Plastikmüll in den Ozeanen. Gefahren und Lösungsansätze
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Bandalasta und Linga-Longa – Die Geschichte des Plastik
3. Probleme und Gefahren für den Ozean
3.1 Das Problem der Beständigkeit
3.2 Der „Great Pacific Garbage Patch“
3.3 Das Leiden der Tiere
3.4 Mikroplastik
3.5 Plastik verändert die Hormone
4. Lösungsansätze und Gegenmaßnahmen
4.1 Regierung vs Kunststofflobby
4.2 Das Verbot der Plastiktüte
4.3 Der Recycling-Mythos
4.4 Der Cradle-to-Cradle Ansatz
4.5 Biokunststoff – eine Alternative?
4.6 Initiativen durch Nichtregierungsorganisationen
4.6.1 Fishing for litter
4.6.2 The Ocean Cleanup
4.6.3 Sammelaktionen und Strandmonitoring
4.6.4 Weitere Beispiele
4.7 Was kann jeder Einzelne tun?
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
1. Einführung
Montag morgens um 8.15 Uhr klingelt mein Wecker. Ich betätige die Schlummertaste. Das Display meines Smartphones ist mit einer Schutzfolie aus Plastik beklebt. Dann knipse ich das Licht an. Der Schalter ist aus Plastik. Da ich an diesem Morgen an Halsschmerzen leide, nehme ich eine Lutschtablette. Die Blisterverpackung ist aus Plastik. In den ersten fünf Minuten des neuen Tages bin ich also schon dreimal mit Plastik in Berührung gekommen. Ich esse Müsli, das in einer Plastiktüte aufbewahrt wird, aus einer Plastik-Müslischüssel. Der Milchkarton ist auf der Innenseite mit Plastik beschichtet. Der Wasserkocher für meinen Morgentee ist aus Plastik. Ich putze mir die Zähne mit einer Zahnbürste aus Plastik und Zahnpasta aus einer Plastiktube. Unter der Dusche klebt der nasse Duschvorhang aus Plastik an meiner Haut. Das Shampoo befindet sich in einer Plastikverpackung und enthält Mikroplastik. Bevor ich in die Hochschule gehe, fülle ich mir Wasser aus dem Hahn in eine Glasflasche ab. Das ist alles, was ich an meinem Verhalten geändert habe, nachdem wir damals in der elften Klasse im Chemieunterricht den Film „Plastic Planet“ angeschaut haben. Ich verwende seitdem so gut wie keine Plastikflaschen mehr. Aber selbst der Deckel der Glasflasche ist auf der Innenseite zum Zweck der Abdichtung mit Plastik beschichtet. Es ist erschreckend, wie wenig ich mir darüber bewusst bin, wie sehr mein Alltag von Plastik bestimmt wird. Das Schlimme ist, dass ich mit meinem Verhalten nicht nur mir selbst schade, sondern vor allem auch der Natur und damit dem Ökosystem Ozean. Während man bis in die 70er Jahren und darüber hinaus noch davon ausging, dass der Ozean eine grenzenlose Aufnahmekapazität für jegliche Abfälle bereitstellt und der Mensch auf ein solch großes Ökosystem niemals Einfluss nehmen könne (vgl. Coe / Rogers, 1997), sind wir heute mit den dramatischen Auswirkungen und damit schier unlösbaren Problemen konfrontiert, die unsere moderne Konsum- und Wegwerfgesellschaft zur Folge haben. Auch ich bin Teil dieser Gesellschaft. In dieser Hausarbeit möchte ich mich neben den Gefahren des Plastikkonsums und des damit entstehenden Plastikmülls vor allem mit den Lösungsansätzen und Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung der Problematik beschäftigen. Regierungen und verschiedene Organisationen suchen händeringend nach Möglichkeiten, die Gefahr einzudämmen. Aber dürfen wir uns bei der Bewältigung der Gefahr des Plastikmülls in den Ozeanen auf das Handeln der Regierung und das Engagement der NGOs verlassen?
Im ersten Teil der Hausarbeit beschäftige ich mich mit der Geschichte des Plastik, um zu veranschaulichen, wie schnell sich die revolutionäre Erfindung des Materials entwickelt und ausgebreitet hat. Im Anschluss daran gehe ich auf die ungeahnten Folgen des Plastikkonsums ein und kläre, warum diese eine der größten Gefahren für das Ökosystem Ozean und damit auch für die Menschheit darstellt. Im Hauptteil der Hausarbeit widme ich mich den Gegenmaßnahmen und Lösungsansätzen der Regierung und der NGOs. Auf der Suche nach Antworten stieß ich immer wieder auf Lücken in der wissenschaftlichen Fachliteratur. Vor allem bei der Recherche über die Arbeit der NGOs musste ich mich primär auf die Selbstdarstellungen auf den jeweiligen Homepages und die von den NGOs durchgeführten Studien und deren Reporte stützen. Außerdem kommt die unübersichtliche Datenlage erschwerend hinzu. Verschiedene Quellen geben verschiedene Daten an, wie beispielsweise bezüglich der tatsächlichen Menge Plastikmüll, die sich bereits im Ozean befindet. Dies kann nur ein Hinweis dafür sein, dass im Grunde keiner über das tatsächliche Ausmaß der Verschmutzung Bescheid weiß. Es wird lediglich spekuliert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung bestätigt: „Verlässliche Daten zur Menge, geographischen Verbreitung und den Auswirkungen von Plastikteilchen in den Ozeanen fehlen, international einheitliche Standards in den Messmethoden existieren nicht“ (BMBF, 2015, S.6). Schließlich will ich darauf eingehen, welche Verantwortung jeder Einzelne - vor allem in Hinblick auf das Konsumverhalten - für die Problematik trägt und was jeder zur Eindämmung des Problems beitragen kann. Gerade als angehende Lehrerin stehe ich gegenüber meinen Schülerinnen und Schülern in einer dringenden Aufklärungspflicht. Auch damit möchte ich mich abschließend beschäftigen.
2. Bandalasta und Linga-Longa – Die Geschichte des Plastik
Es fällt schwer, sich das Leben der Menschen vor der Erfindung des Plastik vorzustellen. Haushaltsgegenstände waren teuer, da sie aufwändig aus Holz oder Metall gefertigt werden mussten. Nahrungsmittel hielten sich ohne luftdichte Plastikverpackung nicht sehr lange und Glas- und Keramikware zersprang bei unvorsichtigem Umgang schnell in viele Scherben.
Nach mehreren Jahren intensiver Forschung und Laborarbeit gelingt es Leo Hendricus Arthur Baekeland im Jahre 1907 schließlich, den ersten vollsynthetischen Kunststoff industriell herzustellen. „Bakelit“ wird der neue „Wunderstoff“ (Pretting / Boote, 2010, S.14) genannt, angelehnt an den Namen seines Erfinders. Phenol und Formaldehyd sind die chemischen Basisstoffe, aus denen schließlich die synthetischen Harze, das „Bakelit“, gewonnen werden (vgl. Caseri, 2007). Ob Baekeland sich damals schon über die spektakulären Auswirkungen seines Wunderstoffes bewusst war, ist fraglich. Mit seiner Erfindung setzt er jedenfalls den Grundstein für ein völlig neues Zeitalter. „Willkommen im Plastikzeitalter“ heißt es provokant auf der Website des Filmes „Plastic-Planet“ (Plastic Planet, o.J.). Leicht, flexibel, robust und vor allem erschwinglich für jedermann erobert der neue Wunderstoff schnell den Haushalt und verdrängt Alltagsgegenstände, die zuvor aus anderen Materialien gefertigt wurden. „Bandalasta“ und „Linga-Longa“ heißen die modernen Haushaltsutensilien, um den Verbrauchern die Scheu vor dem neuen Material zu nehmen. Schnell finden die Produkte vor allem durch ihre völlig neue Farbgebung und ihre moderne Form großen Anklang (vgl. Pretting / Boote, 2010). Der Kunststoffsektor bemüht sich stets um die Weiterentwicklung der Kunststoffe, sodass bereits 1940 der Kunststoff „Polyethylen“ den Markt erobert und zwar unter anderem in Form der bis heute beliebten „Tupperware“ (vgl. Pretting / Boote, 2010). Es kommt zur regelrechten Hysterie um die wasser- und luftdicht verschließbaren Gefäße. Bis heute finden Dank genialem Vertriebssystem regelmäßig „Tupperpartys“ in privaten Haushalten statt (vgl. Erken, 2016). Die Begeisterung für die „Tupperware“ ist kaum zu bremsen und hält sich laut Angaben des Unternehmens seit letztem Jahr auf Rekordniveau (vgl. Tupperware Deutschland GmbH, 2016). In den 40er Jahren, also etwa um die gleiche Zeit, lösen auch die berühmten „Nylon-Strümpfe“ einen ähnlich ungeahnten Hype aus (vgl. Pretting / Boote, 2010). Mit der Einführung der Frisbee-Scheibe und des Hula Hoop Reifens aus Polyethylen Ende der 50er Jahre, erobert Plastik schließlich auch das Kinderzimmer und setzt sich als unverzichtbares Freizeitutensil durch (vgl. Moore, 2011). Plastik ist das Symbol der Zukunft. Schiffskapitän und Ozeanograph Charles Moore spricht in seinem Buch „Plastic Ocean“ vom Wegbereiter des „Tomorrowland“ (Moore, 2011, S. 40). Gesellschaftliche Umbrüche gehen vor allem auch mit der Einführung des Selbstbedienungsprinzips in neuen Supermärkten einher. Nahrungsmittel können nun hygienisch und luftdicht in Plastikfolie eingeschweißt werden und ermöglichen so das Zugreifen durch den Kunden selbst (vgl. Pretting / Boote, 2010). Glasflaschen werden in den 60er Jahren nach und nach durch leichtere Polyethylenterephthalat-Flaschen, kurz PET-Flaschen, ersetzt. In Deutschland stehen heute die PET-Flaschen mit einem Anteil von 75% den schweren, unpraktischen Glasflaschen entgegen (ebd.). Nach und nach wird die Gesellschaft, die damals noch teuere, hochwertige Produkte wertschätzte und eine Reparatur lohnend und selbstverständlich war, vor allem von den Kunststoffindustrien zur „Wegwerfgesellschaft“ umerzogen (ebd.). „Den natürlichen Impuls, Dinge zu achten und sie mehr als einmal zu verwenden, galt es auszuschalten“ (Pretting / Boote, 2010, S. 25). Bereits im Jahre 1966 wurde insgesamt eine unglaubliche Summe von 1,3 Millionen Tonnen Verpackungsmüll aus Plastik produziert (vgl. Pretting / Boote, 2010). 2014 sind es allein in Deutschland schon 2,9 Millionen Tonnen (vgl. Umwelt Bundesamt, 2016). „Die Menge an Kunststoff, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht bereits aus, um unseren gesamten Erdball sechs Mal mit Plastikfolie einzupacken“ (Plastic Planet, o.J.). 1988 kann die Kunststoffindustrie bereits eine höhere Wachstumsrate als die Glas-, Papier-, und Metallindustrie aufweisen. Zu diesem Zeitpunkt war es auch noch völlig legal, den Plastikmüll im Meer zu entsorgen (vgl. Moore, 2011). Weltweit wird jedes Jahr eine Unmenge von über 200 Millionen Tonnen Kunststoff produziert (vgl. Latif, 2014). 2014 wurde sogar erstmals die 300 Millionen Tonnen-Grenze geknackt (vgl. Habel / Steinecke, 2016). Das sind etwa 15 Millionen Tonnen mehr als der jährliche Bedarf an Fleisch. Während Fleisch jedoch nach dem Verzehr verdaut wird, bleibt das Plastik der Erde noch mehrere Jahrhunderte erhalten (vgl. Moore, 2011).
3. Probleme und Gefahren für den Ozean
Insgesamt gelangt jedes Jahr eine Menge von mehr als 6,4 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane (vgl. NABU, 2010). Andere Quellen gehen sogar von bis zu 12,7 Millionen Tonnen aus (vgl. Habel / Steinecke, 2016). Es scheinen also keine genauen und verlässlichen Daten über die Menge an Müll im Ozean zu existieren. Es wird lediglich geschätzt und spekuliert. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch weitaus höher. Eine Studie der NGO „The Ocean Cleanup“ (2017c) belegt, dass wir bisher die Menge an Plastik, die im Ozean schwimmt, sogar unterschätzt haben (siehe 4.6.2). 20.000 Tonnen Plastikmüll werden nach Angaben des NABU (2010) jedes Jahr allein in die Nordsee eingetragen, wo sich bereits 600.000 Tonnen Plastikmüll als „Bodenbelag“ befinden (vgl. Pretting / Boote, 2010). Damit stellt der Plastikmüll, unter anderem neben der Erwärmung und der Übersäuerung der Ozeane, eines der „seven marine issues“ dar, die im Bericht über die Zukunft der Ozeane beschrieben werden (vgl. Williamson / Smythe-Wright / Burkill, 2016).
3.1 Das Problem der Beständigkeit
Das Beunruhigende in Anbetracht der riesigen Mengen an Plastikmüll, die jede Sekunde produziert werden, ist die lange Dauer des natürlichen Zersetzungsprozesses der Kunststoffe. Während Papierhandtücher oder Zeitungen innerhalb weniger Wochen verrotten, bestehen Plastiktüten, die vor 20 Jahren in die Umwelt gerieten auch heute noch irgendwo. Plastikflaschen existieren auch nach 450 Jahren noch, Textilien aus Polyester nach 500 Jahren (vgl. Salden, 2017), Angelschnüre und Fischernetze sogar noch nach 600 Jahren, wenn auch nur noch in Form kleiner Kunststoffpartikelchen (vgl. maribus gGmbH, 2010). Selbst an den entlegendsten Stellen, wie etwa der Arktis, auf unbewohnten Südseeinseln und sogar in der Tiefsee, können heute die Spuren unserer Konsumgesellschaft in Form von Plastikteilen nachgewiesen werden (vgl. Latif, 2014). Ins Meer gelangt das Plastik zum größten Teil über Flüsse oder wird auf Schiffen oder in der Offshore-Industrie über Bord geworfen (vgl. Detloff, 2012). Vor etwa 27 Jahren verlor ein Frachtschiff südlich von Alaska eine Ladung von fünf Containern mit insgesamt 61.000 Turnschuhen, die bis heute regelmäßig an die Strände Alaskas gespült werden (vgl. Pretting / Boote, 2010). Viele Touristen hinterlassen ihren Müll achtlos am Strand (ebd.) und auch durch unsachgemäße Absicherung von Mülldeponien (vgl. Detloff, 2016) gelangen die Kunststoffe in die Umwelt. Naturereignisse wie Tsunamis oder Hurrikans schwemmen immer wieder gewaltige Mengen an Plastik vom Festland in die Ozeane (vgl. Moore, 2011). Aktuelle Studien ergaben, dass bereits ihm Jahr 2050, am Gewicht gemessen, mehr Plastik als Fische in den Ozeanen schwimmen wird (vgl. Eriksen / Prindiville / Thorpe, o.J.). Das Plastik in den Ozeanen wird also auch noch für viele nachkommende Generationen ein großes Problem darstellen.
3.2 Der „Great Pacific Garbage Patch“
Die Meeresströmungen begünstigen, dass sich der Plastikmüll immer weiter in den Ozeanen ausbreitet und sich schließlich in riesigen Spiralen sammelt, die auf und unter der Oberfläche der Ozeane rotieren (vgl. Pretting / Boote, 2010). Es handelt sich also längst nicht mehr nur um ein regionales, sondern um ein globales Problem (vgl. Henninger / Kaiser, 2016). Charles Moore, ein US-amerikanischer Schiffskapitän und Autor des Buches „Plastic Ocean“, gilt als Entdecker des heute sogenannten „Great Pacific Garbage Patch“, der weltweit größte Müllstrudel im Subtropenwirbel des Nordpazifiks zwischen Kalifornien und Hawaii (vgl. Latif, 2014). Im Zentrum dieses Wirbels sammelt sich immer mehr Müll an, sodass schätzungsweise von einer Fläche der Größe Mitteleuropas auszugehen ist, auf der sich bis zu 100 Millionen Tonnen Plastikmüll im Uhrzeigersinn drehen (ebd.). Pro Quadratkilometer wurde von Wissenschaftlern eine Menge von knapp einer Million Plastikteile nachgewiesen (vgl. maribus gGmbH, 2010). Was wir auf der Oberfläche sehen können, ist jedoch lediglich die „Spitze des Müllbergs“ (Detloff, 2016, S.53), ca. 70% des Mülls ist gesunken und sammelt sich auf dem Meeresboden an und weitere 15% werden an Land gespült (vgl. Detloff, 2016). Mittels Satellitenaufzeichnungen und zahlreichen Untersuchungen lassen sich weltweit insgesamt fünf derartiger Müllstrudel in den Weltmeeren feststellen. Außerhalb der Müllstrudel erreichen vor allem Hafengewässer und viel befahrene Wasserstraßen Spitzenwerte in der Verschmutzung durch Plastik (vgl. Habel / Steinecke, 2016).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Screenshot einer Computerimulation der NASA, welche die Müllansammlung in den Ozeanen darstellt.
3.3 Das Leiden der Tiere
Wale, Seevögel, Meeresschildkröten, Fische und andere Meeresbewohner verwechseln die Plastikteile mit Futter. Im Magen der Tiere richtet das Plastik Schäden im Gewebe an und kann nicht verdaut werden. Die Tiere verhungern aufgrund des permanenten Sättigungsgefühls oder sterben an den Folgen innerer Verletzungen (vgl. Detloff, 2012). Die NGO Ocean Conservancy (2016b) befürchtet, dass bereits 2050 in den Mägen von bis zu 95% aller Seevögel Plastik nachzuweisen sein wird. Die Magensäure der Tiere begünstigt, dass sich giftige Zusatzstoffe aus dem Plastik herauslösen (vgl. Habel / Steinecke, 2016), was sich beispielsweise negativ auf den Hormonhaushalt der Tiere auswirken kann (siehe 3.5). Eine Studie des niederländischen Forschungsinstituts Alterra, bei der man 600 verendete Eissturmvögel untersuchte, die an den Küsten der Nordsee angeschwemmt wurden, ergab, dass die Tiere in 95% der Fälle unverdauliche Plastikteile zu sich genommen hatten. Dies führte zu Darmverschlüssen und der Abgabe von Giftstoffen an den Körper (vgl. Shafy, 2008). 2012 untersuchte eine spanische Forschungsgemeinschaft einen 4,5 Tonnen schweren, toten Pottwal an der Küste Andalusiens. In seinem Magen fand man unter anderem Abdeckfolie, Gartenschläuche, Plastiktüten, Kleiderbügel und Teile einer Matratze. Insgesamt betrug der Mageninhalt aus Plastik knapp 18 Kilogramm (vgl. Latif, 2014). Delfine, Haie und andere Meeresbewohner verfangen sich zudem in sogenannten „Geisternetzen“, die von Schiffen verloren wurden und seitdem im Ozean treiben (vgl. Detloff, 2016). Laut Angaben des Umwelt Bundesamtes (2013) sind mindestens 136 marine Tierarten bekannt, die direkt durch das Fressen oder Verstricken in den Müllteilen gefährdet sind. Eine weitere Bedrohung des marinen Ökosystems, und damit der Tierwelt, besteht aus „invasiven Organismen“ (Umwelt Bundesamt, 2013, S. 2), die sich auf den Plastikteilen niederlassen und so in kurzer Zeit in fremde Lebensräume transportiert werden, wo sie sich ungehindert ausbreiten und heimische Arten vertreiben können. So wurden beispielsweise Entenmuscheln, die eigentlich in wärmeren Atlantikregionen beheimatet sind, plötzlich an die dänische Nordseeküste angespült. Die Entenmuscheln hatten sich auf im Ozean treibende Kunststofftauen angesiedelt und konnten so in fremde Lebensräume eindringen (vgl. Habel / Steinecke, 2016). Forschern bereitet jedoch eine „unsichtbare Gefahr“ (Habel / Steinecke, 2016, S. 31), das sogenannte „Mikroplastik“, noch weitaus größere Sorgen.
3.4 Mikroplastik
Am Strand oder im Meer wird der Plastikmüll mit der Zeit in immer kleinere Stücke zerlegt. Dies kann entweder auf chemische Weise, wie durch die UV-Einstrahlung und die Einwirkung des Salzes, oder auf mechanische Weise beim Aneinanderreiben der Plastikteile durch die Wellenbewegungen, vonstatten gehen. Diese Plastikteilchen werden als sekundäres Mikroplastik bezeichnet. Bei den Zerkleinerungsprozessen lösen sich die giftigen Weichmacher (siehe 3.5), die dem Kunststoff bei der Produktion beigemischt wurden, aus dem Material heraus (vgl. Habel / Steinecke, 2016). Primäres Mikroplastik dagegen gerät beispielsweise durch Transportverluste winzig kleiner, sogenannter Produktionspellets in die Ozeane. Diese Pellets bilden den Industriegrundstoff der Kunststoffproduktion (ebd.). Laut dem Biologen Richard Thompson besteht allein der Sand an Stränden der englischen Küste aus bis zu 10% dieser Pellets (vgl. Shafy, 2008). Weiter eingetragen wird das Mikroplastik durch die Verwendung von Kosmetikartikeln, die meistens kleinste, abschabend und schmirgelnd wirkende Plastikpartikelchen, sogenannte „Mikrobeads“ (vgl. Habel / Steinecke, 2016) enthalten, so wie auch das von mir in der Einführung erwähnte Haarshampoo oder diverse Hautpeelings und Zahnpasten (vgl. Umwelt Bundesamt, 2013). Laut Angaben der Nichtregierungsorganisation Greenpeace (2014) bestehen manche Kosmetikprodukte bis zu 10% aus Mikroplastik. 60% aller produzierten Kleidungsstücke bestehen inzwischen aus Polyester (vgl. Salden, 2017). Von diesen Kleidungsstücken lösen sich bei jedem Waschgang bis zu 2000 Kunstfasern (vgl. Umwelt Bundesamt, 2013). Kläranlagen können die kleinen Partikel nur unzureichend aus dem Abwasser herausfiltern, sodass sie früher oder später in das Meer gespült werden (vgl. Detloff, 2016). Mikroplastik bereitet Wissenschaftlern und Meeresbiologen auch deshalb große Sorgen, da die kleinen Plastikpartikel zahllose Giftstoffe binden, wie beispielsweise DDT, ein krebserregendes Insektizid. Diese Stoffe steigen von unten durch das Plankton und andere Mikroorganismen, welches das Mikroplastik mit Nahrung verwechseln, in die Nahrungskette auf (vgl. Pretting / Boote, 2010). Für Forscher ist es eine große zeitliche und finanzielle Herausforderung, die Menge und Herkunft des Mikroplastik zu erfassen, da sich aufgrund der kaum sichtbaren Größe der Mikroplastikpartikel die bisher gesammelten Daten zu Plastikmüll in den Ozeanen vor allem auf die Plastikteile ab 1 cm Größe beziehen. Eine „einheitliche und validierte Extraktions- und Identifizierungsmethode“ (Habel / Steinecke, 2016, S. 28-29) konnte bisher noch nicht entwickelt werden. Die Eintragspfade sind unüberschaubar und machen einen Rückschluss auf die Quellen des Mikroplastik fast unmöglich (vgl. Habel / Steinecke, 2016). Im Bereich des Great Pacific Garbage Patch schwimmt heute nach Einschätzungen Charles Moores bereits sechzig mal so viel Mikroplastik wie Plankton (vgl. Pretting / Boote, 2010). In einem Liter Wasser befinden sich je nach Region also bis zu 1800 Plastikteilchen (vgl. Henninger / Kaiser, 2016). Das Mikroplastik konnte von Wissenschaftlern bereits im Gewebe von Miesmuscheln, aber auch in Hummern und Nordseefischen nachgewiesen werden. Letztendlich landen diese Giftstoffe durch den Verzehr dieser Tiere wieder auf unseren Tellern (vgl. Latif, 2014).
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