Schulung der analytischen Textkompetenz anhand von Éric-Emmanuel Schmitts "Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran" (11. Klasse, Gymnasium)
Le sourire. Un atout dans la vie quotidienne?
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Bemerkungen zur Lerngruppe
2. Curriculare Einordnung
3. Relevantes Eingangsverhalten
4. Didaktische Entscheidungen
5. Stundenziel
6. Kompetenzen/Inhalte
7. Methodische Entscheidungen
8. Geplanter Stundenverlauf
9. Anhang
9.1 Literaturverzeichnis
9.2 Arbeitsmaterialien
1. Bemerkungen zur Lerngruppe
Seit dem 14.05.2018 unterrichte ich unter ständiger fachlicher Betreuung von Frau StD´ Wulfers die 9 Schülerinnen des vierstündigen Französischkurses fr1 (gA) des 11. Jahrgangs, für die Französisch seit der Klasse 6 zweite Fremdsprache ist. Es herrscht ein störungsfreier, respektvoller Umgang in dem Kurs, sodass die Arbeits- und Lernatmosphäre produktiv ist. Der Leistungsstand der Lernerinnen, von denen vier schriftlich (M1, M2, H, S1) und eine mündlich (T) im Abitur geprüft werden, ist jedoch sehr heterogen. Deutliche Unterschiede zeichnen sich hinsichtlich des zusammenhängenden Sprechens ab. Die Leistungsspitze der Lerngruppe bilden die Prüfungskandidatinnen, die in der Lage sind, dem Roman inhaltlich komplexe Sachverhalte zu entnehmen und diese kreativ sowie zielsprachlich adäquat zu interpretieren. Genannte Schülerinnen zeigen im Unterrichtsgeschehen eine hohe Kommunikations- und Lernbereitschaft, indem sie sich rege beteiligen. Sie werden vor allem in Textdeutungsphasen aktiviert. Wenig lernbereit und insgesamt leistungsschwach präsentiert sich hingegen X, deren Arbeitsmaterialien häufig unvollständig sind und die Redebeiträge nur nach Aufforderung formuliert.[1] Y arbeitet dagegen sorgfältig, ist jedoch introvertiert, sodass sie behutsam eingebunden und sensibel korrigiert wird. Methodisch ist die Lerngruppe damit vertraut, Arbeitsergebnisse zu präsentieren und gemeinsam zu diskutieren, hier sind gelegentlich mündliche Impulse als Hilfestellungen der Lehrkraft nötig. Die kooperative Zusammenarbeit der Lernerinnen wird durch die halbkreisförmige Sitzordnung und durch gewählte Sozialformen, Methoden sowie Medien gleichermaßen gefördert. Bisher zeigte die Gruppe ein eher verhaltenes Interesse an der Lektüre, interessierte sich jedoch durchaus für den Heranwachsenden Moïse, der für sie als jugendliche Hauptperson lernpsychologische Identifikationsfigur ist.[2]
2. Curriculare Einordnung
Die Lehrprobenstunde stellt die 10. der auf insgesamt 20 Stunden ausgelegten und von der Lektüre des Romans [3] ausgehenden Unterrichtsreihe Eric-Emmanuel Schmitt: Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran- l´identité, les rapports humains et le bonheur dar. Legitimiert wird die und in weiten Teilen rezeptionsästhetisch konzipierte Reihe[4] durch die Hinweise zur schriftlichen Abiturprüfung 2019 für das grundlegende Anforderungsniveau (Thema C: Les grandes questions de l’existence humaine).[5] Im Mittelpunkt sowohl der Reihe als auch der Besuchsstunde steht die Förderung der analytischen Textkompetenz. In den Vorstunden wurde in Rekurs auf das von Nieweler geschilderte Basisverfahren zur Analyse erzählender Texte ein vertieftes Verständnis zu den Figuren als literarischen „Bezugskernen“[6] gewonnen, indem im Bereich der Textproduktion anschließend an eine Analyse von Moïses Handlungsmotiven (Sprechen) portraits von Moïse und M. Ibrahim (Schreiben) erstellt wurden. Auf Basis einer in einem Soziogramm vorgenommenen Beziehungsanalyse der beiden Protagonisten zueinander wurde Moïses Verhältnis zu seinem Vater erweitert und durch einen Vergleich der Beziehungskonstellation M. Ibrahim- Moïse - le père abgerundet. Im Bereich der Textrezeption wurden verschiedene Arten von Komik erarbeitet und der humoristische Schreibstil des Autors sowie dessen Bedeutung für die Erzählung anhand ausgewählter Textstellen tabellarisch untersucht (Schreiben). Unmittelbar vor der Besuchsstunde wurde der themenspezifische Wortschatz zu les moyens comiques vertieft, das Wortfeld sourire wurde wiederholt und es erfolgte eine nachschärfende Sicherung des äußeren Textverständnisses. Die vorrangig geübten Operatoren décrire/résumer (AFBI) , expliquer/ caractériser/analyser/comparer (AFB II) und prendre position/justifier (AFB III) werden teilweise in der Besuchsstunde wieder aufgegriffen. Diese schult vor allem das Sprechen im Bereich der Textproduktion, indem die Lernerinnen Funktion und Wirkung der Passage zum Thema sourire analysieren und Bezug auf die differente Bedeutung des Lächelns nehmen, die durch Komik besonders einprägsam vermittelt wird. In den Folgestunden werden die im Roman verhandelten Religionen mit Kurzvorträgen erschlossen (Sprechen) und es wird ein ein Reisetagebuch verfasst (Schreiben), sodass der vorläufige Endpunkt des Unterrichtsverlaufs zur sprachlichen und inhaltlichen Zieltexterschließung erreicht ist. Abgeschlossen wird die Reihe mit einem kontrastiven Vergleich von Film- und Romaninhalten in einer eigenen Film- bzw. Buchkritik, z.B. für den ciné-club oder den club de lecture am CGL.
3. Relevantes Eingangsverhalten
Die Schülerinnen…
- haben den Inhalt des récit bis einschließlich S.26, Z.8 erschlossen.
- wenden themenbezogene Redemittel im Bereich der Wortfelder sourire und décrire une personne/une image sicher an.
- sind in der Lage, die Textstelle inhaltlich (Soziogramm, Beziehungsanalyse) und sprachlich (Komik), explizit und implizit (Einstellungen) zu untersuchen.
- nutzen Textstellen effektiv zur Analyse und Interpretation von Sachverhalten im Hinblick auf den Handlungsverlauf der Lektüre.
- sind mit der mündlichen Präsentation von Arbeitsergebnissen vertraut.
- halten die Einsprachigkeit im Unterrichtsgespräch und in Erarbeitungsphasen weitestgehend ein.
- wenden im Bereich der Grammatik die Flexion des Verbs sourire im présent und das entsprechende, mit avoir im passé composé gebildete participe passé, korrekt an.
4. Didaktische Entscheidungen
Die ausgewählte Textpassage zur Rolle des Lächelns entspricht als zentraler Lerngegenstand den im niedersächsischen Kerncurriculum (KC) festgeschriebenen Inhalten zur Behandlung „individuelle[-r] […] Erlebnisse, Erfahrungen, Einstellungen, Werte und Konflikte“[7]. Ferner greift er das Passepartout le bonheur im Rahmen des Themenfelds 4 auf.[8] Die inhalts- und kompetenzorientierte Literaturarbeit der Besuchsstunde verarbeitet diese Vorgaben in der lernwürdigen Analyse von Werten, Haltungen und Einstellungen zum Lächeln seitens Moïse, Monsieur Ibrahim und seinem Vater. Genannte Bezugsgrößen des Lächelns werden gemäß der interkulturellen Kompetenz des KCs von den Schülerinnen identifiziert und in den fremdkulturellen Hintergrund eingeordnet.[9] Vom Lerngegenstand berücksichtigte Themen des centre d´intérêts sind vor allem mon identité und le mode de vie [10] . In der Auseinandersetzung mit der Textstelle als „Spiegel fremdkulturell geprägter Welten“[11] eignen sie sich insofern zum Ausbau der Text- und Medienkompetenz, als dass sie einen persönlichkeitsbildenden Beitrag durch „Identifikation, Empathie und/oder Distanz“[12] für den Lernprozess am Beispiel des Lächelns leisten können. Es kann davon ausgegangen werden, dass die emotionale Bedeutung des entsprechenden mimischen Ausdrucksverhaltens fester Bestandteil des Identitätsbewusstseins der Lernerinnen ist und somit ein thematischer und persönlicher Lebensweltbezug vorliegt. In einer entwicklungs-psychologischen Phase, in der Jugendliche individuelle Lebensentwürfe konzipieren, kann es von großem Interesse sein, alternative Bedeutungen emotionaler Haltungen eines etwa Gleichaltrigen in Auseinandersetzung mit sich und seinem Umfeld kennenzulernen.[13] Es ist darüber hinaus wichtiges Merkmal ausgewogener Allgemeinbildung, Schülerinnen für die kleinen Freuden des Lebens zu sensibilisieren, denn nur wer eigene Emotionen wahrnehme und beachte, könne „im Umgang mit sich selbst und anderen kompetent”[14] sein, so Decke-Cornill in Rekurs auf Goleman. Als immaterielles Stiefkind unserer vor allem wirtschaftswissenschaftlich gedeuteten Alltagsrealität ist es umso bedeutender, dass das Lächeln in der vorliegenden Textstelle als exemplarisch-emotionale Handlungsoption präsentiert ist.[15] Diese wird zur symbolträchtigen, pädagogischen Wegmarke, wenn die Schülerinnen im Roman verarbeitete Möglichkeiten von Selbst, dessen -bewusstsein und -erkenntnis über den Zugang subjektiver Sichtweisen in einer Analyse beispielsweise des planvoll inszenierten und zugleich reproduzierten Lächelns von Moïse, der M. Ibrahims „Anleitung zum Glücklichsein”[16] versucht umzusetzen, deuten. Auch für den Folgeunterricht kann dem Lerngegenstand eine besondere Bedeutung beigemessen werden, weil bereits an dieser Stelle auf die conceptions de vie der Hauptpersonen hingewiesen wird, die z.B. im Rahmen der voyage initiatique vertieft werden können. Der Umfang der authentischen Textstelle (S.21- S.26, l.8) ergibt sich aus der für die Analyse gewinnbringend komprimierten Isolation des Lächelns als erkenntnistheoretischem Problemkomplex, der an Vorkenntnisse der Schülerinnen zu Momos Lebenswelt anknüpft. Die Textstelle ist durchaus anspruchsvoll, da die Schülerinnen den umgangssprachlichen und gleichzeitig stilistisch anspruchsvollen Schreibstil verstehen und die teils humoristisch und philosophisch dargebotenen Passagen dekodieren können müssen. Im Sinne der didaktischen Reduktion wird ein inhaltlicher Schwerpunkt auf die Rollenanalyse des Lächelns gelegt, wohingegen auf die weiterführende Diskussion philosophischer Ansätze[17] wie beispielsweise der Frage, ob materieller Reichtum persönlichem Glück gleichzusetzen ist und inwiefern es sich bei Höflichkeit und Freundlichkeit um trennscharfe intersubjektive Phänomene handelt, verzichtet wird. Inhaltlich für das äußere Textverständnis relevante Aspekte werden vorab über den Einstiegsimpuls, der die Hausaufgabe zur Vorstunde aufgreift, wiederholt. Diese Wiederholung schließt sich an die Wortfeldarbeit der Vorstunde an und dient der sprachlichen Vorentlastung des Wortfelds sourire. Sprachlich und inhaltlich sind Hauptschwierigkeiten in der Analyse des zur „Beliebtheit des Buches bei Schülerinnen und Schülern beitragende[-n] „feine[-n] Humor[-s] des Erzählers““[18] zu erwarten. Die Abstraktion bei der Bestimmung des komischen Effekts der Textpassage und die Unterscheidung von comique de situation/de mots/de caractère stellen zwei der zu erwartenden inhaltlichen Hauptschwierigkeiten dar. Sprachlich könnte vor allem die Verwendung von Phraseologien zum themenspezifischen Wortschatz der moyens comiques problematisch sein. Hier ist mit dem Performanzfehler in der Aussprache des Namens Moïse zu rechnen, den die Schülerinnen untereinander korrigieren können. Aufgrund der Genus-Abweichung zum Deutschen ist es darüber hinaus wahrscheinlich, dass die Lernerinnen falsche Artikel bei le comique verwenden. Insbesondere die korrekte Aussprache des eingeführten Wortes engueuler stellt noch ein Problem dar. Da die Sprechmotivation der Schülerinnen nicht beeinträchtigt werden soll, wird eine fehlersensible Korrektur vorgenommen, die vor allem dann zum Tragen kommt, wenn Vermittlungsschwierigkeiten der Inhalte auftreten. Dabei gilt es deutlich zu machen, dass dies eine HhHilfe darstellt. Die Videosequenz als multimodales Einstiegsmaterial hat den Vorzug, in Kürze eine prägnante Problematisierung zu ermöglichen. Die Analysephasen wiederum bauen einen Spannungsbogen auf, der aus der Konstante durchweg positiver Reaktionen von Momos Mitmenschen auf sein Lächeln zur Frage führt, wie sein Vater damit umgeht. Um die behandelten Romaninhalte an das Schüler- moi anzubinden, wird in der die Stunde abschließenden Hausaufgabe nach einer persönlichen Einschätzung zur Bedeutung des Lächelns gefragt.
5. Stundenziel
Die Schülerinnen erschließen die Textpassage (S.21, Z.1- S.26, Z.8), um die Bedeutung des Lächelns für Moïse, dessen Vater und Monsieur Ibrahim herauszuarbeiten und den Effekt der textgestalterischen Komik begründet zu analysieren.
[...]
[1] M.1 hat die Absicht bekundet, das CGL aufgrund ihrer unzureichenden Gesamtleistung verlassen zu wollen.
[2] Vgl. Ständer, Ines (Hg.): „Eric-Emmanuel Schmitt: Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran. Ein Beitrag zum interkulturellen Lernen“, In: RAAbits Französisch September 2005, Ausgabe 47, S. 2.
[3] Vgl. Schmitt, Écric-Emmanuel: Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran, Reclam Fremdsprachentexte, Stuttgart 2003.
[4] Vgl. Nieweler, Andreas (Hg.): Fachdidaktik Französisch, Stuttgart 2017, S. 212.
[5] Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.) (2016): Französisch – Hinweise zur schriftlichen
Abiturprüfung 2019, URL: https://www.nibis.de/uploads/1heihoke/curricula/2019/03FranzoesischHinweise2019.pdf, Datum des Zugriffs: 30.05.2018, S. 2.
[6] Nieweler, Andreas: „Die Arbeit mit literarischen Texten“, In: Der fremdsprachliche Unterricht Französisch, Heft 126 Dezember 2013, S. 22-25, Hier: S. 24.
[7] Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.): Kerncurriculum für das Gymnasium – gymnasiale Oberstufe die Gesamtschule – gymnasiale Oberstufe das Berufliche Gymnasium das Abendgymnasium das Kolleg. Französisch, Hannover 2011, URL: http://db2.nibis.de/1db/cuvo/datei/kc_franz_go_i_12_11.pdf; letzter Zugriff am 30.05.2018, S. 11.
[8] Vgl. Ebd., Hier: S. 12.
[9] Vgl. Ebd., Hier: S. 15.
[10] Vgl. Ebd., Hier: S. 32.
[11] Ebd., Hier: S. 16.
[12] Ebd.
[13] Vgl. Soccard, Lore: Éric-Emmanuel Schmitt. Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran. Dossier pédagogique, Stuttgart 2009, S. 7.
[14] Decke-Cornill, Helene, Küster, Lutz: Fremdsprachendidaktik. Eine Einführung, Bachelor wissen, Tübingen 2014, S. 44.
[15] Vgl. Frey, Bruno S.: Wirtschaftswissenschaftliche Glücksforschung. Kompakt, verständlich, anwendungsorientier, Wiesbaden 2017, S. 2.
[16] Bardt, Ulrike: Eric-Emmanuel Schmitt: „Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran“, Unterrichts-Materialien Französisch 2008, S.3.
[17] Vgl. Durcy, Fabienne: Monsieur Ibrahim et les Fleurs du Coran. Fiche de lecture, Paris 2013, S. 8.
[18] Lauffs, Manfred: Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran, EinFach Französisch. Unterrichtsmodell, Paderborn 2006, S. 36