Königin Kristina von Schweden wurde bei ihrer Geburt zunächst fälschlicherweise für einen Jungen gehalten. Und auch die Erziehung, die sie in ihren jungen Jahren erfuhr, war nicht die eines Mädchens, sondern eine, die einen Kronprinzen hervorbringen und sie auf den Thron vorbereiten sollte.
Diese Arbeit soll näher auf die Umstände von Kristinas Geburt und ihrer Erziehung eingehen, sie anhand einer Selbstdarstellung und Forschungsliteratur erläutern und diskutieren. Da ihr Vater Gustav Adolf II. von Schweden im Jahr 1632 fiel, musste die 5-jährige Kristina früh den Thron besteigen, jedoch herrschte zunächst eine Vormundschaftsregierung unter dem Reichskanzler Axel Oxenstierna. Erst 1644 übernahm Kristina im Alter von 18 Jahren die Regentschaft. Diese Arbeit wird sich hauptsächlich auf den Zeitraum vor 1644 konzentrieren, mit besonderem Augenmerk auf die außergewöhnlichen Umstände ihrer Geburt und die Erziehung, die Kristina erfuhr.
Es soll untersucht werden, wie es dazu kommen konnte, dass Kristina bei ihrer Geburt für einen Jungen gehalten wurde, wie der Einfluss ihrer Mutter (und der ihres Vaters, solange er noch lebte) sich auf ihre Erziehung auswirkten und wie stark die Selbstdarstellung Kristinas von den Darstellungen in der Forschung und der somit anzunehmenden/rekonstruierten Realität abweichen. Dabei ist es Ziel, ein objektives Bild von Kristinas Kindheit und Erziehung herauszustellen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Königin Kristina - kurzer Überblick
Die Umstände von Kristinas Geburt
Selbstdarstellung
Darstellung in der Literatur
Einschätzung der Selbstdarstellung
Darstellung der Kindheit und Erziehung
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Königin Kristina von Schweden wurde bei ihrer Geburt zunächst fälschlicherweise für einen Jungen gehalten. Und auch die Erziehung, die sie in ihren jungen Jahren erfuhr, war nicht die eines Mädchens sondern eine, die einen Kronprinzen hervorbringen und sie auf den Thron vorbereiten sollte.
Diese Arbeit soll näher auf die Umstände von Kristinas Geburt und ihrer Erziehung eingehen, sie anhand einer Selbstdarstellung und Forschungsliteratur erläutern und diskutieren.
Da ihr Vater Gustav Adolf II. von Schweden im Jahr 1632 fiel, musste die 5-Jähri-ge Kristina früh den Thron besteigen, jedoch herrschte zunächst eine Vormundschaftsregierung unter dem Reichskanzler Axel Oxenstierna. Erst 1644 übernahm Kristina im Alter von 18 Jahren die Regentschaft.
Diese Arbeit wird sich hauptsächlich auf den Zeitraum vor 1644 konzentrieren, mit besonderem Augenmerk auf die außergewöhnlichen Umstände ihrer Geburt und die Erziehung, die Kristina erfuhr.
Es soll untersucht werden, wie es dazu kommen konnte, dass Kristina bei ihrerGeburt für einen Jungen gehalten wurde, wie der Einfluss ihrer Mutter (und derihres Vaters, solange er noch lebte) sich auf ihre Erziehung auswirkten und wiestark die Selbstdarstellung Kristinas von den Darstellungen in der Forschung undder somit anzunehmenden/rekonstruierten Realität abweichen. Dabei ist es Ziel,ein objektives Bild von Kristinas Kindheit und Erziehung herauszustellen.
Königin Kristina - kurzer Überblick
Kristina wurde im Jahr 1626 in eine Männerwelt geboren, in der Frauen nur wenig öffentliche Macht eingeräumt wurde. Schon früh verliert sie ihren Vater Gustav Adolf an den 30-jährigen Krieg, der von 1618 bis 1948 herrschte und litt anschließend unter ihrer exzentrischen Mutter.
Viele Schmähschriften wurden über Kristina verfasst und sie selbst schrieb fastromanhafte Autobiographien, die bis heute noch Einfluss auf die allgemeine Mei-nung über sie haben1. Stolpe beschreibt Kristina als etwas Besonderes, sie wäre nicht vergleichbar mit einer anderen Fürstengestalt der Geschichte. Im Alter von sechs Jahren hat die geschwisterlose Königstochter ihren Vater ver-loren und wurde früh von ihrer hysterischen Mutter getrennt, wurde politisch undliterarisch geschult. Im eigenen Land herrschte wohl ein eher romantisierenderBlick der loyalen Bauern, Bürger und Adligen auf sie, Kristina scheint auch unge-wöhnlich zu sein. Sie erscheint häufig stark belesen, intellektuell, ja fast hochbe-gabt. Geprägt wird ein solches Bild vor allem von Kristinas Selbstdarstellungen,in denen sie sich meist als sehr wissbegierig, schnell auffassend und begabt dar-stellt.
Im Ausland jedoch war ihr Ruf vor allem in späteren Jahren vielmehr der einer treulosen, hochmütigen und falschen Frau, ihr wurden mehrere Liebschaften nicht nur mit Männern nachgesagt. Es wurden gefälschte (Liebes-)Briefe, Bücher und Lügengeschichten verbreitet, unter anderem darüber, dass sie einen angeblichen Liebhaber habe hinrichten lassen, um einem neuen Platz zu machen. Dies alles stärkte ihren Ruf als schamlose und halb verrückte Mörderin.
Doch ist Kristina auch als Liebhaberin der Kunst, Literatur und Philosophie bekannt, sie stand im Briefwechsel mit dem französischen Philosophen René Descartes, sammelte Kunstwerke und war an Kulturellem interessiert.
In dieser Arbeit soll es nun vor allem um Kristinas frühe Jahre gehen, um die Zeit vor ihrem Antritt zur offiziellen Regentin Schwedens im Jahr 1644. Hierzu sollen zunächst die Umstände von Kristinas Geburt erläutert werden.
Die Umstände von Kristinas Geburt
Kristinas Mutter Maria Eleonora, die ursprünglich aus Brandenburg stammt, wirdals missgünstige Frau beschrieben, die sich im kalten Schweden nie wirklichwohlfühlte. 1621 hatte sie eine Totgeburt, von der sie sich nur langsam erholteund als sie zwei Jahre später eine Tochter zur Welt bringt, die noch vor ihrem ers-ten Geburtstag stirbt, werden bei Maria Eleonora unglückliche Erinnerungen anihre drei jüngeren Geschwister wach, die alle in ihren ersten 12 Monaten starben.
Maria Eleonora fühlt sich sehr einsam in Schweden: Ihre Mutter und ihre Schwes-ter sind wieder nach Brandenburg gereist, ihre Tochter ist tot und ihr Mann, der
1964. S. 13.
König Schwedens, ist viel beschäftigt und oft unterwegs.
Und Maria Eleonoras Unglück nimmt kein Ende: 1625 stirbt ihr jüngerer Brüdermit 21 Jahren. Bald darauf ist sie wieder schwanger, doch ihre Mutter stirbt undMaria Eleonora liegt wochenlang im Bett, bis sie einen toten Sohn zur Weltbringt.
Mit den inzwischen fünf Ehejahren, drei Totgeburten und dem Gedanken, dass sieihrem Mann immer noch keinen Erben schenken konnte, wird Maria Eleonora im-mer exzentrischer und melancholischer, sie kränkelt, hat Stimmungsschwankun-gen und lebt verschwenderisch. Sie selbst sieht ihr Leiden vor allem darin, dassihr Gatte nur selten da ist und sie ihn vermisst2. Ihre Situation wird dadurch er-schwert, dass Gustav Adolf einen unehelichen Sohn zeugen konnte, der vollkom-men gesund ist.
1626 wird Maria Eleonora wieder schwanger, diesmal werden Sicherheitsvorkeh-rungen getroffen, die eine gesunde Geburt ermöglichen sollen. Nach einer lang-wierigen, schweren Geburt bringt sie ein sehr gesundes Baby zur Welt. Es wirdmit einer Glückshaube3 geboren, ist am ganzen Körper behaart und schreit mit ei-ner tiefen und starken Stimme, sodass die Geburtshelferinnen es für einen Jungenhalten. Als der König dann erfährt, dass es sich bei dem Baby doch um ein Mäd-chen handelt, solle er keine Enttäuschung gezeigt haben und sich gewünscht ha-ben, dass seine Tochter ihm genauso lieb werde wie ein Junge.
Stolpe vermutet hinter der Geschlechtsverwechslung ein uneindeutiges Geschlechtdes Babys und geht davon aus, dass es sich um einen Pseudo-Zwitter oder einenPseudo-Hermaphrodit handele4. Auch Buckley vermutet, dass das Baby wohl miteiner Art genitaler Fehlbildung geboren wurde, vielleicht sogar intersexuell war5.
Die Geschichte, dass Gustav Adolf ebenso zufrieden mit der Geburt einer Tochterwar, wie er mit der eines Sohnes gewesen wäre, ist nach Buckley jedoch KristinasFeder entsprungen, da sie diese wohl häufig von ihrer Tante und Mutter gehörthabe. In Wirklichkeit soll es nach Buckley wohl vielmehr so gewesen sein, dassGustav Adolf die Weiterführung des Vasa-Geschlechts infrage gestellt hat und sei- ne Gelassenheit von eine Fieber herrührte6. Festzuhalten bleibt, dass Kristina schon bei ihrer Geburt für Aufsehen sorgte.
Nach ihren drei Totgeburten und der letzten, sehr schweren Geburt ist Maria Eleonora noch enttäuschter darüber, dass sie ihrem Gatten keinen Thronfolger schenken konnte. Sie lehnt ihre Tochter grundweg ab und fällt in einen Zustand tiefer geistiger Umnachtung7.
Dass Kristinas Geschlecht bei ihrer Geburt nicht ganz klar bestimmt werden konnte, ist bezeichnend für ihr weiteres Leben: Sie wird wie ein männlicher Thronfolger erzogen, weist männliche Charaktereigenschaften auf und lehnt grundsätzlich alle weiblichen Eigenschaften ab.
Selbstdarstellung
In ihrer Selbstbiographie schreibt Kristina, dass sie sehr schnelle Fortschritte inihren Studien macht und ihr Alter und Geschlecht übertrifft. Wie ihr Vater ange-wiesen hat, genießt sie eine gänzlich männliche Erziehung, ihr sollen außer Ehr-barkeit und Bescheidenheit keinerlei andere weibliche Eigenschaften anerzogenwerden. Sie wird in allen Tugenden und Kenntnissen eines Prinzen unterrichtet,was sehr gut mit Kristinas Abneigung gegenüber allem Weiblichen einhergeht.
Kristina beschreibt sich ungeschickt in allen weiblichen Handarbeiten und Be-schäftigungen, es sei unmöglich sie darin zu verbessern, jedoch zeige sie beim Er-lernen von Sprachen, Wissenschaften und Übungen eine außergewöhnliche Leich-tigkeit. Sie sei eine sehr selbständige Lernerin, vor allem was Sprachen betrifft,ritterliche Leibesübungen beherrsche sie gut, auch wenn sie diese nur in geringemUmfang gelernt habe. Auch im Umgang mit Waffen stelle sie sich sehr geschicktan, obwohl sie es nie erlernt habe.
Kristinas körperliche Eigenschaften seien hervorragend, sie benötige wenig Schlaf und selbst bei langen Ritten ermüdet sie nicht. Sie studiere mit Leidenschaft, liebe Jagd, Musik und Spiel, aber lasse sich durch ihre Vorlieben nie von ihren Studien und ihrer Pflicht abbringen.
Vom Reichskanzler Axel Oxenstierna bekommt Kristina täglich mehrere Stunden Politikunterricht, sie ist sehr begierig beim Lernen und strebt danach, großes (politisches) Können zu verstehen.
Ihr Hauslehrer Johan Matthiae habe großes Vergnügen Kristina zu unterrichten: Kristina sei in allen Disziplinen gleich gut, erfasse alles ohne Mühe und erkläre Matthiae Dinge, die er selbst nicht verstünde.
Insgesamt beschreibt sich Kristina als herausragende Schülerin, die alles Weibli-che ablehnt und die meisten in sowohl körperlicher als auch geistiger Ertüchti-gung übertreffe. Sie schreibt jedoch auch, dass ihre besonderen Fähigkeiten gott-gegeben seien und sie ihnen zum Trotze auch Fehler habe, wie ihre Skepsis, ihrMisstrauen. Sie beschreibt sich als ungestüm, aufbrausend, arrogant, ungeduldigusw.8.
Darstellung in der Literatur
Einschätzung der Selbstdarstellung
Bisher wurde Kristinas Selbstbiographie häufig als verlässliche Quelle zitiert9,Stolpe stellt diese infrage10. Es ist nicht nur, dass Kristina sachliche Fehler unter-laufen sein können, sondern auch, dass sie mit ihre Selbstdarstellung bestimmteSachverhalte schönfärben und sich selbst in einem guten Licht darstellen wollte.
Ein genaues Entstehungsdatum ist laut Stolpe schwer auszumachen, aus vorhan-denen Briefen und Schriften lässt sich jedoch ausmachen, dass sie bald nach ihrerAnkunft in Rom 1655 mit dem Schreiben angefangen haben mag11, dabei jedochauf Sprachprobleme mit dem Italienischen gestoßen sei und deswegen das Ge-schriebene verbrannt habe. Stolpe geht davon aus, dass Kristina auch in ihrer ein-samen und unglücklichen Zeit in Hamburg um 1668 bereits an ihrer Biographiegearbeitet habe. Er geht davon aus, dass sie bei Beginn der Arbeit nicht älter als 32 Jahre alt war und stuft die Darstellungen unter Vorbehalten und aufgrund vonKristinas vermutlich guten Gedächtnisses als weitestgehend richtig und realitäts-nah ein.
[...]
1 Vgl. Stolpe, Sven: Königin Christine von Schweden. Josef Knecht Verlag. Frankfurt am Main
2 Buckley, Vernoica: Christina Königin von Schweden. Das rastlose Leben einer europäischen Exzentrikerin. Eichborn Verlag. Frankfurt am Main: 2005. S. 34.
3 Als Glückshaube wird die Fruchtblase bezeichnet, die manchmal das Baby bei der Geburt meist teilweise noch bedeckt.
4 Stolpe S. 59.
5 Buckley S. 40.
6 Buckley S. 38.
7 Vgl. Ebd. S. 38.
8 Vgl. Rystad, Göran/Sallnäs, Birger: Dokument och Ögonvittnen 1. Gleerup. Lund: 1970. S. 162-167.
9 Vgl. hierzu Ausführungen von Stolpe S. 21-30.
10 Stolpe S. 56.
11 Ebd. S. 56.