Schon vor Jahrzehnten stellten große Pädagogen fest, dass die ersten drei Lebensjahre die prägendsten und lernintensivsten Jahre sind. Leider wird bisher sehr wenig dafür getan, die Erziehung und Bildung in der frühen Kindheit zu verbessern, obwohl es bereits vielfältige Erkenntnisse darüber gibt, wie lernfähig und kompetent Kinder unter drei Jahren bereits sind. Zwar hat jedes Kleinkind, laut SGB VIII, §24, ab August 2013, Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege bereits ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, doch dies allein reicht nicht aus um den Bedürfnissen kleiner Kinder gerecht zu werden. Dazu müssen wir erst einmal die Entwicklung und Lernfähigkeit von Kindern unter drei Jahren besser verstehen, um zu überlegen wie die Erziehung und Bildung in der frühen Kindheit aussehen soll. Kleine Kinder brauchen mehr als ihre Mutter bzw. ihre Bezugsperson, Essen, ausreichend Schlaf und frische Luft. Sie brauchen Anreize in ihrer Umgebung und genug Raum für eigene Aktivitäten, damit sie angemessen gefördert werden. Bei der Geburt sind alle Sinne funktionsbereit und das angeborene Lernvermögen richtet sich auf seine neue Erfahrungswelt, Familie, Gesellschaft, Kultur, Umgebung und Natur. Sie geben dem Kind die Erfahrungen für seinen Persönlichkeitsaufbau. Ein Kind lernt von Geburt an, es entdeckt und erforscht bereits mit wenigen Monaten intensiv seine Hände, verfeinert aktiv seine Feinmotorik und übt immer wieder seine Augen-Hand Koordination. Mit zwei Jahren ordnet und sortiert es Gegenstände, was als eine Vorläuferfähigkeit für die Mathematik dient. In den ersten drei Lebensjahren verfeinern Kinder alle ihre Sinne und Bewegungen, wodurch sie ihr Gehirn zu einem intelligenten Denkorgan strukturieren. Sie tun dies unbewusst, durch ihre inneren Anlagen und ihren besonderen Lernhunger. Doch diese Anlagen müssen durch Anreize aus der Umwelt aktiviert werden. Somit nimmt die Umwelt, mit der ein Kleinkind in interaktiven Austausch steht, großen Einfluss auf die gesamte Entwicklung und Bildung. Sie sollte auf kindliche Bedürfnisse abgestimmt sein und keine Entwicklungs- und Lernphasen ungenutzt verstreichen lassen.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Anthropologisches Menschenbild Maria Montessoris und die Förderung Null-bis Dreijähriger
3. Wie Kleinkinder sich entwickeln
3.1 Der innere Bauplan
3.2 Die sensiblen Phasen
3.3 Zusammenfassungen der kindlichen Entwicklung
3.4 Bestätigung der Arbeit Maria Montessori mit moderner Wissenschaft und
3.4.1 Montessori-Pädagogik und Fröbels Einflüsse
3.4.2 Montessori und Pikler
3.4.3 Montessori und Ko-Konstruktivistische Ansatz
4. Kleinkindgerechte Umgebung
4.1 Kleinkindgerechte Umgebung
4.2 Die Aufgaben der Erzieherin/ des Erziehers bei der Erziehung der Null- bis Dreijährigen
4.3 Gestaltung der Räume
4.4 Kleinkinder einfühlsam beobachten
4.5 Freiheit als pädagogisches Prinzip
5. Arbeit und Spiel
5.1 Das Spiel der Null- bis Dreijährigen
5.3 Arbeit aus der Sicht Maria Montessori
6. Gestaltung und Vergleich von Spielräumen
6.1 Grundlagen der Spielraumidee
6.2 Montessori-Spielraum
6.2.1 Ziel
6.2.2 Rolle der Eltern
6.2.3 Räumliche Gestaltung
6.3 Pikler-Spielraum
6.3.1 Ziel
6.3.2 Rolle der Eltern
6.3.3 Räumliche Gestaltung
7.Zusammenfassung und persönliches Resümee
8. Quellenverzeichnis
8.1 Internetquellen
8.2 Literaturquellen
8.3 Bildquellen
1.Einleitung
Schon vor Jahrzehnten stellten große Pädagogen fest, dass die ersten drei Lebensjahre die prägendsten und lernintensivsten Jahre sind. Leider wird bisher sehr wenig dafür getan, die Erziehung und Bildung in der frühen Kindheit zu verbessern, obwohl es bereits vielfältige Erkenntnisse darüber gibt, wie lernfähig und kompetent Kinder unter drei Jahren bereits sind.
Zwar hat jedes Kleinkind, laut SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz), §24, ab dem 01. August 2013, Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege bereits ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, doch dies allein reicht nicht aus um den Bedürfnissen kleiner Kinder gerecht zu werden. Dazu müssen wir erst einmal die Entwicklung und Lernfähigkeit von Kindern unter drei Jahren besser verstehen, um zu überlegen wie die Erziehung und Bildung in der frühen Kindheit aussehen soll.
Kleine Kinder brauchen mehr als ihre Mutter bzw. ihre Bezugsperson, Essen, ausreichend Schlaf und frische Luft. Sie brauchen Anreize in ihrer Umgebung und genug Raum für eigene Aktivitäten, damit sie angemessen gefördert werden. Bei der Geburt sind alle Sinne funktionsbereit und das angeborene Lernvermögen richtet sich auf seine neue Erfahrungswelt, Familie, Gesellschaft, Kultur, Umgebung und Natur. Sie geben dem Kind die Erfahrungen für seinen Persönlichkeitsaufbau. Ein Kind lernt von Geburt an, es entdeckt und erforscht bereits mit wenigen Monaten intensiv seine Hände, verfeinert aktiv seine Feinmotorik und übt immer wieder seine Augen-Hand Koordination. Mit zwei Jahren ordnet und sortiert es Gegenstände, was als eine Vorläuferfähigkeit für die Mathematik dient. In den ersten drei Lebensjahren verfeinern Kinder alle ihre Sinne und Bewegungen, wodurch sie ihr Gehirn zu einem intelligenten Denkorgan strukturieren. Sie tun dies unbewusst, durch ihre inneren Anlagen und ihren besonderen Lernhunger. Doch diese Anlagen müssen durch Anreize aus der Umwelt aktiviert werden.
Somit nimmt die Umwelt, mit der ein Kleinkind in interaktiven Austausch steht, großen Einfluss auf die gesamte Entwicklung und Bildung. Sie sollte auf kindliche Bedürfnisse abgestimmt sein und keine Entwicklungs- und Lernphasen ungenutzt verstreichen lassen.
Maria Montessoris Pädagogik beinhaltet genau dies: Sie fragt danach, wie kindgerechte Umgebung gestaltet werden kann, in der sich jedes Kind seiner Persönlichkeit, seinen Möglichkeiten und seinem Rhythmus entsprechend optimal entfalten kann. Es geht darum, die Umgebung der Kinder zu verändern und nicht das Kind zu verändern oder zu verbessern.
„Wenn ich sehe, wie sich die Zahl von unartigen und schwierigen Kindern heute vermehrt, so erkenne ich, dass es sich nicht um eine Frage der Moral der Kinder handelt, etwas Schlechtes im Inneren individueller Kinder. Es handelt sich um die Frage, wie die Welt um die Kinder herum sie beeinflusst.“ (Maria Montessori 1979, S. 94)
2. Anthropologisches Menschenbild Maria Montessoris und die Förderung Null-bis Dreijähriger
Bisher ist die Montessori-Pädagogik für den Kindergarten und Grundschulbereich bekannt und nur wenig für die Erziehung der Kinder unter drei Jahren. Obwohl Maria Montessori bereits vor Jahrzehnten darauf hinwies, dass kleine Kinder von Geburt an nicht nur ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigen wollen, sondern das sich ihnen auch ein Weg zur geistigen Entwicklung eröffnet werden muss. ( Vgl. Montessori 1954, S. 27) Für Montessori stand fest, dass bereits kleine Kinder viel empfänglicher für unterschiedlichste äußerliche Einwirkungen sind als wir vermuten. ( Vgl. Montessori 1954, S. 39) Doch bis heute meinen viele Erwachsene, Säuglinge müssten nicht viel mehr als essen, trinken, schlafen und wachsen, da sie auch nicht viel mehr können. Kleine Kinder werden als „Mängelwesen“ dargestellt, die nur durch Erziehung zu vollständigen Menschen heranwachsen. Wir bemühen uns mit vielen Worten das Kind zu erziehen und übersehen dabei die wahren Bedürfnisse der Kinder. Anstatt an dem anzuknüpfen, was sie alles können und wie schnell und gut sie dazulernen, ist das, was die Kinder meistens hören: „Nein, nein, das darfst du nicht oder kannst du nicht.“
Kinder im ersten Jahr haben noch kein „Ich- Bewusstsein“ und wir können uns auch nicht an unser erstes Jahr erinnern, aber dennoch nehmen kleine Kinder eine Fülle von Eindrücken und Informationen aus ihrer Umwelt wahr und lernen dadurch enorm viel in kürzester Zeit. Das Erlernte bildet die Basis für sein gesamtes weiteres Leben, es geht nicht verloren, auch wenn wir uns nicht bewusst daran erinnern können. Kinder sind von Geburt an lernfähig und viel kompetenter als wir bisher vermuteten. Bereits bei Säuglingen sind soziale Kompetenzen vorhanden. Sie interessieren sich bereits mit wenigen Wochen nicht nur für ihre Hauptbezugsperson, sondern auch für andere Kinder. Bei den Erwachsenen suchen sie vor allem Trost und Hilfe und Zuneigung, bei Gleichaltrigen geht es um das Parallelspiel, den Tausch von Spielsachen und um die Austragung von Konflikten. Dabei verfügen Kinder unter einem Jahr bereits über beachtliche Kompetenzen. Wenn Erwachsene dabei zu schnell eingreifen, nehmen sie ihnen die Möglichkeit eigene Lösungen zu erproben und aus ihren Erfahrungen zu lernen. Wenn ich im Spielraum kleinen Kindern zuschaue, stelle ich oft fasziniert fest, wie sie in Kontakt treten und sich ohne Worte, über nonverbale Kommunikation, verstehen.
Kleine Kinder lächeln sich an, streicheln und umarmen sich oder streiten sich um einen Ball. Dabei kommunizieren kleine Kinder viel über die Körpersprache. Dabei glauben wir Erwachsene immer, sie eindeutig verstehen zu können. Doch leider ist es nicht immer so. Wegen seiner Andersartigkeit deuten wir viele Handlungen der Kinder falsch. Wenn ein Kind auf dem Bauch liegt und nach einem Baustein angelt und dabei vor Anstrengung weint, weil es ihm nicht gelingt, reichen wir ihm oft den Baustein, um ihm zu helfen. Dadurch dass wir dem Kind eigentlich gutgemeint jegliche Anstrengung ersparen wollen, behindern wir es dabei in seiner Motivation neue Bewegungsformen zu erlernen. Wir tun ihm nichts Gutes, wenn wir ihm jegliche Anstrengung abnehmen.
Die selbstständige und eigenbestimmte Bewegungsentwicklung ist für ihre gesamte Entwicklung sehr wichtig. Kinder schreien oft, wenn wir sie nicht alleine probieren lassen. Will ein Kind etwas ganz alleine tun, so wird es eifrig und ist voller Leben. Es müht sich ab und sogleich greifen wir ein, um die begonnen Arbeit viel besser zu beenden. Erst wenn wir unterscheiden können, ob ein Säugling vor Müdigkeit, Anstrengung, Hunger, Schmerz oder Langeweile weint, ist es uns auch möglich, entsprechend darauf zu reagieren.
Kleinkinder sind von Geburt an sehr kompetent und lernfähig. Der Mensch lernt nie mehr so viel, wie in den ersten Lebensjahren. Das Gehirn kleiner Kinder ist in jeder Hinsicht aktiver, vernetzter und viel flexibler als das eines Erwachsenen. Ein zweijähriges Kind hat mindestens doppelt so viele Synapsen, wie ein Erwachsener. Wenn es bis zu seinem elften Lebensjahr in Kontakt mit einer zweiten Fremdsprache kommt, kann es diese ohne Probleme fehlerfrei lernen. Doch mit zehn Jahren sind die Hälfte der Anfangs gebildeten Synapsen, aufgrund abnehmender Stimulation, schon wieder abgestorben. Durch Hirnforschungen hat man festgestellt, dass bei Denkleistungen von Erwachsenen Regionen im Gehirn aktiv sind, die sich im Kleinkindalter durch sensomotorische Erfahrungen gebildet haben. Wer als kleines Kind nicht rückwärts laufen gelernt hat, braucht länger um das Minusrechnen zu begreifen. Die Bewegung und vor allem das Greifen, haben eindeutig mit dem Begreifen zu tun. In Statistiken hat man nachgewiesen, dass sich der Gesundheitszustand von Kleinkindern zwar eindeutig verbessert hat, aber zunehmend mehr Kinder unruhig und aufgedreht sind. Bis zu einem Drittel leiden an Bewegungsarmut und Sprachstörungen, weshalb sie in der Schule Schwierigkeiten haben werden. Dabei stellt sich mir die Frage, hätten diese Kinder nicht besser in ihrer Entwicklung begleitet werden können? Wir unterschätzen und unterfordern Kinder oder überfordern sie einseitig und leistungsorientiert. Lernen ist für kleine Kinder ein besonders großes Bedürfnis, vergleichbar mit Essen und Trinken. Dabei sollte Lernen immer freiwillig und mit Spaß und Spiel verknüpft sein. Dafür, dass die Lebensphase von null bis drei Jahren so wichtig für das ganze Leben ist, überlassen wir sie oft zu sehr unserer Intuition. Ein Kind zu erziehen bedeutet nicht, es nur zu versorgen und zu lieben. Es bedeutet vielmehr, angemessen auf seine Bedürfnisse zu reagieren. Wir müssen ihm Anregungen bieten und zutun geben. Maria Montessoris Anliegen war es, die Entwicklung und die Bedürfnisse von Kindern besser zu verstehen und darauf methodische Antworten zu finden. Sie hat über viele Jahrzehnte Kinder in ihren Aktivitäten beobachtet. Montessori suchte nach Möglichkeiten, wie diese Aktivitäten weiter angeregt und stimuliert werden können. Schon im Jahre 1907, in ihrem ersten Kinderhaus in San Lorenzo machte sie mit Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren Angebote, die von ihnen begeistert angenommen wurden. Die Kinder erreichten durch diese Förderung große Lernfortschritte, sogar ihre gesamte Persönlichkeitsentwicklung veränderte sich dadurch. Kinder, die vorher als verwahrlost und unerzogen galten, wurden freundlich, ruhig und ausgeglichen. Maria Montessori Blick richtete sich später auch auf die Bedürfnisse der Kinder unter drei Jahren sowie der Jugendlichen.
Sie wollte die gesamte Erziehung revolutionieren, von der Geburt bis ins Erwachsenenalter und dabei durchgängige Erziehung gestalten, die auf die Bedürfnisse des jeweiligen Entwicklungsalters abgestimmt sind. Die heute weltweit bekannte Montessori-Pädagogik stellt die natürlichen Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt und basiert auf positive anthropologische Grundannahmen darüber, wie Kinder sich entwickeln und lernen. Wenn wir nach Montessori arbeiten wollen, gilt es als erstes herauszufinden wie die Entwicklung in den ersten drei Lebensjahren aussieht, damit wir die Sprache der Kleinkinder richtig verstehen und das Kind in den Mittelpunkt unserer Erziehung stellen.
„Der Erwachsene ist in seinem Verhältnis zum Kind egozentrisch- nicht egoistisch, aber egozentrisch. Alles, was die Seele des Kindes angeht, beurteilt er nach seinen eigenen Maßstäben, und dies muss zu einem immer größeren Unverständnis führe. Von diesem Blickpunkt aus erscheint ihm das Kind als ein leeres Wesen, das der erwachsene mit etwas anzufüllen berufen ist, als ein träges und unfähiges Wesen ohne innere Führung, das der Führung durch den Erwachsenen bedarf. Schließlich fühlt sich der Erwachsene als Schöpfer des Kindes und beurteilt Gut und Böse. Er ist unfehlbar, nach seinem Vorbild hat das Kind zu richten, und alles im Kinde, was vom Charakter des Kindes abweicht, gilt als ein Fehler, den der Erwachsene eilends zu korrigieren sucht. Mit einem solchen Verhältnis glaubt der Erwachsene um das Wohl des Kindes eifrig, voll Lieb und Opferbereitschaft besorgt zu sein. In Wirklichkeit aber löscht er damit die Persönlichkeit des Kindes aus.“ (Montessori, Maria, (1987): Kinder sind anders, S. 27)
3. Wie Kleinkinder sich entwickeln
3.1 Der innere Bauplan
Kleine Kinder lernen von Geburt an aus eigenem Antrieb verbunden mit Ausdauer und Freude. Ihnen ist das Lernen selbst Motivation genug. Erwachsene dagegen lernen zielorientiert, mit sehr viel Willenskraft und großer Anstrengung. Bei Kindern wird durch erfolgreiches Lernen im Gehirn Dopamin ausgeschüttet, ein Opiat ähnlicher Stoff, dieser ruft ein Wohlgefühl hervor. Lernen wird aber auch mit oft mit unangenehmen Gefühlen verbunden, die oft schon im Kleinkindalter hervorgerufen werden. Ängste und großer Stress hindern beim Lernen.
In jedem Menschen sind von Natur aus innere Anlagen vorhanden, die das Lernen und die kindliche Entwicklung beeinflussen. Oft wird behauptet, dass das Kind ein leeres Gefäß ist, das von uns Erwachsenen gefüllt werden muss. Maria Montessori vertrat die Ansicht, dass jeder Mensch von Geburt an, einen individuellen, inneren Bauplan in sich trägt, der nicht nur durch körperliche, sondern auch durch die gesamte Persönlichkeit und dessen geistig, körperliche Entwicklung geprägt ist. (Vgl. Schäfer 2006, S. 19)
Durch diese Anlagen verfügt ein Kind von Geburt an über alle notwendigen Kompetenzen, um mit seiner Umwelt in Austausch treten zu können und dadurch Neues zu lernen.
Als größte Kompetenz würde ich seine Neugier bezeichnen, sowie die Fähigkeit sich auf eine Sache zu konzentrieren, dabei genau zu beobachten und aktiv nachzuahmen. Schon an Säuglingen kann man beobachten, dass sie sich bereits intensiv auf einzelne Körperteile konzentrieren und diese mit großer Neugierde erforschen. Vor allem den Händen gilt dabei ihre Aufmerksamkeit. Durch das zielgerichtete und sich immer wiederholende Benutzen und Bewegen der Hände, erlernen sie deren Funktion. Haben sie dies vollständig erreicht, gilt ihre Aufmerksamkeit schon wieder neuen Dingen, wie z.B. beweglichen Gegenständen. Maria Montessori fand heraus, dass sich zu bestimmten Entwicklungszeiten Lernfenster öffnen, innerhalb derer ein Kind bestimmte Fertigkeiten und Fähigkeiten besonders leicht erlernt. In diesen Phasen ist ein Kind an bestimmten Dingen aus seiner Umwelt besonders interessiert. Mit großer Hingabe und Konzentration richtet sich seine Wahrnehmung gezielt auf diese Dinge. Montessori bezeichnete diese Konzentrationsfähigkeit als Polarisation der Aufmerksamkeit. Ziel und Ausgangspunkt in der Montessori-Pädagogik ist diese Kompetenz. Ziel der pädagogischen Bemühungen ist diese intensive Konzentration zu fördern. Wobei bei Kindern unter drei Jahren nicht von einer stundenlangen Konzentration geredet wird, sondern eher von der sehr intensiven, fast schon meditativen Versunkenheit, mit der sich Kinder wenige Minuten mit einer Sache beschäftigen können. Ich habe schon oft die Kinder meiner Gruppe beobachtet, wie sie mit sehr viel Hingabe Knöpfe in die passende Öffnung einer Dose stecken. Dabei scheint es, als ob sie alles um sich herum vergessen und völlig zufrieden immer wieder den Vorgang wiederholen und somit voller Konzentration ihre Entwicklung vorantreiben.
Alle Kinder entwickeln sich von ihrer Geburt an in diesen sensiblen Phasen. Dabei brauchen sie eine vorbereitete Umwelt mit kindgerechten Gegenständen, die ihre Neugier anregen. Kleine Kinder sind keine Mängelwesen, sondern verfügen über viele Kompetenzen, über die wir Erwachsenen nicht mehr verfügen. Kinder lernen zielgerichtet greifen, sprechen und vieles mehr mit Spaß und Ausdauer. Sie brauchen dazu nur genügend Anregungen aus ihrer Umwelt. Dabei opfern sie oft ihre Bequemlichkeit für ihren Wissensdurst und ihre Neugier, um eine innere Befriedigung zu erlangen. Am Beispiel des Laufen Lernens kann man klar erkennen, dass das Kind mit Hingabe übt, sich immer wieder aufrichtet, hinfällt, immer wieder aufsteht, bis es endlich aufrecht gehen kann. Dabei freut es sich über jeden Fortschritt, den es macht. Aber auch dabei ist wichtig, dass kein Kind aufrecht gehen lernt, wenn es nicht genügend Anreize aus der Umgebung bekommt und sieht wie andere Menschen gehen.
Sind die sensiblen Phasen vorüber, ohne das ein Kind die entsprechende Anregung in seiner Umgebung gefunden hat, so verstreichen wichtige Lernzeiten und der innere Bauplan kann sich nicht optimal entfalten.
„Im ersten Lebensjahr sind große Fähigkeiten und Möglichkeiten und eine große Kraft da, die man nicht beachtet und die daher verloren geht.“ (Montessori 1954 , S.29)
3.2 Die sensiblen Phasen
Merkmale des inneren Bauplans sind das spontane und aktive Streben nach Unabhängigkeit und die Entwicklung der Humankompetenz wie Wahrnehmung, Sprache, Intelligenz, Moral und Sozialverhalten.
Der Aufbau der Humankompetenz vollzieht sich im aktiven Austausch des Kindes mit seiner Umwelt sowie der Anpassungsarbeit an die Umwelt und seinem angeborenen Streben nach Erziehung und Bildung.
Das Kind ist weltoffen und lernfähig und kann sich so an jede Kultur anpassen, in die es hineingeboren wird. Diese Anpassung wird bestimmt durch die sensiblen Phasen. Das sind entwicklungsbegrenzte, offene Zeitfenster für den dauerhaften Erwerb und die Ausbildung von bestimmten Kompetenzen. Diese sind z.B. Wahrnehmung und Sprache, Bewegung, Sozialverhalten, Moral und Sittlichkeit, Denken und Intelligenz, Gefühle, Selbstwertgefühl und Würde.
Diese Phasen befinden sich in bestimmten Altersschwerpunkten, wie z.B. für Wahrnehmung null bis drei/vier Jahre, Bewegung null bis acht Jahre und die Sprache null bis dreizehn Jahre. Maria Montessori teilt die frühe Entwicklung in zwei Stufen ein. Dies sind: von der Geburt bis zum dritten und vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr. In der Stufe von null bis drei Jahren geht es vorwiegend um den Neuaufbau der Humankompetenzen Bewegung, Sprache, Wahrnehmung, Intelligenz, Bewusstsein, Gefühle sowie Emotionalität und Sozialität und deren sensible Phasen.
Wenn wir kleine Kinder beobachten, stellen wir fest, dass sie zu bestimmten Phasen besonders offen, interessiert und bereit sind eine spezielle Fertigkeit zu lernen In diesen sensiblen Phasen können Kinder nicht nur sehr gut lernen, es kann ihnen in diesen Phasen auch sehr viel beigebracht werden, wie z.B. sensomotorische und musikalische Früherziehung. Das Kind lernt mit Lust und Leichtigkeit, wenn ihm von den Erwachsenen Gelegenheit dazu gegeben wird. Zu einem anderen Zeitpunkt würde es das Gleiche mit wesentlich mehr Anstrengungen und Mühen und vor allem weniger Freude lernen.
Aber so wie das Richtige in diesen Phasen schnell gelernt wird, kann auch das Falsche schnell gelernt werden. Die frühen Fehler, wie z.B. grammatikalische und sprachliche Fehler und erworbene Verhaltensprobleme sind oft schwer zu korrigieren. Deshalb sieht Maria Montessori viele Entwicklungsprobleme des Kindes und später ihrer gestörten Persönlichkeit im Erwachsenenalter, im pädagogisch unzulänglichen Verhalten der Erwachsenen.
Sie spricht auch von einem extrem schnellen Anpassungsprozess an die Umwelt in den ersten drei Lebensjahren. Dieses frühe Lernen ist ein unbewusstes, undifferenziertes, ganzheitliches Lernen, das sich absorbierender Geist nennt. Erst allmählich bildet sich Bewusstsein, Ich- und Handlungsbewusstsein, bewusstes, planmäßiges Lernen, Denken und Handeln heraus.
Durch den absorbierenden Geist passt sich das Kind seiner Umwelt an undübernimmt unbewusst alles Überlebenswichtige, besonders Sprache, Sozialverhalten, Bewegungsmuster, Sitten, Gebräuche seiner Familie und Umwelt. Es ist die unbewusste soziale Integration an seine Kultur und Zivilisation.
Dieser Anpassungsprozess ist ein die gesamte Persönlichkeit beanspruchender Lernprozess und zugleich die persönlichkeitsprägende Anpassung des Kindes an seine neue Lebenswelt. Das Kind baut in diesem Lernprozess ein Verhaltensmodell auf, was ihm ermöglicht, sich in seiner Familie, Kultur und Gesellschaft zu orientieren, zunehmend selbstständig und selbstverantwortlich zu leben.
Maria Montessori beobachtete die kleinen Kinder sehr einfühlsam und genau. Dabei war jede auch noch so kleine Reaktion für sie von Bedeutung. Mit tiefen Respekt vor der Einzigartigkeit jedes Kindes, forderte sie, dass ein jedem die Möglichkeit gegeben werden muss, sich nach seinem eigenen Entwicklungsrhythmus zu entfalten. Dabei war sie vor allem von der unglaublichen Entwicklungsarbeit der ersten Lebensjahre beeindruckt. Mit großem Vertrauen in die Kraft des Kindes, diese Aufgabe aus eigenem Antrieb und seinen Anlagen gemäß zu leisten, stellte sie aber fest, dass das Kind für seine Entwicklung auch die Hilfe der Erwachsenen braucht. Nach seiner Geburt braucht der Säugling die liebevolle Zuwendung seiner Eltern, er muss ernährt und körperlich versorgt werden. Dadurch befindet er sich in völliger Abhängigkeit von seiner Umgebung. Maria Montessori sagt, dass das Kind als „psychischer Embryo“ auf die Welt kommt, schutzbedürftig und auf unsere Hilfe angewiesen. Dabei sind aber zugleich alle Möglichkeiten zur Entfaltung seiner Persönlichkeit in ihm angelegt.(Vgl. Ludwig 2003, S. 37)
Wie ein Schwamm nimmt jedes Kind alle Eindrücke und Gegebenheiten aus seiner Umgebung auf und speichert alles ab. Dies ist die eigentliche Arbeit an seiner Entwicklung. In den sensiblen Phasen gelingt es den Kindern besonders offen und interessiert spezielle Fertigkeiten zu lernen, wenn ihm von den Erwachsenen Gelegenheit dazu gegeben wird. Dabei ist das Auftreten dieser Phasen beim einzelnen Kind nicht vorhersehbar. Jedes Kind hat seine eigene Zeit. Wir als Erwachsene können nur sehr wachsam im Blick auf das Kind sein, um ihm zu helfen, diese Phasen ganz nutzen zu können. Da sich für die Kinder in den ersten Lebensjahren sehr viel verändert nannte Maria Montessori die Zeit zwischen null und drei Jahren labile Phase. (labil laut Duden = nicht fest oder dauerhaft, sondern leicht veränderbar) Das Kind durchlebt in dieser Phase sehr viele körperliche Veränderungen, das Körpergewicht vervierfacht sich, das Milchzahngebiss entwickelt sich, das Kind lernt das Laufen und Sprechen und noch viele andere Dinge. Aus einem Neugeborenen, der ca. 20 Stunden am Tag schlief, wird ein Kind, das am Ende des dritten Lebensjahres bereits wichtige fundamentale Fertigkeiten erworben hat.
Die ersten drei Lebensphasen unterscheiden sich aber auch dadurch von den anschließenden Jahren, da kleine Kinder ihre Umwelt noch nicht bewusst aufnehmen. Sie begegnen ihr durch ihre vielen unkoordinierten, spontanen Bewegungen und all ihren Sinnen, z.B. dem Tastsinn und dem Gehörsinn. (Vgl. Schäfer S.25)
Ebenso beobachten die Kinder in diesem Alter ihre Umwelt sehr genau und ahmen sie aktiv nach. In den ersten Lebensjahren lernen Kinder ca. 80 Prozent über Nachahmung. Dabei ist das Blickfeld eines Kleinkindes aber auf kleine Dinge und Details ausgerichtet.
So nehmen die Kinder meiner Gruppe, die im Moment zwischen 18 und 26 Monate alt sind, bei unseren Spaziergängen, mit Freude und Eifer kleine Käfer oder Ameisen wahr, die ich vermutlich gar nicht gesehen hätte.
Kleinkinder verfügen zudem über die Gabe ihre Umwelt in Sekundenschnelle sehr genau wahrzunehmen. Ähnlich wie ein Fotoapparat projektiert ihr Geist dabei ein Bild ihrer Umgebung. Maria Montessori bezeichnet dieses Phänomen als absorbierenden Geist, der wie ein Schwamm die Erfahrungen der Umwelt aufsaugt. Dabei nehmen die Kinder nicht nur viel auf, sondern passen sich dem auch an. In den ersten Lebensjahren entwickelt sich auch das Ich-Bewusstsein. Ein Kind unter einem Jahr fühlt sich noch eins mit seiner Umwelt und seiner Bezugsperson. Während des Übergangs vom Säugling zum Kleinkind wird das Kind immer selbstständiger und beginnt sich selbst fortzubewegen. Mit der Entdeckung des „Ich“ kommt es beim Kind zu dem starken Bedürfnis, die Dinge allein machen zu wollen. Hindern wir es dabei in seinem Tun, nehmen wir ihm wichtige Lernmöglichkeiten. Wir stören also nicht nur das Spiel, sondern auch die Entwicklungsarbeit. Ein Kind will die Dinge allein ausprobieren und weiß, wann es Hilfe braucht. Wir sollten dabei nicht von uns aus eingreifen, sondern auf die Signale der Kinder achten, es wird uns zeigen, wann es Hilfe braucht. Aus dieser Erkenntnis entstand das Zitat Maria Montessoris was zugleich auch eine Bitte an alle Erwachsenen ist: „Hilf mir es selbst zu tun.“ Während das Kind das „Ich“ entdeckt, wächst auch sein Bedürfnis nach Geselligkeit und dem Umgang mit Gleichaltrigen. Durch sie lernt es wichtige emotionale Kompetenzen, wie z.B. teilen, streiten und auf andere Rücksicht nehmen. In den ersten drei Lebensjahren geht es dabei besonders um folgende Entwicklungsaufgaben des Kindes:
1. Die Sensibilität des Kleinkindes nach Bewegung:
Aus einem Säugling mit völlig unkoordinierten Bewegungen wird im Laufe der Zeit ein Kleinkind, was laufen kann und Körperbewusstsein entwickelt hat. Dabei fördern die vielen Bewegungen der Kleinkinder sogar die Konzentrationsfähigkeit. Ein Kind kann sich nur konzentrieren, wenn es seine innere Ruhe gefunden hat, diese stellt sich aber nur ein, wenn es sich vorher genug bewegen konnte. Kinder erleben durch ihre Bewegungen aber auch ihre Selbstwirksamkeit und das sie mit ihrem Handeln etwas verändern können, z.B. drücken des Lichtschalters. Bedeutend ist dabei die Hand des Kindes. Über das Greifen lernt das Kind das Begreifen. Das Kind sucht für seine Tastleidenschaft unermüdlich nach neuen Gegenständen, die es anfassen und mit denen es hantieren kann. Dadurch lernt es diese näher kennen, unterscheiden und bildet somit durch die differenzierten Wahrnehmungserfahrungen seine Intelligenz aus.
Bevor ein Kind sprechen kann, drückt es sich in Körperbewegungen und seiner Körperhaltung, vor allen Dingen durch Mimik und Gestik aus. Deshalb ist es für uns als Erwachsene wichtig, genau auf diese Signale zu achten und sie nicht zu ignorieren, denn sonst ignorieren wir das Kind selbst.
2. Die Sensibilität des Kleinkindes nach Sprache
Mit der Sprachentwicklung des Kindes hat sich Maria Montessori sehr gründlich auseinandergesetzt. Sie war der Auffassung, dass die Sprache mit dem ersten Lebenstag des Kindes einsetzt. Was zu ihrer Zeit eine sehr revolutionäre Ansicht war. Sie hat darauf hingewiesen, dass es wichtig ist mit dem Kind von Anfang an zu sprechen, auch wenn es so scheint, als ob das Kind nichts versteht, so bekommt es doch die geheimnisvolle Sprachmusik mit und ist fasziniert davon. Auch wenn sie das Gesagte noch nicht verstehen und zu deuten wissen, so reagieren sie doch darauf. Babys beobachten das Gesicht und die Lippen sehr genau und beginnen diese Bewegung nachzuahmen. Auch wenn sie selbst noch nicht sprechen können verstehen sie doch mehr, als wir glauben und ahmen uns durch Lallen nach. Dies ist eine wichtige Vorerfahrung des Interesses an der Sprache und ihrer späteren Sprachkompetenz. Das Kind vollzieht völlig selbstständig und ohne jegliche Anleitung die vielen Vorgänge, die das Sprechen ermöglichen, wie z.B. die Bewegungsübungen der Mundmuskulatur, Atmung und Stimme im ersten Lebensjahr.
- Es schafft nicht nur die Sprache, sondern formt auch die Organe, die es ihm ermöglichen zu sprechen.“ (Montessori 1972, S.21)
Die Entwicklung der Sprache hängt insgesamt eng mit der körperlichen und geistigen Entwicklung zusammen. Parallel zur Sprachentwicklung vollzieht das Kind vielfältige Wahrnehmungserfahrungen und treibt dadurch seine kognitive Entwicklung voran. Es entdeckt jetzt, dass Gegenstände einen Namen haben und speichert dabei erste Begriffe im Gehirn und übt diese zuzuordnen. In diesem Lebensabschnitt beginnt das Kind aber auch Tierstimmen zuzuordnen. Dies ist ebenfalls ein Training der Sprechorgane. Die Entwicklung der Sprache schreitet sehr schnell voran.Zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr kommt es dabei zu einer regelrechten Sprachexplosion. Das Kind lernt rasant schnell neue Wörter und benennt zunehmend neue Tätigkeiten, Gegenstände und Personen. In ihrem Buch: „Das kreative Kind- Der absorbierende Geist“ hat Maria Montessori die einzelnen Phasen des Spracherwerbs beschrieben und in folgende Phasen eingeteilt:
Null bis sechs Monate
In dieser Zeit geht es vor allen um das Hören und das Verarbeiten der Sprache. Die Phoneme ihrer Muttersprache werden absorbiert und die notwendigen Muskeln, die für die Sprache notwendig sind, vorbereitet. Sie beobachten dabei intensiv Gesichter und Laute, die dabei hervorgebracht werden. Durch Lallen trainiert es die Mundmuskulatur. Bereits im Alter von sechs bis acht Wochen beginnt der Säugling zu lallen. Tag für Tag und Stunde für Stunde kann er sich damit unterhalten und immer wieder neue Laute bilden.
Sech bis zwölf Monate
In diesen Monaten geht es um das systematische Training des Zusammenwirkens von Nasen-, Kehl-, Zungen- und Wangenmuskeln, die zur Lautproduktion notwendig sind. Die Laute, die ihm schon bekannt sind, ordnet es aneinander zu, wie kostbare Perlen. Dabei bemüht sich das Kind, den Klang die Betonung und die Melodie der Sprache der Erwachsenen nachzuahmen. Dieses gelingt ihm erstaunlich gut. Es spricht zu seiner Hand und allem, was es umgibt. Es ist aber in Wirklichkeit noch keinen Sprache und kein Ausdruck von Gedanken. Mit etwa zehn Monaten bekommt das Kind die Erkenntnis, das Laute eine Bedeutung haben. Maria Montessori bezeichnet diese Phase als Nebulae (Nebulae = Sternennebel) , einem Begriff aus der Astronomie. Sie meint damit, dass schöpferische Energien und Potentiale zum Spracherwerb vorhanden sind und aus denen das Kind die Sprache entwickelt.
Zwölf bis achtzehn Monate
Das Kind bildet nun die ersten Wörter. Diese sind meist zweisilbig. Dabei grenzt sich allmählich die Begrifflichkeit ein und wird differenzierter. Mit etwa achtzehn Monaten kommt ihm die Erkenntnis, dass jedes Ding einen Namen hat, dass Sprache einen Sinn hat und man mit ihr kommunizieren kann. Auch wenn in diesem Alter Lächeln und Weinen immer noch wichtige Kommunikationsmittel darstellen.
Achtzehn bis vierundzwanzig Monate
In diesem Alter erfolgt eine Explosion der Wörter. Das Bewusstsein hat mit seiner Arbeit begonnen. Nachdem das Kind entdeckt hat, dass jedes Ding einen Namen hat, will es nun von jedem Ding den Namen wissen und fragt danach. Mit den Namen der Dinge kommen die Adjektive, die sagen, wie diese beschaffen sind und die Konjunktionen, mit denen Wörter zusammengefügt werden. So baut sich das Kind im Unterbewusstsein seine beginnende Grammatik auf. Am Ende des zweiten Lebensjahres kann das Kind Wörter und Sätze perfekt bilden. Die Entwicklung erfolgt schubweise und kann zeitweise mit großer Frustration verbunden sein, wenn es dem Kind nicht gelingt, das auszudrücken was es möchte. Diese Form des Spracherwerbs erfolgt aber nur, wenn die Umwelt des Kindes dieses ermöglicht. Bis zum Alter von fünf Jahren erarbeitet sich das Kind einen komplexen Wortschatz von mehreren tausend Wörtern, was eine enorme Leistung darstellt, die Maria Montessori mit der sensiblen Phase für Sprache erklärt. Das Kind sei Baumeister seiner selbst, ist einer ihrer bekanntesten Aussprüche. Gemein hat sie damit, dass das Kind seine gesamte Persönlichkeit in aktiver Auseinandersetzung mit seiner Umwelt aufbaut. Das Kind bringt dabei alle Potentiale zu seiner Sprachentwicklung mit. Von großer Bedeutung sind dabei, laut Maria Montessori, die sprachlichen Angebote aus der Umwelt und das Sprachvorbild der engen Bezugspersonen.
Sie war der Meinung, dass Kinder danach streben, die Erwachsenen zu verstehen und mit ihnen kommunizieren zu können.
Deshalb sollten wir als Erzieher, diesem Bedürfnis der Kinder nachkommen und so viel wie möglich mit den Kindern reden, den Tagesablauf und alle Handlungen, die wir an ihnen vornehmen, durch differenzierte Sprache begleiten und dabei keinesfalls Verniedlichungen und Babysprache verwenden.
Dieses Model konnte im Laufe der Zeit durch moderne Forschungen und empirische Untersuchungen, von Neuro- und Sprachwissenschaftlern immer wieder untermauert und bestätigt werden
3. Sensibilität des Kleinkindes für Ordnung
Hier ist nicht die Ordnung gemeint, an die wir als Erwachsenen denken, sondern Maria Montessori beobachtete, dass die Ordnung der Kleinkinder unter zwei Gesichtspunkten auftritt. Zum einen die Beziehung zwischen den Dingen in der Umwelt kennenzulernen, zum anderen den Sinn für die innere Ordnung, die es dem Kind ermöglicht, seine verschiedenen Gliedmaßen wahrzunehmen. (Vgl. Schäfer, S. 41)
Die äußere Ordnung kann ich im täglichen Krippenalltag sehr gut beobachten. Viele Kinder tun sich schwer damit, wenn sich ihr Tagesablauf oder gewohnte Dinge verändern oder sogar die Bezugsperson wechselt. Sie weinen dann oder wirken sehr unruhig. Sie brauchen dann Zeit, um sich wieder daran zu gewöhnen, denn kleine Kinder haben ein großes Bedürfnis nach einer überschaubaren Umgebung, es gibt ihnen Sicherheit.
Das frühkindliche Ordnungssystem wird auch sichtbar, in ihrer Vorliebe Dinge zu ordnen und zu sortieren. Mit großer Leidenschaft sammeln sie Gegenstände und sortieren sie nach unterschiedlichen Kriterien, wie z.B. Form, Farbe und Größe, was als Vorläuferfähigkeit der Mathematik wichtig für die kindliche Entwicklung ist. Maria Montessori bezeichnet dies als mathematischen Geist. Durch das Ordnen und Sortieren von Gegenständen übt es sich in der Differenzierung seiner Wahrnehmung, z.B. in der Unterscheidung verschiedener Größen und Längen.
„Im frühen Kindesalter entnimmt der Menschengeist seine Umwelt die Orientierungselemente, die er für seine späteren Eroberungen brauchen wird.“(Montessori1980, S.83)
3.3 Zusammenfassungen der kindlichen Entwicklung
Durch moderne wissenschaftliche Forschungen konnte immer wieder das Menschenbild von Maria Montessori bestätigt werden. Wenn wir die große Lernbereitschaft und Lernfähigkeit der Kinder ungenutzt verstreichen lassen und nicht genug anregen, werden die Kinder ein Leben lang an den Folgen dieser Vernachlässigung leiden. (Vgl. Schäfer 2006, S. 22)
Erst wenn die Kinder über ihre Bewegung und alle ihre Sinne ausreichende und wiederholt Reize aufnehmen, haben sich vielfältige, neuronale Verbindungen im Gehirn gebildet. Das Kind hat dadurch wichtige Basiskompetenzen, auf die es ein Leben lang zurückgreifen kann, gelernt.
Von Geburt an sind alle Sinne beim Neugeborenen voll funktionstüchtig und befähigen ihn zur Wahrnehmung seiner Umwelt. Im Laufe der Jahre verfeinern sich die Sinne und die Wahrnehmung wird immer differenzierter, dabei werden die unzähligen sensomotorischen Eindrücke die der Säugling aufnimmt, Schritt für Schritt zu einem komplexen Ganzen. Durch diesen Vorgang bilden sich die Neuronen im kindlichen Gehirn rasant schnell. Sie werden zu Synapsen verbunden, dadurch wird es denkfähig strukturiert. Fehlen jedoch die Anregungen für die kindlichen Sinne, können sich keine neuen Neuronen bilden und bestehende werden wieder zurückgebildet. Das Kind muss aber nicht nur diese Erfahrungen machen, es muss sie auch oft wiederholen, damit die Synapsen haltbar gemacht werden. Auf uns Erwachsenen wirken diese Wiederholungen oft als stupide, aber das Kind machen sie klüger. Durch interaktive Prozesse zwischen dem Kind und seiner Umwelt, konstruiert dieses zunehmend sein Weltbild. Dafür braucht es aber genügend Handlungsmöglichkeiten. Dabei spielt nicht die Masse, sondern die Intensität der Erlebnisse eine große Rolle. Am besten lernt das Kind, wenn das Angebot aus der Umwelt zu seiner jeweiligen Entwicklungsphase passt. Dabei ist darauf zu achten, dass jede Entwicklung sehr individuell verläuft und man diese Entwicklungsfenster nicht einfach ungenutzt verstreichen lässt.
Gerade im Kleinkindalter ist die Entwicklung der Null- bis Dreijährigen sehr unterschiedlich. Ich denke da z.B. an die Sprachentwicklung oder das Krabbeln, bzw. Laufen lernen. Einige Kinder krabbeln gar nicht und können dennoch mit zwölf Monaten laufen. Geschlechtsspezifische Unterschiede kann es zudem noch zwischen Mädchen und Jungen geben. Auf diese geht Montessori nicht ein, sie wollte kein Modell der kindlichen Entwicklung geben, sondern nur Orientierungs- und Anhaltspunkte.
3.4 Bestätigung der Arbeit Maria Montessori mit moderner Wissenschaft und
die Verknüpfung mit anderen Ansätzen
Durch den Einfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse und durch gesellschaftlicher (z.B. neue Familienformen), technischer (z.B. Computer) und erziehungspraktischer Veränderungen(z.B. Migration) und dem Austausch mit anderen pädagogischen Konzeptionen hat sich die heutige Montessori-Pädagogik in den letzten Jahrzehnten erweitert und modernisiert.
Die sehr unterschiedlichen Anforderungen an die Erziehungswirklichkeit sowie die Inanspruchnahme der Montessori-Pädagogik für sehr unterschiedliche Bereiche wie Integration/Inklusion, Betreuung von Kindern unter drei Jahren, Bewegungsförderung usw. haben die Montessori-Pädagogik für vielerlei andere Ansätze geöffnet. Dabei wurden die Stärken besser genutzt und die Schwächen kompensiert. Viele scheinbare Probleme der heutigen „Sorgenkinder“ lassen sich alleine schon durch die durchdachte Pädagogik Maria Montessoris beeinflussen. Für den Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen und der damit verbundene Inklusion gibt es die Montessori-Therapie. Diese beinhaltet Kenntnisse aus der Montessori-Pädagogik und Montessori-Heilpädagogik. Dabei gilt der Grundsatz: “Hilf mir, es selbst zu tun.“, für Kinder mit Beeinträchtigungen wie auch für Kinder ohne diese. Nur der Weg zum Ziel unterscheidet sich dabei. Es spielt auch hierbei die vorbereitete Umgebung für die Kinder eine wesentliche Rolle sowie das zurücknehmende abwartende Verhalten der Erzieher und die Einstellung, das alle Kinder sich gegenseitig so beeinflussen lernen, dass sie in Frieden und Ausgeglichenheit miteinander lernen können. Mit ihren Studien, von 1895 bis 1907, legte sie schon frühzeitig den Grundstein für die heutige Inklusion und setzte damit schon vieles um, was wir durch wissenschaftliche, neurobiologische Forschungen fördern.
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