Lade Inhalt...

Der frühe Widerstand der ArbeiterInnenbewegung

Eine Auseinandersetzung mit der Entwicklung der ArbeiterInnenparteien KPD und SPD und deren gescheitertem Widerstand gegen das NS-Regime

©2017 Hausarbeit 20 Seiten

Zusammenfassung

Die deutsche Vergangenheit zeigt uns, dass der Widerstand gegen den Staat seitens seiner BürgerInnen im Fall eines Machtmissbrauchs nicht nur legitim, sondern auch bei Zeiten notwendig ist. Für den frühen Widerstand gegen den Nationalsozialismus entschieden sich vergleichsweise wenig Deutsche. Viele verharrten in Starre angesichts des rasch wachsenden Terrors und der Unterdrückung, die die NationalsozialistInnen verbreiteten oder schauten weg. Aber ebenso viele, wenn nicht sogar mehr noch, zeigten Begeisterung für die Ideologie der NSDAP, wodurch der Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigt wurde.

Dennoch war der Widerstand, auch wenn er im Nachhinein betrachtet nicht den Tyrannensturz herbeiführen konnte, wichtig und kann nicht gänzlich als gescheitert betrachtet werden. Er ermöglichte es dem postnationalsozialistischen Deutschland, mit seiner Vergangenheit umzugehen und eben auf den Grundlagen dieses Widerstands eine Zukunft aufzubauen, in der die Gräueltaten des NS-Regimes verarbeiten werden konnten, um so eine freiheitliche und demokratische Grundordnung zu errichten. Was Widerstand ist und in welcher Form er sich zeigt, darüber diskutieren WissenschaftlerInnen umso mehr, je weiter regimekritisches Verhalten der damaligen Bevölkerung analysieren wird.

Unter den frühesten Widerstand gegen Hitler ist der, aus der ArbeiterInnenbewegung zu zählen. Dieses zu Beginn große Milieu schaffte es jedoch nicht, den Nationalsozialismus schon in seiner Konsolidierungsphase zu stoppen, obwohl er wohl in dieser Zeit noch am anfälligsten war. Die beiden Hauptparteien der ArbeiterInnenbewegung KPD und SPD steckten in einem tiefen Konflikt untereinander fest, welchen sie anfänglich nicht überwinden konnten. Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Ziel, diesen Konflikt darzustellen, und der Frage nachzugehen, ob er der Grund für das Scheitern des Widerstands der ArbeiterInnenbewegung ist, oder ob es darüber hinaus noch weitere Gründe geben kann.

Die Annahme dieser Arbeit ist, dass die Uneinigkeit zwischen beiden ArbeiterInnenparteien nur ein Teilgrund für das Scheitern der Bewegung in der Konsolidierungsphase der Macht des NS-Regimes ist und es daneben noch weitere Gründe, teilweise auch parteiintern, gab, die zu deren Zerschlagung durch den Nationalsozialismus führten. Dafür soll zunächst geklärt werden, was unter Widerstand zu verstehen ist, um im Anschluss die Entwicklung beider Parteien zu beleuchten und mögliche weitere Faktoren des Scheiterns darzustellen.

Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Terminologie und Verständnis des Widerstand

3. Einführung zum Widerstand der Arbeiter*Innenbewegung im Allgemeinen
3.1. Der starre Weg der KPD
3.2. Das Legalitätsprinzip der SPD

4. Bilanz

5. Fazit

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die deutsche Vergangenheit zeigt uns, dass der Widerstand gegen den Staat seitens seiner Bürger*Innen im Fall eines Machtmissbrauchs nicht nur legitim, sondern auch bei Zeiten notwendig ist. Für den frühen Widerstand gegen den Nationalsozialismus entschieden sich vergleichsweise wenig Deutsche. Viele verharrten in Starre angesichts des rasch wachsenden Terrors und der Unterdrückung, die die Nationalsozialist*Innen verbreiteten oder schauten weg. Aber ebenso viele, wenn nicht sogar mehr noch, zeigten Begeisterung für die Ideologie der NSDAP, wodurch der Aufstieg des Nationalsozialismus begünstigt wurde.

Dennoch war der Widerstand, auch wenn er im Nachhinein betrachtet nicht den Tyrannensturz herbeiführen konnte, wichtig und kann nicht gänzlich als gescheitert betrachtet werden. Er ermöglichte es dem postnationalsozialistischen Deutschland, mit seiner Vergangenheit umzugehen und eben auf den Grundlagen dieses Widerstands eine Zukunft aufzubauen, in der die Gräueltaten des NS-Regimes verarbeiten werden konnten, um so eine freiheitliche und demokratische Grundordnung zu errichten. Was Widerstand ist und in welcher Form er sich zeigt, darüber diskutieren Wissenschaftler*Innen umso mehr, je weiter regimekritisches Verhalten der damaligen Bevölkerung analysieren wird.

Unter den frühesten Widerstand gegen Hitler ist der, aus der Arbeiter*Innenbewegung zu zählen. Dieses zu Beginn große Milieu schaffte es jedoch nicht, den Nationalsozialismus schon in seiner Konsolidierungsphase zu stoppen, obwohl er wohl in dieser Zeit noch am anfälligsten war. Die beiden Hauptparteien der Arbeiter*Innenbewegung KPD und SPD steckten in einem tiefen Konflikt untereinander fest, welchen sie anfänglich nicht überwinden konnten. Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Ziel, diesen Konflikt darzustellen, und der Frage nachzugehen, ob er der Grund für das Scheitern des Widerstands der Arbeiter*Innenbewegung ist, oder ob es darüber hinaus noch weitere Gründe geben kann.

Die Annahme dieser Arbeit ist, dass die Uneinigkeit zwischen beiden Arbeiter*Innenparteien nur ein Teilgrund für das Scheitern der Bewegung in der Konsolidierungsphase der Macht des NS-Regimes ist und es daneben noch weitere Gründe, teilweise auch parteiintern, gab, die zu deren Zerschlagung durch den Nationalsozialismus führten.

Dafür soll zunächst geklärt werden, was unter Widerstand zu verstehen ist, um im Anschluss die Entwicklung beider Parteien zu beleuchten und mögliche weitere Faktoren des Scheiterns darzustellen.

Als Anmerkung soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich die textuellen Formulierungen vorliegender Arbeit an der Gender Mainstreaming- Variante der Sternchen-Form (*-Form) oder eines generischen Femininums, nach den Prinzipien bewussten und anti-diskriminierenden Sprachhandelns orientiert.[1]

2. Terminologie und Verständnis des Widerstand

Das Recht auf Widerstand ist in der Bundesrepublik Deutschland als Konsequenz der nationalsozialistischen Diktatur in Artikel 20 Absatz 4 im Grundgesetz verankert. Dabei legitimiert dieses Gesetz alle Deutschen dazu, Widerstand gegen All jene zu leisten, welche die demokratische, rechtsstaatliche, soziale, volkssouveräne und gewaltenverschränkte Ordnung der BRD gefährden, so kein anderes Mittel möglich ist.

In der gesamten Zeitspanne nach der NS-Diktatur entstanden im wissenschaftlichen Diskurs viele verschiedene Auffassungen vom Charakter des Begriffs Widerstand. Im getrennten Deutschland entwickelten sich entsprechend des jeweiligen Staatsverständnisses zwei unterschiedliche Blickwinkel. Während in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie dem Widerstand von "konservative[n] Angehörige[n] der militärischen, bürokratischen und politischen Eliten"[2] gedacht wurde, heroisierte man in der Deutschen Demokratischen Republik systematisch die kommunistischen Widerstandskämpfer*Innen als einzige Gegenkraft zum Nationalsozialismus.[3]

Ebenso schwierig gestaltete sich die Abgrenzung des Widerstandsbegriffs zu anderen Formen der Kritik am Herrschaftssystem. Betrachtet man nur militante Widerstandsformen als einzig legitimen Widerstand, beispielsweise Attentatsversuchen, wie der von Johann Georg Elser 1939 oder die Operation "Walküre" im Jahr 1944, so ist die Eingrenzung zu straff und wird dem viel weitläufigeren Handlungsspektrum regimekritischen Verhaltens in der NS-Zeit nicht gerecht. Präzisiert man ihn nicht ausreichend, wie es mit dem Begriffsversuch "Resistenz" probiert wurde, so läuft man Gefahr, auch nicht-regimekritisches Verhalten in den Widerstand aufzunehmen und gegebenenfalls sogar einstigen Gegner*Innen des Widerstandes einen Freispruch einzuräumen.[4] Nicht jede, die ihre rechte Hand in dem Moment des berühmten Fotos nicht hebt, ist automatisch eine Widerständlerin. Erst die Kenntnis der Handelnden davon, dass dieses Foto geschossen wird stellt ihre Handlung als eine bewusste dar und macht es zum Widerstand.

Nach heutigem Verständnis ist Widerstand als eine Handlung zu determinieren, die aus eben diesem Bewusstsein der möglichen Konsequenzen erfolgt.[5] Die Gefährdung und das Wissen darüber stellt somit ein zentrales Element im Widerstandsbegriff dar. Dabei kann Widerstand gegen den Nationalsozialismus zunächst als eine Form aktiven Handelns gegen das NS-Regime verstanden werden.[6]

Der Widerstandsakt drückt allgemein betrachtet eine Reaktion einer Einzelperson oder einer Gruppe auf die drohenden negativen Veränderungen einer demokratischen, freiheitlichen, rechtsstaatlichen Ordnung aus. Die innere Akzeptanz dieser Ordnung, in der Politikwissenschaft weitläufig als Politische Kultur beschrieben, ist die Voraussetzung für Widerstand.[7] Das Bekenntnis zu Normen und Werten einer freiheitlichen Ordnung setzt wiederum eine Selbstbehauptung gegenüber dem Regime voraus, zeigt jedoch an sich noch keinen Widerstand.[8]

Widerstandsformen sind mannigfaltig und eine Präzisierung des Begriffs Widerstand durch verschiedene Attributszuschreibungen ermöglicht gegebenenfalls eine engere Betrachtung dieses breiten Verhaltensspektrums. Eine mögliche Konkretisierung erfolgte durch Wolfgang Benz, welcher eine hierarchische Unterteilung verschiedener Oberbegriffe vornahm. Nach dieser Einteilung erfolgt das Verständnis von Widerstand in der hier vorliegenden Arbeit.

Benz geht von der Verweigerung als niedrigste Stufe regimekritischen Verhaltens aus und beschreibt es als persönliche Abwehr gegen einen vor allem im NS-Regime vorhandenen totalitären Herrschaftsanspruch.[9] Die bewusste Verweigerung eines „Heil-Hitler-Grußes“, das bewusste Wegdrehen auf Großveranstaltungen der Nationalsozialist*Innen oder eben der vor allem in katholischen Kreisen sehr beliebte Gruß „Grüß Gott“ anstelle des verlangten „Heil Hitler“ sind Beispiele dafür.

Die nächste Stufe ist laut Benz die Opposition, welche für ihn eine Haltung grundsätzlicher Gegnerschaft darstellt[10], und damit bereits weitaus schärfere Konsequenzen für die eigene Person und ihr Umfeld mit sich ziehen kann. Die Lehrerin für christliche und jüdische Schüler Elisabeth Flügge lieferte hierfür ein Beispiel. Sie stellte sich gegen das antisemitische Grundprinzip der NS-Diktatur, als sie entdeckte, dass an ihrem privaten Ferienlager in der Lüneburger Heide ein Schild mit der Aufschrift „Juden unerwünscht“ angebracht wurde. Sie beschwerte sich darauf hin beim örtlichen Bürgermeister und forderte die Entfernung dieses Schildes, sah sie es doch nicht ein, ihren jüdischen Schülern den Unterricht zu verwehren.[11]

Für die ausgeprägteste Form kritischen Verhaltens gegenüber einem Herrschaftssystems steht für Benz der Widerstand, welcher wie bereits erwähnt auf bewussten Handeln fußt und bei dem sich die Akteurin den Konsequenzen ihres Handeln im Klaren ist.[12] Ziel dieses Widerstandes ist der Kampf gegen das Regime bis hin zu seiner Liquidierung.[13] Eben in diesem Ziel stellt diese Form der Kritik einen Unterschied zu den beiden vorhergehenden Kritikäußerungen dar. Widerstand beinhaltet hier mehr als eine kritische Einstellung gegenüber einem System, er erfordert aktive und konkrete Handlungen zur Veränderung des Ist-Zustandes in einem Regime. Trotz dieser Eingrenzung bleiben die Möglichkeiten weitgehend offen. Sie können vom Flugblattverteilen über Transporte vom und ins Ausland, das Verstecken von Verfolgten bis hin zum Attentatsversuch oder der Planung einer neuen Gesellschaftsordnung nach einem Sturz gehen.

Diese Spezifizierung soll keine Wertigkeit über die Form der Regimekritik darstellen, zumal jede Form dieses Aufbegehrens gegen Unrecht einen heroischen Akt an sich darstellt und Anerkennung verdient. Vielmehr soll durch diese Konkretisierung der Begriff Widerstand greifbar gemacht werden, um so in der vorliegenden Arbeit anwendbar zu sein.

3. Einführung zum Widerstand der Arbeiter*Innenbewegung im Allgemeinen

Der Widerstand der Arbeiter*Innenbewegung war zum Großteil vom Konflikt der beiden Arbeiter*Innenparteien KPD und SPD geprägt. Der Dissens zwischen Sozialdemokrat*Innen und Kommunist*Innen, welcher seinen Ursprung bereits im Ersten Weltkrieg hatte, war ein Kampf um den Vertretungsanspruch der Arbeiter*Innenbewegung. Ebenso spielten Vorurteile, Erfahrungen mit der jeweils anderen politischen Richtung und Mittel und Ziel des politischen Kampfes eine wichtige Rolle. Insgesamt ist festzuhalten, dass beide Richtungen der Arbeiter*Innenbewegung grundlegend gegensätzliche Ideale und Ziele innerhalb der Bewegung vertraten.

Auf der einen Seite sahen die Kommunist*Innen die Revolution Europas bevorstehen. Der Ablehnung jeder Form eines parlamentarisch-demokratischen Systems war die Feindschaft der systeminbegriffenen Parteien immanent. Mehr noch stellten die Sozialdemokrat*Innen für die Kommunist*Innen die Hauptfeind*Innen dar, da sie ihnen im direkten Kampf um die für die Revolution benötigte Unterstützung der Arbeiter*Innenbewegung gegenüber standen. Den Sozialdemokrat*Innen wiederum widerstrebte eine Zusammenarbeit mit der KPD aufgrund deren ständiger Diffamierung der SPD als „Sozialfaschisten“ und Handlanger eines faschistisch geglaubten Systems. Die SPD hielt an ihrem Legalitätskurs fest und wollte sich, eben völlig anders als die KPD, auf parlamentarischen Weg der Bedrohung durch den Faschismus entgegenstellen.

[...]


[1] Vgl. Hornsscheidt (2012), S. 293ff

[2] Benz, Pehle (2001), S. 9

[3] Vgl. Benz, Pehle (2001), S. 10

[4] Vgl. Benz (2014), S. 9

[5] Vgl. Benz (2014), S. 8

[6] Vgl. Bpb.de (2016), o.S.

[7] Vgl. Steinbach, Adam (1994), S.228f

[8] Vgl. Benz (2014), S. 8 und Steinbach, Adam (1994), S.228f

[9] Vgl. Benz (2014), S. 8

[10] Vgl. Ebd., S. 8

[11] Vgl. Zeit.de (1991), o.S.

[12] Vgl. Benz (2014), S. 8

[13] Vgl. Ebd., S. 10

Details

Seiten
Jahr
2017
ISBN (eBook)
9783668678934
ISBN (Paperback)
9783668678941
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig – Historisches Seminar
Erscheinungsdatum
2018 (April)
Note
1,0
Schlagworte
widerstand arbeiterinnenbewegung eine auseinandersetzung entwicklung arbeiterinnenparteien ns-regime
Zurück

Titel: Der frühe Widerstand der ArbeiterInnenbewegung