Es gilt als das „Freilichtmuseum des Kommunismus“, der letzte Rest der unlängst zerfallenen Sowjetunion. Leninstatuen wohin man sieht, die typisch kommunistischen Symbole Hammer und Sichel schmücken nach wie vor die heimische Flagge. Es hat ein eigenes Parlament, eine eigene Währung, eigene Streitkräfte sowie eine eigene Verfassung: Transnistrien. Auf der Karte liegt der Pseudostaat in Form eines schmalen Landstreifens zwischen Moldawien und der Ukraine im Osten Europas. Trotz seiner Unabhängigkeitserklärung von Moldawien im Jahre 1992 wird Transnistrien bis heute nicht als souveräner Staat anerkannt.
Erfüllt doch dieses Land, das offiziell keines ist, scheinbar alle Voraussetzungen, stellt sich in diesem Zusammenhang die zentrale Frage, wann ein Staat sich als solcher bezeichnen darf. Betrachtet man die separatistische Bevölkerung Transnistriens, so lässt sich schnell erkennen, dass das bloße Unabhängigkeitsbestreben von rund einer halben Million Menschen auch noch nach Jahren der Auseinandersetzungen nicht genügt.
Die vorliegende Hausarbeit soll im Wesentlichen einen Beitrag zum besseren Verständnis dieser Komplexität leisten. Zunächst einmal werden Hintergrundinformationen zu Transnistrien aufgezeigt, wobei insbesondere im geschichtliche Hintergrund der Kern dieser Problematik begründet liegt. Daraufhin folgt eine theoretische Einführung in die Staatslehre mit besonderem Fokus auf den erforderlichen Merkmalen, die ein solcher erfüllen muss. Die Merkmale sollen am Beispiel Transnistrien belegt werden. Eine weitere besondere Schwierigkeit dieser Arbeit liegt neben den wesentlichen Gründen für den Separatismus in diesem Scheinstaat, auf der Beteiligung Russlands, welches hierbei eine Schlüsselrolle einnimmt. Abgeschlossen wird diese Hausarbeit mit einer Rezension, die vorangegangene Punkte zusammenfasst und sich folglich kritisch mit der Frage auseinandersetzen soll, ob der Status „Pseudostaat“ tatsächlich gerechtfertigt ist. Zudem werden potentielle Ansätze zur Lösung des Konflikts um Transnistrien angeführt.
Inhaltsverzeichnis
1. Hinführung zum Thema
2. Hintergrundinformationen
2.1 Geographie
2.2 Geschichte
2.3 Bevölkerung
3. Wann ist ein Staat ein Staat?
3.1 Die Drei-Elemente-Lehre nach Jellinek
3.1.1 Staatsgebiet
3.1.2 Staatsvolk
3.1.3 Staatsgewalt
3.2 Die UN-Vollversammlung
3.2.1 Definition
3.2.2 Haltung gegenüber Transnistrien
4. Die Rolle Russlands
5. Gründe für den Separatismus Transnistriens
5.1 Wirtschaft.
5.2 Nationale Identität
6. Rezension...
7. Quellenverzeichnis
7.1 Literaturquellen
7.2 Internetquellen..
7.3 Bildquellen..
1. Hinführung zum Thema
Es gilt als das „Freilichtmuseum des Kommunismus“, der letzte Rest der unlängst zerfallenen Sowjetunion. Leninstatuen wohin man sieht, die typisch kommunistischen Symbole Hammer und Sichel schmücken nach wie vor die heimische Flagge. Es hat ein eigenes Parlament, eine eigene Währung, eigene Streitkräfte sowie eine eigene Verfassung: Transnistrien. Auf der Karte liegt der Pseudostaat in Form eines schmalen Landstreifens zwischen Moldawien und der Ukraine im Osten Europas. Trotz seiner Unabhängigkeitserklärung von Moldawien im Jahre 1992 wird Transnistrien bis heute nicht als souveräner Staat anerkannt.
Erfüllt doch dieses Land, das offiziell keines ist, scheinbar alle Voraussetzungen, stellt sich in diesem Zusammenhang die zentrale Frage, wann ein Staat sich als solcher bezeichnen darf. Betrachtet man die separatistische Bevölkerung Transnistriens, so lässt sich schnell erkennen, dass das bloße Unabhängigkeitsbestreben von rund einer halben Million Menschen auch noch nach Jahren der Auseinandersetzungen nicht genügt.
Die vorliegende Hausarbeit soll im Wesentlichen einen Beitrag zum besseren Verständnis die- ser Komplexität leisten. Zunächst einmal werden Hintergrundinformationen zu Transnistrien aufgezeigt, wobei insbesondere im geschichtliche Hintergrund der Kern dieser Problematik be- gründet liegt. Daraufhin folgt eine theoretische Einführung in die Staatslehre mit besonderem Fokus auf den erforderlichen Merkmalen, die ein solcher erfüllen muss. Die Merkmale sollen am Beispiel Transnistrien belegt werden. Eine weitere besondere Schwierigkeit dieser Arbeit liegt neben den wesentlichen Gründen für den Separatismus in diesem Scheinstaat, auf der Be- teiligung Russlands, welches hierbei eine Schlüsselrolle einnimmt. Abgeschlossen wird diese Hausarbeit mit einer Rezension, die vorangegangene Punkte zusammenfasst und sich folglich kritisch mit der Frage auseinandersetzen soll, ob der Status „Pseudostaat“ tatsächlich gerecht- fertigt ist. Zudem werden potentielle Ansätze zur Lösung des Konflikts um Transnistrien ange- führt.
2. Hintergrundinformationen
2.1 Geographie
Betrachtet man die geographische Lage dieses Pseudostaates, so lässt sich schnell erkennen, dass die die Landesgrenzen Transnistriens, mit offiziellen Namen Transnistrische Moldauische Republik (russisch: Приднестровская Молдавская Республика) auf einer Karte nicht sofort zu erkennen sind. Genau gesagt liegt das 200 Kilometer lange und gerade einmal 20 Kilometer breite defacto Regime zwischen Moldawien und der Ukraine. Flächenmäßig umfasst Transnistrien 12 % des moldauischen Staatsterritoriums, dessen Grenzen östlich vom Fluss Dnister (russisch: Днестр) markiert werden sowie ein Gebiet rund um die Stadt Bendery (russisch: Бендеры) am westlichen Ufer. Die größte und eine der bedeutendsten Städte Transnistriens ist dessen Hauptstadt Tiraspol im Süden des Landes. Mit ca. 150.000 Einwohnern leben hier etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1
2.2 Geschichte
Die Historie des noch vergleichbar jungen Transnistriens lässt sich deutlich an den Relikten aus der früheren Sowjetunion erkennen. Besonders Architektur sowie die allgemeine Atmosphäre innerhalb des Landes erinnern dabei an das unlängst vergangene kommunistische Großreich.1 Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 standen die Gebiete Moldau, ehemals Bessarabien und Transnistrien unter der Herrschaft Russlands. 1924 gründete die UdSSR auf ukrainischen sowie transnistrischen Boden die „Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik“, kurz MASSR.2 Im Zuge des Zweiten Weltkriegs entstand die MSSR, auch „Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik“, aufgrund dieser in den folgenden fünf Jahren immer wieder territoriale Konflikte zwischen der Sowjetunion und Rumänien stattfanden. Im September 1990, gegen Ende des 20. Jahrhunderts, erklärte Transnistrien die Abspaltung von Moldau, bevor sie am 25. August 1992 die eigene Unabhängigkeit proklamierten.3 Die scheinbar neuerlangte Souveränität Transnistriens mündete kurzerhand in einen blutigen Krieg mit der Republik Moldau, der viele Todesopfer forderte. Durch das Eingreifen Russlands, das auch heute noch als Schutzpatron fungiert, konnte jedoch Waffenruhe erwirkt werden.4 Seit dieser Zeit wurden von der russischen Regierung knapp 1300 Soldaten nach Transnistrien entsandt, die in diesem politisch angespannten Gebiet für Sicherheit sorgen sollen. Endgültig beigelegt ist dieser Konflikt, der wesentlich in dem Zerfall der Sowjetunion begründet liegt, bislang nicht, weswegen er auch als „eingefrorener Konflikt“ bezeichnet wird.
Transnistrien gilt bis zum heutigen Tag als faktisch unabhängig, wird jedoch von keinem anderen Staat als solches anerkannt. Aus diesem Grund erhält es oftmals die Bezeichnung „Scheinstaat“ bzw. „Defacto Staat“.
2001 wurde eine Vereinigung ins Leben gerufen, die „Gemeinschaft nicht-anerkannter Staaten“ (alternativ: „Gemeinschaft für Demokratie und Rechte von Nationen“, kurz CDRN). Dessen Mitglieder sind hierbei Defacto-Regime wie Transnistrien, die nach dem Zerfall der UdSSR entstanden, jedoch (überwiegend) von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt sind.5 Gegen Ende September 2006 fand in Transnistrien ein Volksreferendum statt, bei dem sich mehr als 97 % der transnistrischen Bevölkerung für die Abspaltung von Moldawien sowie die Annexion durch Russland aussprachen. Die Regierung der Republik Moldawien, stellvertretend ihr Außenminister Andrei Stratan verweigerten die Anerkennung des Wahlergebnisses.6 Auch die Europäische Union akzeptierte dieses nicht. Aufgrund der fehlenden Legitimation durch die
UN bleiben den Transnistrier völkerrechtliche Schritte verwehrt. Lediglich der Kreml intervenierte in diesem Zusammenhang wie gewöhnlich als Vermittler zwischen den Konfliktparteien.
2.3 Bevölkerung
In der ehemaligen MSSR bildeten die rumänischen Moldauer neben Ukrainern und Russen den Großteil der Bevölkerung. Eine weitere Volksgruppe, die der Gagausen, besiedelt seit mehreren Jahrhunderten den Süden Transnistriens.7 Mittlerweile ist ein Drittel der rund 475.000 Einwohnern russischer Abstammung. Deswegen bildet Russisch neben Rumänisch (Moldauische Sprache) die Amtssprache innerhalb dieses Pseudostaates. Aufgrund der fehlenden Anerkennung besitzen die meisten Transnistrier neben einem transnistrischen Reisepass, der lediglich innerhalb der Landesgrenzen gültig ist, zusätzlich einen russischen bzw. moldawischen Pass, mit dem Reisen ins Ausland unternommen werden können.
Im Gegensatz zu der verhältnismäßig dichter besiedelten Hauptstadt Tiraspol ist der Rest des Landes ländlich sowie weitläufig bewohnt. Ein Großteil der Bevölkerung lebt aus diesem Grund von der Agrarwirtschaft sowie der Metallindustrie. Aufgrund des sehr geringen monatlichen Durchschnitteinkommens von etwa 250 Euro verzeichnete Transnistrien in den letzten Jahren eine erhöhte Abwanderungsquote. Viele Transnistrier, vorallem die jüngeren Generationen, verlassen ihr Land auf der Suche nach einer besseren Zukunft in anderen Teilen Europas.
3. Wann ist ein Staat ein Staat?
3.1 Die Drei-Elemente-Lehre nach Jellinek
Im Folgenden wird die Staatlichkeit Transnistriens mithilfe der Drei-Elemente-Lehre nach Georg Jellinek überprüft, die auf dem klassischen Völkerrecht basiert. Laut Jellinek besteht ein vollwertiger Staat aus Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Diese drei Bestandteile können faktisch nicht separiert werden, vielmehr bedingen und beeinflussen sie sich gegenseitig. In den nächsten Kapiteln werden diese allerdings getrennt voneinander betrachtet, um ein verbessertes Verständnis gewährleisten zu können.
3.1.1 Staatsgebiet
Jellinek definiert den Begriff Staatsgebiet als „das Land, auf welchem der staatliche Verband sich erhebt“; es „bezeichnet seiner rechtlichen Seite nach den Raum, auf dem die Staatsgewalt ihre spezifische Tätigkeit, die des Herrschens, entfalten kann“.8 Dabei bedarf es einer abgrenzbaren Fläche bzw. eines Kernterritoriums.9 Trotz der nicht sofort erkennbaren Lage Transnistriens auf einer Weltkarte (siehe Kapitel 2.1), weist diese Defacto- Republik jedoch durchaus ein besagtes Staatsgebiet auf. Die Grenzen werden deutlich vom Fluss Dnister auf östlicher Seite markiert. Das Auswärtige Amt beschreibt das transnistrische Territorium folgendermaßen: „Der transnistrische Landesteil (östlich des Flusses Nistru/Dnjestr gelegenes Gebiet mit einer Bevölkerung, die sich zu jeweils etwa einem Drittel aus Moldauern, Russen und Ukrainern zusammensetzt), hat sich im Zusammenhang mit der Auflösung der Sowjetunion vom moldauischen Kernland faktisch abgespalten […].“10 Bereits bei diesem Untersuchungsparameter wird die Problematik deutlich. Mit dem Zerfall der ehemaligen UdSSR gilt Transnistrien als abtrünniges Gebiet der Republik Moldau, wobei die Landesgrenzen klar beschrieben sind. Soweit lässt sich hierbei von einem eigenen Staatsgebiet sprechen, weshalb nach Jellineks Drei-Elemente-Lehre die erste Bedingung zweifelsfrei erfüllt ist. Allerdings existiert in diesem Zusammenhang eine Tatsache, die vorangegangenes „außer Kraft setzt“. Wie bereits oben erwähnt, proklamierte Transnistrien zwar ihre eigene Unabhängigkeit und sagte sich in diesem Zusammenhang von dem heutigen Moldawien los. Jedoch geschah dies einseitig. Die erforderliche Zustimmung durch die internationale Gesellschaft, die Transnistrien immer noch als einen Teil von Moldawien ansieht, fehlt bis heute.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2
[...]
1 vgl. Transnistiren. Eine kulturelle Zeitreise in die sowjetische Ära (o.J.), in: Dreizackreisen Moldawieninformationen, URL: https://www.dreizackreisen.de/transnistrien-tiraspol-bender-moldawien (Stand: 26.10.2017)
2 vgl. Hermsen, Mara: Positionen Transnistriens zur EU (o.J.), in Uni Regensburg, URL: http://www.uni- regensburg.de/philosophie-kunst-geschichte-gesellschaft/geschichte-suedost-osteuropa/medien/rumaenien- moldawien/11_hermsen__transnistrien_final.pdf (Stand: 26.10.2017)
3 vgl. Schmidt, Andreas: Sezession und Pseudo-Staaten: Das Beispiel Transnistrien. München, 2007, S. 1
4 vgl. Transnistiren. Eine kulturelle Zeitreise in die sowjetische Ära (o.J.), in: Dreizackreisen Moldawieninformationen, URL: https://www.dreizackreisen.de/transnistrien-tiraspol-bender-moldawien (Stand: 26.10.2017)
5 vgl. Gemeinschaft nicht-anerkannter Staaten (o.J.), in: nidiot, URL: http://www.nidiot.de/de/Gemeinschaft_nicht-anerkannter_Staaten (Stand: 26.10.2017)
6 vgl. Transnistrien. Dnjestr-Republik stimmt für Abspaltung von Moldau (18.09.2006), in: Spiegel Online, URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/transnistrien-dnjestr-republik-stimmt-fuer-abspaltung-von-moldau-a- 437754.html (Stand: 26.10.2017)
7 vgl. Das postsowjetische Moldawien. Spannungen zwischen den Volksgruppen (o.J.), in: Mitteldeutscher Rundfunk, URL: http://www.mdr.de/damals/archiv/moldawien100.html (Stand: 26.10.2017)
8 Schliesky, Utz: Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt. Die Weiterentwicklung von Begriffen der Staatslehre und des Staatsrechts im europäischen Mehrebenensystem. Tübingen, 2004, S. 26
9 vgl. Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt (16.03.2014), in: Welt, URL: https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/thema_nt/article125851780/Staatsvolk-Staatsgebiet- Staatsgewalt.html (Stand: 26.10.2017)
10 Innenpolitik. Transistrien (April 2017), in: Auswärtiges Amt, URL: http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Moldau/Innenpolitik_node.html (Stand: 26.10.2017)