsdefinition. Da die Gedanken Hermann Gunkels im weiteren Verlauf noch eine Rolle spielen werden, wird sich in dieser Proseminararbeit von nun an Gunkels Bezeichnung der Texte der Genesis als Sagen gehalten.

[...]


[1] Die Verse werden hierbei immer mit einer hochgestellten Ziffer angegeben. Dies geschieht aus Gründen der Einheitlichkeit. Diese hochgestellten Ziffern sind nicht zu verwechseln mit den Fußnoten im Fließtext. Die Überschriften innerhalb der verschiedenen Übersetzungsversionen werden außen vor gelassen, da diese nicht zum eigentlichen übersetzten Bibeltext gehören.

[2] In der Septuaginta-Deutsch-Version ist von „Edem“ statt „Eden“ die Rede.

[3] Vgl. Becker, Exegese, 40.

[4] Vgl. Becker, Exegese, 40.

[5] Auffällig ist hier, dass in Gen 2,8 noch von einem „Garten in Eden“ die Rede ist, in Gen 2,15 dann von dem „Garten Eden“. Zum einen geht es also um einen Garten an beziehungsweise in einem bestimmten Ort, welcher Eden heißt, zum anderen um einen Garten, der selbst Eden heißt.

[6] Vgl. Gunkel, Genesis, 4.

[7] Vgl. Gunkel, Genesis, 114.

[8] Auf die Thematik der Klassifizierung von Gen 2,1-9 als Sage wird an späterer Stelle in dieser Proseminararbeit, im Abschnitt 5 noch einmal genauer eingegangen werden.

[9] Vgl. Gunkel, Genesis, LVI. (Mit der römischen Zahl ist hier die Seitenzahl gemeint. Die Seitenzählung mit arabischen Ziffern beginnt erst an späterer Stelle des Werkes.)

[10] Gunkel, Genesis, VII.

[11] Gunkel, Genesis, VII.

[12] Vgl. Gunkel, Genesis, VIII.

[13] Gunkel, Genesis, VIII.

[14] Eigentlich ist das auch über Gen 2,9 hinaus möglich, aber in dieser Proseminararbeit soll es vordergründig um Gen 2,1-9 gehen.

[15] Vgl. Gunkel, Genesis, 114f.

[16] Vgl. Gunkel, Genesis, 4-7.

[17] Aussagen dieses Absatzes beziehen sich auf Kenntnisse aus dem Proseminar „Einführung in die Exegese des Alten Testaments (ohne Hebräisch)“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Sommersemester 2017.

[18] Vgl. Becker, Exegese, 96.

[19] Dieser wird im Schichtungsmodell als Erweitung bezeichnet, nach dem Vorbild des Schichtungsmodells des zugehörigen Proseminars (siehe Fußnote 12).

[20] Dieser wird im Schichtungsmodell als Ergänzung bezeichnet, nach dem Vorbild des Schichtungsmodells des zugehörigen Proseminars (siehe Fußnote 12).

[21] Vgl. Becker, Exegese, 111.

[22] Eine Auflistung findet sich in der Zürcher Bibel-Konkordanz, Band 3, 149f. Allerdings bezieht sich die Auslistung leider auf eine ältere Ausgabe der Zürcher Bibel als der hier verwendeten. Dennoch bietet die Übersicht einen guten Eindruck, wie oft die Formulierung vorkommt. Obwohl der Wortlaut der Übersetzung an manchen Stellen anders ist, kann man in der hier verwendeten Ausgabe der Zürcher Bibel an den entsprechend genannten Versstellen nachschlagen.

[23] Vgl. Gunkel, Genesis, VII.

[24] Gunkel, Genesis, VIII.

[25] Vgl. Gunkel, Genesis, X.

[26] Vgl. Becker, Exegese, 116.

[27] Vgl. Duden, Stichwörter „Mythe“ und „Mythos, Mythus“, 758.

[28] Vgl. Becker, Exegese, 115.

[29] Gunkel, Genesis, XIV.

Details

Seiten
Jahr
2017
ISBN (eBook)
9783668598478
ISBN (Paperback)
9783668598485
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Erscheinungsdatum
2017 (Dezember)
Note
3,0
Schlagworte
Exegese Bibel Genesis Literarkritik Übersetzungsvergleich Historischer Ort Textkritik Altes Testament AT Bibelexegese Formgeschichte
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Titel: Exegese des Bibeltextes Gen 2,1-9. Textkritik, Übersetzungsvergleich, Literarkritik, Überlieferungs-, Redaktions-, und Formgeschichte