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Widerstand aus dem Glauben. Der Widerstand der Kirche gegen den NS-Staat

©2017 Seminararbeit 24 Seiten

Zusammenfassung

Der Widerstand gegen das NS-Regime und die führenden Personen ging nicht nur von Bürgern und politischen Gegnern aus, sondern kam auch aus militärischen Kreisen und von den Kirchen. Die Formen des kirchlichen Widerstands und seine Beurteilung sollen im Folgenden eingehend betrachtet werden. Dabei setzt sich die vorliegende Arbeit im Speziellen mit den Fragen auseinander, welche Ziele der kirchliche Widerstand verfolgte und durch welche Maßnahmen die Kirchen im Deutschland diese erreichen wollten.

Dazu soll zunächst der Widerstand im Allgemeinen definiert und von anderen Formen politischer Gewalt abgegrenzt werden. Daran anknüpfend folgt eine Unterscheidung zwischen dem politischen und dem kirchlichen Widerstand. Anschließend werden die Formen und Methoden des kirchlichen Protests aus dem historischen Kontext heraus dargestellt und dessen Ziele näher beleuchtet. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung und Bewertung dieses Engagements.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Begriff Widerstand und seine Formen gegen das nationalsozialistische Regime

3. Unterscheidungsmöglichkeiten zwischen politischem und kirchlichem Widerstand

4. Die beiden großen deutschen Kirchen gegen Hitler
4.1. Widerstand der evangelisch-lutherischen Kirche
4.1.1. Die Rolle der Deutschen Christen
4.1.2. Die Rolle der Bekennenden Kirche
4.2. Widerstand der katholischen Kirche

5. Ziele des kirchlichen Widerstands

6. Schluss: Bewertung des kirchlichen Widerstands und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der 30. Januar 1933, jenes Datum, das als Tag der Machtergreifung[1] in die Annalen eingehen sollte, „markiert […] den Beginn des NS-Staates und damit den Anfang einer historischen Epoche mit weitreichenden Folgen.“[2] Obwohl Reichspräsident Paul von Beneckendorff und von Hindenburg „Vorbehalte [hatte], die den nationalsozialistischen Anwärter, also Hitler persönlich, betrafen“[3] und diese in einer zunächst kategorischen Ablehnung zum Ausdruck brachte, ernannte er diesen zum Reichskanzler. Seine ursprüngliche Sicht, mit der Ernennung einem „anmaßend auftretenden Gefreiten die Geschicke des Reiches anzuvertrauen.“[4], hatte sich im Geiste der Zeit zu einer annehmenden Skepsis gewandelt. „Die im Zeichen der nationalen Integration stehende Aufbruchstimmung nach dem 30. Januar 1933 imponierte Hindenburg und bestätigte ihn darin, daß [sic] er an diesem Tag die richtige Entscheidung getroffen hatte[.]“[5] Trotz der Überzeugung des Reichspräsidenten, regte sich aber aus verschiedenen Kreisen heftiger Widerstand gegen Hitler. „Im Februar und März 1933 schwirrte die Luft in Deutschland von Morddrohungen und Anschlägen.“[6] Hitler war sich dieser Gefahren durchaus bewusst und konnte erahnen aus welchen Kreisen die Leute stammten, welche ihm nach dem Leben trachteten und worin ihre Motivation dazu begründet lag. „Besonders fürchtete er Anschläge von Juden, Kommunisten und Katholiken, deren Verfolgung er häufig angekündigt hatte.“[7] Der Widerstand gegen ihn bestand aber nicht nur aus Angriffen, welche auf die Tötung des Diktators abzielten, sondern äußerte sich auch im passiven Widerstand sowie in gewaltlosen Aktionen, die vielfach auch gegen den Nationalsozialismus gerichtet waren. Ein Beispiel hierfür liefert die Widerstandsgruppe "Die Weiße Rose" um die Geschwister Scholl und Alexander Schmorell, welche „»eine Schrift gegen den Nationalsozialismus«“[8] in Form von Flugblätter verfassten und damit „für die Idee einer menschenwürdigen Gemeinschaft“[9] eintraten - wofür sie im Jahre 1943 mit dem Leben bezahlten. Der Widerstand gegen das Regime und die führenden Personen ging jedoch nicht nur von Bürgern und politischen Gegnern aus, sondern kam auch aus militärischen Kreisen und von den Kirchen. Die Formen des kirchlichen Widerstands und seine Beurteilung sollen im Folgenden eingehend betrachtet werden. Dabei setzt sich die vorliegende Arbeit im Speziellen mit den Fragen auseinander, welche Ziele der kirchliche Widerstand verfolgte und durch welche Maßnahmen die Kirchen im Deutschland diese erreichen wollten. Dazu soll zunächst der Widerstand im Allgemeinen definiert und von anderen Formen politischer Gewalt abgegrenzt werden. Daran anknüpfend folgt eine Unterscheidung zwischen dem politischen und dem kirchlichen Widerstand. Anschließend werden die Formen und Methoden des kirchlichen Protests aus dem historischen Kontext heraus dargestellt und dessen Ziele näher beleuchtet. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung und Bewertung dieses Engagements.

2. Der Begriff Widerstand und seine Formen gegen das nationalsozialistische Regime

Das vorliegende Kapitel setzt sich mit dem Begriff Widerstand auseinander und stellt den Bezug zum Aufbegehren verschiedener Gruppen gegen das NS-Regime her. Anschließend wird auf dieser Grundlage die Abgrenzung zwischen politischem und kirchlichem Widerstand vorgenommen.

Grundsätzlich lässt sich über den Widerstand aussagen, dass er „ein wichtiges Thema der Politischen Philosophie, der Rechts- und Geschichtswissenschaft“[10] ist. Dementsprechend ist sein Verwendungskontext ebenso vielfältig, wie sein Begriffsverständnis breitgefächert ist. Eine Definitionsmöglichkeit des Ausdrucks findet sich im Politik-Lexikon wieder. Dort wird für den Widerstand folgende Definition angeführt:

„Abwehr einer Bedrohung durch gewaltsame oder gewaltlose Gegenwehr. In den Bereich des Politischen übertragen meint Widerstand die Auflehnung gegen bzw. die Bekämpfung von staatlicher Tyrannei, Willkür- und Unrechtsherrschaft, welche die Grundrechte und Grundfreiheiten eines demokratischen Verfassungsstaates mißachten. Wird das staatliche Gewaltmonopol offenkundig zugunsten eines Unrechtsregimes instrumentalisiert, erhält Widerstand gegen Staatsmacht moralische Legitimation.“[11]

Wesentliche Merkmale des Widerstands sind demnach „[…] die Auflehnung gegen bzw. die Bekämpfung […]“[12] von Herrschaftsformen und Regierungssystemen, „[…] welche die Grundrechte und Grundfreiheiten eines demokratischen Verfassungsstaates mißachten.“[13] Zudem wird die Unterscheidung zwischen friedlicher und gewaltsamer Auflehnung unternommen. Diese Aspekte finden sich auch in der Definition von Birgit Enzmann wieder, werden aber noch weiter unterschieden und um einige Punkte erweitert. Ihrer Ansicht nach ist Widerstand eine Form politischer Gewalt, welche durch ihre spezifischen Merkmale von anderen zentralen Erscheinungsformen, wie der Revolution, dem Extremismus und Terrorismus, dem Staatsterror und dem Krieg sowie dem Bürgerkrieg abgegrenzt werden kann. Dabei gilt zunächst festzustellen, dass obwohl „[…] es zwischen ihnen Wechsel-wirkungen (Staatsterror provoziert Widerstand) und zum Teil fließende Übergänge (von der Revolution zum Bürgerkrieg zum Krieg) gibt, […] die zentralen Formen politischer Gewalt doch ein klares Profil“[14] haben. Diese stellt Enzmann durch die interne Differenzierung des Begriffs anhand verschiedener Merkmale heraus. Demnach kann „nach Tätern, Zielsetzungen, Opfern und Adressaten, hinsichtlich Legalität und Legitimität“[15] unterschieden werden. Durch folgende Kriterien kann der Widerstand von anderen Varianten politischer Gewalt abgegrenzt werden: Widerstand wird geleistet von nichtstaatlichen Akteuren, welche individuell oder kollektiv handeln können. Das Ziel ist die Wiederherstellung der Rechtsordnung. Die Opfer sind dabei die Verantwortlichem für den Verfassungsbruch oder auch die Regierung. Als Adressaten gilt die Gesamtgesellschaft. Die Legalität des Widerstand kann gesetzwidrig sein aber ggf. verfassungskonform. Seine Legitimität erhält er durch die Moral und/oder die Weltordnung.[16]

Ein anderes Verständnis von Widerstand hat Karl Graf Ballestrem. Er ordnet den Begriff ein als

„[…] eine Form der politischen Opposition, die sich illegaler Methoden bedient. Politische Opposition: d.h. die Gegnerschaft richtet sich gegen die Maßnahmen einer Regierung oder gegen die Regierung selbst bzw. sogar gegen die staatliche Ordnung insgesamt. Illegale Methoden: d.h. wer Widerstand ausübt, nimmt es bewusst auf sich, gegen geltende Gesetze eines Staates zu verstoßen.“[17]

Dabei unterteilt Ballestrem den Widerstand in aktiven, d.h. gewaltsamen und passiven, d.h. gewaltfreien Widerstand.[18] Im Unterschied zu der Definition von Enzmann nimmt Ballestrem weder bei der »Gegnerschaft« eine Differenzierung zwischen Einzeltätern und Gruppen vor, noch grenzt er staatliche von nicht-staatlichen Akteuren ab. Zudem fehlen in seiner Ausführung die Adressaten des Widerstands.

Die angeführten Definitionen und Feststellungen von Charakteristika spiegeln Versuche wider den Begriff Widerstand anhand verschiedener Merkmalen greifbar zu machen. Den nachfolgenden Überlegungen muss eine Arbeitsdefinition zu Grunde gelegt werden, welche erlaubt den Widerstand als solchen zu identifizieren, aus der sich Zielsetzungen ableiten lassen und eine Bewertung vorgenommen werden kann. Die folgenden Analysen greifen daher auf Enzmanns Charakterisierung des Widerstandsbegriff zurück.

Übertragen auf den Widerstand im Nationalsozialismus lässt sich zunächst festhalten, dass die Auflehnung gegen das NS-Regime aus verschiedenen Kreisen auf unterschiedliche Arten erfolgte. Hierbei lassen sich zum einen gewaltsame Aktionen, d.h der aktive Widerstand, z.B. in Form von Anschlägen auf Institutionen oder Personen nennen. Ein Beispiel hierfür wäre von Stauffenbergs Versuch Hitler am 20. Juli 1944 durch ein Bombenattentat zu töten. Zum anderen kann Gegenwehr durch gewaltlose Taten, also in Form von passivem Widerstand geleistet werden, beispielsweise durch das Verfassen und Verteilen von Flugblättern oder Denkschriften, wie es die bereits angesprochene studentische Widerstandsgruppe "Die weiße Rose" oder auch einige Geistliche praktiziert haben. Das Ziel beider Widerstandsformen war es, langfristig der Hitler-Diktatur den Rückhalt aus der Bevölkerung zu entziehen und zu erreichen, dass dessen Herrschaft endet. Moralisch legitimiert werden diese Zuwiderhandlungen gegen das Regime durch den Versuch der Widerständler, die Verbrechen der Nationalsozialisten in der Heimat und den besetzten Gebieten zu beenden. Zu diesen Untaten des NS-Regimes zählt die Verfolgung von politischen Gegnern, Andersdenkenden und Juden in Europa genauso, wie der anhaltende Eroberungskrieg und den damit einhergehenden Kriegsverbrechen. Ein baldiges Ende des Krieges hätte auch die Zahl der Vermissten, Verwundeten und Toten reduziert.

In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sich eine „[d]ifferen-zierte Reflexion auf Recht und Pflicht zum W[iderstand] […] v.a. im Umfeld der Wider-standsgruppe »Die weiße Rose« sowie der Verschwörung des 20. Juli 1944“[19] findet. Diese Überlegungen wurden auch bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit einbezogen. Als

„[…] verfassungsrechtliche Konsequenzen aus dem sich zunächst innerhalb der Bestimmun-gen der Weimarer Verfassung vollziehenden Aufstieg des Nationalsozialismus zur Macht […]“[20] ergab sich das „[…] in Art. 20 Abs. 4 GG verankerte Widerstandsrecht […], [welches] als Ausnahme- und Notwehrrecht gefaßt [ist und] den W[iderstand] der Bürger gegen Angriffe auf die Fundamente der Verfassung von oben wie von unten legitimiert.“[21]

Bevor gezeigt werden kann, welche Maßnahmen die beiden großen deutschen Kirchen gegen das NS-Regime ergriffen haben und in welchen Bereichen Widerstand geleistet wurde, ist zunächst eine Abgrenzung des politischen vom kirchlichen Widerstand nötig. Im folgenden soll versucht werden Unterscheidungskriterien herauszuarbeiten und auf dieser Grundlage eine Differenzierung der beiden Widerstandsformen vorzunehmen.

[...]


[1] Der Begriff der Machtergreifung geht auf die NS-Propaganda zurück. „Das NS-Schlagwort wird bis heute verwendet, genauere Betrachter aber unterscheiden die Machtübernahme 1933 von der folgenden Machtergreifung durch Ausschaltung aller bis hin zur Vereinigung der Ämter des Regierungschefs und des Reichspräsidenten in der Hand Hitlers als Führer und Reichskanzler im Aug. 1934.“ aus: Bedürftig, Friedemann (2002): Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg. Das Lexikon. München, Zürich: Piper, S. 311

[2] Longerich, Peter (1992): 30 Januar 1933. München: W. Heyne Verlag, S. 95

[3] Pyta, Wolfram (2008): Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. 3., durchges. Aufl. München: Siedler, S. 717

[4] ebd., S. 718

[5] ebd., S. 808

[6] Hoffmann, Peter (1975): Die Sicherheit des Diktators. Hitlers Leibwachen Schutzmassnahmen, Residenzen, Hauptquartiere. München, Zürich: R. Piper, S. 38

[7] Sigmund, Anna Maria (2006): Diktator, Dämon, Demagoge. Fragen und Antworten zu Adolf Hitler. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 197

[8] Bald, Detlef (2003): Die "Weisse Rose". Von der Front in den Widerstand. 1. Aufl. Berlin: Aufbau-Verlag, S. 32

[9] ebd., S. 37

[10] Enzmann, Birgit: Vorwort. In: Enzmann, Birgit (2013): Handbuch Politische Gewalt. Formen - Ursachen - Legitimation - Begrenzung. Wiesbaden: Springer VS, S. 7-14, hier: S. 8

[11] Brinkmann, Heinz Ulrich: Widerstand. In: Holtmann, Everhard (Hg.) (2000): Politik-Lexikon. 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin/Boston, S. 775-776, hier: S. 775f.

[12] ebd., hier: S. 775

[13] ebd.

[14] Enzmann, Birgit (2013), S. 7-14, hier: S. 7

[15] Enzmann, Birgit: Politische Gewalt. Formen, Hintergründe, Überwindbarkeit. In: Enzmann, Birgit (2013): Handbuch Politische Gewalt. Formen - Ursachen - Legitimation - Begrenzung. Wiesbaden: Springer VS, S. 43-66, hier: S. 47

[16] vgl. ebd. in: Abbildung 1

[17] Ballestrem, Karl Graf: Widerstand, Ziviler Ungehorsam, Opposition. Eine Typologie. In: Enzmann, Birgit: Politische Gewalt. Formen, Hintergründe, Überwindbarkeit. In: Enzmann, Birgit (2013): Handbuch Politische Gewalt. Formen - Ursachen - Legitimation - Begrenzung. Wiesbaden: Springer VS, S. 67-74, hier: S. 69

[18] vgl. ebd.

[19] Münkler Herfried: Widerstand/Widerstandslehren/Wiederstandsrecht. In: Nohlen, Dieter; Schultze Rainer-Olaf (Hrsg.) (2010): Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe. Orig.-ausg., 4., aktualisierte und erw. Aufl. 2 Bände (Band 2 N-Z). München: C.H. Beck, S. 1225-1228, hier: S. 1227

[20] ebd.

[21] ebd.

Details

Seiten
Jahr
2017
ISBN (eBook)
9783668757844
ISBN (Paperback)
9783668757851
Dateigröße
627 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg
Erscheinungsdatum
2018 (Juli)
Note
2,0
Schlagworte
Widerstand Kirche Nationalsozialismus kirchlicher Widerstand NS-Zeit
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