Militärischer Drill, Disziplin, Gehorsam – dies sind nur einige der Schlagworte, die sich US-amerikanische Boot-Camps auf die Fahne schreiben. Durch strenge Regeln, harte Strafen und körperlich zermürbende Arbeit sollen schwer erziehbare oder straffällige Teenager wieder auf den rechten Weg gebracht werden – soweit die Theorie. In den USA stellen Boot-Camps einerseits eine Alternative zu einer Haftstrafe dar, andererseits fungieren sie als Erziehungslager für uneinsichtige Jugendliche, deren Eltern haltlos überfordert sind. In Deutschland ist man sich nicht einig, was man von dem Boot-Camp-Konzept halten soll. Durch mediale Verbreitung ist das Thema Jugendgewalt und Jugendkriminalität ein Dauerthema in Politik, Pädagogik und Justiz, wodurch teilweise auch der Ruf nach Erziehungslagern nach US-amerikanischen Vorbild laut wurde, um mit harter Hand endlich den gefährlichen Heranwachsenden Herr zu werden. Andererseits berichteten diverse Magazine und Zeitungen, beispielsweise der Spiegel, von Todesfällen in den Camps, Misshandlungen, Schikane und Erniedrigungen. Von sadistischen Betreuern ist die Rede, von Isolationshaft, Gewalt und Willkür.
In Deutschland gibt es bisher kein vergleichbares Konzept. In den 60er Jahren gab es die geschlossene Einrichtung „Jugendwerkhof Torgau“, die es sich, ähnlich wie bei den Boot-Camps, zur Aufgabe machte, den Willen delinquenter Jugendlicher zu brechen – hohe Selbstmordraten und Vorwürfe von Gewaltübergriffen, Missbrauch und menschenverachtende Erniedrigungen waren die Folge. Nachdem die Vorkommnisse an die Öffentlichkeit gelangten, wurde der Hof geschlossen.
Trotzdem bleibt die Frage offen, inwiefern das Konzept der Boot-Camps wirksam ist und eventuell auch eine Alternative für das deutsche Strafsystem darstellen. In dieser Hausarbeit wird dieser Frage nachgegangen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Jugendstrafrecht in Deutschland
2.1 Struktur und gesetzliche Grundlagen
2.2 Das pädagogische Konzept
2.3 Die Inhaftierten - Aktuelle Zahlen
3 Das Boot-Camp
3.1 Konzept
3.2 Historischer und gesellschaftlicher Hintergrund
4 Diskussion - Das Boot-Camp als Alternative?
5 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Militärischer Drill, Disziplin, Gehorsam - dies sind nur einige der Schlagworte, die sich US- amerikanische Boot-Camps auf die Fahne schreiben. Durch strenge Regeln, harte Strafen und körperlich zermürbende Arbeit sollen schwer erziehbare oder straffällige Teenager wieder auf den rechten Weg gebracht werden - soweit die Theorie. In den USA stellen Boot- Camps einerseits eine Alternative zu einer Haftstrafe dar, andererseits fungieren sie als Erziehungslager für uneinsichtige Jugendliche, deren Eltern haltlos überfordert sind. In Deutschland ist man sich nicht einig, was man von dem Boot-Camp-Konzept halten soll. Durch mediale Verbreitung ist das Thema Jugendgewalt und Jugendkriminalität ein Dauerthema in Politik, Pädagogik und Justiz, wodurch teilweise auch der Ruf nach Erziehungslagern nach US-amerikanischen Vorbild laut wurde, um mit harter Hand endlich den gefährlichen Heranwachsenden Herr zu werden. Andererseits berichteten diverse Magazine und Zeitungen, beispielsweise der Spiegel, von Todesfällen in den Camps, Misshandlungen, Schikane und Erniedrigungen. Von sadistischen Betreuern ist die Rede, von Isolationshaft, Gewalt und Willkür.
In Deutschland gibt es bisher kein vergleichbares Konzept. In den 60er Jahren gab es die geschlossene Einrichtung „Jugendwerkhof Torgau“, die es sich ähnlich wie bei den Boot- Camps zur Aufgabe machte, den Willen delinquenter Jugendlicher zu brechen - hohe Selbstmordraten und Vorwürfe von Gewaltübergriffen, Missbrauch und menschenverachtende Erniedrigungen waren die Folge. Nachdem die Vorkommnisse an die Öffentlichkeit gelangten, wurde der Hof geschlossen.
Trotzdem bleibt die Frage offen, inwiefern das Konzept der Boot-Camps wirksam ist und eventuell auch eine Alternative für das deutsche Strafsystem darstellen. In dieser Hausarbeit möchte ich genau dieser Frage nachgehen. Nach dieser Einleitung folgt eine Darstellung des Jugendstrafrechts in Deutschland, auf dessen Grundlage eine Einrichtung wie das Boot- Camp errichtet werden müsste. Dabei möchte ich außerdem die derzeitige Lage in Jugendgefängnissen aufzeigen, sowie das pädagogische Konzept erläutern. Anschließend setzte ich mich mit der Erscheinung des Boot-Camps in den USA auseinander. Im vierten Kapitel folgt eine Diskussion, die sich insbesondere mit der Frage auseinander setzt, ob und unter welchen Bedingungen Boot-Camps auch in Deutschland denkbar wären. Neben Pro- und Kontraargumenten möchte ich Überlegungen anstellen, was für Alternativen es zum ursprünglichen Konzept des Boot-Camps gibt. Die Hausarbeit endet mit einem persönlichen Fazit.
2 Das Jugendstrafrecht in Deutschland
2.1 Struktur und gesetzliche Grundlagen
Die Grundlagen für das Jugendstrafrecht sind in dem Jugendgerichtsgesetz (JGG), das zuletzt 2008 im Zuge einer Reform verändert wurde, sowie in dem achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) verankert. Mit dem JGG sieht der Gesetzesgeber seine Aufgabe erfüllt, Gesetzesnormen aufzustellen, die auf die Anforderung der Jugend zugeschnitten sind. Das Jugendstrafrecht gilt allgemein für die 14 - 21- Jährigen, kann je nach Reifegrad jedoch ausgeweitet werden. In § 2, Absatz 1, Satz 1 JGG wird ausdrücklich der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts betont.
Im Verfahren gegen jugendliche Straftäter gibt es eine Besonderheit: die Jugendgerichtshilfe (JGH). Die Jugendgerichtshelfer „bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte […] zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind“ (§ 38 Abs. 2 JGG). Sie verfassen schriftliche Stellungnahmen und äußern sich im Gerichtsverfahren auch verbal. Petrow hält fest, dass sich die Jugendgerichtshilfe in einem Spannungsfeld zwischen Jugendhilfe und Justiz befindet (vgl. Petrow 2011: 25). Trenczek beschreibt es ähnlich: „Im Rahmen der JGH geht es also nicht um „Erziehen durch Strafen“ oder „erZiehen statt Strafen“, sondern um die Förderung von Handlungskompetenzen (weder erZiehen noch Strafen) durch die Bereitstellung einer glaubwürdigen Hilfe, d.h. Beratungs-, Beziehungs- und Leistungsangebots, auch und gerade aus dem Anlass eines Strafverfahrens. Jugend(gerichts)hilfe ist Hilfe (insbesondere auch vor Gericht) für den noch in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen.“ (Trenczek 2003: 40). Die Jugendgerichtshilfe ist zudem für die Überwachung und Vermittlung von Arbeitsleistungen zuständig.
Das Jugendstrafrecht sieht verschiedene Konsequenzen vor, die auf eine jugendliche Straftat zu folgen haben. Die Haftstrafe dient als letztes erzieherisches Mittel, nach Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln, die im JGG in den § 9 - 16 erläutert werden. Unter die Zuchtmittel fällt auch der Jugendarrest, der „kurzfristige Freiheitsentzug mit schuldausgleichendem und erzieherischen Charakter“ (Schmitt 1998: 89). Die Jugendstrafe nach § 17 JGG ist die härteste freiheitsentziehende Maßnahme, die das Jugendgerichtsgesetz kennt, der Gesetzestext nennt als Voraussetzung dafür zum einen eine „schändliche Neigung“, zum anderen die „Schwere der Schuld“ (vgl. § 17, Absatz 2 JGG). Das Mindestmaß der Haftstrafe beträgt sechs Monate, sowie höchstens fünf, bzw. zehn Jahre bei schweren Verbrechen. Laut § 21 JGG kann die Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn beispielsweise der jugendliche Straftäter eine positive Sozialprognose aufweisen kann oder sich in Form eines Geständnisses, günstiger schulisch- beruflicher Perspektiven oder positiv veränderter Lebensumstände kooperativ und einsichtig zeigt. Bewährung ist jedoch nur möglich bei Haftstrafen unter zwei Jahren und bisheriger Unauffälligkeit. Ca. 70% aller Jugendstrafen werden zur Bewährung ausgesetzt. Das Gesetz kennt zudem unterschiedliche Vollzugsformen. Neben den Haftstrafen, sprich einem Aufenthalt in einem Jugendgefängnis, gibt es offene Anstalten und sogenannte Freigängerhäuser, sowie Jugendstrafvollzug in freier Form (vgl. Walter 2011: 701).
2.2 Das pädagogische Konzept
Joachim Walter fasst das Ziel des Jugendstrafrechts als „Legalverhalten“ sowie „Legalbewährung“ wie folgt zusammen: „[…] soll der Verurteilte im Jugendstrafvollzug dazu erzogen werden, künftig ein Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu führen. Das Ziel also Legalbewährung; es soll mittels erzieherischer Gestaltung des Jugendstrafvollzugs erreicht werden.“ (Walter 2011: 702). Dabei soll es insbesondere darum gehen, die Jugendlichen zur Verantwortlichkeit zu erziehen und ihnen einen Weg zurück in die Gesellschaft zu ermöglichen, der sogenannte Resozialisierungsgedanke (vgl. §114 NJVollzG). Dies soll zum einen durch Training sozialer Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeit und Entwicklung im Sinne der Entfaltung von Persönlichkeit geschehen, zum anderen geht es um Ausbildung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die eine spätere Integration in die Berufswelt ermöglichen. Dabei müssen, wie Walter es fordert, die besonderen Bedürfnisse des jugendlichen Alters für das Resozialisierungs- und Erziehungskonzept berücksichtig werden.
Zu Beginn der Haftstrafe wird in Kooperation mit Psychologen, Pädagogen und Justizvollzugsbeamten ein individueller Erziehungsplan entwickelt, der das Endergebnis eines Diskussions- und Aushandlungsprozesses mit dem Gefangenen sein soll. U.a. spielt hier die Kooperationsbereitschaft des Jugendlichen eine Rolle, sowie schulische und berufliche Ausgangspositionen und Ziele, ggf. Trainingsprogramme und weiteres. Es gilt folglich, im Sinne des Erziehungs- und Resozialisierungsgedankens, eine positive Ausgangsposition zu erschaffen, die durch soziales Lernen, schulische Bildung und berufliche Ausbildung gewährleistet werden soll (vgl. Walter 2011: 703).
Dazu gibt es in Jugendvollzugsanstalten diverse Angebote, die sich je nach Anstalt in ihrer Ausprägung unterscheiden können. Ziel für jeden Jugendlichen ist der Erwerb einer formellen schulischen Qualifikation - sofern diese zuvor nicht besteht und die Dauer des Haftaufenthalts lang genug ist. Zudem gibt es teilweise die Möglichkeit während der Haftzeit eine berufliche Qualifikation zu erwerben. Neben den bildungsbetreffenden Angeboten stehen Therapieplätze zur Verfügung, genannt seien hier Arbeitstherapien, Drogentherapien oder Antiaggressionstrainings, in denen die Jugendlichen einen sozial verträglichen Umgang mit sich und miteinander erlernen sollen. Sportangebote sowie verschiedene Freizeitaktivitäten wie Kunst-, Musik- oder Literatur-AGs sollen das soziale Lernen, sowie die Entfaltung der Persönlichkeit unterstützen.
Da das Ziel jeder Jugendstrafe zu allererst die Resozialisierung und Integration des Gefangenen in die Gesellschaft ist, wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Vorbereitung der Entlassung, sowie die Nachbereitung gelegt. Wichtig ist, die Nutzbarmachung der persönlichen Ressourcen und erlernten Fähigkeiten zu gewährleisten, sowie eine Wiedereingliederung zu ermöglichen. Dazu gibt es das Arbeitsfeld des Entlassungsmanagements.
2.3 Die Inhaftierten - Aktuelle Zahlen
In Deutschland gibt es mittlerweile rund 40 Strafanstalten, in denen zum Stichtag am 31. März 2008 ca. 6.500 Gefangene inhaftiert waren. Das Durchschnittsalter beträgt 19,2 Jahre, ältere Jugendlichen dominieren folglich bisher, auch wenn Thomas Weipert auf eine Verjüngung hinweist (vgl. Weipert 2003: 23). Die Haftdauer beträgt im Durchschnitt ca. ein Jahr, lediglich 10% der verhängten Haftstrafen betragen zwischen zwei und zehn Jahren. Die häufigsten Delikte sind Diebstahl, oftmals auch in schwerer Form, dicht gefolgt von Körperverletzung, Drogendelinquenz und Raub (vgl. Walter 2011: 701). Weipert weist dazu auf die Zunahme der Gewalt- und Drogendelikte innerhalb der letzten 20 Jahre hin (vgl. Weipert 2003: 25).
Gerade 3% der Inhaftierten haben eine berufliche Ausbildung, ca. 50 % sind in Besitz eines Hauptschulabschlusses. Abgänger der Realschule oder des Gymnasiums sind stark unterpräsent (vgl. Weipert 2003: 24). Die Zahl der jugendlichen Insassen mit einem massiven Drogenproblem nimmt kontinuierlich zu: „Gefängnissozialarbeiter gehen mittlerweile davon aus, dass bei jedem zweiten jungen Inhaftierten eine behandlungsbedürftige Drogenproblematik vorhanden ist, bei jungen Aussiedlern beträgt der Anteil schon 75% (ebd.: 25, siehe auch Preusker 2001: 24).
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