In der modernen Wertschöpfungskette spielt das Streben nach reduzierten Kosten, schlanken Prozessen und Effizienzsteigerungen eine genauso große Rolle wie umweltbewusstes Handeln durch Vermeidung von Verschwendung und Abfall. Die Organisation Global Standards One (GS1) versucht mit dem Electronic Product Code (EPC) und dem EPCglobal-Netzwerk eine umfassende informationstechnologische Infrastruktur für die Fusion von digitalen Informationen und physischen Objekten zu etablieren. Sie macht sich Fortschritte in den Bereichen der Produktion von integrierten Schaltkreisen und des Internet of Things (IoT) zu Nutze, um eine mit dem Internet vernetzte möglichst automatisierte Wertschöpfungskette zu schaffen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 EPCIS
2.1.1 Einordnung
2.1.2 Datenmodell
2.1.3 Anwendungsfälle
2.2 Vorstellung des Unternehmens
2.3 Marktstruktur und technologischer Wandel im Buchhandel
3 Auswahl des Untersuchungsobjektes
4 Filialabholung
4.1 Aktueller Prozess
4.2 EPCIS-fähiger Prozess
4.3 Stärken
4.4 Schwächen
4.5 Chancen
4.6 Risiken
5 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
1 EPCIS-Netzwerkarchitektur
2 RFID-Gate beim Warenausgang im Zentrallager
3 Sequenzdiagramm zum neuen Filialabholungsprozess
1 Einleitung
In der modernen Weitschöpfungskette spielt das Streben nach reduzierten Kosten, schlanken Prozessen und Effizienzsteigerungen eine genauso große Rolle wie umweltbewusstes Handeln durch Vermeidung von Verschwendung und Abfall. Die Organisation Global Standards One (GS1) versucht mit dem Electronic Product Code (EPC) und dem EPCglobal-Netzwerk eine umfassende informationstechnologische Infrastruktur für die Fusion von digitalen Informationen und physischen Objekten zu etablieren. Sie macht sich Fortschritte in den Bereichen der Produktion von integrierten Schaltkreisen und des Internet of Things (I0T) zu Nutze, um eine mit dem Internet vernetzte möglichst automatisierte Wertschöpfungskette zu schaffen.
Der Standard Electronic Product Code Information Services (EPCIS) beschreibt ein Informationssystem, mit dem Ereignisse entlang der Wertschöpfungskette erfasst und gelesen werden können. Diese Informationen können leicht mit anderen Geschäftspartnern ausgetauscht werden, um untemehmensübergreifende Prozesse zu schaffen und Ineffizienzen zu beseitigen. Die Sichtbarkeit in komplexen und dynamischen Vorgängen wird mit digitalem Datenmanagement erhöht.
Ziel dieser Hausarbeit ist die Evaluierung der Potenziale von EPCIS-fähigen Prozessen in einem buchhandelsspezifischen Zusammenhang. Die Fragestellung wird beispielhaft im betrieblichen Kontext des Sortimentsbuchhändlers Thalia Bücher GmbH erörtert. Zu diesem Zweck wird der Standard zunächst eingeordnet und das Datenmodell erläutert. Anschließend wird der aktuelle Prozess der Filialabholung beschrieben, um danach ein Konzept für einen mit EPCIS konformen Prozess darzulegen. Die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken dieses Ansatzes werden schlussendlich untersucht und zusammengefasst.
Folgende Fragen sollen im Zuge dieser Arbeit beantwortet werden: Wie lässt sich der Filialabholungsprozess mit EPCIS abbilden? Inwieweit bietet sich der Standard hierfür an? Welche weiteren Chancen entstünden durch die Implementierung des Standards?
2 Grundlagen
2.1 EPCIS
Im Folgenden wird zunächst der EPCIS-Standard vorgestellt und in das EPCglobal Architecture Framework eingeordnet. Das Objektmodell, welches später in Zusammenhang mit den buchhandelspezifischen Prozessen gebracht wird, wird präsentiert. Anschließend werden einige Anwendungsfälle des Standards dargestellt.
2.1.1 Einordnung
Geschäftsprozesse sind in vielen Fällen keine überschaubaren Prozesse, sondern vielmehr abteilungs-, Olts- und sogar untemehmensübergreifende Flüsse von Waren und Informationen. Unterstützt wird jeder Geschäftsprozess durch informationstechnologische Systeme. In dieser Arbeit liegt der Fokus auf physischen Objektflüssen und deren Datenmanagement.
Die Tochter EPCglobal der Non-Profit-Organisation GS1, die globale Standards für den digitalen Datenaustausch entwickelt, veröffentlichte 2007 den Standard EPCIS als Teil der EPCglobal-Netzwerkarchitektur.1 Letzteres ist ein Framework für eine globale Implementierung des I0T. Ziel von EPCIS ist das möglichst automatische Erkennen, Olten und Verfolgen von Objekten entlang der Wertschöpfungskette.2
EPCIS baut auf dem EPC auf. Dabei handelt es sich um einen global eindeutigen Schlüs- sei, der einem physischen Objekt zugewiesen und an diesem angebracht wird. Dieser Unique Resource Identifier (URI) ist im Zusammenspiel mit dem Framework dafür geschaffen worden, automatisch von Maschinen gelesen und validiert zu werden. Existierende Codesysteme wie die Global Trade Item Number (GTIN) oder der Serial Shipping Container Code (SSCC) können in den EPC eingebettet werden.3 Die hierdurch gewönne- ne Flexibilität erlaubt die Anwendung des Standards in fragmentierten heterogenen Prozessen, die einerseits durch die Globalisierung intransparenter werden und andererseits die stückgenaue Verfolgung von Gegenständen erfordern.4
Die potenziellen Vorteile von EPCIS liegen vor allem in der automatischen Erfassung von Objekten. Stark mit dem Standard in Verbindung gebracht wird daher der Einsatz von Radio-frequency Identification (RFID) Tags. Dabei handelt es sich um eine kabellose
Alternative zu herkömmlichen Barcodes, bei der an den Objekten befestigte Transponder mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen angesprochen und gelesen werden. Optimal ist die Verwendung des Ultra High Frequency (UHF)-Frequenzbereiches, wodurch hunderte Tags pro Sekunde mit sehr hohem Datendurchsatz auf größere Distanz gelesen werden können.5
2.1.2 Datenmodell
Im Groben lässt sich EPCIS in folgende drei Stufen einteilen:6
1. Identifizierung der Objekte
2. Erfassen der Objektdaten
3. Datenaustausch bzw. -Zugriff.
Bei der Identifizierung werden die Güter in einer lokalen Datenbank mit einem oder mehreren weltweit eindeutigen Schlüsseln registriert. Hiermit wird eine Verbindung zwischen dem physischen und dem logischen digitalen Objekt hergestellt.7 Der Schlüssel wird neben ggf. anderen Produktinformationen auf dem am Objekt befestigten Tag gespeichert. Wird das Objekt in einem weiteren Objekt verladen, z. B. einem Container, bekommt dieses ebenfalls einen in der Datenbank gespeicherten Schlüssel. Für die Identifizierung sind die Standards Tag Data, Gen2 und EPCIS vorgesehen.8
Die Erfassung der Objektdaten geschieht zunächst über das Lesen der Tags durch Lesegerate. Die Weiterleitung und Konsolidierung findet in EPC Middleware9 statt, die die Daten der EPCIS Capturing Application übergibt. Die einzige Aufgabe einer Capturing Application ist die Annahme der Ereignisse und dessen Ablage im korrekten Repository.10 Hierbei handelt es sich um eine vernetzte Datenbank oder um ein Informationssystem, das Abfragedienste anbietet, die den Zugriff auf die EPCIS-Ereignis se von unternehmensintemen oder -externen Nutzern ermöglichen.11
Der Zweck des Standards ist die Erhöhung der Transparenz von Geschäftsprozessen durch die Verbesserung der Sichtbarkeit von Objekten. Die EPCIS-Ereignisse sind jedoch wertlos ohne richtige Interpretation und Verwendung. Daher beschreibt der Standard die Dimension ״Warum“, das ist die Kennzeichnung des Kontextes, in dem das Ereignis stattgefunden hat. Gespeichert wird der Zustand des Objektes, zum Beispiel ״beschädigt“,
״abgelaufen“, Referenzen zu Geschäftsvorgangsbelegen und die Aktivität, die zum Auftreten des Ereignisses beigetragen hat, beispielsweise ״wird kommissioniert“ oder ״wird verpackt“.12 Das Objektmodell ist dezentral über die Repositories verteilt, über die die EPCIS-Ereignisse über die Abfragedienste gelesen und in andere Systeme integriert werden können. In Abbildung 1 ist das geschilderte Datenmodell dargestellt.
Abbildung 1: EPCIS-Netzwerkarchitektur. In Anlehnung an: GS1
(2011), Seite 11, Abbildung 2.
2.1.3 Anwendungsfälle
EPCIS bietet sich für eine Vielzahl von Anwendungsfällen an. Einige Beispiele sind:
- Markenschutz: In der Herstellung werden die Produkte mit einem EPC-Tag versehen. Das Unternehmen kann das Produkt nun bei jedem auftretenden Ereignis identifizieren. Wird es illegal exportiert oder modifiziert, wird die Fälschung beim Antrag einer unrechtmäßigen Reparatur sofort erkannt.
- Wartungsservice: Ein Kunde beauftragt einen vom Hersteller zugelassenen Dienstleister, ein Produkt bei ihm zuhause zu reparieren. Der Dienstleister erfasst mit einem mobilen Lesegerät den EPC und registriert nach abgeschlossener Reparatur oder Wartung das EPCIS-Ereignis entweder drahtlos direkt im Repository oder in einem Zwischenspeicher auf dem Gerät. Im Anschluss kann das Warenwirtschaftssystem automatisch einen Rechnungsbeleg 0. ä. erstellen.
- Entsorgung und Recycling: Vor der Demontierung wird der am Produkt befestigte Tag gelesen. Im System abgelegte Informationen, z. B. Schadstoffhinweise, werden angezeigt. Automatisch wird ein Ereignis erstellt, das Aufschluss überZeit, Olt und Menge der entsorgten Produkte gibt. Die Produkthistorie von der Herstellung an ist im EPCIS nach dem Recycling-Prozess vollständig. Lückenlos kann die Verwendung der nun gewonnenen Einzelteile durch weitere Ereignisse in Geschäftsprozesse eingebettet werden, wodurch die Transparenz insgesamt steigt.13
2.2 Vorstellung des Unternehmens
Die Thalia Bücher GmbH, im Folgenden nur noch kurz Thalia, ist deutscher Marktführer im Sortimentsbuchhandel und setzt im Geschäftsmodell stark auf Cross-ChannelVertrieb: E-Commerce, stationärer Einzelhandel und weitere Plattformen wie dem EReader werden informationstechnologisch vernetzt, um dem Kunden ein ganzheitliches Marken- und Shoppingerlebnis zu bieten. Zu dieser IT-Herausforderung kommt die Verantwortung, knapp 300 Filialen täglich mit dem Webshop und damit mit dem Enterprise Resource Planning (ERP)-System zu vernetzen. Thalia beschäftigt ca. 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland, Österreich und der Schweiz.14
2.3 Marktstruktur und technologischer Wandel im Buchhandel
Die Buchhandelslandschaft in Deutschland befindet sich aufgrund der Marktpenetrierung vom US-amerikanischen Versandhändler Amazon.com seit Jahren in einer Phase der Pro- fessionalisierung und Digitalisierung. Wie im gesamten Einzelhandel besteht eine Wettbewerbs situation im Bereich E-Commerce durch die steigende Nachfrage der Kunden nach bequemem Online-Shopping. Buchhändler wie Thalia müssen ihre Marktposition klarer definieren und neue Geschäftsfelder wie Non-Books oder den Online-Handel erschließen, um eine breitere Kundenbasis zu schaffen. Im Zuge dessen bietet sich die Integration der EPCIS-Architektur für die Schaffung von Kundenmehrwerten an.
[...]
1 Vgl. Wang etai. (2011), s. 58.
2 Vgl. Renetai. (2013), s. 1.
3 Vgl. GS1 (2017), s. 6f.
4 Vgl. Bucciero, Alberto etai. (2010), s. 1.
5 Vgl. Chen etal. (2011), S. 774.
6 Vgl. ebd., S. 11.
7 Vgl. ebd., S. 11.
8 Vgl. GS1 (2010b), S. 22.
9 Middleware ist Software für den reinen Datenaustausch zwischen heterogenen Systemen.
10 Vgl. Hribemik etai. (2011), s. 4.
11 Vgl GS1 (2017), s 12.
12 Vgl. GSl (2016), s. 9 ff.
13 Wgl. GSl (2010b), s. 26 ff.
14 Vgl. Thalia Bücher GmbH (2017), s. 1.