Die Siedlungsentwicklung im Kreis Paderborn. Von der sächsischen Landnahme bis zur Nachkriegszeit
Zusammenfassung
Zur Aufarbeitung und Veranschaulichung der einzelnen Themenpunkte habe ich für meine Hausarbeit das Thema „Die Siedlungsentwicklung im Kreis Paderborn“ ausgewählt.
Nach Durchsicht einiger interessanter Quellen stand fest, dass man zu jeder einzelnen Geschichtsepoche eine umfangreiche Arbeit hätte liefern können. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich im Wesentlichen auf den Zeitraum von der sächsischen Landnahme bis zur Nachkriegszeit. Nachkriegszeit sei hierbei als die Zeit des Wiederaufbaus und der Zukunftspläne und Gestaltungsmaßnahmen der folgenden Jahrzehnte definiert.
Aktuelle Gegebenheiten und Entwicklungen sind stellenweise selbstverständlich auch erwähnt, allerdings wurde die aktuelle Stadtentwicklung bei dieser Arbeit weitestgehend außer Acht gelassen. Sie ist durchaus sehr wichtig und interessant, zumal die neuere Stadtentwicklung - vor allem hinsichtlich Verkehr, Wirtschaft und Ökologie – eine große Rolle im aktuellen Tagesgeschehen spielt und in der öffentlichen Diskussion präsent ist, doch würde sie den Umfang dieser Arbeit sprengen.
Nebenbei sei erwähnt, dass ich ursprünglich nicht aus Paderborn komme (sondern aus Eltville im Rheingau) und erst seit September 2004 dort wohne – somit war es auch eine persönliche Herausforderung für mich, meine neue „Heimat“ auf diese Weise kennenzulernen und mehr über sie zu erfahren !
Die Siedlungsgeschichte des Kreises Paderborn geht genau genommen bis in die Mittelsteinzeit zurück - von der Jungsteinzeit bis zur älteren Eisenzeit bestehen die archäologischen Quellen allerdings überwiegend „nur“ aus Grabfunden (Steinkisten und Hügelgräber. Trotz einiger Schwierigkeiten sind bisher einige eisen- und kaiserzeitliche Siedlungen entdeckt worden, die sich vor allem am Oberlauf der Lippe und im Bereich der Paderborner Hochfläche befinden (meist Tal- bzw. Quellenlagen).
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2. Abbildungs-, Karten- und Tabellenverzeichnis
3. Einleitung
4. Der Kreis Paderborn
4.1 Der Naturraum
4.2 Die Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung
4.2.1 Das Mittelalter
4.2.1.1 Die sächsische Landnahme (07.- 08. Jh.)
4.2.1.2 Der karolingische Ausbau (9.-10. Jh.)
4.2.1.3 Das Hochmittelalter – Zeit der Stadtgründungen (1180-1350)
4.2.1.4 Die spätmittelalterlichen Wüstungsvorgänge bis zur frühneuzeitlichen Wiederbesiedlung (1380-1550)
4.2.2 Das 17. und 18. Jahrhundert
4.2.3 Das 19. und 20. Jahrhundert
5. Die Stadt Paderborn
5.1 Der Naturraum
5.2 Die Siedlungs(- und Bevölkerungs)entwicklung
5.2.1 Karl der Große und die Kaiserpfalz
5.2.2 Der Bischofssitz und Bischof Meinwerk
5.2.3.1 Die Stadtmauer
5.2.3.2 Die Paderborner Feldmark
5.2.4 Erstarken des Bürgertums, Residenz Schloss Neuhaus
5.2.5 Handelsort
5.2.6 Reformation und Gegenreformation
5.2.7 Nach dem Dreißigjährigen Krieg
5.2.8 Reichsdeputationshauptschluss
5.2.9 Eisenbahn
5.2.10 Militär
5.2.11 Zweiter Weltkrieg, Wiederaufbau und die Nachkriegszeit
6. Schlusswort
7. Anhang: Abbildungen, Karten, Tabellen
8. Quellenverzeichnis
2. Abbildungs-, Karten- und Tabellenverzeichnis
Abbildungen
Abb. 1 Ausgrabungen der Karolingischen Pfalz
Abb. 2 Die mittelalterlichen Städte und Residenzorte im Kreis Paderborn
Abb. 3 Schloss Neuhaus
Abb. 4 Entstehungsphasen und Flächengrößen westfälischer Städte im Mittelalter
Abb. 5 Die ländlichen Siedlungstypen im Kreis Paderborn
Abb. 6 Der Paderborne r Dom(turm) heute
Abb. 7 Das berühmte Drei-Hasen-Fenster des Doms
Abb. 8 Frühe Stadien der Stadtentwicklung
Abb. 9 Reste der Stadtmauer I
Abb. 10 Reste der Stadtmauer II
Abb. 11 Der Verlauf der alten Paderborner Landwehr
Abb. 12 Die Paderborner Feldmark mit ihren Fluren nach der Katasterkarte 1830
Abb. 13 Das Rathaus heute
Abb. 14 Luftbild der Innenstadt von Paderborn
Abb. 15 Geologischer Querschnitt durch den Kreis Paderborn
Abb. 16 Das Erzbistum Paderborn
Abb. 17 Wappen des Kreises Paderborn
Abb. 18 Generallegende zu den Karten 5 und 6
Karten
Karte 1 Höhenschichten und Naturräume im Kreisgebiet
Karte 2 Fürstbistum Paderborn 1789
Karte 3 Kommunale Verwaltungsgliederung vor und nach der Gebietsreform
Karte 4 Zentralörtliche Gliederung und Verkehrsnetz
Karte 5 Überblick Paderborn und Umgebung
Karte 6 Innenstadt Paderborn
Tabellen
Tab. 1 Zeittabelle zur Siedlungsgeschichte im Kreisraum Paderborn
Tab. 2 Geologische Tabelle für den Kreis Paderborn
3. Einleitung
Im Seminar Siedlungsgeographie standen sowohl ländliche als auch städtische Siedlungen im Mittelpunkt. Neben der Entstehung und Entwicklung von Siedlungen in den vergangenen Epochen der Geschichte, waren verschiedene Siedlungs- und auch Gebäudeformen Thema des Seminars. Selbstverständlich wurden auch aktuelle Entwicklungen als Teil des Seminars besprochen. Dabei spielten und spielen einige wichtige Faktoren eine Rolle bei der Siedlungsgenese – als wichtigste und zugleich interessanteste sind der Naturraum und die Bevölkerung (der Mensch) zu nennen.
Zur Aufarbeitung und Veranschaulichung der einzelnen Themenpunkte habe ich für meine Hausarbeit das Thema „Die Siedlungsentwicklung im Kreis Paderborn“ ausgewählt.
Nach Durchsicht einiger interessanter Quellen stand fest, dass man zu jeder einzelnen Geschichtsepoche eine umfangreiche Arbeit hätte liefern können. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich im Wesentlichen auf den Zeitraum von der sächsischen Landnahme bis zur Nachkriegszeit. Nachkriegszeit sei hierbei als die Zeit des Wiederaufbaus und der Zukunftspläne und Gestaltungsmaßnahmen der folgenden Jahrzehnte definiert.
Aktuelle Gegebenheiten und Entwicklungen sind stellenweise selbstverständlich auch erwähnt, allerdings wurde die aktuelle Stadtentwicklung bei dieser Arbeit weitestgehend außer Acht gelassen. Sie ist durchaus sehr wichtig und interessant, zumal die neuere Stadtentwicklung - vor allem hinsichtlich Verkehr, Wirtschaft und Ökologie – eine große Rolle im aktuellen Tagesgeschehen spielt und in der öffentlichen Diskussion präsent ist, doch würde sie den Umfang dieser Arbeit sprengen.
Nebenbei sei erwähnt, dass ich ursprünglich nicht aus Paderborn komme (sondern aus Eltville im Rheingau) und erst seit September 2004 dort wohne – somit war es auch eine persönliche Herausforderung für mich, meine neue „Heimat“ auf diese Weise kennenzulernen und mehr über sie zu erfahren !
Die Siedlungsgeschichte des Kreises Paderborn geht genau genommen bis in die Mittelsteinzeit zurück - von der Jungsteinzeit bis zur älteren Eisenzeit bestehen die archäologischen Quellen allerdings überwiegend „nur“ aus Grabfunden (Steinkisten und Hügelgräber. Trotz einiger Schwierigkeiten sind bisher einige eisen- und kaiserzeitliche Siedlungen entdeckt worden, die sich vor allem am Oberlauf der Lippe und im Bereich der Paderborner Hochfläche befinden (meist Tal- bzw. Quellenlagen). Der heutige Kreis Paderborn erfuhr zumindest für kurze Zeit Siedlungsmaßnahmen, die mit den politisch- militärischen Bestrebungen des Römischen Weltreichs zusammenhängen. Außerdem existieren eine ganze Reihe von Streufunden, die den Aufenthalt römischer Truppen bezeugen (vgl. Heineberg, H., Henkel, G. et al ,1997, S. 6).
Da es erst mit der sächsischen Landnahme im frühen Mittelalter zu einer raschen und gravierenden Siedlungsentwicklung im heutigen Kreisgebiet kommt, beginnt diese Arbeit mit den grundlegenden Besiedlungsvorgängen dieser Zeit. Die naturräumlichen Gegebenheiten spielten in der Siedlungsgeschichte des Kreises eine sehr wichtige Rolle und sollen deshalb, noch vor den Besiedlungsvorgängen, kurz erläutert werden.
Folgende Zeittabelle soll einen ersten Überblick zur Siedlungsgeschichte geben.
Tab. 1 Zeittabelle zur Siedlungsgeschichte im Kreisraum Paderborn
(Quelle: Heineberg, H., Henkel, G. et al, 1997, S. 7)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4. Der Kreis Paderborn
4.1 Der Naturraum
Im Kreis Paderborn überschneiden sich drei Großlandschaften: die Westfälische Bucht, das Weserbergland und das Sauerland. Somit hat das Kreisgebiet Anteil am Tiefland und auch am Mittelgebirge. (siehe Karte 1 im Anhang, S.35) Durch diese unterschiedlichen Gegebenheiten ist eine große Vielfalt an Gesteinen, Reliefformen, Böden, Gewässern und auch an Vegetation vorhanden. Erdgeschichtlich reicht die Entstehungsspanne der Gesteine vom Erdaltertum bis in die jüngsten geologischen Schichtglieder der Nacheiszeit.
Nach den üblichen geographischen Gliederungsmodellen ergeben sich für den Kreis sechs Haupteinheiten: das Nordsauerland (Alme- Afte- Bergland), das Eggegebirge, die Paderborner Hochfläche, die obere Hellwegbörde, das Delbrücker Land (mit oberer Lippetalung) und die Senne. (vgl. Henke, W. & Kreisverwaltung Paderborn, 1989, S. 10)
Die in ihrer Struktur ähnlichen Landschaften Alme- Afte- Bergland und Egge sind relief- und gewässerreiche Gebirgszüge. Sie bestehen fast ausschließlich aus Waldgebieten und werden forstwirtschaftlich intensiv genutzt.
Die Agrarlandschaft der Paderborner Hochfläche wird überwiegend ackerbaulich genutzt. Doch gibt es auch hier größere Waldgebiete. Zugleich ist sie eine große Karstlandschaft mit Bachschwinden, trockenen Flussbetten, Erdfällen und unterirdischer Wasserzirkulation, was die charakteristische Wasserarmut des Raumes mit sich bringt.
„Der Hellweg ist in mehrfacher Hinsicht die Vorzugslandschaft des Kreises“ (Heineberg, H., Henkel, G. et al, 1997, S. 6). Es herrschen fast ideale Boden- und Klimabedingungen in der weitestgehend baumlosen Börde. Es wird intensiver Ackerbau mit anspruchsvollen Feldkulturen wie Zuckerrüben und Weizen betrieben. Neben den guten Ackerbau- und Verkehrsmöglichkeiten hatte auch die große Anzahl an Quellen Bedeutung für die frühe und dichte Besiedlung des Kreises.
Als typische, agrargeprägte Parklandschaft gehört das Delbrücker Land natur- und kulturräumlich zum Münsterland. Außerdem ist die Landschaft durch Gewässerreichtum (natürliche und Baggerseen) gekennzeichnet.
Die Senne ist eine Sandlandschaft. Durch die wechselnde Höhe des Grundwasserspiegels sind große naturgeographische Kontraste zwischen sehr trockenen und sehr feuchten Standorten zur verzeichnen – sie machen die Senne zum ökologisch vielfältigsten Gebiet im Kreis Paderborn. (vgl. Heineberg, H., Henkel, G. et al, 1997, S. 5-6)
Details über die Entstehung, das Gesteinsvorkommen und die Höhenschichten der Naturlandschaft(en) im Kreisgebiet liefern Karte 1, Abb.15 und Tab.2 (im Anhang, S. 35-37).
4.2 Die Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung
„Die Entwicklung bis zur Gegenwart war kein einheitlicher oder linearer Vorgang, sondern ein wechselvolles Neben- und Nacheinander von Phasen der Landnahme, der Kolonisation, des Siedlungs- und Wirtschaftswachstums, aber auch der Stagnation und Depression“
(Heineberg, H., Henkel, G. et al ,1997, S. 6) .
4.2.1 Das Mittelalter
4.2.1.1 Die sächsische Landnahme (7.-8. Jh.)
„Mit Beginn des 7. Jh.s erfolgt vom norddeutschen Küstenraum her eine flächenhafte Landnahme Westfalens durch sächsische Stämme. Man spricht von einer „Saxonisierung“ Westfalens [...], die in einer Fülle von Ortsnamen auf –hausen, speziell –inghausen, und –dorf ihren Niederschlag fand. Auf ihrem Vorstoß nach Süden erreichen die Sachsen [...] das innere Westfalen nördlich der Lippe. Gegen 700 überschreiten sie – nun auch mit dem Namen der Sachsen urkundlich überliefert – die Lippe und erweitern dann ihren Siedlungs- und Herrschaftsbereich im 8. Jh. auf das südliche Westfalen und Nordhessen. In diesen Jahrzehnten beginnt auch die neue Besiedlung im Raum der Pader- und Lippequellen, der gesamten Paderborner Hochfläche und von Teilen des Delbrücker Landes“
(Heineberg, H., Henkel, G. et al ,1997, S. 8).
Die Landnahme der Sachsen war nicht nur für den heutigen Kreis Paderborn der grundlegende Besiedlungsvorgang, sondern für ganz Westfalen. Mehr als die Hälfte aller mittelalterlichen Siedlungen entstanden bereits in dieser Besiedlungsphase.
In der Sachsenzeit gehörte der Kreisraum zum Herrschaftsgebiet der Engern (ein Sachsenstamm) und war von den Herrschaftsräumen der Westfalen und Ostfalen umgeben. Das Land der Sachsen war politisch in Gaue untergliedert, deren Mittelpunkt jeweils eine Volks- bzw. Schutzburg war - so gab es auch den Padergau mit seinem Untergau Soratfeld und den Almegau mit seinen Untergauen Sintfeld und Madfeld. (vgl. Heineberg, H., Henkel, G. et al ,1997, S. 8-9)
4.2.1.2 Der karolingische Ausbau (9.-10. Jh.)
„Am Ende des 8. Jh.s erfolgt die gewaltsame Eingliederung der heidnischen Sachsenstämme in das christliche Frankenreich. Karl der Große beginnt den auf der Reichsversammlung in Worms 772 beschlossenen Krieg im selben Jahr mit einem Einfall in das Gebiet der Engern. Er zieht durch das Hessenland über die alte, heute noch als Via regia oder Frankfurter Weg überlieferte Völkerstraße nach Norden. [...] Schon 777 kommt es zur ersten fränkischen Reichsversammlung an den Quellen der Pader“ (Heineberg, H., Henkel, G. et al ,1997, S. 9).
Die militärische Besiegelung der Eingliederung des Sachsenlandes in das Frankenreich findet nach langen Kämpfen im Jahre 794 auf dem Sintfeld statt. Der Triumph Karls des Großen wird 799 auf der großen Reichsversammlung in Paderborn in Anwesenheit von Papst Leo III. demonstriert. Zudem begründete die Eroberung den Anspruch Karls des Großen auf den Kaisertitel, der ihm ein Jahr später in Rom verliehen wurde.
Der karolingische Vorstoß über die Diemel traf im Paderborner Land auf ein sehr engmaschiges Netz an sächsischen Siedlungen. Neugründungen erfolgten demnach nur noch in begrenztem Maße. Dennoch sind insgesamt etwa 20 % aller mittelalterlichen Siedlungen des Kreises fränkische Gründungen. Der karolingische Landesausbau folgt somit der Landnahme und Besiedlung durch die Sachsen. (vgl. Heineberg, H., Henkel, G. et al, 1997, S. 9)
Eine herausragende Stellung besaß in dieser Phase der am Schnittpunkt des Hellweges und des Frankfurter Weges gelegene Standort Paderborn. Über dem örtlichen Quellbereich der Pader entstanden die Gebäude einer Residenz des neuen Herrschers, die Königspfalz (Ausgrabungen 1964-1970), die seitdem als Geburtsstätte des mittelalterlichen Deutschen Reiches gilt. Neben der Königspfalz (siehe Abb.1) hatte die Begründung des Bistums Paderborn, die mit dem ersten Bischof Hathumar (806) erfolgte, eine weitere Pionierfunktion für den fränkischen Landesausbau. (vgl. Heineberg, H., Henkel, G. et al ,1997, S. 9)
Später, Anfang des 11. Jh., sollte in der Stadt Paderborn der Bischof Meinwerk eine besonders große Rolle spielen. (vgl. Schoppe, K., 1971, S.134)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1 Ausgrabungen der Karolingischen Pfalz (Quelle: Hohmann, F.G. & Bauer, H., 1987, S. 54)
Um die schwierige Bekehrung und Eingliederung Sachsens ins Frankenreich zu erleichtern, erhielt Paderborn 836 die Gebeine des Heiligen Liborius aus Le Mans, der daraufhin zum Hauptpatron des Bistums wurde.
Hauptziel der fränkischen Politik war die innere Kolonisation der bereits bestehenden Siedlungen. Da schon ein sächsisches Siedlungsnetz vorhanden war, bestand die karolingische Integrationspolitik vor allem im Bau von Kirchen und in der Organisation von Pfarreien. Davon zeugen noch heute eine ungewöhnlich hohe Kirchendichte und die nachweisbare Tatsache, dass in älteren sächsischen Orten während der karolingischen Ausbauphase Kirchen errichtet wurden. Der Bau von Kirchen verfolgte neben den religiösen auch politisch- militärische Absichten. Die Kirchen stellten als einzige Gebäude der mittelalterlichen Siedlungen massive Steinbauten dar, die meist auf einer Anhöhe oder einem Hang in Distanz oder Randlage zu den Orten errichtet wurden. Den Kirchen kam somit ein besonderer Wehr- und Schutzcharakter für Notzeiten zu. Nach Beendigung des fränkischen Siedlungsausbaus waren im 11. Jh. etwa 80-90 % aller mittelalterlichen Siedlungen des Kreisraumes begründet. (vgl. Heineberg, H., Henkel, G. et al ,1997, S. 9)
4.2.1.3 Das Hochmittelalter – Zeit der Stadtgründungen (1180-1350)
Das Hochmittelalter hat in Westfalen nicht viele neue Agrarsiedlungen hervorgebracht. Der Siedlungsausbau konzentriert sich – wie in weiten Teilen Europas – auf die Gründung von Städten. Bis 1180 waren in den Grenzen des heutigen Westfalen 6 Städte entstanden: Dortmund, Soest, Paderborn, Münster, Minden, Höxter. Während der dann folgenden 170 Jahre bis 1350 wurden in Westfalen etwa 110 weitere Städte neu begründet. (siehe auch Abb.4)
Im Kreisraum Paderborn entstanden sieben neue Städte: Büren, Salzkotten, Kleinenberg, Blankenrode, Wünnenberg, Lichtenau und Schwaney (siehe auch Abb.2). Dazu kommen noch mehrere Burggründungen, u.a. Neuhaus, Verne, Fürstenberg und Ringelstein, die jedoch keine stadtbildenden Funktionen besaßen. Im gesamten nordwestlichen Kreisgebiet erfolgten keine mittelalterlichen Stadtgründungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2
Die mittelalterlichen Städte und Residenzorte im Kreis Paderborn – jeweils mit dem Jahr der urkundlichen Erstnennung (Quelle: Haase, C., 1976 aus Heineberg, H., Henkel, G. et al ,1997, S. 9)
Paderborn gehört als einzige frühmittelalterliche Stadt (um 1000 Stadtrechte erhalten) des Raumes zu den westfälischen „Mutterstädten“. Es handelt sich hierbei um Orte, die bereits durch ihre frühmittelalterliche Entwicklung die rechtlichen, topographischen und wirtschaftlichen Bedingungen erfüllen, die dann im 13. Jh. zum Idealtyp der Stadt ausreiften. Aus der karolingischen Pfalz wurde in Paderborn die hochmittelalterliche Civitas, eine lebendige Bürger- und Bischofsstadt, die um 1180 im Bereich der heutigen Wälle mit einer Stadtmauer umgeben wurde. Paderborn wurde zum Zentrum eines kirchlich- westlichen Territorialstaates, des Fürstbistums Paderborn, das im wesentlichen den heutigen Kreisräumen Paderborn und Höxter entsprach und bis 1803 bestand. Gegenüber den hochmittelalterlichen Stadtgründungen der Umgebung hat das frühmittelalterliche Paderborn – dies gilt auch für die übrigen Pionierstädte Westfalens – seinen geschichtlichen Vorsprung bis in die Gegenwart behauptet.
Die hochmittelalterlichen Stadtgründungen des Kreisraumes, die allesamt vom Paderborner Bischof bzw. dem regionalen Hochadel ausgingen, nahmen eine unterschiedliche Entwicklung. Nur zwei der hochmittelalterlichen Gründungen - Büren und Salzkotten - konnten ihre (klein-) städtischen Funktionen in die Neuzeit übertragen. Die übrigen wurden wieder zu Landgemeinden, doch gelten sie bis heute als „Titularstädte“ (Zwerg- und Minderstädten, die vor allem in dem durch viele Kleinstaaten geprägten Mitteleuropa in großer Zahl zu finden sind). Die Stadtgründung Blankenrode erwies sich sogar als absolute Fehlgründung; nach gut hundert Jahren des Bestehens fiel sie den spätmittelalterlichen Wüstungsvorgängen zum Opfer.
[...]