Arbeitszeit 24/7 versus Arbeitszeit 4.0
Zusammenfassung
Die geringere Arbeitgeberattraktivität von Banken und Sparkassen ist nicht nur ein Ergebnis der Finanzmarktkrise, sondern besonders bei Sparkassen ein mangelndes Image des Fortschritts und des Wandels. Arbeitgeber befinden sich im Wettbewerb um talentierte Mitarbeiter. Ziel dieser Arbeit ist die Analyse einer ständigen Erreichbarkeit der Arbeitnehmer durch die digitale Arbeitszeit 4.0 und deren Auswirkungen.
In Kapitel 2 werden die Entwicklung einer ständigen Erreichbarkeit und die daraus resultierenden langen Arbeitszeiten sowie deren gesundheitliche Auswirkungen analysiert. Anschließend wird die Abhängigkeit der Arbeitseffizienz zur Wochenarbeitszeit betrachtet. Das letzte Kapitel betrachtet die aktuellen Entwicklungen der Arbeitgeberattraktivität mit einem Fokus auf Sparkassen. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick und möglichen Handlungsempfehlungen für Sparkassen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Erreichbarkeit 24/7
2.1 Aktuelle Herausforderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
2.2 Auswirkungen auf Effizienz und Gesundheit
3 Arbeitszeit 4.0: Flexibilisierung und Effizienzsteigerung
4 Attraktivität des Arbeitgebers
4.1 Wandel der Arbeitgeberattraktivität
4.2 Arbeitgeberattraktivität 2.0 in Sparkassen
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abstract
The march of technology, globalization and the 24/7 work culture are changing the way we work. Current demographic trends have created an increased competition within the job market. This further encourages employers to offer various benefits to attract and retain their talents. On the other hand, employees are equally likely to obtain work elsewhere, despite being required to move. The European Union’s policy of abolishing trade barriers between its members is a prime example of the current developments of globalization. In recent years, Europeans have been granted more opportunities to work in other EU states in comparison to their country of origin. Although developments in the EU are rising, language and cultural barriers hinder those who could benefit from the open job market. The demands of a digital world create the possibility of flexible working hours but can also lead to overwhelmed employees due to open availabilities. While technology and digitalization help to improve process efficiency, there is an increased pressure to lower prices in order to match more progressive competitors. The financial sector has continually been persuaded to improve and develop their products and services. Specifically, banks in Germany have been slow in digitalizing banking and have become less popular for potential employees.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 - Abhängigkeit von Arbeitszeit auf Gesundheitszustand
1 Einleitung
Die Entwicklungen der Digitalisierung können die Effizienz steigern und die Kosten der Leistungserstellung verringern. Inwieweit ein Unternehmen das Thema für sich entwickelt, kann zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen führen. Diese Entwicklung ist aktuell verstärkt in der Finanzdienstleistungsbranche präsent. Der Veränderungsprozess der Digitalisierung ist unter anderem in der Erreichbarkeit und in der Arbeitszeit von Arbeitnehmern spürbar.
Die geringere Arbeitgeberattraktivität von Banken und Sparkassen ist nicht nur ein Ergebnis der Finanzmarktkrise, sondern besonders bei Sparkassen ein mangelndes Image des Fortschritts und des Wandels. Arbeitgeber befinden sich im Wettbewerb um talentierte Mitarbeiter. Ziel dieser Arbeit ist die Analyse einer ständigen Erreichbarkeit der Arbeitnehmer durch die digitale Arbeitszeit 4.0 und deren Auswirkungen.
In Kapitel 2 werden die Entwicklung einer ständigen Erreichbarkeit und die daraus resultierenden langen Arbeitszeiten sowie deren gesundheitliche Auswirkungen analysiert. Anschließend wird die Abhängigkeit der Arbeitseffizienz zur Wochenarbeitszeit betrachtet. Das letzte Kapitel betrachtet die aktuellen Entwicklungen der Arbeitgeberattraktivität mit einem Fokus auf Sparkassen. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick und möglichen Handlungsempfehlungen für Sparkassen.
2 Erreichbarkeit 24/7
2.1 Aktuelle Herausforderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Der stark gewachsene Dienstleistungssektor in den Industrieländern steht aktuell unter hohem Veränderungsdruck, der aus den drei folgenden Schwerpunktfaktoren resultiert:
1. Digitalisierung
Die Digitalisierung ermöglicht höhere Effizienz. Dies sorgt für entsprechenden Umsetzungsdruck im Sinne von Wettbewerbsvorteilen, bzw. -Nachteilen gegenüber Mitbewerbern.
2. Globaler Wettbewerb auf Unternehmerebene
Der EU-weite und globale Wettbewerb von Unternehmen verschärft sich durch den Abbau von Barrieren. Für Industrieländer entsteht Innovationsdruck, um Wettbewerbsvorteile zu generieren.[1]
3. Globaler Wettbewerb auf Arbeitnehmerebene
Es besteht ein EU-weiter Arbeitsmarkt, der noch hohes Potenzial für weitreichendere Substituierbarkeit von Arbeitskräften birgt. Der Druck entsteht durch interkulturelle Kompetenzen von Arbeitnehmern und des damit einhergehenden höheren Wettbewerbs.
Diese Auswirkungen sind in der Arbeitswelt spürbar. Durch die Digitalisierung steigt die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer, was zur Ausweitung von Arbeitszeit führt sowie Druck und Stress erhöht. Die Entwicklung wird als 24/7-Erreichbarkeit[2] beschrieben. Eine aktuelle Erhebung in Großbritannien zeigt auf, dass zwei Drittel der Briten permanent unter Druck durch Stress stehen. Der Faktor Nummer eins: Arbeitsstress, gefolgt von Geldsorgen und Familienangelegenheiten. 60 % geben an Schwierigkeiten zu haben alle Tätigkeiten unter einen Hut zu bekommen.[3] Dies könnte zu einer Ausweitung der Arbeitszeit führen. Bei Betrachtung der Gründe für Überstunden in Deutschland sind diese zu 48 % betrieblich bedingt. Nur 18 % der Überstunden entstehen aufgrund des großen Interesses an der Tätigkeit selbst.[4] Die Zahlen der beiden Studien bestätigen den Druck auf die Arbeitnehmer.
Arbeitnehmer gehen unterschiedlich mit dem höheren Druck um. Ein naheliegender Weg für Arbeitnehmer ist das Akzeptieren des Drucks durch vollständige Widmung zur Arbeit. Auswirkungen können die Vernachlässigung des Privatlebens und gesundheitliche Folgen durch Überlastung sein. Ein weiterer Weg beinhaltet ein Vortäuschen einer hohen Arbeitszeit und der Verheimlichung privater Interessen, die konträr zum Arbeitsleben stehen. Verheimlichungen können jedoch psychisch belasten. Die dritte Alternative ist das ehrliche Einfordern von Zeit für das Privatleben, das jedoch je nach Führungs- und Unternehmenskultur zu Karrierenachteilen führen kann. Eine gängige Fehlentwicklung der Unternehmenskultur ist es, die Mitarbeiter nach Arbeitszeit statt nach Arbeitsleistung zu beurteilen. Arbeitnehmer können auch in ihrer Freizeit wertvolle Erfahrungen machen und Fähigkeiten erlangen, die sie in ihrem Beruf einsetzen können. Das Unternehmen kann davon profitieren.[5]
2.2 Auswirkungen auf Effizienz und Gesundheit
Die Auswirkungen von höheren Arbeitszeiten werden anhand der zwei folgenden Untersuchungsfaktoren beschrieben:
- Auswirkungen auf die Effizienz und die Qualität der Arbeitsleistung
- Auswirkungen auf die Gesundheit des Arbeitnehmers
Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die die Effizienz und Qualität der Arbeitsleistung anhand der geleisteten Stunden untersuchen und Interpretationen zur sinnvollen Arbeitszeit zulassen. Ein Versuchsprojekt in Schweden hat gezeigt, dass die Arbeitszeitreduzierung von 8 auf 6 Stunden pro Tag bei gleicher Bezahlung die Effizienz der Mitarbeiter um 85 % steigert und positive Effekte auf die Gesundheit der Mitarbeiter hat. Das Projekt untersuchte Krankenpfleger/-schwestern. Im Ergebnis mussten jedoch mehr Arbeitskräfte eingestellt werden, um die fehlenden Stunden zu kompensieren.[6] Es ist fraglich, ob die höheren Kosten durch mehr Arbeitskräfte in anderen Branchen im gleichen Umfang notwendig gewesen wären. So ist es gut vorstellbar, dass im Wirtschaftsbereich in der Projektarbeit oder im Finanzdienstleistungsbereich[7] ein Ersatz nicht in gleichem Umfang notwendig ist, wie bei der Pflege von Patienten in einem Krankenhaus. Durch höhere Effizienz sind Einsparungen in der Arbeitszeit möglich.
Eine Studie der Stanford University kommt zu dem Ergebnis, dass Personen, die 70 Stunden pro Woche arbeiten, nahezu gleich viel Arbeit erledigt bekommen wie Personen, die 56 Stunden arbeiten.[8] Eine konkrete Arbeitsstundenanzahl pro Woche, die als effizient bezeichnet wird, kann nicht pauschal getroffen werden. Arbeitszeiten, die 56 Stunden pro Woche überschreiten, sollten grundsätzlich als nicht effizient bezeichnet werden können.
Die Europäische Union erhebt seit 1991 Daten zu Arbeitsbedingungen. Die aktualisierte Studie aus dem Jahr 2017 gibt die Abhängigkeiten von Arbeitszeit pro Woche und negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmer wieder. Die Teilnehmer haben wie folgt abgestimmt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 - Abhängigkeit von Arbeitszeit auf Gesundheitszustand[9]
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in den EU28-Staaten ist kontinuierlich rückläufig und von 2005 bis 2015 um 5,2 % gesunken. Der Grund dafür liegt jedoch in mehr Teilzeitbeschäftigten.[10] Ein weiterer Grund könnte das Arbeiten außerhalb der Arbeitszeit durch die Digitalisierung sein: In den USA ist der Anteil von Personen, die ihre E-Mails vor Ankunft im Büro abrufen von 2002 bis 2017 von 8 % auf 50 % gestiegen.[11] Ähnliche Effekte sollten ebenfalls in der EU beobachtbar sein. Personen, die 48 Stunden und mehr arbeiten, geben mit vierfach weniger Wahrscheinlichkeit an eine gute Balance zwischen Beruf und Privatleben zu haben als Personen, die weniger als 48 Stunden arbeiten.[12] Die Abhängigkeit von erhöhter Arbeitszeit zu negativen Folgen auf den Gesundheitszustand ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt. So erhöht sich das Risiko zu übermäßigem Alkoholkonsum[13] gegenüber einer Arbeitszeit von 35 - 40 Stunden pro Woche um 11 %, wenn die regelmäßige Arbeitszeit die von der EU referenzierten 48 Stunden pro Woche übersteigt.[14] Personen, die 55 Stunden pro Woche und mehr arbeiten haben ein um 33 % erhöhtes Risiko eines Schlaganfalls und ein um 13 % höheres Risiko von koronaren Herzkrankheiten[15] als die Vergleichsgruppe mit 35 - 40 Stunden pro Woche.[16] Das Risiko von Typ2-Diabetes steigt um 7 %.[17] In Frankreich wurde die wöchentliche Arbeitszeit 1998 von 39 auf 35 Stunden reduziert. Eine Vergleichsgruppe arbeitete jedoch weiterhin 39 Stunden. Die Anzahl der Raucher verringerte sich in der Gruppe mit 35 Stunden pro Woche um 6 % mehr als in der Vergleichsgruppe. Weiterhin wirkte sich die geringere Arbeitszeit neben der Raucheranzahl auf den Body-Mass-Index aus: Im Dienstleistungssektor hat sich der Body-Mass-Index der Angestellten verbessert und in der Industrie verschlechtert. Eine mögliche Erklärung für die Verschlechterung bei den Industriearbeitern kann eine geringere Kalorienverbrennung durch weniger Arbeiten sein.[18] Dies zeigt, dass der Ausgleich durch andere Tätigkeiten wie Sport nicht in gleichem Ausmaß wie die Reduzierung der Arbeitszeit vorgenommen wurde.
Unternehmen können hohen Wochenarbeitsstunden ihrer Angestellten entgegenwirken. Nach einer Studie geben 56 % der Führungskräfte an, dass die Überlastung von Mitarbeitern mit hoher Priorität thematisiert werden muss. 44 % der Führungskräfte gaben an, dass die Voraussetzungen für den richtigen Umgang mit dem Thema nicht vorhanden sind.[19]
Als Schlussfolgerung sind die Unternehmen gefordert das geänderte Umfeld nicht durch mehr Druck auf die Arbeitnehmer in Form von höheren Arbeitszeiten weiterzugeben, sondern die Prozesse und Rahmenbedingungen im Unternehmen zu digitalisieren, zu verschlanken und zu vereinfachen. Dies schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Arbeitsleistung ohne mehr Arbeitszeit für den Arbeitnehmer und ohne mehr Kosten durch Mehrbeschäftigung für den Arbeitgeber gesteigert werden kann. Dies trifft insbesondere auf das Informations- und Entscheidungsmanagement in Unternehmen zu. Mit Blick auf die Finanzdienstleistungsbranche in Deutschland muss die Antwort auf die aktuellen Entwicklungen der Digitalisierung und des Wettbewerbs Zentralisierung, Verschlankung, Vereinfachung und Digitalisierung von Prozessen sein, um den Arbeitnehmer wirksam zu entlasten ohne die Kosten für mehr Arbeitskräfte zu erhöhen.
3 Arbeitszeit 4.0: Flexibilisierung und Effizienzsteigerung
Die Auswirkungen von Arbeitszeit auf Gesundheit und Effizienz wurden im zweiten Kapitel dargestellt. Daher gibt es bereits verschiedene Modelle der Arbeitszeitflexibilisierung, welche teilweise mit der Arbeitszeitreduzierung zur Effizienzsteigerung kombinierbar sind. Zu den bekanntesten Formen zählen Teilzeit, Schichtarbeit und Gleitzeit. Aber auch die Telearbeit, das Homeoffice und Jobsharing werden immer populärer.[20] Bei vielen Sparkassen wird von der Möglichkeit einer Teilzeitarbeit bereits rege Gebrauch gemacht. So wurden beispielsweise im Jahr 2016 bei der Sparkasse Dillenburg 34,71% (= 101 Mitarbeiter)[21], bei der Stadtsparkasse Wuppertal 34,92% (= 454 Mitarbeiter)[22] und bei der Kreissparkasse Heinsberg 34,92% (= 205 Mitarbeiter)[23] aller Mitarbeiter in Teilzeitarbeit beschäftigt. Bei den rheinischen Sparkassen hatte die Teilzeitarbeit im Jahr 2017 mit 35,2% (2016: 33,4%) eine weiter steigende Bedeutung.[24]
Einige namenhafte Unternehmen wie z.B. Google oder Facebook wagen aktuell zusätzlich den Versuch, die wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren, um die Effizienz bzw. Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen. Das setzt voraus, dass die Mitarbeiter in der geringeren Zeit, denselben Arbeitsaufwand erledigen, um die gleichbleibenden Gehälter auf diesem Wege finanzieren zu können. Ob diese Überlegungen Erfolg versprechen und auf verschiedenen Branchen übertragbar sind, wird im Folgenden, mit Blick auf Effizienz, der Gefahr zum Aufbau von Überstunden und Qualitätseinbußen detaillierter untersucht.
Die Grundidee der Flexibilisierung bzw. in diesem Fall der Arbeitszeitreduzierung ist es, dass die Effizienz durch kürzere Arbeitszeiten gesteigert wird, da die Konzentration über einen kürzeren Zeitraum deutlich besser aufrecht erhalten werden kann als über eine längere Periode. Die Mitarbeiter können somit schneller und ggf. sogar bessere Ergebnisse liefern. Zusätzlich ist die Quote von Unfällen und Fehlern die während der kürzeren Arbeitszeit passieren deutlich geringer. Dies sind Erkenntnisse, die sich ausschließlich auf die historischen Arbeitszeitverkürzungen beziehen. Die Wochenarbeitszeit in Deutschland wurde seit 1825 bis ca. 1990 von über 80 auf ca. 40 Stunden je Woche um mehr als 50% reduziert.[25]
Seit diesem Zeitpunkt ist die Effizienz, trotz der gleichbleibenden Arbeitszeiten weiter gestiegen. Dies ist in erster Linie auf die Industrialisierung und Automatisierung zurückzuführen. In den vergangenen Jahren tritt vermehrt die Digitalisierung von Prozessen auf, die in Kapitel 2 genannt wurde. Viele Unternehmen sehen daher keine Notwendigkeit zu einer weiteren Arbeitszeitreduzierung. Ab einem gewissen Punkt ist diese Effizienzsteigerung jedoch auch endlich, da durch Rüstzeiten etc., die Zeit, die mit der Verrichtung der tatsächlichen Arbeiten gefüllt wird, trotz höherer Effizienz nicht mehr ausreicht.[26] Auch die in Kapitel 2 genannten negativen Auswirkungen der Digitalisierung dürfen in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden.
Für die grundsätzliche Flexibilisierung der Arbeitszeit sprechen einige Aspekte. Neben der eben genannten Steigerung der Effizienz sind unter anderem folgenden Punkte zu nennen:[27]
- Schaffung von sozialer Vielfalt in den Betrieben und dadurch ebenfalls eine Erhöhung der Produktivität.
- Entgegenwirkung von Abwanderungstendenzen kompetenter Arbeitskräfte
- Verbesserung des Images und der Unternehmenskultur
- Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Diese Themen sind für Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Bedeutung und werden im folgenden Kapitel näher betrachtet.
4 Attraktivität des Arbeitgebers
4.1 Wandel der Arbeitgeberattraktivität
Der Arbeitsmarkt hat sich von einem Arbeitgebermarkt in einen Arbeitnehmermarkt gewandelt, obwohl sich viele Arbeitgeber weiterhin als Anbieter anstelle der Nachfrager verstehen. Häufig entscheidet heute nicht mehr der Arbeitgeber über die Einstellung von möglichen Bewerbern in Schlüssel- und Engpassfunktionen. Der Arbeitnehmer hat die Auswahl, welches Angebot er annimmt. Vor allem die Arbeitnehmergeneration Y, die immer mehr in Führungspositionen hineinwächst, erfährt Aufmerksamkeit in diesem Thema. Es handelt sich bei diesen nach 1980 geborenen Arbeitnehmern um eine Generation, die sich vor allem durch ihre hohen Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber und einer hohen Wechselbereitschaft auszeichnet.[28] Sie sind nicht mehr bereit, ihre Arbeitsleistung ein Leben lang einem einzigen Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus legen immer mehr Arbeitnehmer Wert auf ihr Privatleben und suchen Sinnstiftung und Identifikation mit ihrem Arbeitgeber und dessen sozialer Verantwortung. So spielen Begriffe wie Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit eine wichtige Rolle bei der Bewertung von Arbeitgebern. Studien belegen, dass Nachhaltigkeit und Verantwortung von Unternehmen bei der Arbeitgeberwahl ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, neben den klassischen Faktoren wie Gehalt, Sozialleistungen und Karrieremöglichkeiten.[29]
4.2 Arbeitgeberattraktivität 2.0 in Sparkassen
Im Jahr 2016 wurden über 224.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sparkassen beschäftigt.[30] Damit gehören die Sparkassen trotz stetigem Personalabbau noch immer zu einem der größten Arbeitgeber in Deutschland und stehen nicht nur im Wettbewerb um die Kundinnen und Kunden; sie stehen auch im Wettbewerb um gutes und qualifiziertes Personal. Des Weiteren gewinnt die Fluktuation guter und qualifizierter Beschäftigter an Dynamik. Angesichts dieser Herausforderungen, dem sozialen Wertewandel und der Notwendigkeit einer gesunden Work-Life-Balance sind die Sparkassen gefordert, die Arbeitgeberattraktivität mehr denn je in den Vordergrund zu stellen. Gemäß einer von trendence im Jahr 2017 durchgeführten Online-Studie der beliebtesten Arbeitgeber deutscher Schüler belegt die Sparkassen-Finanzgruppe den 30. Platz (Vorjahr: 20. Platz).[31] In einer weiteren Online-Studie von trendence wurden Studierende gefragt, welche Unternehmen sie attraktiv finden. Nach einem 55. Platz im Jahr 2016, rangiert die Sparkassen-Finanzgruppe im Ranking der TOP-Arbeitgeber im Jahr 2017 lediglich noch auf den 58. Platz bei den Studierenden der Wirtschaftswissenschaften.[32] Mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen der digitalen Transformation in den Sparkassen sowie der Vertriebsstrategie der Zukunft mit einem Fokus auf qualitativ hochwertigen Beratungsansätzen, wurden im Rahmen des DSGV-Projekts „Arbeitgeberattraktivität 2.0“ drei Zielgruppen zur Bindung an den Arbeitgeber identifiziert:[33]
- Junge Nachwuchskräfte nach der Ausbildung
- Hochqualifizierte Frauen in bzw. für verantwortungsvolle Positionen in Fach- und Führungspositionen
- Leistungsträger/-innen, insbesondere im Vertrieb, sowie Spezialisten
[...]
[1] In den letzten Jahren ist in Europa und anderen Teilen der westlichen Welt eine Rückbesinnung zu weniger Globalisierung durch das Aufkommen nationaler politischer Bestrebungen beobachtbar. Die Entwicklungen sind aber als Symptome der Angst für die weiterhin wachsende Globalisierung zu sehen und sollten zu keiner grundsätzlichen Umkehr der Entwicklung führen.
[2] 24/7 beschreibt 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche. Die Bezeichnung wird oft kritisch verwendet, um die Extremsituation einer ständigen Erreichbarkeit zu beschreiben. Die höhere Digitalisierung ermöglicht es Arbeitgebern auch vor und nach der Arbeitszeit auf ihre Mitarbeiter zuzugreifen. Das bekannteste Phänomen dieser Entwicklung ist das Kommunizieren per E-Mail vor oder nach der Arbeitszeit von zu Hause aus.
[3] Vgl. Bailey (2018)
[4] Vgl. Bundestag-Drucksache (2017), S. 10 ff.
[5] Vgl. Reid / Ramarajan (2016)
[6] Vgl. Maddy (2017), & Greenfield (2017)
[7] Positivbeispiel: Vertriebsmitarbeiter werden bei vielen Finanzdienstleistern nach Vertriebserfolgen bewertet und nicht nach Arbeitszeit. In der Sparkassen-Finanzgruppe ist diese Verfahrensweise nur bei verbundenen Instituten wie der SV Sparkassen Versicherung, LBS Bausparkasse oder Deka Bank (Auswahl) etabliert.
[8] Vgl. Pencavel (2014), S. 15
[9] Vgl. Eurofound (2017), S. 56-57
[10] Vgl. Eurofound (2017), S. 54
[11] Vgl. March (2018)
[12] Vgl. Eurofound (2017), S. 56
[13] Definition von übermäßigem Alkoholkonsum in der Studie: 14 alkoholische Getränke pro Woche bei Frauen und 21 alkoholische Getränke pro Woche bei Männern
[14] Vgl. BMJ (2015; 350)
[15] Erkrankungen der Herzkranzgefäße: Arteriosklerose/Arterienverkalkung
[16] Vgl. Lancet (2015; 386)
[17] Vgl. Lancet Diabetes Endocrinol (2015; 3), S. 27-34
[18] Vgl. Berniel / Bietenbeck (2017), S. 10-12
[19] Vgl. Schwarz / Van Berkel / Hodson / Otten (2014)
[20] Vgl. Hamm (1999).
[21] Vgl. Sparkasse Dillenburg (2017), S.4.
[22] Vgl. Stadtsparkasse Wuppertal (2017), S.35.
[23] Vgl. Vgl. Bundesanzeiger (Hrsg.) (2017).
[24] Vgl. RSGV (Hrsg.) (2018), S.6.
[25] Vgl. Bispinck (2008) & Strawe C. (1994).
[26] Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2011)
[27] Eigene Darstellung Daten von Bundesagentur für Arbeit (2011)
[28] Vgl. Ruthus (2014), S. 1 ff.
[29] Vgl. Bustamante / Pelzeter / Ehlscheidt (2018), S. 7f.
[30] Vgl. DSGV (Hrsg.) (2017), S. 1.
[31] Vgl. trendence (Hrsg.) (2017), S. 2.
[32] Vgl. trendence (Hrsg.) (2017), S. 2.
[33] Vgl. DSGV (Hrsg.) (2017), S. 4.