Alkibiades ist zweifelsohne eine der umstrittensten Figuren der griechischen Geschichte. Mit einem Augenzwinkern könnte man ihn als Vorbild für viele Fußballer der Gegenwart betrachten. Denn so wie einige Fußballer die Vereine wechseln, so wechselte Alkibiades mehrfach die Seiten des Krieges. Die Arbeit zeichnet seine bewegte Biographie nach und betrachtet im Besonderen seine Rolle beim Beschluss des Feldzuges gegen Syrakus auf Sizilien, der den Athenern im Krieg gegen Sparta schließlich zum Verhängnis werden sollte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Biographie des Alkibiades.
3. Der Beschluss der Sizilienexpedition aus der Sicht des Alkibiades
4. Fazit
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1. Quellen.
5.2. Literatur
Schlitzohr oder Scharlatan?
Über die Rolle des Alkibiades beim Beschluss der Sizilienexpedition
,,Noch viele andere Gr ü nde best ä rken mich in der Hoffnung, dass wir siegen werden, wenn ihr nur entschlossen seid, eure Herrschaft w ä hrend des Krieges nicht auszubreiten und keine selbstgew ä hlten Gefahren auf euch zu nehmen. Denn ich bin mehr in Furcht vor unseren eigenen Fehlern als vor den Anschl ä gen unserer Feinde. “
Perikles (Thuk. I, 144)
1. Einleitung
Die Befürchtung, die der legendäre athenische Stratege Perikles zu Beginn des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta (431-404 v. Chr.) äußerte, hat in der Nachbetrachtung der Ereignisse eine geradezu prophetische Bedeutung. Der missglückte Feldzug gegen die Stadt Syrakus und ihre Verbündeten auf Sizilien (415-413 v. Chr.), der eine starke Dezimierung der athenischen Streitmacht zur Folge hatte, läutete das allmähliche Ende des Peloponnesischen Krieges und die Abzeichnung einer Niederlage Athens gegen Sparta ein.
Eine wichtige Rolle beim Beschluss der Sizilienexpedition in der Volksversammlung von Athen spielte der junge (etwa 30-jährige) Alkibiades. In der Debatte um den Aufbruch nach Sizilien hielt er die Rede gegen den erfahrenen Strategen Nikias, der sechs Jahre zuvor (421 v. Chr.) einen auf fünfzig Jahre ausgelegten Frieden mit Sparta aushandelte, den sogenannten Nikiasfrieden. Nikias argumentierte gegen die Expedition, Alkibiades dafür. Nach dem Beschluss zugunsten Alkibiades wurden Alkibiades, Nikias sowie Lamachos zu den Befehlshabern des Feldzugs ernannt. Kurz nach der Ausfahrt nach Sizilien wurde
Alkibiades zurückgerufen, da ihm vorgeworfen wurde, am sogenannten
Hermenfrevel, der Schändung der Statue des Gottes Hermes kurz vor der Abfahrt, beteiligt gewesen zu sein. Alkibiades kehrte jedoch nicht nach Athen zurück, sondern flüchtete nach Sparta und beriet die Spartaner anschließend im Konflikt mit Athen.
Die Arbeit geht der Frage nach, inwiefern Alkibiades Rede ausschlaggebend für den Beschluss für die Expedition war. Zudem wird auf die Motive eingegangen, die hinter seinem politischen Handeln standen.
Grundlage sind die Buch VI des Werkes ,,Der Peloponnesische Krieg“ des athenischen Historikers, Historiographen und Zeitzeugen des Peloponnesischen Krieges, Thukydides, der den Ablauf der Expedition genau beschreibt, sowie die Biographie Alkibiades des griechischen Historikers Plutarch aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus. Weiterhin werden einige Aufsätze und Monographien, die sich mit Alkibiades und der Sizilienexpedition auseinandersetzen, und der Kommentar zum Werk Thukydides der Historiker Gomme, Andrewes und Dover herangezogen.
2. Biographie des Alkibiades nach Plutarch
Alkibiades kam wahrscheinlich 451 v. Chr. als Sohn des Kleinias und der Deinomache in Athen zur Welt. Deinomache, die der angesehenen Familie der Alkmeoniden entstammte war die Tochter von Megakles und Enkelin des athenischen Verfassungsreformers Kleisthenes1. Kleinias, der dem ebenfalls bedeutenden Haus Eupatridai angehörte, fiel 447 v. Chr. in der Schlacht um Koroneia, die er auf seiner eigenen Triere bestritt2. Nach dem Tod des Kleinias wurde nicht, wie nach athenischem Recht üblich, der Bruder des Kleinias, Axiochos, Vormund des Alkibiades und seines Bruders, sondern die Vettern Deinomaches, der legendäre athenische Stratege Perikles und sein Bruder Ariphron3.
Laut Überlieferung besaß Alkibiades schon als Kind eine außergewöhnliche physische Attraktivität, die ihn für angesehene Männer interessant machte. Eine besondere Stellung nahm hierbei der Philosoph Sokrates ein, der Alkibiades nicht nur aufgrund seiner äußeren Schönheit bewunderte, sondern auch seinen Charakter schätzte. Er schützte Alkibiades vor den Annäherungsversuchen anderer Männer, die diese nur aufgrund der äußeren Attraktivität des Alkibiades vornahmen. Alkibiades zog in Sokrates Haus, der ihn unterrichtete und ihm seinen Hochmut nahm. Alkibiades habe in Sokrates einen Beschützer erkannt und erwiderte dessen Taten mit ,,Gegenliebe“. Das Verhältnis schien weniger körperlich geprägt als damals zwischen Jüngling und Mann durchaus üblich.4 Bei der Schlacht von Potidaia soll Sokrates Alkibiades gar das Leben gerettet haben.5
Trotz der Lehrjahre unter Sokrates, die ihn laut Plutarch Demut lehrten, beschreibt Thukydides Alkibiades Freizeitaktivitäten als seine finanziellen Mittel übersteigend. Als Beispiel führt er die Pferdezucht an6. Dies führte dazu, dass die Athener, die ihm gegenüber eigentlich mehrheitlich wohlgesonnen waren, seiner Person misstrauisch wurden7.
Nach sechs Jahren Frieden zwischen Athen und Sparta übertrug die Volksversammlung im Jahre 415 v. Chr. ihm zusammen mit Nikias, der für den Frieden verantwortlich war und das Amt des Strategen widerwillig annahm, und Lamachos das Kommando zur Intervention gegen Syrakus auf Sizilien8. Kurz vor dem Auslaufen der athenischen Flotte gen Sizilien, wurden in Athen Statuen des Gottes Hermes geschändet. Obwohl auch Alkibiades im Verdacht stand, daran beteiligt gewesen zu sein, ließ man ihn vorerst als Strategen mit der Flottte nach Sizilien fahren. Erst nach seiner Rückkehr sollte ihm der Prozess gemacht werden9. Dennoch beschlossen die Athener, Alkibiades vorzeitig zurückzurufen, da sie glaubten, ihn nun wegen des Hermenfrevels beschuldigen und hinrichten zu können. Zudem wurden ihm und seinen Mitangeklagten ein weiterer Frevel sowie eine Verschwörung gegen das Volk vorgeworfen. Nachdem er zuerst dem Willen der athenischen Gesandten nachkam und ihnen auf seinem eigenen Schiff in Richtung Athen nachsegelte, entzog er sich während der Überfahrt dem Zugriff der Athener und flüchtete mit den Mitangeklagten über Land und auf einem Kahn nach Sparta10.
Im Konflikt der Spartaner mit Athen empfahl sich Alkibiades als Berater mit wertvollem Wissen über Athen. So riet er den Spartanern, den Feldherrn Gylippos nach Sizilien zu schicken und später, die Festung Dekeleia auf Attika zu besetzen, was den durch die misslungene Sizilienexpedition geschwächten Athenern eine empfindliche Niederlage beibrachte11. Weiterhin bewegte er weite Teile Ioniens, die bisher Verbündete Athens waren, zum Aufstand gegen Athen12. Doch Alkibiades musste bald auch aus Sparta flüchten, da er mit der Frau von König Agis einen Sohn zeugte und der König ihm zudem seine militärischen Erfolge neidete13.
Alkibiades fand Unterschlupf beim persischen Statthalter Tisaphernes, einem erbitterten Feind der Griechen. Alkibiades riet den Persern, Sparta und Athen gegeneinander aufzuspielen, um schließlich die Griechen einfacher unterwerfen zu können14. Doch Alkibiades fürchtete nun, dass er bei einer Niederlage Athens, von den Spartanern, die ihm gegenüber sehr feindselig waren, gefasst werden könnte. Die Athener hingegen waren ihm gegenüber versöhnlicher, da sie seit seiner Flucht einige verheerende Niederlagen erlitten hatten15. Also bot er sich den Kommandanten der bei Samos versammelten athenischen Flotte an. Diese hatten vor, die Demokratie in Athen zu stürzen und eine Aristokratie zu errichten. Nur so, behauptete Alkibiades, könne er die Unterstützung Tisaphernes gewinnen16. Nach dem erfolgreichen Umsturz in Athen schenkten die nun gewaltsam regierenden ,,Vierhundert“ Alkibiades keine Beachtung. Der Krieg mit Sparta wurde nur noch sporadisch weitergeführt, da die „Vierhundert“ sich der Unterstützung der kämpfenden Bürger nicht sicher sein konnten. Zudem hofften sie, die Gunst Spartas zu gewinnen, das in der Vergangenheit Oligarchien begünstigt hatte. Die demokratisch gesinnten Truppen auf Samos beschlossen jedoch, gegen die Herrschaft der Vierhundert zu kämpfen und wollten mit Alkibiades als ihrem Befehlshaber nach Athen fahren. Er überzeugte die Truppen jedoch, vorerst nicht nach Athen zu fahren und dem Feind Ionien zu überlassen. Stattdessen bewegte Alkibiades zunächst die persische Flotte, nicht auf Seiten Spartas in den Krieg einzugreifen. Währenddessen wurde in Athen bereits 411 die Oligarchie wieder abgeschafft. Alkibiades errang mit seiner Flotte nun wieder an der Seite der Athener Siege, unter anderem am Hellespont17. 407 kehrte Alkibiades als gefeierter Held zurück nach Athen. Er wurde von allen Anklagepunkten freigesprochen und zum unbeschränkten Strategen ernannt18. Nur ein Jahr später wurde Alkibiades nach Niederlagen Athens wieder gestürzt und zog sich auf seinen Besitz in Thrakien zurück19. Nach der endgültigen Niederlage Athens gegen Sparta und der von Sparta verfügten Herrschaft des Rats der Dreißig über Athen, ließ Sparta Alkibiades ermorden, da sie fürchteten, er könnte die neue Oligarchie bekämpfen20.
3. Der Beschluss der Sizilienexpedition aus der Sicht des Alkibiades
Im Winter 416/415 baten Gesandte der sizilischen Stadt Segesta (von Thukydides „Egesta“ genannt) die Athener um Beistand im Krieg mit den Selinuntern und den Syrakusern. Die Segestaner beteuerten, den Krieg selbst finanzieren zu können. Um dies zu überprüfen schickten wiederum die Athener Gesandte nach Segesta21. Im Sommer kehrten die athenischen Gesandten mit einigen Segestanern zurück, die den Monatssold für 60 Schiffe mitbrachten. Da die Athener von den Berichten der Segestaner und ihrer eigenen Gesandten (die ihrerseits von den Segestanern getäuscht wurden) über die vorhandenen Geldmittel in Segesta getäuscht wurden, beschlossen sie die Entsendung einer Flotte nach Sizilien und ernannten Lamachos, Alkibiades und gegen seinen Willen Nikias, der zuvor den nach ihm benannten „Nikiasfrieden“ mit Sparta ausgehandelt hatte, zu Strategen22. Es entbrannte eine Debatte zwischen Nikias und Alkibiades über den Feldzug. Nikias mahnte zur Besonnenheit. Er misstraute den Berichten der Gesandten23, auch glaubte er, dass die Sizilier eine geringere Gefahr für Athen seien, wenn sie von Syrakus beherrscht werden und die Syrakuser nicht, wie von den Segestanern behauptet, dann gegen Athen ziehen würden24. Den Frieden mit den Spartanern hielt er für instabil, würde man anderswo Rückschläge erleiden, könnte man umgehend wieder angegriffen werden25, zudem habe man sich erst von einer Seuche und den zurückliegenden Kriegen erholt26. Auch Alkibiades Fähigkeit, das Strategenamt zu bekleiden, zweifelte er mit Hinweisen auf sein junges Alter, seinen ausschweifenden Lebensstil und seine egoistischen Motive an27.
Alkibiades beginnt seine Gegenrede mit der Verteidigung seiner Person. Er verweist dabei auf seine Erfolge bei den Olympischen Spielen und die Schlacht von Mantineia, die er zwar nicht gewinnen konnte, aber aus seiner Sicht trotzdem erfolgreich war, da die Spartaner trotz ihres Sieges keine Sicherheit gewinnen konnten28. Die Streitmacht der Sizilier hielt er für wenig beeindruckend, er glaubte durch die ständige Fluktuation der sizilischen Bevölkerung sei dort der Wille, das eigene Land zu verteidigen, nicht so groß, im Falle einer Niederlage würden die Bewohner einfach weiterziehen29. Zudem glaubte er dass die Sizilier wenige schwere Waffen besitzen und sich die dortigen Barbaren gegen die Sizilier richten würden30. Und die auf Attika verbliebenen Athener würden ausreichen, um einen möglichen Angriff der geschwächten Spartaner abzuwehren31. Den Bundesgenossen müsse man zu Hilfe kommen, auch wenn sie einem nicht hülfen. Denn man habe sich mit ihnen verbündet, damit sie gegen die Feinde Athens in ihrer Nähe kämpfen. Auch dürfe man nicht warten, bis der Feind (Syrakus) einen angreift, man müsse ihm zuvorkommen. Alkibiades erklärt die Sizilienexpedition somit zu einem Präventivkrieg32. Seine Rede endet mit einem Appell an den Zusammenhalt aller Athener, der jungen und der alten, die zusammenarbeiten müssten und nicht wie von Nikias gefordert, gegeneinander33.
[...]
1 Taeger 1925, S.12-14.
2 Scherff 2006, o. S.
3 Taeger, S.14.
4 Plut. Alk. 4.
5 Plut. Alk. 7.
6 Thuk. VI, 15.
7 Thuk. VI, 15.
8 Thuk. VI, 8.
9 Thuk. VI, 27-29.
10 Thuk. VI, 61.
11 Plut. Alk. 23.
12 Plut. Alk. 24.
13 Plut. Alk. 24.
14 Plut. Alk. 25.
15 Plut. Alk. 25.
16 Plut. Alk. 26.
17 Plut. Alk. 26-27.
18 Plut. Alk. 32.
19 Plut. Alk. 36.
20 Plut. Alk. 38-39.
21 Thuk. VI, 6-7.
22 Thuk. VI, 9.
23 Thuk. VI, 9.
24 Thuk. VI, 11.
25 Thuk. VI, 10.
26 Thuk. VI, 12.
27 Thuk. VI, 12.
28 Thuk. VI, 16.
29 Thuk. VI, 17.
30 Thuk. VI, 17.
31 Thuk. VI, 17.
32 Thuk. VI, 18.
33 Thuk, VI, 18.