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Positionierung in der Talkshow "3 nach 9"

©2016 Hausarbeit 38 Seiten

Zusammenfassung

Jeder Gesprächsteilnehmer positioniert sich und andere in jedem Gespräch von scheinbar noch so unbedeutender Länge, da jede getätigte und unterlassene Äußerung explizit oder implizit zeigen soll, wie man selbst von anderen gesehen werden möchte und wie man andere sieht. Erzählt ein Interaktionsteilnehmer von einem vergangenen Erlebnis, so ergibt sich die doppelte Zahl an Positionierungsebenen, da der Sprecher Selbstpositionierungen in der erzählten Zeit und Erzählzeit tätigt und auch Fremdpositionierungen zu beiden Zeitpunkten vornimmt. Explizite Positionierungen wie etwa: „Ich bin ein sehr hilfsbereiter Mensch“, werden in unserer westeuropäischen Kultur eher als unangemessen betrachtet, sodass sich die meisten Sprecher implizit mit eben solchen Erzählungen positionieren. Gerade aufgrund des hier vorliegenden medialen Settings ist davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Positionierungen absichtlich erfolgen und intendiert sind, da sich die Sprecher der öffentlich einzusehenden Sprechsituation bewusst sind und diese eventuell auch gezielt nutzen, um ein bestimmtes Bild von sich in die Außenwelt zu tragen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1. Einleitung

2. Forschungsüberblick Positionierung

3. Gesprächsanalyse in einer Talkshow

4. Selbstpositionierung in der Talkshow „3 nach 9“
4.1. Die Daten
4.2. Positionierungen
4.2.1. Selbstpositionierungen in der Erzählzeit
4.2.2. Selbstpositionierungen in der erzählten Zeit
4.3. Zusammenfassung

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

Jeder Gesprächsteilnehmer positionier sich und andere in jedem Gespräch von scheinbar noch so unbedeutender Länge, da jede getätigte und unterlassene Äußerung explizit oder implizit zeigen soll, wie man selbst von anderen gesehen werden möchte und wie man andere sieht. Erzählt ein Interaktionsteilnehmer von einem vergangenen Erlebnis, so ergibt sich die doppelte Zahl an Positionierungsebenen, da der Sprecher Selbstpositio-nierungen (SP) in der erzählten Zeit (eZ) und Erzählzeit (Ez) tätigt und auch Fremd-positionierungen (FP) zu beiden Zeitpunkten vornimmt (zu den Begriffen vgl. Deppermann/ Lucius-Hoene 2004a: 25; Deppermann/ Lucius-Hoene 2004b: 168f). Expli-zite Positionierungen wie etwa: „Ich bin ein sehr hilfsbereiter Mensch“, werden in unserer westeuropäischen Kultur eher als unangemessen betrachtet, sodass sich die meisten Sprecher implizit mit eben solchen Erzählungen positionieren (Deppermann/ Lucius-Hoene 2004a: 68). Gerade aufgrund des hier vorliegenden medialen Settings ist davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Positionierungen absichtlich erfolgen und intendiert sind, da sich die Sprecher der öffentlich einzusehenden Sprechsituation bewusst sind und diese eventuell auch gezielt nutzen, um ein bestimmtes Bild von sich in die Außenwelt zu tragen.

Diese möglichen Positionierungsarbeiten sollen auch in der vorliegenden Arbeit Analysegegenstand sein und exemplarisch anhand von medialen Daten untersucht werden. Dabei sollen eventuelle Unterschiede aufgedeckt werden und worauf diese möglicherweise zurückzuführen sind. Die medialen Daten, die von der Talkshow 3 nach 9 stammen, bieten sich nicht nur wegen ihrer guten Verfügbarkeit an, sondern sie beinhalten auch viele autobiografische Erzählungen, sodass sie einen optimalen Datenlieferanten darstellen. Es wird also der Frage nachgegangen ob es bei auto-biografisch wiedergegebenen Erlebnissen Unterschiede in den SP von der sprechenden Person in der Talkshow 3 nach 9 gibt und wenn ja, welche.

Die Gliederung dieser Arbeit baut sich wie folgt auf: nach einem Forschungsüberblick und der angewandten Methode der Gesprächsanalyse werden die Analysebefunde mit Transkriptausschnitten dargelegt und nach einer Zusammenfassung anschließend im Fazit auf Musterhaftigkeiten geprüft.

2. Forschungsüberblick Positionierung

Über Positionierungen wird die narrative Identität hergestellt (Deppermann/ Lucius-Hoene 2004a: 75), welche wiederum zur Erzählforschung gehört. Ihren Beginn machten Labov und Waletzky, die ein fünfteiliges, monologisch ausgerichtetes Erzählmodell mit folgenden Komponenten entwarfen: Orientierung, Komplikation, Evaluation, Auflösung und Coda. Die Elemente treten in der aufgeführten Reihenfolge auf, wobei die Evaluation das an vielen Stellen der Erzählung stehen kann (vgl. Labov/ Waletzky 1997). Ihre monologische Betrachtungsweise einer Erzählung passt jedoch nicht auf alle Narrationen, weshalb Hausendorf/ Quasthoff ein interaktives Erzählmodell entwickelten, das auf sogenannten Jobs beruht. Auch hier gibt es von letzterem fünf: Darstellen von Inhalts-relevanz, Thematisieren, Elaborieren/ Dramatisieren, Abschließen und Überleiten. Dabei findet sowohl vor dem ersten als auch vor dem letzten Job der klassische Turn-by-Turn-Talk zwischen den Sprechern statt (vgl. Hausendorf & Quasthoff 1989). Analyse-gegenstand soll jedoch weniger die Erzählstruktur, als vielmehr die geleisteten Positio-nierungsarbeiten der Erzähler sein.

Positionierung und autobiografisches Erzählen sind Themen, die u. a. von den Autoren Lucius-Hoene und Deppermann erforscht werden, sodass sich diese Arbeit auch an ihren Arbeiten orientiert. Zunächst ist „‘Positionierung‘ eine Strategie zur Herausarbeitung einer […] narrativen Identität“ und demnach „eine Meta-Perspektive auf erzählerische Darstellungen, die für Analysearbeit Erkenntnis leitend und als heuristische Suchhaltung eingesetzt wird“ (Lucius-Hoene/ Deppermann 2004b: 168). Durch Positionierung zeigt ein Mensch an wie er sich selbst und andere sieht und wie er von der Welt gesehen werden möchte. Der Sprecher nimmt also SP und FP vor, die sowohl explizit, als auch implizit sein können, wobei „unmittelbare Selbstbeschreibungen […] in unserer Kultur als eher problematisch [gelten]“ (Deppermann/ Lucius-Hone 2004a: 68). Durch die gegebene wechselseitige Gesprächssituation beziehen sich Positionierungen des Erzählers auch auf den oder die Zuhörer, welche sich wiederum durch jegliches reaktives Verhalten auch positionieren. Außerdem gibt es auch immer eine Dopplung von Positionierungen, da der Protagonist in einer autobiografischen Erzählung gleichzeitig auch die erzählende Person ist. Diese zwei Zeitebenen ermöglichen es dem Erzähler Positionierungen für sein erzähltes und zur selben Zeit für sein erzählendes Ich vorzunehmen (vgl. Deppermann/ Lucius-Hoene, 2004b: 179). Ein und dieselbe Geschichte kann auch unterschiedlich erzählt werden, was zur Folge haben kann, dass der Erzähler sich und andere je nach situativem Kontext anders positioniert. Dass dies sogar in einer ähnlichen Kommunikationssituation, mit dem Unterschied von mehreren Jahren zeitlicher Distanz dazwischen, passieren kann zeigt Martina Goblirsch (2005). Der Grund für die Konzentration auf autobiografische Erzählungen liegt darin, dass in ihnen Positionierungen häufiger auftreten, als in anderen Gesprächsteilen und somit mehr Spielraum für Analysen geboten wird.

3. Gesprächsanalyse in einer Talkshow

Die linguistische Erzählforschung, die es heute gibt, ist aus der Konversationsanalyse entstanden, wenngleich die Textlinguistik das Erzählen gewissermaßen als linguistische Größe entdeckt hat (vgl. Gülich 2008: 404ff). Der Begründer der Konversationsanalyse, der aus der Soziologe stammende Harvey Sacks, hat sich anfangs mit Sprecherwechsel und den Gründen dafür, dass ein Sprecher eine größere Einheit produzieren kann – wie Erzählungen überhaupt möglich sind – beschäftigt (vgl. ebd.: 407). Dass die Konver-sationsanalyse – oder auch Ethnomethodologische Konversationsanalyse – so ist wie sie heute vorzufinden ist, hat sie aber auch der namensgebenden Ethnomethodologie und Harold Garfinkel zu verdanken, der diese entscheidend prägte. In ihrem „Mittelpunkt steht […] die Analyse von Kommunikation als Interaktion und damit als ein Vollzug sozialen Handelns“ (Keppler 2006: 293.). In die Gesprächsanalyse übernommen wurden von ihr drei zentrale Konzepte: zum einen wird die soziale Realität in der Interaktion hergestellt, Sprecherbeiträge- und Handlungen sind nur in der konkreten Situation verständlich und drittens bilden die Sprecherbeiträge- und Handlungen den Kontext genauso, wie sie in ihm stehen (vgl. ebd.: 298). In der Interaktion sprechen bedeutet immer gleichzeitiges Handeln und Interpretieren, da der ökonomische Sprachgebrauch dazu führt, dass nicht alles expliziert wird, was gemeint ist und der Interaktionspartner mithilfe erworbener sozialer Konventionen den Aussagen seines Gegenübers mehr entnehmen muss, als gesagt wurde. Dieses sprachlich routinierte Handeln geschieht fortlaufend und ist nicht mit einer komplizierten Interpretation von literarischen Texten zu verwechseln (vgl. ebd.: 297f). Was die Gesprächsanalyse, die aus der Konversationsanalyse entstanden ist, mit ihrer Arbeit bezwecken will hat Keppler so zusammengefasst:

„Ziel der Konversationsanalyse ist es, empirisch die impliziten Methoden zu erfassen, durch die die Teilnehmer eines Gesprächs in einem Gespräch im Vollzug ihrer (sprachlichen) Handlungen die Geordnetheit der Handlungen zum einen herstellen, zum anderen auch die Äußerungen ihrer Gesprächspartner auf die in diesem Ausdruck kommende Geordnetheit hin analysieren und drittens die Resultate dieser Analysen wieder in ihren Äußerungen manifest werden lassen. Grundlegend ist hier der Gedanke, dass kein Element einer Interaktion als zufällig oder als mehr oder weniger wichtig betrachtet werden kann, sondern, dass sich die Geordnetheit sozialer Interaktionen an jeder Stelle des Gesprächs zeigt […].“ (2006: 299)

Die grundlegenden methodische Prinzipien der Konversationsanalyse, die auch in der vorliegenden Arbeit beachtet werden sollen, lauten wie folgt: die Daten betreffend sollen nur natürliche Gespräche zur Analyse herangezogen werden, das akustische Daten-material muss niedereschrieben, de facto transkribiert, werden, bei der Analyse ist sich dabei an die zeitliche Reihenfolge des Gesagten in der Interaktion zu halten und zuletzt sollen nur die Gesprächsinformationen zur Analyse herangezogen werden und keinerlei externes Wissen (vgl. ebd.:301f). Außerdem sollen Hypothesen aus dem Material heraus entwickelt werden und Einzelfallanalysen Anstöße für weitere Untersuchungen geben, die dann nach und nach eventuelle Muster aufdecken (vgl. Deppermann 2008: 11)

In dieser Arbeit soll es im Wesentlichen um Aspekte des Erzählens im Medium Fernsehen, genauer Talkshow, gehen, sodass auch diese Gegebenheit nicht außer Acht gelassen werden kann. Zunächst ist es wichtig zu nennen, dass es beim Sprechen im Fernsehen immer mehrere Kommunikationskreise gibt (Burger 2008: 1493), an den der Sprecher sein Gesagtes adressiert. Dadurch, dass dieser sich dessen bewusst ist, ist davon auszugehen, dass er seine Beiträge dementsprechend gestaltet. Außerdem sind die teils sehr natürlich wirkenden Gespräche in Talkshows nicht so spontan, wie der ausstrahlende Sender den Zuschauer glauben lässt, da die Themenauswahl auf jeden der Gäste abgestimmt und abgesprochen ist sowie auch die Reihenfolge der zu Befragenden festgelegt ist (vgl. ebd.: 1499ff; vgl. Löffler 2002: 2325). Des Weiteren sind Erzählungen zwar in dem Sinne „konversationelle Probleme“, deren Lösung mit allen Gesprächs-teilnehmern gemeinsam hergestellt wird (Hausendorf/ Quasthoff 1989: 95), aber inhaltlich nehmen sie in einer Talkshow den Wert einer informativen Unterhaltung an – „Infotainment[1] “ (Löffler 2002: 2322). Trotz ihres medialen Hintergrundes sind die Gespräche aus der Talkshow dennoch als spontan und natürlich anzusehen, wobei auch die mediale Gegebenheit bei der Analyse nicht außer Acht gelassen wird.

Zur konversationsanalytischen Herangehendweise an mediale Produkte ist es wichtig das Zusammenspiel von Bild und Ton nicht unbeachtet zu lassen, da beides extra aufeinander abgestimmt ist und somit auf eine bestimmte Rezeption abzielt. Auch das Anfertigen eines Transkriptes, welches audiovisuelle Hinweise enthält ist unerlässlich. Mediale Gattungen gehören in ihrer Gesamtheit der Gattung der Kommunikation an und sind in sich durch gefestigte Inszenierungsformen gefestigt (vgl. Keppler 2006: 307f).

Die hier zu analysierenden Erzählungen entstammen einer Talkshow, die im Allgemeinen eine Gesprächssituation zeigen, die den Kern der Sendung ausmacht. Potenzielle Zu-schauer können nicht eingreifen und/ oder fragen o. Ä., sondern können dem Geschehen nur passiv folgen. Außerdem verbinden sowohl Zuschauer, als auch die Produzenten immer Erwartungen mit der jeweiligen filmischen Gattung – in diesem Fall die Talkshow – und deren Inhalt (vgl. ebd.: 307ff). Als prototypische Talkshow wird u. A. die Sendung „3 nach 9“ angesehen (vgl. Löffler 2002: 2323), die als Datenlieferant der nachfolgenden Analysen fungiert. Die seit 1974 existierende Talkshow von Radio Bremen wird einmal im Monat freitags um 22 Uhr abends im NDR/RB ausgestrahlt und von Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo moderiert. Der Hauptteil der Sendung wird von den Gesprächen mit den Studiogästen gefüllt und punktuell durch anders geartete, unterhaltsame Beiträge, die oft von anwesenden Talkrundenmitgliedern durchgeführt werden, ergänzt (vgl. Radio Bremen).

In der hier vorliegenden Arbeit sollen die SP herausgearbeitet und dabei generelle Unterschiede aufgedeckt werden. Vier möglichst unterschiedliche Sprecher sollen dazu stichprobenartig analysiert werden. Gegenstand sollen autobiografische Erzählungen sein. Zur Analyse werden die angefertigten Transkripte verwendet, die auch wichtige audiovisuelle Hinweise enthalten. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind Einzelfallanalysen, aus denen noch keine weitreichenderen Rückschlüsse gezogen werden können, die aber dennoch erste Anhaltspunkte im Bereich der Positionierungen im Fernsehen und mögliche Unterschiede dabei enthalten sollen.

4. Selbstpositionierung in der Talkshow „3 nach 9“

Nachfolgend soll es um die Analyseergebnisse aus den Transkripten gehen, wobei ich zunächst kurz auf die verwendeten Daten eingehe und anschließend die inhaltlich gegliederten Befunde erläutere. Als Analysegegenstand fungieren lediglich die vier ausgewählten Personen, die in den Ausschnitten erzählen, da das Untersuchen der Positionierungsarbeiten aller beteiligten Gesprächsteilnehmer den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Außerdem wird es nicht möglich sein alle Analyseergebnisse dar-zulegen, daher konzentriere ich mich auf die frequentesten.

4.1. Die Daten

Gegenstand der Analyse sind vier selbst angefertigte Transkripte nach GAT2-Konven-tionen (vgl. Selting et al. 2009: 391f) von Ausschnitten der Talkshow „3 nach 9“, die im ARD einmal im Monat ausgestrahlt wird. Drei der vier Ausschnitte (Transkript1, 2 und 3) stammen von der Sendung am 06.11.2015 und der vierte Ausschnitt entstammt der Sendung vom 09.10.2015 (Transkript4). Dabei wurden nur solche ausgewählt, die autobiografische Erzählungen enthalten und zudem wurde versucht möglichst verschie-dene Themen und Personen auszuwählen, damit spätere Ähnlichkeiten in der Position-ierung nicht auf solche Eigenschaften zurückzuführen sind. In der Talkshow selbst verhält es sich so, dass meist ein Moderator für einen Gast zuständig ist, da ersterer sich auf ihn vorbereitet hat, wobei Fragen von anderen Gästen oder dem anderen Moderator durchaus erlaubt sind. Die Gesprächsinhalte und Fragen sind abgesprochen und somit nur bedingt spontan, aber die Absprache macht es möglich, dass die Moderatoren den Verlauf der Gespräche lenken, die Gäste korrigieren und aus ihrer Vergangenheit zitieren können. Zudem ist für jeden Gast nur eine bestimmte individuelle Sprechzeit vorgesehen, da die Sendung zeitlich begrenzt ist. Aufgrund dieser Tatsache führen die Moderatoren teilweise abrupte Themenwechsel herbei, um noch auf andere Sachverhalten zu sprechen zu kom-men. Obwohl diese schlagartigen Wendungen nicht der Gesprächsstruktur eines Alltags-gesprächs entsprechen, werden sie von den Gästen angenommen.

4.2. Positionierungen

Um einen groben Überblick über die Positionierungen in allen vier Aus-schnitten insgesamt zu erfassen wurde ihr Auftreten quantitativ erfasst. Der Abbildung 1 zeigt, dass in den verwendeten Daten überwiegend SP in der Ez und fast zu gleichen Teilen SP in der eZ und FP in der Ez vorgenommen werden. Da nicht alle Analysen detailliert angeführt werden können, werden die häufigsten SP und FP tabellarisch festgehalten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Positionierungen im Überblick

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Tabelle 1: SP in Erzählzeit und erzählter Zeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2:FP in Erzählzeit und erzählter Zeit

Wie Tabelle 1 zu entnehmen ist, gibt es im linken Tabellenteil zahlreiche Überein-stimmungen bei den SP der vier Personen, die beim rechten Tabellenteil – SP in der eZ – weniger gegeben ist. Auch die FP in der Ez treten oft bei mehreren Sprechern auf (Tabelle 2). Lediglich die FP des rechten Tabellenteils fallen spärlich aus, da nur das erzählte Ich von K die Preisrichter aus ihrer Zeit als Eiskunstläuferin als streng und besonders kleinlich fremdpositioniert (s. Transkript3 Z.51ff). Die hervorgehobenen Positionier-ungen werden nun an Bespielen gezeigt.

Gesprächsrollen Erzähler und Zuhörer

Einige generelle Positionierungen sollen an dieser Stelle erörtert werden, da sie den Gesamtrahmen der Gespräche betreffen und somit die Grundlage der nachfolgenden Positionierungen bilden. Die Gesprächsrollen Zuhörer bzw. Interviewer und Erzähler werden in jedem der vier Abschnitte von den Gesprächsparteien akzeptiert, sodass sich daraus folgende Positionierungen herausarbeiten lassen: der erzählende Gast positioniert den Moderator als nachforschender, Fragen stellender Interviewer, der an seiner Erzählung interessiert ist und deshalb auch zuhört und außerdem positioniert sich der Gast selbst als berechtigt auch längere Einheiten mit Erzählungen zu produzieren, da er dieses Verhalten seiner Gesprächsposition aktuell zuschreibt. Die anderen Gäste und das Studiopublikum positioniert der sprechende Gast ebenfalls als an seinen Erzählungen interessierte Zuhörer, da in den Geschichten die wichtigsten Umstände erklärt werden, sodass das Verständnis für alle Beteiligten gegeben ist. Dass diese Positionierungen nicht ungewöhnlich sind beschreibt auch Keppler, die diese offensichtlich längeren Beiträge auf beiden Seiten als geradezu charakteristisch für ein mediales Setting sieht (vgl. Keppler 2006: 305). Mit dem folgenden Transkriptausschnitt soll dies exemplarisch gezeigt werden. Es handelt sich um den Anfang von Transkript1, in dem die Moderatorin Judith Rakers (J) das Gespräch mit Angelo Kelly (A) auf das Kennenlernen seiner Frau lenkt. Auch nach Zeile 18 führt A seine Erzählung fort.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Initiiert durch einen Themenwechsel von J fängt A in Zeile 9 mit seiner Erzählung an, obwohl J ihm keine direkte Frage dazu gestellt hat. A positioniert sich also eindeutig als Erzähler, der nun eine längere Einheit produzieren wird, und J als Zuhörerin. Durch die ergänzenden Aussagen von J zur Geschichte von A sieht dieser J in ihrer Position als interessierte Zuhörerin bekräftigt. Dadurch, dass A die sehr persönlichen Details aus seiner Vergangenheit in den Zeilen 3-8 bestätigt, charakterisiert er die Neugierde von J als normal und zu ihrem Job als Moderatorin gehörend, was ihre Position als nachforschende Interviewerin hervorhebt. Die an dieser Stelle gelieferten Hintergrund-informationen dienen eher dem Zuhörer zur Verständlichkeit, als A, der sich, wie typisch für ein mediales Gespräch, so lange mit Antworten zurückhält, bis J ihre Frage abge-schlossen hat (vgl. Keppler 2006: 305). Dass Erzählungen in diesem Kontext überhaupt angebracht sind wir zum einen durch die vorangehenden Fragen der Moderatoren gesichert und in diesem speziellen Fall sieht man die Würdigung der Erzählung von J in Zeile 17. Diese Faktoren reichen für die Bestätigung der Erzählwürdigkeit in diesem situativen Kontext gemäß Gülich aus (vgl. Gülich 2008: 408). Da diese grundlegenden SP und FP in jedem Abschnitt gegeben sind, bleiben sie nachfolgend unerwähnt, da sie vorausgesetzt werden.

Das nächste Unterkapitel stellt die wichtigsten SP in der Ez vor, bevor ich zu den SP in der eZ komme.

4.2.1. Selbstpositionierungen in der Erzählzeit

Mehr als die Hälfte der SP, die die Erzähler in den ausgewählten Ausschnitten vornehmen, sind positiv und nur ungefähr fünf Prozent sind negativ konnotiert. Die verbleibenden Positionierungen sind entweder beidseitig auslegbar oder neutral, sodass den Erzählenden eine grundlegende Tendenz zur positiven Selbstdarstellung unterstellt werden kann. Es folgt eine exemplarische Analyse der SP als humorvoll in der Ez.

Humorvoll

Eine SP, die in ausnahmslos jedem Ausschnitt wieder zu finden ist, ist das Darstellen der eigenen Person als humorvoll. Vor allem der Tubist Andreas Martin Hofmeir (M), der im Folgenden erzählt, warum er barfuß in der Talk-Show und bei Auftritten erscheint, nimmt diese SP vor (Ausschnitt Transkript4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zunächst kann man festhalten, dass es sehr ungewöhnlich und schon fast skurril ist, dass ein seriöser Tubist ohne Schuhe sein Instrument spielt. Hinzukommt, dass M diese Tatsache sachlich zu erklären versucht. Diese beiden Tatsachen kombiniert er mit trockenem Humor, da nur wenig Tonhöhenbewegungen während seiner gesamten Sprechzeit erkennbar sind und er sich selbst kein einziges Mal amüsiert über den offensichtlich komischen Inhalt seiner Erzählungen zeigt. Er positioniert sich außerdem explizit als vergesslich und umschreibt dies noch einmal umgangssprachlich (Z. 103ff), was ein klares Anzeichen dafür ist, dass er sich selbst nicht ernst nimmt und dazu steht, dass er sehr unorganisiert ist. Er macht diese Vergesslichkeit demnach für seine Barfüßigkeit. verantwortlich. Durch lachen zeigen das Publikum (P) und Judith Rakers (J), dass seine Darstellungsweise als witzig empfunden wird. Dass seine SP als witziger Erzähler intendiert ist, kann man daraus lesen, dass er sich durch die Reaktionen anderer Talk-Show Mitglieder nicht stören lässt und weiterredet, wie in den Zeilen 106ff, 115ff und 125ff. Außerdem ist davon auszugehen, dass M sich der Ungewöhnlichkeit seines barfüßigen Auftretens bewusst ist und er seine Schlussfolgerungen absichtlich betont logisch formuliert, da er mit dieser Sichtweise allein ist. Ob das in den Zeilen 135ff Erzählte tatsächlich stattgefunden hat, kann man nicht genau sagen, da Erzählungen nicht immer deckungsgleich mit der Realität sind. Das einzige, das M dazu bringt sich nah an das tatsächliche Ereignis zu halten ist seine Zuhörerschaft, die den Inhalt als realistisch akzeptieren müsste, um M nicht für einen Lügner zu halten (vgl. Deppermann/ Lucius-Hoene 2004a: 31). Aufgrund seines unkonventionellen Auftretens kann M davon ausgehen, dass seine Zuhörer ihm auch diese ungewöhnliche Geschichte glauben oder zumindest ihren Unterhaltungswert schätzen. Dass sie dies tun, zeigen sie in Zeile 138 mit Applaus. M positioniert sich also als humorvoll, was er durch eine sachliche Darstellungsweise von kuriosen Inhalten und vermeintlich logischen Handlungsabfolgen erreicht.

4.2.2. Selbstpositionierungen in der erzählten Zeit

Bei den SP in der eZ sind über ein Drittel positiv, weniger als ein Viertel negativ konnotiert und der Rest ohne eindeutige Wertung, sodass hier zwar auch mehr positive als negative SP vorgenommen wurden, sie aber dennoch Verwendung finden.

Unterschiede in der Selbstpositionierung in Bezug auf die Erzählzeit/ erzählte Zeit

Auffällig ist, dass sich die Hälfte der Erzähler mithilfe der SP von ihrem erzählten Ich distanzieren und die anderen beiden Gleichheiten hervorheben. Eine abweichende SP in Abhängigkeit von der Zeit zeigen die Sprecher K und B, von denen nun die SP von B betrachtet werden sollen (Transkript2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

B positioniert sich erstens durch Verwendung von Fachvokabular (Z.150) und zweitens durch seine einfache Erklärung eines komplexen Sachverhaltes (Z.159ff) als Experte im Kraftsport und der dazugehörigen richtigen Ernährung. Er kontrastiert hier sein heutiges wissendes Ich mit seinem früheren Laien-Ich. Sein erzähltes Ich handelte im Hinblick auf die Ernährung falsch (Z.149f) und war somit unwissend. Daraufhin charakterisiert er die allgemeine Denkweise als witzig (Z.154ff) und spielt die Fehlerhaftigkeit, die er darin sieht, herunter. Damit positioniert er sein erzähltes Ich zwar als unwissenden Laien, aber gleichzeitig rechtfertigte er sein Handeln damit, dass die Allgemeinheit genauso gehandelt hätte und seine Unwissenheit darauf zurückzuführen ist. Trotzdem steht diese SP im Gegensatz zu seiner Darstellung in der Ez als Experte auf diesem Gebiet und zeigt so „implizit einen Entwicklungsprozess vom damaligen zum heutigen Menschen und vermittelt, wie er diese Wendung bewertet“ (Deppermann/ Lucius-Hoene 2004a: 60).

[...]


[1] Infotainment wird hier als „Mischform von informierender Unterhaltung, die allen Talk-Shows als General-Intention zugrunde liegt“ (Löffler 2002: 2322) verstanden.

Details

Seiten
Jahr
2016
ISBN (eBook)
9783668823167
ISBN (Paperback)
9783668823174
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bielefeld – Linguistik
Erscheinungsdatum
2018 (Oktober)
Note
1,7
Schlagworte
Positionierung Erzählen Talk-Show Gesprächsanalyse
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Titel: Positionierung in der Talkshow "3 nach 9"
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