Das Thema „Strafen bei Ekkehard IV“, lässt den Leser, wenn er weiß, dass es sich bei Ekkehards Werk um die St. Galler Klostergeschichten handelt und er um 1050 bereits Vergangenes aufschreibt, erst einmal an die Art von Strafen denken, die der hl. Benedict in seinen Regeln festgelegt hat - also Ermahnungen, Zurechtweisungen, körperliche Züchtigung, Ausschluss, etc.. Bei der genaueren Lektüre mit Blick auf dieses Thema fällt jedoch schnell auf, dass eben jene Strafen keinen hohen erzählerischen Stellenwert haben. Sie werden eher am Rande und vermutlich oft überhaupt nicht erwähnt. Das ist verwunderlich, da Strafen unvermeidlich waren, wollte man die Disziplin im Kloster aufrecht erhalten. In der Benediktregel wird in 18 Kapiteln ausdrücklich erwähnt, dass bei Zuwiderhandlung entsprechend gestraft werden soll 1 , nimmt man die Strafe der Ausschließung hinzu, sogar noch in weiteren. Dafür fallen Arten von Strafen auf, an die man vorher vielleicht gar nicht gedacht hat: regelwidrige Bestrafungen und vor allem solche, die nicht durch Menschenhand ausgeführt werden, wie z. B. plötzlicher Tod, Krankheit oder Unfall nach begangenem Frevel. Weiter kommen noch eine Reihe weltlicher Strafen vor, wie Todesurteile wegen Majestätsverbrechen und ähnliche, auf die ich jedoch nicht eingehen möchte, da sie einen interpretatorischen Gehalt bieten, welcher sich von dem übrigen zu weit abhebt. Ich möchte mich mit den Strafen auseinandersetzen, die der Ordnung und Disziplin im Kloster dienen und damit anhand der Benediktregel interpretierbar sind und mit solchen Phänomenen wie plötzlicher Tod etc., die wirken, als würden sie von Gott direkt ausgeführt, um einen Sündigen nicht straflos entkommen zu lassen. Das Thema scheint bisher wenig Beachtung gefunden zu haben. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die Suche nach Literatur, bei der man auf kaum ein Werk stößt, welches sich mit diesen Arten von Strafen im Mittelalter beschäftigt. Das ist erstaunlich, weil die Rolle der Klöster im Mittelalter keine geringe war und Strafen unweigerlich zu einem Klosterleben dazugehörten. Ekkehard IV. berichtet von einem Mönch, Ratpert, der für das Strafen im Kloster St. Gallen verantwortlich war und welcher selbst die Straflosigkeit als „größtes Verderben für ein Kloster 2 “ bezeichnete. [...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Zusammenstellung der beschriebenen Strafen
1. Regelkonforme Strafen im Kloster
1. 1. Sindolf
1. 2. Sandrat und Ruomo
1. 3. Wolo
2. Nicht – regelkonforme Strafe im Kloster: Sindolf
3. Strafen außerhalb des Klosters: Tuotilo
4. Nicht durch Menschenhand herbeigeführte „Strafen“
4. 1. Notker und der Kapellan des Königs
4. 2. Heinrich und der hl. Otmar
4. 4. Ulrichs Mitschüler
4. 5. Hugo
III. Zusammenfassung
IV. Bibliographie
I. Einleitung
Das Thema „Strafen bei Ekkehard IV“, lässt den Leser, wenn er weiß, dass es sich bei Ekkehards Werk um die St. Galler Klostergeschichten handelt und er um 1050 bereits Vergangenes aufschreibt, erst einmal an die Art von Strafen denken, die der hl. Benedict in seinen Regeln festgelegt hat – also Ermahnungen, Zurechtweisungen, körperliche Züchtigung, Ausschluss, etc.. Bei der genaueren Lektüre mit Blick auf dieses Thema fällt jedoch schnell auf, dass eben jene Strafen keinen hohen erzählerischen Stellenwert haben. Sie werden eher am Rande und vermutlich oft überhaupt nicht erwähnt. Das ist verwunderlich, da Strafen unvermeidlich waren, wollte man die Disziplin im Kloster aufrecht erhalten. In der Benediktregel wird in 18 Kapiteln ausdrücklich erwähnt, dass bei Zuwiderhandlung entsprechend gestraft werden soll[1], nimmt man die Strafe der Ausschließung hinzu, sogar noch in weiteren.
Dafür fallen Arten von Strafen auf, an die man vorher vielleicht gar nicht gedacht hat: regelwidrige Bestrafungen und vor allem solche, die nicht durch Menschenhand ausgeführt werden, wie z. B. plötzlicher Tod, Krankheit oder Unfall nach begangenem Frevel.
Weiter kommen noch eine Reihe weltlicher Strafen vor, wie Todesurteile wegen Majestätsverbrechen und ähnliche , auf die ich jedoch nicht eingehen möchte, da sie einen interpretatorischen Gehalt bieten, welcher sich von dem übrigen zu weit abhebt. Ich möchte mich mit den Strafen auseinandersetzen, die der Ordnung und Disziplin im Kloster dienen und damit anhand der Benediktregel interpretierbar sind und mit solchen Phänomenen wie plötzlicher Tod etc., die wirken, als würden sie von Gott direkt ausgeführt, um einen Sündigen nicht straflos entkommen zu lassen.
Das Thema scheint bisher wenig Beachtung gefunden zu haben. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die Suche nach Literatur, bei der man auf kaum ein Werk stößt, welches sich mit diesen Arten von Strafen im Mittelalter beschäftigt. Das ist erstaunlich, weil die Rolle der Klöster im Mittelalter keine geringe war und Strafen unweigerlich zu einem Klosterleben dazugehörten. Ekkehard IV. berichtet von einem Mönch, Ratpert, der für das Strafen im Kloster St. Gallen verantwortlich war und welcher selbst die Straflosigkeit als „größtes Verderben für ein Kloster[2] “ bezeichnete.
Die Tatsache, dass dafür ein eigenes Amt vorgesehen war und die vielen Anweisungen diesbezüglich in der Benediktregel weisen auf eine hohe Wichtigkeit dieser Einrichtung hin.
Außerdem war der Glaube der Menschen im Mittelalter an das direkte Eingreifen Gottes in das Geschehen auf Erden so groß, dass Schilderungen wie die Ekkehards, welche Unglücksfälle direkt auf vorhergehendes sündiges Verhalten des Opfers beziehen, mehr Beachtung verdienen.
II. Zusammenstellung der beschriebenen Strafen
1. Regelkonforme Strafen im Kloster
1. 1. Sindolf
Sindolf war der refectorarius des Klosters, also mitverantwortlich für das leibliche Wohl seiner Klosterbrüder.
Ekkehard berichtet, wie Sindolf den Brüdern Notker und Ratpert, welche zusammen Wochendienst haben, ihr Getränk nicht reichte oder hinstellte, sondern einfach auf den Tisch warf. Doch da geschah es, dass vas illud quasi de mensa lapsum in terram cecidit operculoque procul rotante in latus jacuit vinumque, tanquam si subrectum esset, solide continuit. Den herbeieilenden Brüdern sagte Sindolf, sie sollten sich nicht wundern, dass der Teufel die Becher seiner Anbeter vor dem Auslaufen bewahre. Auf die Ermahnungen Hartmanns, der später von dem Vorfall erfuhr, reagierte Sindolf mit Unverschämtheiten bis hin zur offenen Schmähung, woraufhin Waltram, der damalige Dekan, in proximo fratrum capitulo regulari illum vindicte subiecit[3] .
Wie diese Strafe genau ausgesehen haben soll, wird von Ekkehard nicht näher beschrieben. Möglicherweise ist er davon ausgegangen, dass jedem seiner Leser die Folgen eines solchen Verhaltens und dessen Bestrafung geläufig sind.
Die Benediktregel sieht für die Weigerung, sich bei einem Älteren zu entschuldigen, indem man sich ihm zur Buße vor die Füße wirft, corporali vindictae[4] vor. Diese werden vermutlich in dem eigens dafür gedachten Kapitelsaal allmorgendlich nach der Prim erteilt[5].
1. 2. Sandrat und Ruomo
Sandrat, ein Mönch aus Köln und Günstling des Königs Otto, wurde von dem selben nach St. Gallen geschickt, um die Mönche auf regeltreues Verhalten zu überprüfen und neu der Regel zu unterweisen. Durch seine Herrschsucht machte er sich bei den Brüdern unbeliebt. Als Sandrat die heimliche Lästerrede eines jungen Mönches hörte, versetzte er diesem in seiner Trunkenheit eine Ohrfeige, woraufhin der jüngere wesentlich kräftiger zurückschlug.
Sogleich wurde der Abt gerufen und zum Kapitel geläutet. Ibi iussu abbatis iuvenis ille adhuc furens, ad columpnam piralis ligatus, acerrime virgis creditur[6].
Sandrat selber, der ebenfalls gegen die Regel des Benedikt verstieß, indem er, wie der Abt ihm vorhielt, dessen Sohn ohne Urteil mit den Händen schlug[7], wurde vom Abt gemäß der Regel, vor allen zurechtgewiesen[8]. Die Schläge, welche er selbst erbat, wurden ihm nicht bzw. erst später erteilt:
[...]
[1] Regula Benedicti Prol. 6f; 2,25;5,19; 6,2; 23; 28,1; 30; 32,5; 33,8; 34,7; 45,1; 48,20; 54,5; 55,17; 65,19; 67,6; 70,6.
[2] Casus S. Galli 34, S. 79.
[3] Casus s. Galli 39, S. 88.
[4] RB 71, 6-9.
[5] Vgl. Dubois.
[6] Casus s. Galli 141, S. 275.
[7] Casus s. Galli 142, S. 275, RB 70, 2.
[8] RB 70, 3.