Motivations- und Leistungssteigerung durch Gamification im Unterricht
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhalt
1 Einleitung
2 Gamification
2.1 Spiel
2.2 Elemente
2.3 Design
2.4 Ausgewählte Spiel-Design-Elemente
3 Anwendungsbereiche von Gamification
3.1 Gesundheitswesen
3.2 Umweltschutz
3.3 Marketing
3.4 Schulische Bildung
3.4.1 Wirkung vom Gamification auf die Motivation
3.4.2 Wirkung vom Gamification auf die Leistung
3.4.3 Vor- und Nachteile von Gamification am Beispiel „Classcraft“
4 Fazit
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
In seinem Kriminalroman „Zero – Sie wissen, was du tust“, schreibt Marc Elsberg über eine durchaus vorstellbare Zukunftsvision, in welcher ein Unternehmen namens Freemee mittels der Anwendung des Konzepts Gamification das Verhalten unzähliger Nutzer beeinflusst.
In einer Zeit wie der heutigen, die durch digitale Medien, wie etwa Smartphones, Datenbrillen, etc. geprägt ist, findet man immer mehr Applikationen, welche Spielelemente in die reale Welt übertragen, um den Alltag spannender zu gestalten, aber auch um bestimmte Verhaltensweisen zu beeinflussen. So auch Freemee, welches spezielle Act-Apps entwickelt, die ihren Nutzern effektive Hilfestellungen in bestimmten Situationen, wie beispielsweise während dem Lernen, geben. Indem die „Spieler“ die Tipps dieser Apps befolgen, sammeln sie Punkte und steigen in einer weltweiten Werteskala weiter auf.
Dieser kurze Überblick über die Verwendung von Gamification in Elsbergs Roman soll als Denkanstoß für die eigentliche Thematik dieser wissenschaftlichen Arbeit dienen. Denn im Rahmen dieser Arbeit soll es nun darum gehen, ob die Motivationsbereitschaft und die schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern durch den Einsatz von Gamification im Unterricht positiv beeinflusst werden können. Hierzu sollte zunächst ein gewisses Basiswissen zum Thema Gamification geschaffen werden, bevor die einzelnen Anwendungsbereiche dieses Konzepts dargestellt werden. Da es sich hierbei um eine pädagogische Arbeit handelt, soll die schulische Bildung im Mittelpunkt stehen. Im Rahmen dieses Punktes und seiner Unterkategorien, wird der Einfluss gamifizierter Anwendungen auf die Motivation und die Leistung im Unterricht bewiesen. Abschließend werden die Vor- und Nachteile von Gamification am Beispiel des Online-Rollen-Spiels „Classcraft“ vorgestellt bevor ein Fazit zu dieser Thematik gezogen wird.
2 Gamification
Im englischen Sprachgebrauch wird Gamification heute üblicherweise als „the use of game design elements in non-game contexts“ (Sailer, 2016, S.9) definiert. Dieser Ausdruck, der die Nutzung, bzw. die Übertragung von Game-Design-Elementen in spielfremde Rahmenbedingungen beschreibt, fand erstmals im Jahr 2002 Verwendung. Es sollte jedoch noch weitere sieben Jahre dauern, bis sich der Terminus Gamification auch in Forschung und Praxis durchsetzt (vgl. Gonzales-Scheller, 2013, S.39; Sailer, 2016, S.5ff).
Andere Beschreibungen des Begriffs beziehen zusätzlich bestimmte Ziele mit ein, wie etwa die Steigerung der Motivation, die Verbesserung von Lernstrategien oder die Förderung des Wohlbefindens. Doch scheint es fraglich zu sein, ob eine solche Limitierung sinnvoll ist, da Ziele je nach Methodik und Kontext variieren können. Die oben genannte Arbeitsdefinition von Gamification wird deshalb laut Sailer bewusst vage gehalten, damit das spielerische Konzept nicht durch festgelegte Ziele eingeschränkt wird (vgl. Sailer, 2016, S. 6ff).
Es bleibt nun aber weiterhin die Frage offen, wodurch sich Gamification im Besonderen auszeichnet. Mit Blick auf die einzelnen Komponenten Spiel, Design und Elemente soll das Konzept der Gamifizierung im weiteren Verlauf klarer dargestellt werden (vgl. Sailer, 2016, S.9).
2.1 Spiel
Noch heute lässt sich in der Literatur keine übergreifende Definition für das Spiel im Allgemeinen finden. Ein erster Darstellungsversuch von Huizinga (2013) im Jahre 1938 beschreibt das Spiel als freies Handeln abseits des normalen Lebens, welches innerhalb bestimmter zeitlicher und räumlicher Grenzen stattfindet und gewissen Regeln folgt. Auch Caillois (1961) betont in seiner Beschreibung den freiwilligen Charakter des Spiels, die Steuerung durch Regeln und die Abgrenzung zur realen Welt. Er fügt seiner Definition jedoch den Spaß am Spiel und seine Unproduktivität hinzu. Doch trotz dieser ersten Annäherungsversuche bleibt die Suche nach einer allgemeingültigen Definition des Spiels bis dato ohne Erfolg, da „es keine Eigenschaften gibt, die auf alle Spiele zutreffen“ (Sailer, 2016, S.10) (vgl. Sailer, 2016, S10).
Im Rahmen neuerer Auseinandersetzungen mit der Thematik des Spiels wagten einige Autoren dennoch den Versuch, gemeinsame Merkmale zu finden. So schreibt Schell (2014), dass sämtliche Spiele auf freiwilliger Basis stattfinden, ein bestimmtes Ziel verfolgen und eine interaktive Gestaltung aufweisen müssen, um als solche zu gelten. In der durch Regeln bestimmten Fantasiewelt des Spiels, abseits der „wirklichen“ Welt, werden die Teilnehmer aktiv ins Spielgeschehen miteingebunden. Dort warten sowohl Herausforderungen als auch Konflikte auf die Spieler, aus denen sie als Gewinner oder Verlierer hervorgehen können. Laut Schell handelt es sich bei Spielen zudem immer um formale, geschlossene Systeme (vgl. Sailer, 2016, S.10).
Nun gibt es aber zweierlei Arten des Spiels, paidia und ludus, deren Unterscheidung im Hinblick auf das Konzept Gamification berücksichtigt werden muss. Unter Paidia werden spontane, willentlich ausgeführte und unstrukturierte Verhaltensweisen zusammengefasst. Ludus dagegen beschreibt regelbasiertes und zielorientiertes Spielen, welches quantifizierbare Ergebnisse produziert. Auf Grundlage dieser Differenzierung sollte jedwede spielerische Aktivität zwischen ludus (game) und paidia (play) eingeordnet werden könnten (vgl. Deterding, Khaled, et al., 2011; Sailer, 2016, S.11).
Wie die Wurzel des Begriffs Gamification bereits erahnen lässt, bezieht sich das spielerische Konzept überwiegend auf die Spielform ludus, bzw. game, auch wenn paidia, bzw. play-Komponenten im Rahmen dieser Spielifizierung nicht ausgeschlossen werden können. Denn „[j]e nachdem wie Personen mit der gamifizierten Umwelt interagieren, können Aktivitäten beider Arten hervorgerufen werden“ (Sailer, 2016, S.11) (vgl. Deterding, Khaled, et al., 2011).
Bedingt durch die hauptsächlich digitalen Anwendungen von Gamfication, wird das moderne Spielprinzip oftmals ausschließlich mit entsprechenden Medien assoziiert. Es sei jedoch gesagt, dass die Verwendung von Spiel-Design-Elementen in einem spielfremden Kontext sowohl digital, als auch analog dazu umgesetzt werden kann (vgl. Deterding, Khaled, et al., 2011; Sailer, 2016, S.12).
2.2 Elemente
Mit dem Ziel einer genaueren Betrachtung der Elemente als essentielle Bausteine gamifizierter Applikationen, soll im Folgenden nun eine Gegenüberstellung von Gamification und Serious Games vorgenommen werden (vgl. Sailer, 2016, S.12).
Ebenso wie Gamification-Anwendungen, dienen auch Serious Games nicht ausschließlich dem Vergnügen ihrer Teilnehmer. Beide Konzepte verfolgen zusätzlich weitere Ziele und richten sich an vorgegebene Regeln. Dementsprechend lassen sie sich alle beide der Spielform ludus zuordnen. Doch während Serious Games vollständigen Spielen entsprechen, in welchen die Nutzer komplette Spielprozesse durchlaufen müssen, um festgelegte Lernziele zu erreichen, verwendet das Konzept Gamification nur einzelne Elemente des Spielgeschehens und überträgt diese in einen spielfremden Kontext (vgl. Deterding, Khaled, et al., 2011; Sailer, 2016, S.12).
Die Linie zwischen Serious Games und Gamification verschwimmt jedoch an manchen Stellen, sodass es sich bei einigen Spielen kaum sagen lässt, ob es sich um ein vollwertiges Spiel handelt, oder ob die Nutzung spielerischer Elemente die Illusion eines kompletten Spiels geschaffen hat. Speziell die individuelle Wahrnehmung scheint hierbei eine signifikante Rolle einzunehmen. Denn Sailer schreibt, dass die „Entscheidung, ob ein Spiel gespielt oder eine gamifizierte Anwendung genutzt wird, von der subjektiven Einschätzung und dem sozialen Umfeld ab[hängt]“ (Sailer, 2016, S.13) (vgl. Deterding, Khaled, et al., 2011).
2.3 Design
Auch das Design stellt eine wichtige Komponente der Arbeitsdefinition von Gamification dar. Zwar könnte man davon ausgehen, dass bereits die Beschreibung des Spiels und der Elemente ausreichen sollte, um das Konzept der Gamifizierung zu verstehen, doch würde das Fehlen des Designs im Begriff Game-Design-Element zu Missverständnissen führen. Denn die Forschung differenziert diesbezüglich zwischen Game-Design-Elementen und den Elementen, welche die Technologie des Spiels betreffen und ebenfalls als Spielelemente bezeichnet werden. Zweites umfasst speziell die Hardware digitaler Spiele, während sich Game-Design-Elemente auf charakteristische Bestandteile des Spiels beziehen, die im weiteren Verlauf dieser wissenschaftlichen Arbeit ausführlich dargestellt werden (vgl. Sailer, 2016, S.13).
2.4 Ausgewählte Spiel-Design-Elemente
Als die Grundbausteine sämtlicher Gamification-Applikationen üben Spiel-Design-Elemente einen enormen Einfluss auf die einzelnen Nutzer aus. Denn abhängig von der jeweiligen Form und Darstellung dieser speziellen Elemente besitzen sie unterschiedliche Wirkungsweisen und können entsprechend das Verhalten der Spieler verändern. Es handelt sich hierbei jedoch keineswegs um die üblichen Eigenschaften eines Spiels, wie sie in Punkt 2.1 erarbeitet wurden, sondern um Besonderheiten, sogenannte Features, die vor dem Hintergrund des Gamification-Konzepts aus vollständigen Spielen heraus in einen spielfremden Kontext übertragen werden (vgl. Gonzales-Scheller, 2013, S.39; Sailer, 2016, S.19).
Doch aufgrund der endlosen Anzahl an Game-Design-Elementen werden im nächsten Abschnitt lediglich einige ausgewählte Features vorgestellt, um deren Funktion und Wirkung auf die Nutzer aufzuzeigen. Die folgenden Elemente sind mehrheitlich in diversen Spielen zu finden und gelten außerdem als die zentralsten Features die auch im Hinblick auf die Gamifizierung des Alltags verwendet werden.
So können in einer Vielzahl von Spielen beispielsweise Punkte gesammelt werden, indem die Spieler bestimmte Missionen erfolgreich absolvieren. Auch in gamifizierten Umgebungen werden Punkte zur Darstellung des individuellen, aber auch kollektiven Spielfortschritts herangezogen. Dies ermöglicht den Nutzern gamifizierter Massen-Mehrspieler-Online-Gemeinschaftsspielen (MMOGs) ihre persönliche Leistung im Spiel mit den Erfolgen anderer Teilnehmer zu vergleichen. „Darüber hinaus können Punkte eine Verbindung zwischen Spiel-Fortschritt und extrinsischen Belohnungen herstellen“ (Sailer, 2016, S.30). Dementsprechend können Punkte insbesondere im Rahmen der Kundenbindung im Marketingbereich in Prämien eingetauscht werden. Eine letzte aufgeführte Funktion der Punkte soll die des Feedbacks sein. Sie gilt als eine der wichtigsten Aufgaben dieses Game-Design-Elements in gamifizierten Anwendungen, da ein unmittelbares Feedback in Form von Punkten den Spieler in seinem Verhalten positiv bestärken kann. Dies wiederrum ist für die Entstehung des persönlichen Kompetenzerlebens von großer Bedeutung (vgl. Kapp, 2012, S.33f; Sailer, 2016, S.30f).
Der Begriff Narrativ stellt ein weiteres Game-Design-Element dar. In gamifizierten Anwendungen entspricht der narrative Kontext einer Geschichte, auf die das Spiel aufbaut. Diese Geschichte kann sich sowohl an der realen Welt, als auch an einer Fantasiewelt orientieren. Sollte sich der narrative Kontext auf die reale Umgebung beziehen, werden oftmals Informationen über die Gegebenheiten der tatsächlichen Welt in das Spiel miteinbezogen. Bezieht sich der narrative Kontext hingegen auf eine analoge Welt, „können langweilige und wenig stimulierende Kontexte [mithilfe des Vorstellungsvermögens] angereichert und somit Nutzer inspiriert und motiviert werden“ (Sailer, 2016, S.40). Dabei schenkt der Kontext den einzelnen Charakteren und Handlungen des Spiels eine Bedeutung und trägt damit maßgeblich dazu bei, das Nutzererlebnis der Spieler und das Eintauchen in eine andere Welt zu erweitern. Außerdem unterstützt die Geschichte des Spiels insbesondere neue Spieler, sich in der Welt des gamifizierten Spiels zurechtzufinden (vgl. Kapp, 2012, S.41f; Sailer, 2016, S.39ff).
Abschließend sollen die Funktionen und Wirkungen des Avatars als Game-Design-Element in gamifizierten Applikationen beschrieben werden. Der Avatar wird von seinem Nutzer individuell gestaltet und repräsentiert die eigene Person im Spiel. Indem sich der Spieler mit seinem Avatar identifizieren kann, übernimmt er die Perspektive seiner imaginären Figur und infolgedessen auch seine Kognition und Emotionen im Spielverlauf. Der Nutzer nimmt damit eine aktive Rolle im Spielgeschehen ein, was wiederum zur Förderung des persönlichen Engagements beiträgt und die Eingebundenheit in den narrativen Kontext stärkt. Es sollte außerdem die Möglichkeit zur Anpassung und Weiterentwicklung des Avatars bestehen, damit der Nutzer durch diverse Wahlmöglichkeiten Autonomie erlebt. (vgl. Sailer, 2016, S.41f)
3 Anwendungsbereiche von Gamification
Nun, da ein ausreichendes Basiswissen bezüglich Gamification im Rahmen der vorangegangenen Punkte geschaffen wurde, sollen im weiteren Verlauf dieser wissenschaftlichen Arbeit verschiedene Anwendungsbereiche des spielerischen Konzepts vorgestellt werden. Da diese Hausarbeit vordergründig die Motivations- und Leistungssteigerung durch Gamification im Unterricht behandeln soll, steht der Bildungsbereich im Fokus dieses Kapitels. Doch weil es sich hierbei um ein enorm vielseitiges Konzept handelt, soll auch die Verwendung von Gamficiation im Gesundheitswesen, im Umweltschutz und im Marketing kurz angeschnitten werden, bevor Nutzen und Risiken der Spielifizierung im schulischen Kontext erörtert werden. Speziell der Einfluss auf Motivation und Leistung im Unterricht sollen hierbei, wie der Titel bereits vermuten lässt, berücksichtig werden.
3.1 Gesundheitswesen
Zur Einführung in die verschiedenen Bereiche von Gamification soll nun zunächst dessen Anwendung im Gesundheitswesen vorgestellt werden. Dort wird das spielerische Konzept hauptsächlich zur Unterstützung bei Ernährungs-umstellungen, im therapeutischen Kontext und im Rahmen von Sport eingesetzt. Am Beispiel der App Fitocracy wird im Folgenden speziell die Förderung sportlicher Betätigung durch Gamification näher beleuchtet (vgl. Sailer, 2016, S.48ff).
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