Außenpolitik und militärische Intervention der Türkei in Syrien
Zusammenfassung
Einerseits der wichtige NATO-Partner, von dessen Territorium aus die US-Truppen in Syrien operieren, andererseits die Türkei, die bestrebt ist ihre regionale Vormacht auszubauen. Hinzu kommen die verstärkt auftretenden Islamischen Tendenzen bis hin zur Unterstützung radikaler Gruppierungen wie der Al-Nusra Front. Erst kürzlich kam es zu einem Eklat, da die Einschätzung der Bundesregierung der Türkei als "Plattform für islamistische und Terroristische Gruppierungen" an die Öffentlichkeit gelangte.
Dieser Essay beschäftigt sich mit der Frage, ob die Türkei weiter als zuverlässiger Partner für die NATO und andere Staaten gelten kann. Hierzu wird zunächst die Situation und das außenpolitische Verständnis der Türkei dargestellt, um dann anhand von eigens aufgestellten Thesen die Fragestellung zu erörtern. Abschließend werden die Thesen bewertet und ein Fazit gezogen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Grundlegenes
1.1 Türkei-Syrien
1.2 Kurdenkonflikt
1.3 Außenpolitik unter der AKP
2. Thesen
2.1 Der Putsch lähmt das Militär
2.2 Militär koordiniert sich gemeinsam mit Verbündeten
2.3 Einsatz nur Vorwand um innenpolitisch Kapital zu schlagen
2.4 Die Türkei steht in wirtschaftlicher Abhängigkeit
2.5 Provokation der NATO und Streit um Luftwaffenstützpunkt
2.6 Beziehungen zu Russland keine Alternative zur NATO
2.7 EU-Beitritt und Flüchtlingsdeal
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
5. Abbildungsverzeichnis
Der Konflikt in Syrien dauert nun schon seit 5 Jahren an und ist seitdem in den Medien präsent. In den vergangenen Monaten befand sich zudem auch das Nachbarland Türkei im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Für humanitäre und militärische Operationen ist die Internationale Staatengemeinschaft auf die Kooperation eben dieses Landes angewiesen. Es stellt sich die Frage nach der Zielsetzung der Türkischen Außenpolitik in Syrien, deren Bild ambivalent ist. Einerseits der wichtige NATO-Partner, von dessen Territorium die US-Truppen in Syrien operieren, andererseits die Türkei, die bestrebt ist ihre regionale Vormacht auszubauen.
Hinzu kommen die verstärkt auftretenden Islamischen Tendenzen bis hin zur Unterstützung radikaler Gruppierungen wie der Al-Nusra Front. Erst kürzlich kam es zu einem Eklat, da die Einschätzung der Bundesregierung der Türkei als "Plattform für islamistische und Terroristische Gruppierungen" an die Öffentlichkeit gelangte.
Dieser Essay beschäftigt sich mit der Frage, ob die Türkei weiter als zuverlässiger Partner für die NATO und andere Staaten gelten kann. Hierzu wird zunächst die Situation und das außenpolitische Verständnis der Türkei dargestellt, um dann anhand von eigens aufgestellten Thesen die Fragestellung zu erörtern. Abschließend werden die Thesen bewertet und ein Fazit gezogen.
Grundlegendes:
Türkei - Syrien
Bereits im Vorfeld des Bürgerkrieges im Syrien war es zwischen der Türkei immer wieder zu Spannungen gekommen. Grund war die Unterstützung der PKK durch Bashar Al-assad, die in der Türkei als Terrororganisation geführt wird.
War die Türkei zu Beginn des Konflikts noch eher untätig, verstärkte sie im Verlauf ihre Aktivitäten in Syrien als Teil der Anti-IS-Koalition. Die Türkei führt jedoch nicht nur Angriffe auf den sogenannten Islamischen Staat, sondern auch auf die vorrückenden kurdischen Kämpfer. Zuletzt begann die Türkei sogar, mit Bodentruppen nach Syrien vorzurücken. Auf der Gegenseite stehen neben Assad Russland und der Iran. Obwohl die Türkei nach Deutschland der größte Energieabnehmer ist, sind die Beziehungen zu Russland durch den Konflikt sehr angespannt. Der Höhepunkt diese Anspannung wurde 2015 erreicht, als türkische Streitkräfte einen russischen Kampfjet abschossen.
Kurdenkonflikt
Die in Syrien agierenden Kurdischen Kräfte scheinen aus Türkischer Sicht eine immer größere Bedrohung zu werden. Einen unabhängigen Kurdischen Staat, möchte man aufgrund der großen
Kurdisch-stämmigen Bevölkerung in der Türkei, nicht entstehen lassen.
Die Bombardierungen durch türkische Kampfjets richten sich längst nicht nur gegen den IS, sondern auch gegen die kurdische Volksarmee PYK. Der Militärpartner USA wiederum unterstützt eben diese.
Außenpolitik unter der AKP
Seit dem Machtantritt der AKP 2002 ist eine klare Veränderung der Außenpolitik zu erkennen. War die vorherige, kemalistische Außenpolitik noch reaktiv, ist die jetzige, von Kritikern als Neo- Osmanismus bezeichnete, Außenpolitik aktiv und soll „positiv-Aggressiv“ sein.Folglich engagiert sich die Türkei vermehrt global. Ziel ist es, eine aktive Rolle im Internationalen Geschehen zu spielen und präventiv auf regionale und internationale Probleme einzuwirken. Türkische Kritiker sehen in der Politik eine Abkehr vom säkularen Gedanken Kemal Atatürks und bezeichnen sie als „pro-arabische islamische Außenpolitik.“ Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Regierung. Erdogan islamisch-konservativ geprägt ist und gern die Rolle des Sprechers der „arabischen Welt“ übernimmt.1
Thesen:
Der Putsch vom Juli lähmt das Militär
Am 15. und 16. Juli wurde die Türkei durch einen Putschversuch erschüttert. Nachdem Scheitern sprach Präsident Erdogan von „Säuberungen“, in deren Zuge mehrere tausend Richter und Militärangehörige verhaftet wurden. Das Militär scheint nicht vollständig aus Seiten Erdogans zu stehen, sodass sich die NATO-Partner einer langfristigen Kooperation nicht sicher sein können. Bis die Führungspositionen ausgetauscht sind, bleibt das Militär in Teilen gelähmt.2
Militär koordiniert sich gemeinsam mit Verbündeten
Dagegen ist jedoch zu sagen, dass die Türkei am 24. August eine gemeinsame Militäroffensive mit den USA gegen den sogenannten Islamischen Staat startete. Die türkischen Bodentruppen werden dabei von der US-Luftwaffe unterstützt. Die Türkei ist somit auf die Hilfe der Amerikaner angewiesen, um ihre Ziele in Syrien durchzusetzen. Diese sind zunächst die Entmachtung Assads, aber auch das Verhindern einer autonomen Kurdenregion, die aus türkischer Sicht den innenpolitischen Streit mit der Kurdischen Minderheit weiter anheizen würde.
Einsatz nur Vorwand um innenpolitisch Kapital zu schlagen
Der derzeitige Militäreinsatz kann somit auch als Versuch gesehen werden, Territorium in Syrien zu gewinnen, um dies zu verhindern. Erstes Ziel der Offensive mit dem Namen „Operation Schutzschild Euphrat“ ist die Eroberung der Stadt Dscharabulus. Erst kürzlich hatten syrische Truppen unter kurdischer Führung mit Hilfe der USA die Stadt Manbidsch eingenommen. Sollten kurdische Kräfte zusätzlich Dscharabulus und das umliegende Gebiet einnehmen, würden sie beinahe das gesamte Gebiet an der türkisch-syrischen Grenze kontrollieren. Dies wäre für die Regierung in Ankara untragbar, da die PYK von ihr als Ableger der verbotenen PKK gesehen wird. Die Militäroffensive richtet sich also gleichermaßen gegen IS und kurdische Streitkräfte, die anderseits von der USA unterstützt werden. Folglich verfolgt die Erdogan-Regierung hier ihrem eigenen Kurs und bricht mit den Verbündeten.Weiter erscheint das jetzige Vorgehen gegen den IS als Vorwand, da die Türkei die Islamisten in den vergangenen drei Jahren an ihrer Grenze tolerierte.3
Die Türkei steht in wirtschaftlicher Abhängigkeit
Dabei ist die Türkei nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich auf ihre westlichen Verbündeten angewiesen. Allein Deutschland, England, Frankreich und die USA nehmen über 20 % der Exporte der Türkei ab.4 Einen Bruch kann sich die, durch den Terror sowieso angeschlagene, türkische Wirtschaft nicht erlauben. Zuletzt gingen 100.000 Arbeitsplätze im Tourismussektor verloren. Auch die Regierungspartei AKP muss einem wirtschaftlichem Abwärtstrend mit Sorge entgegenblicken. Grade der wirtschaftliche Aufschwung unter Erdogan sorgte bisher dafür, dass trotz seines autokratischen Regierens die Wähler nicht ausblieben.5
Provokation der NATO und Streit um Luftwaffenstützpunkt
Trotz allem droht die Türkei mit der Schließung des Luftwaffenstützpunktes Incirlik6 für Truppen der Anti-IS-Koalition und einer Öffnung für Russische Kampfjets. Eine Provokation in Richtung der NATO. Schon jetzt dürfen deutsche Abgeordnete den Stützpunkt nicht mehr besuchen, nachdem der Bundestag eine Resolution zum Völkermord an den Armeniern verabschiedet hatte.7 Die Türkei und Russland hatten sich zuletzt wieder angenähert, nachdem die Beziehungen nach dem Abschuss eines russischem Kampfjets auf Eis gelegt worden waren.
Beziehungen zu Russland keine Alternative zur NATO
„Gleichzeitig glaube ich nicht, dass das Verhältniss zwischen beiden Ländern so eng wird, dass Russland der Türkei eine Alternative zur Sicherheitspartnerschaft der NATO bieten kann.“ So der Außenminister Frank-Walter Steinmeier.8
EU-Beitritt und Flüchtlingsdeal
Weiter ist zu anzumerken, dass, trotz der Situation im eigenen Land, das Flüchtlingsabkommen mit der EU vollständig eingehalten wird. Auch bleibt es ein Ziel der türkischen Außenpolitik, bis zum Jahr 2023, dem Jahr des hundertjährigem Bestehens der türkischen Republik, eine EU- Mitgliedschaft zu erreichen. Folglich ist die Türkei an einer langfristigen, engeren Kooperation interessiert.9
Natürlich ist das Abkommen mit der Türkei ein zweischneidiges Schwert, da es genutzt werden kann, um politisch Druck auf die EU auszuüben.
[...]
1 Gieler, Wolfgang, 2015: Türkei, In: Ders.(Hrsg.), Handbuch Außenpolitk Nahost, Berlin: LIT Verlag S.232ff.
2 Vgl. ZEIT Online,2016, Ein unzuverlässiger Partner, Online unter: http://www.zeit.de/politik/ausland/2016- 07/tuerkei-putsch-versuch-eu-aussenpolitik-recep-tayyip-erdogan-angela-merkel
3 Vgl. Spiegel Online, 2016: Türkische Militäroperation in Syrien: Der IS ist der Vorwand, die Kurden das Ziel, Online unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-die-militaeroffensive-der-tuerkei-zielt-auf-die-kurden-a- 1109210.html
4 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2014: Handelspartner der Türkei, Online unter: http://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/187249/handelspartner
5 Vgl. FAZ Online, 2016, Die Türkei zerstört ihr Wirtschaftswunder, Online unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recep-tayyip-erdogan-zerstoert-wirtschaftswunder-der-tuerkei-14354387- p3.html
6 Vgl. ZEIT Online, 2016, Ein Unzuverlässiger Partner2
7 Vgl. FAZ Online, 2016, Von der Leyen will an Stationierung in Incirlik festhalten, Online unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/tuerkei/abzug-aus-der-tuerkei-von-der-leyen-will-an-stationierung- in-incirlik-festhalten-14404723.html
8 Interview Frank-Walter Steinmeier,2016, Die Türkei ist ein wichtiger NATO-Partner, Online unter: http://www.n24.de/n24/Mediathek/videos/d/8955990/-die-tuerkei-ist-ein-wichtiger-nato-partner-.html
9 Vgl. Gieler, Wolfgang, Handbuch Außenpolitik Nahost, S.2371