Bei der Internetökonomie (IÖ) handelt es sich keinesfalls um eine völlig neue Idee, als vielmehr um die, vermeintlich, sinnvolle Verbindung traditioneller volkswirtschaftlicher Theorie mit jüngst generierten technischen Möglichkeiten. Dies bedeutet jedoch nicht, die IÖ ist ’neuer Wein in alten Schläuchen’. Vielmehr wird mit etwas gänzlich Anderem gehandelt: Daten, einem Gut, welches sich auch durch Mehrfachnutzung nicht verbraucht, stark komprimiert und unbegrenzt dupliziert werden kann. Seine Produktionskosten sind asymmetrisch und werden durch hohe Erstinvestitionen, jedoch gegen Null tendierende variable Kosten bestimmt. Diese Eigenschaften machen die IÖ so reizvoll für die Akteure.
Die Hausarbeit behandelt die Grundlagen der IÖ anschaulich und stellt die Determinanten dieser „neuen“ Wirtschaftsform vor. Ferner werden Trends und sich daraus ergebende Chancen beleuchtet. Dabei liegt der Schwerpunkt, dem Thema entsprechend, auf einer gesamtwirtschaftlichen Sichtweise. Hiervon lässt sich jedoch leicht auf mikroökonomische Fragen und strategischen Optionen überleiten. Allerdings bietet die IÖ, und besonders das Internet, durchaus auch Anlass zu kritischen Nachfragen, was ebenfalls nicht zu kurz kommt.
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnisse
Titelseite
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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Problemstellung und Gegenstand der Untersuchung
2 Begriffliche Abgrenzung und Grundlagen
2.1 Bereiche der Internetökonomie
2.2 Netzeffekte
2.3 New versus Old Economy
2.4 Globale Trends
2.5 Potentiale und Herausforderungen
3 Tendenzen und Strategien
3.1 Erzielen von Aufmerksamkeit
3.2 Kritische Masse
3.3 Standardsetzung und Lock-In
3.4 Business Webs
3.5 Produktdifferenzierung und Individualisierung
4 Perspektiven
4.1 Zukünftige Marktstellung
4.2 Veränderung der Gesellschaft
4.3 Mögliche Probleme und Hinderungsgründe
Anhang
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abbildungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
*Abb. 2-A: Anbieter-Nachfrager-Matrix in der IÖ
Abb. 2-B: 4C-Net-Business-Modell
Abb. 3-A: Drei-Ebenen-Modell der Markttransaktion
Abb. 3-B: Arten des Lock-In und entsprechende Wechselkosten
Abb. 4-A: Systematik der Erlösformen der IÖ im B2C-Markt
Problemstellung und Gegenstand der Untersuchung 1
1 Problemstellung und Gegenstand der Untersuchung
’Der Ausgangspunkt für die besten Unternehmungen liegt oft in kaum wahrnehmbaren Gelegenheiten’. Dies ist die Ansicht des griechischen Philosophen Demosthenes im 5. Jhd. v.Chr. Eine interessante Idee, vor allem wenn man diese mit der Gegenwart ver- bindet und bedenkt, dass der Internet-Boom Anfang der neunziger Jahre ausschließlich auf ’einmaligen Gelegenheiten’ beruhte. Leider sind daraus nun doch nicht die besten Unternehmungen entstanden. Zumindest nicht, wenn man deren Börsenwerte oder Le- bensdauer als Maßstab nimmt. Oder doch? Sind die vergangenen Jahre nur ein, zugege- ben langes, ’Frühsommergewitter’ auf dem Weg zu einem schönen Sommer?
Obgleich sich die Hausarbeit mit Tendenzen in der Internetökonomie (IÖ) befasst, wird diese Frage im Folgenden nicht beantwortet. Wohl kann jedoch die dahinter steckende Theorie praktischen Ansätzen gegenübergestellt werden. Demzufolge ist die Vorge- hensweise zweigeteilt. Zum einen werden in Kapitel zwei Grundlagen anschaulich be- handelt. U.a. werden dabei wichtige Determinanten dieser neuen Wirtschaftsform vor- gestellt. Ferner werden diese dann in Verbindung mit aktuellen Trends und sich daraus ergebenden Chancen gesetzt. Dabei liegt der Schwerpunkt, dem Thema entsprechend, auf einer gesamtwirtschaftlichen Sichtweise. Hiervon lässt sich jedoch leicht auf mikro- ökonomische Fragen und strategischen Optionen überleiten. Dieser Schritt wird in Ka- pitel drei mit der klar aufeinander aufbauenden Vorstellung der vermeintlich wichtigs- ten Strategien für Unternehmungen in der IÖ gemacht. Und abschließend werden im vierten Kapitel beide Teile in ’Perspektiven’ kritisch miteinander verbunden.
Vorab kann auf eine Basisannahme nicht oft genug verwiesen werden: Bei der IÖ han- delt es sich keinesfalls um eine völlig neue Idee, als vielmehr um die, vermeintlich, sinnvolle Verbindung traditioneller volkswirtschaftlicher Theorie mit jüngst generierten technischen Möglichkeiten. (Lotter, 2000) Dies bedeutet jedoch nicht, die IÖ ist ’neuer Wein in alten Schläuchen’. Vielmehr wird mit etwas gänzlich Anderem gehandelt: Da- ten, einem Gut, welches sich auch durch Mehrfachnutzung nicht verbraucht (Nichtriva- lität im Konsum), stark komprimiert und unbegrenzt dupliziert werden kann. Seine Pro- duktionskosten sind asymmetrisch und werden durch hohe Erstinvestitionen (first copy costs), jedoch gegen Null tendierende variable Kosten (Distribution) bestimmt. Diese Eigenschaften machen die IÖ so reizvoll für die Akteure wie folgende Kapitel zeigen.
Begriffliche Abgrenzung und Grundlagen 2
2 Begriffliche Abgrenzung und Grundlagen
2.1 Bereiche der Internetökonomie
Wenn vom Wirkungsfeld der IÖ gesprochen wird, so sind damit die verschiedenen TIMES-Bereiche1 gemeint. Innerhalb dieser kann weiter unterschieden werden: Bspw. lässt sich die Art der Güter in materiell und immateriell (Daten, Information) teilen. Ebenfalls charakteristisch ist, dass es sowohl Unterstützer, als auch Nutzer der Infra- struktur gibt. Erstere liefern alles Notwendige um Geschäfte zu ermöglichen. Letztere verarbeiten und verkaufen digitale Güter mit Hilfe eines elektronischen Markts.2
Dies hört sich dem Namen nach zwar neu an, hebt jedoch kein traditionell gültiges Marktgesetz auf. Es wird 'lediglich' der konventionelle Marktbegriff um die Orts- und Zeitunabhängigkeit von Akteuren und Marktzugang erweitert. Allerdings senkt elektro- nischer Handel (E-Commerce) durch den Einsatz moderner Technik die Transaktions- kosten der Marktteilnehmer. Ferner wird der Austausch digitaler Güter erleichtert. All- gemein könnte man somit E-Commerce als eine elektronisch unterstützte Tausch- bzw. Handelstransaktion bezeichnen. Innerhalb dieser wird wiederum, wie in anderen Märk- ten auch, nach der Art der Marktbeziehungen unterschieden.3 (Zerdick, 2001)
2.2 Netzeffekte
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der IÖ gegenüber der Wirtschaft traditionel- ler Prägung ist die Nutzung von positiven Externalitäten, den sog. Netzeffekten (NE).4 Dabei handelt es sich um Situationen, bei denen das Verhalten eines Marktteilnehmers das Wohlergehen der anderen beeinflusst. Metcalfe’s Gesetz zur IÖ definiert den Wert eines Netz’ (W) proportional zum Quadrat seiner Nutzer (n): W = n2 - 2. (nach Zerdick, 2001) Der Auftritt von NE ändert somit die Mechanismen von Märkten und erfordert einen diesem Phänomen angepassten Umgang unter den Marktteilnehmern. (Wirtz, 2001a) Dabei lassen sich zwei Arten von NE feststellen: direkte und indirekte. Bei ers- ten steigt der Nutzen durch die aktive Teilnahme am Netz bzw. durch die Verbindung der Teilnehmer. Ein zusätzlicher Teilnehmer verschafft bspw. allen anderen eine weite- re Möglichkeit zur Kommunikation. Und dies wiederum erhöht den Nutzen aller. Letz-
Begriffliche Abgrenzung und Grundlagen 3
tere liegen hingegen vor, wenn sich bereits durch eine Zunahme der Netzgröße Vorteile ergeben. Denkbar sind z.B. Skalen- oder Lerneffekte für Anbieter wie Nachfrager.
Der Effekt auftretender NE wird anhand eines Beispiels deutlich: Ein einziges Telefon ist wertlos. Gibt es zwei sowie zwei Nutzer, so können diese miteinander sprechen. Kommt eine weitere Person hinzu, dann erhöhen sich die Kommunikationsmöglichkei- ten aller überproportional. Und dies führt zu hoher, der IÖ inhärenten Kundenbindung.
2.3 New versus Old Economy
Frei formuliert beschreibt New Economy (NewEc) das Wirtschaften in erwähnten TIMES-Bereichen. Dabei dominieren Begriffe wie Geschwindigkeit, Leistung, Wissen und Flexibilität den Sprachgebrauch. Während unter Old Economy (OldEc) alle bisher gültige Arbeitsabläufe, Geschäftsmodelle und Verhaltensweisen (’brick and mortar’) verstanden werden. Deren Akteure verfügen jedoch über detaillierte Marktkenntnisse und -macht, haben oftmals langjährige Kundenbeziehungen und genießen das Vertrauen (Marken, Loyalität) der Kunden. Dies muss in der NewEc erst noch aufgebaut werden.
Beide Wirtschaftsgebiete folgen somit in vielerlei Hinsicht unterschiedlichen Denk- bzw. Handlungsansätzen. Es ist jedoch keineswegs davon auszugehen, dass eine Form der anderen überlegen ist. Ganz im Gegenteil geht man allgemein davon aus, dass sich beide ergänzen. (Bain & Co., 2000) Auch Priddat (2002) sieht, trotz vieler durch die Realität eingeholten Illusionen, klare Vorteile der NewEc. Besonders wichtig scheint dabei deren Fokussierung auf Flexibilität und den freien Fluss von Wissen zu sein.
2.4 Globale Trends
Das Phänomen der NewEc und mit ihr der IÖ ist offenbar Teil einer sich verändernden Welt. Diese muss mit den Folgen von Industrialisierung und Globalisierung ebenso um- gehen, wie sich auf Demographieveränderungen bzw. Möglichkeiten der Gentechnik einstellen. Und letztlich ist auch der Trend zur Vernetzung eine Herausforderung. Hinzu kommt, dass die IÖ zahlreiche selbst gestellte Aufgaben lösen muss. In der ’Büchse der Pandora’ befindet sich u.a. die dadurch stark gestiegene Komplexität menschlichen All- tags. Dies kann zum einen mit Grosch’s Gesetz (nach Zerdick, 2001) erklärt werden. Dabei nimmt man an, dass doppelte Kosten eine vierfach höhere Rechenleistung erlau- ben. Zum anderen besagt Moore’s Gesetz (nach Zerdick, 2001), dass sich die Transisto- renzahl bei gleichbleibenden Produktionskosten alle 18 Monate verdoppelt. Wolf
Begriffliche Abgrenzung und Grundlagen 4
(2002) definiert dies als ’eisernes Gesetz des Industriezeitalters: immer mehr zu immer geringeren zu gleich bleibender oder besserer Qualität zu produzieren’. Er zitiert jedoch auch Bell, der den Trend zur Wissensgesellschaft 1973 durch Definition eines ’quart- ären Sektors’ in dem Daten und Informationen zu Wissen veredelt werden, beschrieb.
2.5 Potentiale und Herausforderungen
Diesen Trend bestätigt die, insbesondere für das deutschsprachige Internet gültige, 13. W3B-Studie5 (Fittkau & Maas, 2002) eindrucksvoll: Über 40% der befragten Internet- Nutzer wollen in ihrem täglichen Leben ’keinesfalls darauf verzichten’. Und für weitere knapp 40% spielt das Internet im täglichen Leben ’eine wichtige Rolle’. Lediglich 1,9% messen diesem ’eine unbedeutende Rolle’, ’einen eher negativen Einfluss’ oder ’keine Bedeutung’ zu. Dem gegenüber nutzen ca. 57% der Befragten das Internet zum Einkauf. Die IÖ hat damit schon heute maßgeblichen Einfluss auf das Leben vieler Menschen.
Das Internet als Grundlage der IÖ führt zur Weitung des Absatzpotentials, jedoch nicht notwendigerweise zu mehr Umsatz. Bedingt durch dessen besondere Möglichkeiten ist eine höhere Kundenorientierung und -bindung möglich. Dies äußert sich aber nicht nur durch neue Angebote (Differenzierung, Individualisierung), sondern auch durch signifi- kante Einsparungen (geringe Transaktionskosten, Markttransparenz, gesparte Zeit, ...).
Zu Beginn des E-Commerce haben Akteure die im 4C-Net-Business-Modell6 beschrie- benen Geschäftsmodelle in Reinform betrieben. Mittlerweile ist laut Wirtz (2001b) je- doch eine Tendenz zu hybriden Modellen zu beobachten. Dies bedeutet, dass bisher nicht umgesetzte Ideen ergänzend hinzukommen und so die Angebotspalette erweitern. Gründe hierfür sind die Weitung und Unabhängigkeit der Erlösquellen untereinander, mehrdimensionale Kundenbeziehungen sowie Verbundeffekte (economies of scope).
Tendenzen und Strategien 5
3 Tendenzen und Strategien
3.1 Erzielen von Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit ist eine Voraussetzung aktiver Teilnahme an sozialer Kommunikation. Der Begriff kann wie folgt unterschieden werden: Einerseits in 'awareness', also die wachsame Achtsamkeit (Vorsicht) sowie andererseits in 'attention'. Dies bezeichnet die selektive Aufnahme sowie die zielgerichtete Verarbeitung von Information (Interesse). Dabei ist Vorsicht bei allen Menschen stets mehr oder weniger unterbewusst aktiv. Dem gegenüber muss Interesse 'erarbeitet' bzw. 'verdient' werden. Allerdings ist das mensch- liche Aufmerksamkeitspotenzial physisch und zeitlich limitiert. Dies beugt einer konti- nuierlichen Reizüberflutung vor und schont die ebenfalls begrenzt verfügbare kognitive Verarbeitungskapazität. Ziel dieser Einschränkungen ist es, bei einem akuten Ereignis (z.B. bei Gefahr) sofort auf das reservierte Potential zugreifen zu können.
Es kann davon ausgegangen werden, dass Aufmerksamkeit ein wichtiger Faktor in einer Zeit von immer ähnlicheren Angeboten ist. Nur wenn Information auf Interesse (Auf- merksamkeit) trifft, besteht die Chance für verändertes Handeln. Zerdick (2001) geht noch weiter und lässt den Kampf um Aufmerksamkeit zum entscheidenden Wettbe- werbsfaktor in der IÖ werden. Hier kommen o.g. Ausführungen zur Geltung: Eine kaum vorstellbare Waren- und Informationsflut (Lotter, 2000) trifft auf die zweifach begrenzt (körperlich, zeitlich) verfügbare Aufmerksamkeitskapazität der Nachfrager. Demzufol- ge kann Interesse bedenkenlos als knappe Ressource bezeichnet werden. Daraus lässt sich ableiten, dass Aufmerksamkeit benötigende Markttransaktionen strategisch gese- hen den Gewinn von Motivation und Zeit interessierter Menschen zum Ziel haben.7
3.2 Kritische Masse
Die IÖ ist gegenüber traditionellen Marktformen besonders durch ihren Geschwindig- keitswettbewerb einzigartig. Dies würde mit Hilfe obiger Ausführungen bedeuten, um Aufmerksamkeit zu erhalten ist es notwendig, der sprichwörtliche 'frühe Vogel' zu sein. Das wiederum führt zum Phänomen der kritischen Masse (kM). Hat eine Organisation die Aufmerksamkeit, dann soll diese oft auch auf eine möglichst große Nutzerzahl über- tragen werden. Hierfür gibt es zwei einfache Gründe: Einerseits lassen sich mit zuneh-
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* Alle Abb. befinden sich im Anhang. Das angegebene Kapitel bezeichnet die erste Nennung im Text.
1 TIMES = Telekommunikation, Informationstechnologie, Medien, E-Commerce und (digitale) Sicherheit
2 Das Internet wird als Plattform i.S. eines Marktplatz’ genutzt. Dabei nimmt man volle Transparenz an.
3 Siehe Anhang: Abb. 2-A (Anbieter-Nachfrager-Matrix in der IÖ)
4 Aus Vereinfachungsgründen wird hier nur auf positive, externe Effekte eingegangen.
5 Mit über 96.000 beantworteten Fragebogen ist dies die weltweit größte, private Studie zum Thema In- ternet-Nutzerverhalten. Zeitraum der Befragung: 01.10. - 05.11.01 (W3B bedeutet WWW-Benutzer)
6 Siehe Anhang: Abb. 2-B (4C-Net-Business-Modell)
7 Siehe Anhang: Abb. 3-A (Drei-Ebenen-Modell der Markttransaktion)