Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung der französischen Mode im 17. Jahrhundert unter der Regentschaft Louis’ XIV. Hauptsächlich wird hier die Herrenmode am Hofe Versailles betrachtet, auch wenn bisweilen die Kleidung der Dame und des gemeinen Volkes an den Fokus heranrücken werden. Hier geht es wegen der Begrenztheit dieser Arbeit um die Mode des Monarchen selbst, als auch um die des Höflings.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Mode im Zeitalter Louis’ XIV
1.1 Höfische Herrenmode
1.2 Die Perücke als Charakteristikum der Männlichkeit
1.3 Die Kleiderordnungen in Versailles und Frankreich
2. Mehr als nur Kleidung - Intentionen höfischer Mode
2.1 Politische und wirtschaftliche Aspekte der Mode
3. Des Königs Selbstinszenierung - Das Staatsportrait
Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Einleitung
„Wollte man den Begriff Mode skizzierend umreißen, so könnte man sagen: Mode ist das unaufhörliche Bemühen um die Verwirklichung des Zeitstils in der äußeren Erscheinung des Menschen.“1
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung der französischen Mode im 17. Jahrhundert unter der Regentschaft Louis’ XIV. Hauptsächlich wird hier die Herrenmode am Hofe Versailles betrachtet, auch wenn bisweilen die Kleidung der Dame und des gemeinen Volkes an den Fokus heranrücken werden. Hier geht es wegen der Begrenztheit dieser Arbeit um die Mode des Monarchen selbst, als auch um die des Höflings.
Als absolutistischer Herrscher war Louis XIV nicht nur König am Hofe, sondern auch Politiker und Repräsentant seines Reiches, was die Betrachtung seiner Mode aus Sicht derer Intentionen unabdingbar macht. Ziel dieser Arbeit ist es somit nicht, die Mode bis ins Kleinste zu beschreiben, sondern, neben vorhandenen Kurzbeschreibungen der Kleidung, ihre Aussagen zu deuten, ist doch das Äußere eines Menschen nicht nur schmückendes Beiwerk und Schambedeckung, sondern immer auch Kommunikationsmedium.
Zu Beginn wird die Epoche des Barock kurz beleuchtet und die Mode im Zeitalter des Roi Soleil im Allgemeinen betrachtet. Daraufhin rückt die höfische Herrenmode mit ihrem nahe- zu wichtigsten Charakteristikum der Männlichkeit in das Zentrum dieser Arbeit, wobei hier dann auch auf die Kleiderordnungen eingegangen werden muss. Der nachzugehenden For- schungsfrage dieser Hausarbeit wird mit den folgenden Kapiteln Rechnung getragen. Hier- für ist es dienlich das Thema der Intentionen weiter zu fassen, um dann die politischen wie auch wirtschaftlichen Aspekte der Mode zu erkunden. Zu guter Letzt wird das Staatsportrait Louis’ XIV von Hyacinthe Rigaud aus dem Jahre 1701 in Bezug auf die Kleidung des Monar- chen analysiert, um an diesem Bildnis endgültig die Frage zu beantworten, was sich hinter der höfischen Mode des 17. Jahrhunderts verbirgt.
1. Mode im Zeitalter Louis’ XIV
Politisch gesehen war das Barock die Zeit, in der Frankreich durch einen klugen Staatsmann seine feste nationale Form erhielt und von seinem Monarchen Louis XIV auf die Höhe der Macht geführt wurde.2 Diese Vorgänge werden durch die allgemeine als auch durch die Kostümgeschichte bekräftigt:
Das Barock war eine Zeit von gewaltiger, unbändiger Kraft und Lebenslust, ja Lebensgier, die alles ins Extreme trieb und Gegensätze von ungeheurer Spannweite in sich vereinigte. Sie überwand die sich daraus ergebenen Spannungen, indem sie, anders als die Renaissance, nicht Harmonie und Maß als Ideal setzte, sondern den unendlichen Schwung, der das Gleichgewicht immer wieder herstellt und es immer wieder aufgibt.3
Die vorherige Renaissance „hatte das Gewächs des menschlichen Leibes entdeckt und seine edle Plastik, seine reine Proportion als das Sinnbild vollkommener Menschlichkeit verehrt“4. Mit der Erschütterung des Vertrauens in die Natur wurde von Seite des Staates zum Kampf gegen die Natur und ihre Unvollkommenheit aufgerufen. Alles wurde künstlich, von den Gebäuden, über die Räume und Gärten bis hin zur Mode.5 Letztere kam aus einer dunklen Zeit und sollte recht schnell einen Wandel erleben:
Schon lange, ehe er sich in die Klostereinsamkeit von San Yuste begab, bekleidete sich Karl V. in das Schwarz, das auf Tizians Porträt so unheimlich den müden, mißtrauischen Blick des Kaisers einfriedigt. Im Zeichen des beginnenden Barock legte sich die Farbe des Todes über die Tracht der Gesellschaft Europas. Sie herrschte, solange Spanien die Mode regierte.6
Bis ins 17. Jahrhundert hinein wurde somit auch Frankreichs Kleidung durch die gravitätische Mode Spaniens bestimmt, die sich vor allem durch die schwarze Farbe und einen strengen Schnitt hervortat. Dies änderte sich in der Mitte des Jahrhunderts durch die Thronbestei- gung und absolutistische Herrschaft Louis XIV.7 Unter seiner Regentschaft wurde Frankreich, mit dem Versailler Hof als absolutes Machtzentrum, für das damalige Europa wirtschaftlich, kulturell und selbstredend politisch maßgeblich tonangebend. Der Hof des französischen Königs in der kleinen Stadt bei Paris entwickelte sich unter dem Roi Soleil zu einem Modezentrum der frühen Neuzeit. Von hier aus verbreiteten sich die Modetrends nach ganz Europa, wo man alsbald das trug, was auch den französischen Adel zierte.8
1.1 Höfische Herrenmode
„Für die Männermode bis zur Revolution galt, was heute Devise für Frauenmode geworden ist: Beine sind zum zeigen da.“9
Das 17. Jahrhundert war eine kriegsreiche Zeit und die Menschen, wie auch deren Mode hatten genug von dem militärischen Ton im Alltag. Dies spürte man auch in der Kleidung.
Innerhalb weniger Jahre glichen die Männer - wie Moscherosch im »Schergenteuffel« schreibt - einem Kramladen, »so mit mancherley farben von Nesteln, Bändeln, Zweifelstricken, Schlüpffen … sind sie an Haut und Haaren, an Hosen und Wambs … behencket, beknöpfet und beladen«. Unmilitärischer als in diesen Jahren war die Kleidung der Männer wohl selten.10
Männer trugen um 1660 und 1670 die sogenannte Rheingrafentracht, die sich insbesondere durch die Rhingrave, eine Art Hosenrock für Männer, auszeichnete. Diese bestand aus einem faltenreichen, ungefähr knielangen Rock, unterhalb dessen sich eine bauschige Pumphose befand, die mit bunten Bändern am Knie befestigt war. Obligatorisch dazu waren üppige Verzierungen mit Schleifen und Bändern. Nicht unüblich, wenngleich aber auch kostspieli- ger, konnte die Pumphose zusätzlich mit Spitze besetzt sein. Zu dieser Beinbekleidung trug man ein kurzes, vorne offenes Wams, das das bauschige, weiße und spitzenbesetzte Hemd durchblitzen ließ. Über den Seidenstrümpfen fanden sich Schuhe mit hohen Absätzen, an denen sich zumeist die gleichen Bänder befanden wie am Knie. Diese wiederholten sich zu- dem auch an den Ärmeln und Schultern, über die man zur Komplettierung des Outfits einen ärmellosen Mantel oder Umhang trug. Die Rheingrafentracht wurde um 1660 von dem hol- ländischen Gesandten Karl Florentin zu Salm nach Frankreich gebracht. Der französische Hof griff diese neue Mode zügig auf, und da die gesamten europäischen Augen auf die Mode Louis XIV gerichtet waren, wurde diese Tracht alsbald in nahezu ganz Europa getragen.11 Mit der Expansion des stehenden Heeres in Frankreich wurde die Rheingrafentracht ab 1680 allerdings vom sogenannten Justaucorps abgelöst.
Als der Überrock der Soldaten zum Uniformrock und Staatsrock des Königs wurde und in die Modetracht einging, veränderte sich […] der Schnitt des Gewandes: Der zunächst noch weite, formlose Rock bekam allmählich eine Taille, so daß dieses Kleidungsstück zum » juste-au-corps «, daß heißt einem dem Körper eng anliegen- den Rock, wurde.12
Dieser steif wirkende, knielange, taillierte und eng anliegende Rock nebst Weste und enger Kniehose war nun vorherrschend am Hofe Frankreichs und somit auch im Rest Europas. An den Füßen trug man dazu Absatzschuhe mit Schnallen und Laschen. Waren dazu die Absät- ze und Sohlenränder rot, gehörte man zum Adel, dessen Privileg diese Farbe war.13 „Die Liaison zwischen Uniform und Mode führte dazu, daß der Rationalismus in die Herrenmode Einzug hielt.“14 Welch gewaltigen Einfluss der Monarch auf den Hof, sein Land, den Rest Europas, gar die ganze Welt hatte, zeigt sich in der Tatsache, dass er dafür verantwortlich war, dass heute Ärmel mit einfacher Röhrenform getragen werden. Galt es davor als höfi- sches Standessymbol, weite Ärmel an den Armen zu tragen, bevorzugte Louis XIV zur Beer- digung seines Schwiegervaters eng anliegende. Als diese selbst nach der Trauerzeit weiter- hin den König zierten, wurde der Röhrenärmel zum festen Bestandteil der Herrenmode, was er bis heute ist.15 Zu diesen engen und streng wirkenden Justaucorps und Westen passten die weiten Unterrockhosen allerdings nicht mehr. Das erste französische Modemagazin Mer- cure de France schrieb 1682, dass Canons und Rhingraves nun endgültig unmöglich seien. „In dieser Zeit etwa wurde die Rhingrave […] durch die Kniehose von normaler Weite, die Culotte, ersetzt.“16 Diese spielte allerdings eine untergeordnete Rolle in der Modegeschich- te, da sie nahezu vollkommen vom Schoß des Rockes verdeckt wurde. Was die Beinmode, sowohl bei der Rheingrafentracht als auch beim Justaucorps generell anging, so lässt es sich treffend mit den Worten von Barbara Vinken ausdrücken, wenn sie schreibt: „Bein, noch mehr Bein, noch schönere, längere, wohlgeformte Männerbeine zeigen Bilder aus Mittelalter und Renaissance. Bein zu zeigen war ausschließlich den Männern vorbehalten.“17 Dass es den Männern des Ancien Régime, wenn auch nicht mehr direkt zur Zeit Louis’ XIV, nicht nur um die Präsentation ihrer Beine ging, sondern auch um deren primäre Geschlechtsorgange, lässt sich auch bei Vinken beschrieben finden:
Für die vorrevolutionären Männer waren nicht nur die Beine Vorzeigeobjekte; auch das nützlichste Glied der menschlichen Gesellschaft verstanden sie hervorragend zu inszenieren. Die Herren der Schöpfung verhüllten und versteckten ihr Geschlecht nicht, sondern ließen es durch die „Braguette“, die Schamkapsel, eindrucksvoll vergrößert und reich verziert hervorragen. In der Schamkapsel, gutgepolstert, an- scheinend ständig erigiert, wurde es mit Bändern und Schleifen verziert und wie die Tricotstrümpfe hin und wieder reich bestickt. ‘Heerpauke’ und Hosenlatz ließen es zwar an diesem Naturalismus fehlen, aber auch sie lenkten […] das Augenmerk auf diese phallische Zone, die zu einer knalligen Lustbeule anschwoll.18
Abb. 1: Rheingrafentracht Abb. 2: Justaucorps
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.2 Die Perücke als Charakteristikum der Männlichkeit
„Unter Ludwig XIV. entstanden also um 1680 die Grundformen klassischer Bekleidungsstü- cke des Mannes […]. Das bedeutendste kostümliche Ereignis der 2. Hälfte des 17. Jahrhun- derts war aber die Perücke des Mannes, die Allonge.“19 Das zunehmende Pathos der Mode brachte das Tragen mächtiger Perücken hervor, die den borten- und federbesetzten Drei- spitz verdrängten.20 Diese Modeerscheinung wurde zum „wichtigsten Standeszeichen und Repräsentationsstück der französischen Hoftracht und damit der höfischen Gesellschaft Eu- ropas“21. 1650 entsprachen Perücken in ihrem Ausmaß noch dem natürlichen Kopfhaar. Ei- nige Jahre - und 48 Perückenmacher in Versailles - später hingegen schwollen die Locken- massen zu wahren Lockenflügeln an, die die komplette Brust und den Rücken des Trägers bedeckten.22 Diese Art der Perücke mit ihren Lockenbergen, die Allongeperücke, wurde un- ter Louis XIV 1673 zur Staatsperücke, die allerdings nach dem Ableben des Sonnenkönigs so schnell verschwand, wie sie empor kam. Um 1720, also fünf Jahre nach dem Tod des Monarchen, wurden die Perücken wieder kleiner und flacher. Diese Allongeperücke, eine […] aus blondem Haar hergestellte Riesenperücke für Männer, die im 17. Jahrhun- dert […] überall Verbreitung fand, wo französischer Geschmack und Einfluss Geltung hatten, war Ausdruck von Repräsentation und Würde. Als solche lebt sie in den für englische Richter vorgeschriebenen Amtsperücken bis heute fort.23
Neben der Sonne kann diese Perücke als zweites Sinnbild für den absolutistischen Machtan- spruch des Roi Soleil angesehen werden. Dieses Trachtenstück verlieh ihm das Aussehen eines Löwen, der als König der Tiere für Stärke und Kraft steht. Das Volumen der Perücke als Löwenmähne wurde durch die blonde Farbe, die seitdem wieder en vogue war, bestärkt.24 Zur abschließenden Betrachtung des Themas kann festgehalten werden, dass die Perücke ein Element der Ständeunterscheidung und zugleich Wohlstandsrepräsentant war, da ihre Kostbarkeit gepaart mit dem gleichzeitigen Mangel jeglicher Alltagstauglichkeit dafür Sorge trugen, dass das gemeine Volk sich ihrer verwehren musste. Dieses ließ sich, um einigermaßen mithalten zu können, billige Haarteile aus Ziegenhaar oder Wollersatz anfertigen oder einfach die eigenen Haare wachsen.25 Die Perücke erfreute sich im 17. Jahrhundert größter Beliebtheit und war „für viele Adelige […] ein gewünschtes Accessoire, da sie auf unauffällige Weise den infolge der verbreiteten Syphilis nicht seltenen Haarausfall kaschieren konnte“26. Des Weiteren war sie die „wohl charakteristischste Erfindung der Herrenmode dieser Zeit […], die dem Wesen des Zeitalters Ludwig XIV. so sehr entsprach, daß dieses mitunter das Jahrhundert der Perücken genannt wird“27.
Abb. 3 Allongeperücke
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.3 Die Kleiderordnungen in Versailles und Frankreich
Bis in das 18. Jahrhundert hinein und somit auch im Zeitalter des absolutistischen Sonnen- königs regelten Kleiderordnungen die Mode. Das Tragen bestimmter Stoffe, Schnitte, Mus- ter und die Verwendung von Accessoires unterlag der Auffassung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft, dass Gott jedem Menschen einen festen Platz in der Welt- ordnung zugestehe.
[...]
1 Klein, Ruth (1950): Lexikon der Mode. Drei Jahrtausende europäische Kostümkunde. Baden-Baden: Klein, S. 7.
2 vgl. Klein, Lexikon der Mode, S. 33.
3 Ebd., S. 32.
4 Alewyn, Richard (1989): Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste. München: Beck, S. 34.
5 vgl. Ebd., S. 35.
6 Ebd., S. 40.
7 vgl. Münch, Paul (1992): Lebensformen in der frühen Neuzeit. 1500 - 1800. Berlin: Propyläen, S. 345f.
8 vgl. Francois, Etienne (2013): „Das Königtum und der Mythos der Revolution“. Bundeszentrale für politische Bildung. http://www.bpb.de/internationales/europa/frankreich/152526/koenigtum-und-revolutionsmythos (zuletzt aufgerufen am 26.08.2018).
9 Vinken, Barbara (2014): „Männer sind die neuen Frauen?“ In: Gregor Schuhen (Hrsg.) Der verfasste Mann. Männlichkeiten in der Literatur und Kultur um 1900. Bielefeld: transcript, S. 158.
10 Thiel, Erika (1990): Geschichte der Mode. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Augsburg: Weltbild, S. 228.
11 vgl. Lenning, Gertrud (1995): Kleine Kostümkunde. Berlin: Schiele & Schoen, S. 139ff.
12 Thiel, Geschichte der Mode, S. 231.
13 vgl. Klein, Lexikon der Mode, S. 34.
14 Thiel, Geschichte der Mode, S. 231.
15 vgl. Ebd., S. 231.
16 Ebd., S. 235.
17 Vinken, „Männer sind die neuen Frauen?“, S. 158f.
18 Ebd., S. 160.
19 Lenning, Kleine Kostümkunde, S. 137.
20 vgl. Loschek, Ingrid (2005): Reclams Mode- und Kostümlexikon. Ditzingen: Reclam, S. 283f.
21 Thiel, Erika (1968): Geschichte des Kostüms. Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin: Henschel, S. 385.
22 vgl. Ebd., S. 238.
23 Klein, Lexikon der Mode, S. 17.
24 vgl. Thiel, Geschichte des Kostüms, S. 385ff.
25 vgl. Thiel, Geschichte des Kostüms, S. 236.
26 Kossok, Manfred (1990): Am Hofe Ludwigs XIV. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, S. 143.
27 Thiel, Geschichte des Kostüms, S. 236.