Der erste öffentliche Flugversuch der Brüder Montgolfier im Juni 1783 bildete den Auftakt für eine ganze Reihe von Experimenten in der Luftfahrt. Unter großer Anteilnahme und Begeisterung entstand eine geistige Strömung, die man später als "Ballonmanie" bezeichnete. Das Thema der Luftfahrt wurde nicht nur in den Bereichen der Technik und Wissenschaft reflektiert, sondern auch in der Kunst und Literatur. Für wohlwollende Autoren und fortschrittskritische Karikaturisten war die Ballonfahrt gleichermaßen ein anziehendes Thema. Sogar in der Mode wurde das Motiv des Ballons mit Begeisterung verwertet. Überall traf man auf Zitate der beliebten Ballonform. Kleidungsstücke, Frisuren, Schmuck und sogar Torten verzierte man mit Ballonemblemen.
Eine Pariser Tageszeitung kommentierte 1783 dieses Phänomen wie folgt:
"[…] daß seit dieser Zeit Kleine und Große davon sprechen und sich mit Versuchen beschäftigen […] Alle unsere Professoren der Physik lesen jetzt über nichts anderes als über Gas, über brennbare Luft, über den aerostatischen Ball und über die Mittel, solchen in der Luft zu dirigieren."
Diese nationale Begeisterung über Frankreichs Führungsposition auf dem Gebiet der Luftfahrt, schlug sich auch in einer Vielzahl von Drucken nieder. Sie spiegeln nicht nur die damalige Stimmung wider, sondern geben auch Auskunft über den Bedeutungszuwachs, den die Druckgrafik im 18. Jahrhundert erfahren hat. Zunächst im Dienste der Reproduktion bekannter Gemälde stehend, entwickelte die Druckgrafik zunehmend eigene Stilmittel zur Darstellung gesellschaftlichen Lebens. Ein schnell wachsender Markt reagierte mit inhaltlichen und technischen Verbesserungen im druckgrafischen Bereich auf das steigende Bedürfnis der Pariser Bevölkerung nach Teilhabe an der Wissenschaft und der Kunst.
Anhand einiger Kupferstiche zu den Flugversuchen der Brüder Montgolfier soll im Folgenden diese Entwicklung verdeutlicht werden.
Zuvor scheint es notwendig, auf die gesellschaftlichen Veränderungen im 18. Jahrhundert einzugehen, die in unmittelbarem Bezug und Einfluss zur Druckgrafik dieser Zeit stehen.
Beginnen wird diese Arbeit mit der Schilderung der ersten Flugversuche der Brüder Montgolfier und ihres Konkurrenten Professor Charles, welche die Bildvorlagen für die untersuchten Kupferstiche lieferten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Hauptteil
2.1 Die Flugversuche der Brüder Montgolfier
2.2 Die Druckgrafik im 18. Jahrhundert
2.3 Kupferstiche zu den Ballonfahrten der Brüder Montgolfier
2.3.1 Erster Aufstieg eines Ballons der Brüder Montgolfier zu Annonay am 5. Juni 1783
2.3.2 Missglückter Versuch am 12. September 1783
2.3.3 Aufstieg einer Montgolfière mit Tieren zu Versailles am 19. September 1783
2.3.4 Start der ersten bemannten Montgolfière mit Pilàtre de Rozier und Marquis d'Arlandes am 21. November 1783
3 Schlußbetrachtungen
4 Abbildungen
5 Abbildungsnachweis
6 Literaturverzeichnis
6.1 Quellensammlungen und Kataloge
6.2 Darstellungen
1 Einleitung
Der erste öffentliche Flugversuch der Brüder Montgolfier im Juni 1783 bildete den Auftakt für eine ganze Reihe von Experimenten in der Luftfahrt. Unter großer Anteilnahme und Begeisterung entstand eine geistige Strömung, die man später als "Ballonmanie" bezeichnete.[1] Das Thema der Luftfahrt wurde nicht nur in den Bereichen der Technik und Wissenschaft reflektiert, sondern auch in der Kunst und Literatur. Für wohlwollende Autoren und fortschrittskritische Karikaturisten war die Ballonfahrt gleichermaßen ein anziehendes Thema. Sogar in der Mode wurde das Motiv des Ballons mit Begeisterung verwertet. Überall traf man auf Zitate der beliebten Ballonform. Kleidungsstücke, Frisuren, Schmuck und sogar Torten verzierte man mit Ballonemblemen.
Eine Pariser Tageszeitung kommentierte 1783 dieses Phänomen wie folgt:
"[…] daß seit dieser Zeit Kleine und Große davon sprechen und sich mit Versuchen beschäftigen […] Alle unsere Professoren der Physik lesen jetzt über nichts anderes als über Gas, über brennbare Luft, über den aerostatischen Ball und über die Mittel, solchen in der Luft zu dirigieren."[2]
Diese nationale Begeisterung über Frankreichs Führungsposition auf dem Gebiet der Luftfahrt, schlug sich auch in einer Vielzahl von Drucken nieder. Sie spiegeln nicht nur die damalige Stimmung wider, sondern geben auch Auskunft über den Bedeutungszuwachs, den die Druckgrafik im 18. Jahrhundert erfahren hat. Zunächst im Dienste der Reproduktion bekannter Gemälde stehend, entwickelte die Druckgrafik zunehmend eigene Stilmittel zur Darstellung gesellschaftlichen Lebens.
Anhand einiger Kupferstiche zu den Flugversuchen der Brüder Montgolfier soll im Folgenden diese Entwicklung verdeutlicht werden.
Zuvor scheint es notwendig, auf die gesellschaftlichen Veränderungen
im 18. Jahrhundert einzugehen, die in unmittelbarem Bezug und Einfluss zur Druckgrafik dieser Zeit stehen.
Beginnen wird diese Arbeit mit der Schilderung der ersten Flugversuche der Brüder Montgolfier und ihres Konkurrenten Professor Charles, welche die Bildvorlagen für die untersuchten Kupferstiche lieferten.
2 Hauptteil
2.1 Die Flugversuche der Brüder Montgolfier
Von Jugend an interessierten sich die Brüder Montgolfier, Söhne eines alteingesessenen Papierfabrikanten aus Annonay in Südfrankreich, für technische und naturwissenschaftliche Neuerungen, insbesondere für solche, die sich mit der Thematik des Fliegens beschäftigten.[3] Bei einem Aufenthalt in Avignon im November 1782 beobachtete Joseph-Michel Montgolfier, wie Rauch, Funken und sogar kleinere Holz- und Kohlestückchen unablässig durch den Kaminschacht nach oben gesaugt wurden. Er vermutete, dass ein Gas, welches leichter als Luft sei, die Partikel trage. Die Frage war nun, ob man nicht dieses Gas einfangen und andere Objekte tragen lassen könnte. Nach mehreren erfolgreichen Versuchen noch an Ort und Stelle mit verschiedenen Stoffbeuteln über dem Rauch eines Papierfeuers schlug Joseph-Michel seinem Bruder Étienne-Jacques einen Versuch in größerem Rahmen vor. Nach seiner Rückkehr aus Avignon machten die Brüder gemeinsam eine Reihe von geheimen Tests mit immer größeren "aerostatischen Maschinen", wie sie ihre Flugapparate nun nannten. Sie verwendeten Stroh, Tierkadaver und angefeuchtete Wolle als Heizmaterial. Die daraus entstehenden Dämpfe bezeichneten die Brüder als Montgolfiersches Gas. Diesem Gas schrieben sie elektrische Eigenschaften zu, welche sie für den Auftrieb ihrer Flugapparate verantwortlich machten.[4]
Nach zwei abschließenden Testversuchen mit kleineren Papierballonen war es dann am 4. Juni 1783 Zeit für eine öffentliche Vorführung. In Anwesenheit der Ständevertretung der Grafschaft Vivarais in den Cevennen sollte ein großer Ballon starten. Bei bedecktem Himmel und leichtem Regen hatte sich neben den Ständemitgliedern eine große Anzahl Schaulustiger auf dem Marktplatz des kleinen Städtchens Annonay versammelt. (Vergl. Abbildung 1)
Die Brüder Montgolfier hatten den Ballon mit Tauen zwischen zwei Masten gehängt. Darunter brannte zum Aufheizen ein Feuer, gespeist aus Stroh und angefeuchteter Wolle. Die 12 Meter lange Hülle des Ballons bestand aus aneinander geknüpften Leinwänden und war innen mit Papier verkleidet. Acht Männer hielten den Ballon, bis sie ihn auf ein Kommando von Étienne-Jaques Montgolfier losließen. Angeblich erreichte er nach dem Start eine Höhe von 1830 Metern, was jedoch zu bezweifeln ist.
Die Mitglieder der Stände von Vivarais meldeten den Versuch nach Paris.
Es hießt dazu in einem Bericht:
"Auch die Mitglieder der Stände von Vivarais konnten unmöglich über diese ganze so wunderbare Erscheinung mit sich selbst ins klare kommen. Sie waren jedoch so klug, nicht ein Urteil darüber sich anzumaßen, sondern ganz einfach ein Protokoll über alle vorgekommenen Tatsächlichkeiten und Erscheinungen ausführlich aufzunehmen und solches an die Akademie der Wissenschaften zu Paris einzusenden.
Sobald dieser Bericht in Paris eingetroffen war, beantragte der Minister,
Herr von Breteuil, bei der Akademie der Wissenschaften die Ernennung einer eigenen Kommission zu genauer Untersuchung und Erörterung aller Tatsachen.
Die Akademie ging auf diesen Antrag ein und ernannte zu dieser Kommission eine Reihe der tüchtigsten und berühmtesten Fachmänner. Die Akademie ging zu möglichster Aufklärung und Förderung der Sache noch einen Schritt weiter: Sie setzte Herrn Etienne Montgolfier freundlichst in Kenntnis davon, dass zu Paris in kürzester Frist ein Versuch auf Kosten der Akademie veranstaltet werden sollte, und lud ihn ein, zu diesem Zwecke selbst nach Paris zu kommen und alle praktischen Vorkehrungen und Arbeiten dabei selbst zu leiten. Etienne Montgolfier folgte diesem so freundlichen als ehrenvollen Rufe."[5]
Die Brüder Montgolfier wurden zwar prompt von der Académie des Sciences zu einer Vorführung nach Paris gebeten, konnten der Aufforderung jedoch aus Zeitgründen nicht sofort nachkommen. Man war an der königlichen Akademie natürlich nicht besonders erfreut, dass ausgerechnet in der französischen Provinz und nicht in der Hauptstadt selbst der erste Flugversuch gelungen war.[6]
Einer der Gelehrten, Faujas de Saint-Fond, Professor am Jardin des Plantes, rief zu einer Subskription auf, um Mittel für eigene aerostatische Experimente und den Bau einer Flugmaschine zu beschaffen.[7] In wenigen Tagen kamen 10 000 Livres zusammen. Man beauftragte einen jungen französischen Physiker, Professor Jacques Alexandre César Charles, mit der Gesamtleitung. Er war entgegen der Brüder Montgolfier der Auffassung, dass Heißluft nicht das ideale Auftriebsgas sei.
Er berief sich dabei auf die Arbeiten des britischen Naturforschers Henry Cavendish, der 1766 das Wasserstoffgas entdeckt hatte. Diese "brennende Luft" sollte in eine gasundurchlässige Ballonhülle eingefüllt werden. Hierbei half Charles das von den Brüdern Robert entwickelte Verfahren, Seide mit einer Gummilösung zu überziehen. Unter diesen Voraussetzungen fertigte Charles eine gasdichte Ballonhülle von annähernd 4 Metern Durchmesser an. Der zum Befüllen benötigte Wasserstoff wurde im Hof der Robertschen Werkstatt hergestellt. Nach einigen Schwierigkeiten bei der Herstellung der benötigten 620 Kubikmeter Wasserstoff begann Charles
am 26. August 1783 mit dem Befüllen der Ballonhülle. Nach drei Tagen konnte sie schließlich nachts zum Marsfeld transportiert werden, das als Startplatz geeignet schien. Nach erneutem Nachfüllen vor Ort hob der Ballon, abgeschirmt durch Soldaten vor der Menge der Schaulustigen, gegen drei Uhr nachmittags ab.
300 000 Menschen waren zusammengekommen, was der Hälfte der damaligen Einwohnerzahl von Paris, entsprach.[8]
Der Auftraggeber Faujas de Saint-Fond schilderte das Ereignis folgendermaßen:
"Um 5 Uhr gab ein Kanonenschuss das Signal für den Beginn. Er diente zugleich als Zeichen für die Gelehrten, die sich auf der Terrasse des Königlichen Garde Meuble, auf den Türmen der Kirche Notre Dame und in der Ecole Militaire versammelt hatten, um mit ihren Instrumenten Messungen vorzunehmen. Zum grossen Entzücken der Zuschauer hob sich die Kugel, kaum von ihren Fesseln befreit, mit solcher Geschwindigkeit in die Luft, dass sie in zwei Minuten eine Höhe von 488 Toisen erreichte. Hier oben verlor sie sich in einer finsteren Wolke. Ein zweiter Kanonenschuss kündigte ihr Verschwinden an. Bald sah man sie in grosser Höhe aus der Wolke hervorkommen, um sich sogleich wieder in einer anderen zu verbergen. Der starke Regen, der im Augenblick ihres Aufsteigens begonnen hatte, hinderte sie nicht, mit äusserster Geschwindigkeit weiter zu steigen. Der Versuch hatte den glücklichsten Erfolg! Er setzte jedermann in Erstaunen! Der Gedanke, dass ein fester Körper von der Erde aufgestiegen sei und im Himmelsraum schwebte, hatte etwas so Erhabenes und zur Bewunderung Hinreissendes und schien sich so weit von den gewöhnlichen Gesetzen der Natur zu entfernen, dass alle Zuschauer von dem Eindruck ganz überwältigt wurden."[9]
Diese Schilderung gibt wahrscheinlich sehr genau die damalige Stimmung der Zuschauer wieder, die ganz von den bahnbrechenden Ereignissen getragen war.
Einerseits bemüht sich Saint-Fond, gemäß seiner Stellung als Professor, um wissenschaftliche Exaktheit. Andererseits äußert sich seine haltlose Begeisterung über diesen Fortschritt in der Luftfahrt immer wieder in enthusiastischen Formulierungen.
Charles' Ballon konnte zwar ohne Probleme aufsteigen, landete jedoch wegen eines Risses in der Hülle nach knapp einer Stunde verfrüht in dem Dorf Gonesse in der Nähe von Paris, wo Bauern das vom Himmel kommende "Ungeheuer" mit Dreschflegeln und Mistgabeln zerstörten.[10] Aufgrund dieses unerfreulichen Endes des Ballons sah sich die Regierung veranlasst, die Gesamtbevölkerung über die aerostatischen Maschinen zu informieren. Im September 1783 veröffentlichte man eine Bekanntmachung, in der die Flugversuche von Annonay und Paris geschildert wurden.
"Man hat sich nun vorgenommen, ähnliche Versuche mit viel größeren Kugeln zu machen. Wer also von jetzt an eine solche Kugel am Himmel erblickt, welche einem verfinsterten Monde ähnlich sieht, lasse sich dies gesagt sein, damit er nicht davor als vor einem furchtbaren Phänomen erschrecke. Denn es ist nichts anderes als eine stets aus Taffet oder leichter Leinwand zusammengesetzte, mit Papier überzogene Maschine, welche kein Übel zufügen kann und von der man die Erwartung hegen darf, dass sie eines Tages nützliche Anwendungen für die Bedürfnisse der Menschen finden werde."[11]
Inzwischen hatten die Brüder Montgolfier zum Bau eines größeren Ballon, den sie in Paris vorführen sollten, eine Werkstatt in der Tapetenmanufaktur Reveillon im Vorort St-Antoine zur Verfügung gestellt bekommen.[12] Am 12. September 1783 wurde die reich verzierte Hülle des Ballons jedoch kurz vor dem Start durch ein aufkommendes Unwetter zerstört. (Vergl. Abbildung 2)
Innerhalb einer Woche musste nun ein neuer Ballon hergestellt werden. Diesmal fertigten die Brüder Montgolfier einen runden, ebenfalls reich verzierten Ballon an, der am 19. September auf dem Schlosshof von Versailles starten sollte. (Vergl. Abbildungen 3 und 4) Als "erste Luftreisende" ließen die Montgolfiers diesmal ein Schaf, einen Hahn und eine Ente in einem am Ballon befestigten Käfig mitfliegen. Eigens für diese Vorführung hatte man eine Bühne im Hof des Schlosses errichten lassen, die als Füllvorrichtung für den Ballon diente. In Anwesenheit Ludwig XVI. und der königlichen Familie startete der Ballon am Nachmittag, blieb minutenlang in der Luft bis er schließlich wohlbehalten mit seinen tierischen Passanten landete.
[...]
[1] Wissmann, Gerhard: Geschichte der Luftfahrt. Berlin 1975, S. 92
[2] Jacobius, Helene: Luftschiff und Pegasus. Der Widerhall der Erfindung der Luftballons in der zeitgenössischen Literatur. Halle 1909, S. 4
[3] Vergl. im Folgenden: Wissmann (Anmerk. 1), S. 81-92
[4] Straub, Heinz: Fliegen mit Feuer und Gas. Die Geschichte der Ballon- und Luftschiffahrt. Stuttgart 1984, S. 22
[5] zitiert nach Straub (Anmerk. 4), S. 22-23; keine weiteren Angaben zur Quelle
[6] Wissmann (Anmerk. 1), S. 84
[7] Vergl. im Folgenden: Straub (Anmerk. 4), S. 23-25
[8] Wagner, Monika (Hrsg.): Moderne Kunst 1. Das Funkkolleg zum Verständnis der Gegenwartskunst. Reinbek 1991
[9] zitiert nach Straub (Anmerk. 4), S. 25; keine weiteren Angaben zur Quelle
[10] Straub (Anmerk. 4), S. 26
[11] Straub (Anmerk 4), S. 26
[12] Vergl. im Folgenden: Straub (Anmerk. 4), S. 27-28