Kooperation zwischen Jugendhilfe/Jugendarbeit und Schule nach Karsten Speck
Zusammenfassung
Einleitend wird darauf eingegangen, dass die gesellschaftlichen Veränderungen in den zurückliegenden Jahren zu veränderten Bedingungen und wachsenden Anforderungen für schulisches Lernen und das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen geführt haben. Hierzu zählen beispielsweise die veränderten Familiensysteme, der gestiegene Leistungsdruck in der Schule oder auch die wachsende Arbeitslosigkeit der Eltern. Die Familie als wichtigster Bezugsrahmen und Bildungsort von Kindern und Jugendlichen unterliegt Wandlungsprozessen. Hieraus ergibt sich ein höherer Bedarf an öffentlicher Erziehung und Bildung sowie das Erfordernis der Arbeitsteilung zwischen Familie und öffentlichen Einrichtungen als aufbauende Erziehungsleistung der Eltern. Die Schule kann ihre ureigenste Aufgabe dabei nicht mehr ohne Beachtung sozialpädagogischer Aufgaben bewältigen. Es ist erforderlich, die Lebenswelten und sozialräumlichen Umweltbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen. Schule soll nicht nur als Lernort, sondern als Lebenswelt verstanden werden. Es gilt, sich mit diesen Veränderungen auseinander zu setzen und die Systeme Familie, Schule und Jugendhilfe darauf auszurichten und vom Nebeneinander dieser drei Sozialisationsinstanzen zum Miteinander zu kommen. Hierzu ist das gemeinsame und koordinierte Handeln der beteiligten Professionen erforderlich.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Beteiligte Professionen
1.1. Die Jugendhilfe
1.1.1. Aufgaben und Funktionen der Jugendhilfe
1.1.2. Zielgruppen und Ziele der Jugendhilfe
1.2. Die Schule und ihre Funktionen
1.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Jugendhilfe und Schule
1.4. Verhältnis zwischen Jugendhilfe und Schule
2. Kooperation von Jugendhilfe und Schule
2.1. Schulsozialarbeit als Kooperationsform
2.1.1. Kooperationsmodelle
3. Begründungsmuster und Begründungen für Schulsozialarbeit
3.1. Alltagspraktische Begründungsmuster und Begründungen
3.2. Theoretische Begründungsmuster und Begründungen
3.2.1. Das sozialisations- und modernisierungstheoretische Begründungsmuster
3.2.2. Das schultheorethische Begründungsmuster
3.2.3. Das transformationstheoretische Begründungsmuster
3.2.4. Das rollen- und professionstheoretische Begründungsmuster
4. Ziele und Zielgruppen von Schulsozialarbeit
5. Literaturverzeichnis
Einleitung
Ich habe mich im Rahmen der zu absolvierenden Prüfung mit dem Thema Kooperation zwischen Jugendhilfe/Jugendarbeit und Schule in Form von Schulsozialarbeit als eine von vielen möglichen Kooperationsformen auseinandergesetzt. Als Grundlage hierfür diente der Text „Begründungen, Ziele und Zielgruppen von Schulsozialarbeit“ von Karsten Speck aus dem Jahre 2009. Diese Arbeit enthält die Vertextlichung der bereits als Prüfungsleistung er- brachten Präsentation im Rahmen der Vorlesung vom 27. bis 28. Juni 2014. Die Präsenta- tion gliederte sich in zwei Teile. Der zweite Teil wurde durch einen Studienkollegen ausgearbeitet und basiert auf dem Text „Angebote, methodisches Handeln und Hand- lungsprinzipien von Schulsozialarbeit“ von Karsten Speck. Er ist als eigenständige Ausarbeitung und Prüfungsleistung zu werten.
Ich werde anhand des erstgenannten Textes von Karsten Speck auf die Professionen Jugendhilfe und Schule, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie auf das Verhältnis zwischen beiden eingehen. Ableitend aus den sich hieraus ergebenden Erfordernissen werde ich die Schulsozialarbeit als Kooperationsform zwischen beiden Professionen und als Möglichkeit zur Auflösung des Spannungsfeldes zwischen Jugendhilfe und Schule erläutern. Weiterhin wird auf die Begründungen für die Etablierung von Schulsozialarbeit sowie die Adressaten und Ziele verwiesen. Auf ein abschließendes Fazit wurde verzichtet, da Bestandteil der Prüfung die reine Präsentation des theoretischen Textes war.
Einleitend möchte ich darauf eingehen, dass die gesellschaftlichen Veränderungen in den zurückliegenden Jahren zu veränderten Bedingungen und wachsenden Anforderungen für schulisches Lernen und das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen geführt haben. Hierzu zählen beispielsweise die veränderten Familiensysteme, der gestiegene Leistungs- druck in der Schule oder auch die wachsende Arbeitslosigkeit der Eltern (vgl. Speck 2009, S. 43). Die Familie als wichtigster Bezugsrahmen und Bildungsort von Kindern und Jugend- lichen unterliegt Wandlungsprozessen. Hieraus ergibt sich ein höherer Bedarf an öffentlicher Erziehung und Bildung sowie das Erfordernis der Arbeitsteilung zwischen Familie und öffentlichen Einrichtungen als aufbauende Erziehungsleistung der Eltern. Die Schule kann ihre ureigenste Aufgabe dabei nicht mehr ohne Beachtung sozialpädagogischer Aufgaben bewältigen. Es ist erforderlich, die Lebenswelten und sozialräumlichen Umweltbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen. Schule soll nicht nur als Lernort, sondern als Lebenswelt verstanden werden. Es gilt, sich mit diesen Veränderungen auseinander zu setzen und die Systeme Familie, Schule und Jugendhilfe darauf auszurichten und vom Nebeneinander dieser drei Sozialisationsinstanzen zum Miteinander zu kommen. Hierzu ist das gemeinsame und koordinierte Handeln der beteiligten Professionen erforderlich (vgl. Balnis/Demmer/Rademacker 2005, S. 5.).
1. Beteiligte Professionen
Aus dem Vorgenannten leitet sich das Erfordernis für die Zusammenarbeit zwischen den beiden Professionen Jugendhilfe und Schule ab. Um in der nachfolgenden Arbeit auf die Kooperation zwischen beiden als zentrales Thema näher eingehen zu können, ist es unumgänglich, zunächst die Jugendhilfe als auch die Schule im einzelnen genauer zu betrachten (vgl. Speck 2009, S. 36). Der Blick soll dabei auf die jeweiligen Funktionen bzw. Aufgaben sowie Ziele und die Zielgruppen gerichtet werden.
1.1. Die Jugendhilfe
Die Jugendhilfe ist ein untergeordnetes System der Sozialen Arbeit, das seine gesetzlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch - Achtes Buch (SGB VIII) findet. Die Jugendhilfe hält Leistungen und Einrichtungen au ß erhalb von Elternhaus und Schule bereit und bietet prä- ventive, partizipatorische sowie freiwillige Dienstleistungen an (vgl. Speck 2009, S. 36). Diese können sowohl von öffentlichen Trägern (z.B. dem Jugendamt), als auch von freien Trägern (Verbände, Vereine) z.B. der Volkssolidarität oder der Arbeiterwohlfahrt erbracht werden.
1.1.1. Aufgaben und Funktionen der Jugendhilfe
Die Jugendhilfe hat einen sozialpädagogischen und gesellschaftlichen Auftrag (vgl. Speck 2009, S. 37) sowie einen sozialräumlichen Gestaltungsauftrag. Die erstgenannten Aufträge beinhalten die Integration in die Gesellschaft. Der sozialräumliche Gestaltungsauftrag findet sich in Form der Jugendhilfeplanung wieder. Die Jugendhilfe beinhaltet ebenso eine An- waltsfunktion, auch Einmischungsstrategie genannt, die ihr Augenmerk auf das Wohl der Kinder richtet. Eine Eingriffs- und Kontrollfunktion gegenüber der Familie übt die Jugendhilfe z.B. durch Hilfen zur Erziehung oder die Inobhutnahme von Kindern nach dem SGB VIII aus (vgl. Balnis/Demmer/Rademacker 2005, S. 13).
Die genauen Aufgaben der Jugendhilfe ergeben sich aus dem SGB VIII. Hier wird unter- schieden zwischen Leistungen und anderen Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien. Zu den Leistungen gehören u.a. Angebote zur Förderung und Hilfen, wie z.B. die Jugendarbeit, die Jugendsozialarbeit und der erzieherische Kinder- und Jugendschutz, die Förderung der Erziehung in der Familie und die Hilfen zur Erziehung (vgl. NOMOS 2012, S. 1806 ff). Hieraus ergibt sich beispielsweise der sozialpädagogische Auftrag. Aus den Ein- gliederungshilfen kann der Auftrag zur Integration in die Gesellschaft abgeleitet werden. Zu den anderen Aufgaben gehören beispielsweise Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen oder auch die Jugendhilfeplanung (vgl. NOMOS 2012, S. 1807 ff.), woraus sich sowohl die Anwalts- und Kontrollfunktion als auch der sozialräumliche Gestaltungsauftrag ergeben. Es wird hier deutlich, dass die Aufgaben einerseits in der Förderung sowie Hilfe und andererseits in der Kontrolle bezüglich der Einhaltung von gesellschaftlichen Normen liegen. Dies führt zu Problemen bei der Ausgestaltung der Arbeit durch sozialpädagogische Fachkräfte (vgl. Speck 2009, S. 37).
Im Folgenden soll besonderer Bezug auf die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit genommen werden, da sich hieraus der Übergang zur Schulsozialarbeit ergibt. Die Jugend- arbeit nach § 11 SGB VIII hat die Aufgabe, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu fördern und sie zu Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Mitverantwortung sowie sozialem Engagement zu befähigen. Sie soll an den Interessen der jungen Menschen ausgerichtet sein und von diesen mitbestimmt und mitgestaltet werden (vgl. NOMOS 2012, S. 1813). Einen Schwerpunkt der Jugendarbeit bildet u.a. die schul- und familien bezogene Jugend- arbeit. Wenn also im weiteren Verlauf dieser Arbeit von Jugendhilfe geschrieben wird, dann ist hiermit die Jugendarbeit als Teil der Jugendhilfe gemeint, da sie die schulbezogene Jugendarbeit (Schulsozialarbeit) beinhaltet.
Die Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII soll sozialpädagogische Hilfen für junge Menschen bereithalten, die auf erhöhte Unterstützung angewiesen sind, um soziale Benachteiligung auszugleichen oder individuelle Beeinträchtigungen zu überwinden. Die Aufgabe besteht in der Förderung ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung, der Eingliederung in Arbeit sowie der sozialen Integration (vgl. NOMOS 2012, S. 1813).
Eine weitere Aufgabe der Jugendhilfe ergibt sich aus § 81 SGB VIII. Demnach haben die „Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituation junger Menschen und ihrer Familien auswirkt, insbesondere mit …Schulen und Stellen der Schulverwaltung …im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse zusammenzuarbeiten.“ (vgl. NOMOS 2012, S. 1840). Diese Regelung enthält eine Verknüpfung zum zentralen Thema dieser Arbeit, auf welches im weiteren Fortgang näher eingegangen wird.
1.1.2. Zielgruppen und Ziele der Jugendhilfe
Anhand der im vorangegangen Kapitel genannten Aufgaben wurden bereits zwei Ziel- gruppen der Jugendhilfe deutlich, denn § 2 SGB VIII sagt in Absatz 1: „Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien. “ In § 1 Abs. 1 SGB VIII findet sich sogar noch eine Ausweitung auf „jeder“ junge Mensch. Die Jugendhilfe richtet sich demnach nicht nur an benachteiligte sondern an alle Kinder und Jugendliche. Sie richtet sich ebenso an Eltern und andere Erziehungsberechtigte. Dies wird in § 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII deutlich (vgl. NOMOS 2012, S. 1809 ff). Karsten Speck benennt in diesem Zusammenhang in seinem Text auch die Gruppe der Lehrer als Adressaten (vgl. Speck 2009, S. 37). Dies wird auch bekräftigt durch den Regelungsgehalt in § 81 SGB VIII
zur Zusammenarbeit der Jugendhilfe mit den Schulen, „deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituation junger Menschen und ihrer Familien auswirkt.“ (vgl. NOMOS 2012, S. 1840).
Die Ziele der Jugendhilfe liegen entsprechend § 1 SGB VIII in der Verbesserung der Lebens- bedingungen von Kinder und Jugendlichen, der Förderung ihrer individuellen und sozialen Entwicklung, der Vermeidung und dem Abbau von Benachteiligungen, der Beratung und Un- terstützung bei der Erziehung und dem Schutz des Kindeswohles (vgl. Speck 2009, S. 37).
1.2. Die Schule und ihre Funktionen
Kommen wir nun zur Institution Schule, die einerseits ein Ort des Lernens ist, aber auch ein Lebensort der Kinder und Jugendlichen. Sie hat einen staatlichen Auftrag und ist durch die Schulgesetze der jeweiligen Bundesländer legitimiert (vgl. Speck 2009, S. 37).
Karsten Speck geht in seinem Text von drei Funktionen bzw. Aufgaben aus, die Schule aus- übt. Er nennt die Qualifikations-, Selektions- und Integrationsfunktion. Qualifikationsfunktion meint den Bildungsauftrag, nachdem Schule Allgemeinbildung, beruflich verwertbare Kennt- nisse und Fertigkeiten sowie Fähigkeiten vermitteln soll, die den Kindern und Jugendlichen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Unter Selektion wird das Sortieren und Sieben anhand von Zensuren und Abschlüssen verstanden, die den Schülern einen Zu- gang zu bestimmten Schularten ermöglicht (vgl. Speck 2009, S. 37). So kann z.B. ein Über- gang auf die gymnasiale Stufe nur durch Nachweis entsprechender Leistungen erfolgen.
Die reibungslose Einfügung in die Gesellschaft, also die Integration, versucht Schule durch Einüben gesellschaftlich erwünschter Verhaltensweisen und Vermittlung entsprechender Ein- stellungen, Überzeugungen und Haltungen zu lehren (vgl. Speck 2009, S. 37). Schüler müs- sen sich an klare Regeln halten, die den Schulalltag prägen. Hierzu zählt z.B. Pünktlichkeit, die durch das Klingelzeichen zur Einhaltung der Pausen und Unterrichtsstunden beiträgt.
Diese drei Funktionen führen zu Konflikten (vgl. Speck 2009, S. 37). So stößt die Qualifikationsfunktion durch eine zu starke Zukunftsorientierung an Grenzen. Kinder sind gegenwartsorientiert und nicht alle Kinder und Jugendlichen sind sich bewusst, dass gute Leistungen für die spätere Ausbildung und den Beruf notwendig sind. Die vermittelten Lehrinhalte können die Schüler nur begrenzt im späteren Leben nutzen. Auch nimmt Schule die Kinder und Jugendlichen nur in ihrer Rolle als Schüler wahr, nicht aber als Personen mit eigenen Bedürfnissen. Der gesamten Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen wird meist wenig Beachtung geschenkt (vgl. Speck 2009, S. 38).
Durch die mit dem Selektieren anhand von Zensuren einhergehenden schulischen Anforde- rungen und Belastungen stoßen manche Schüler schnell an ihre Grenzen. Der Schulalltag ist dadurch geprägt von Konkurrenz, Angst und Erleben von schulischem Versagen. Dies kann zu Ausgrenzung und geringem Selbstwertgefühl führen (vgl. Speck 2009, S. 38). Selektion kann auch zur Folge haben, dass einige Schüler keinen Schulabschluss erreichen.
Die Integrationsfunktion hingegen kann durch das Nichteinhalten von Regeln und Normen zu Sanktionen, wie z.B. das Aussprechen von Schulverweisen führen. Verstoßen Schüler wie- derholt gegen Regeln, so werden sie häufig als verhaltensauffällig stigmatisiert (vgl. Speck 2009, S. 39).
An dieser Stelle sei angemerkt, dass Karsten Speck in seinem Text nur diese drei Funk- tionen benennt. Er lässt die Inklusion außer Betracht, obwohl diese Bestandteil der UN- Behindertenrechtskonvention ist, welche bereits im Jahre 2009 ratifiziert wurde. Aus diesem Grund möchte ich kurz auf die Inklusionsfunktion von Schule eingehen mit einem Zitat von der Autorengruppe der Bildungsberichterstattung von 2010. „Wenn SchülerInnen ihre schu- lische Laufbahn ohne Schulabschluss beenden, steht das im Widerspruch zur Inklusions- funktion… Vor diesem Hintergrund ist es eine zentrale Herausforderung, allen jungen Men- schen über ein angemessenes Bildungsniveau die soziale und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.“ Diese Funktion ist gerade mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit sehr wichtig. Inklusion heißt: für alle Kinder und Jugendlichen entsprechende Möglichkeiten und Angebote vorzuhalten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010, S. 13). Die von Karsten Speck im Text beschriebene Selektionsfunktion steht somit im Widerspruch zur Inklusionsfunktion.
1.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Jugendhilfe und Schule
Im Folgenden sollen Jugendhilfe und Schule miteinander verglichen und Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede verdeutlicht werden. Zunächst wird auf die Gemeinsamkeiten eingegan- gen, die in der Zielgruppe, einigen Zielen und Funktionen zu finden sind. Sowohl die Jugend- hilfe als auch Schule richten sich an Kinder und Jugendliche (vgl. Speck 2009, S. 36). Beide verfolgen als Ziele die Förderung und Unterstützung sowohl der Persönlichkeitsentwicklung, Erziehung und Bildung als auch der Integration in die Gesellschaft. Beiden gemein ist mit der Qualifikationsfunktion der Erwerb von Qualifikationen und allgemeinen Kompetenzen, wie z.B. Kommunikations-, Kooperations-, Reflexions- und Planungsfähigkeit sowie die Fähigkeit zur Selbständigkeit, Mitbestimmung und Verantwortung. Bezüglich der Integrationsfunktion zielen beide auf den Ausgleich von Lebensbedingungen und den Abbau von Benachteiligun- gen für Kinder und Jugendliche ab. Sowohl die Schule als auch die Jugendhilfe stellen wich- tige Bereiche der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen dar und stehen gleichermaßen vor wachsenden pädagogischen Aufgaben (vgl. Speck 2009, S. 36). Wachsende pädago- gische Aufgaben meint hier, dass Schule und Jugendhilfe in ihren traditionellen Formen an ihre Grenzen geraten und für sich alleine nicht in der Lage sind, angemessen auf die eingangs genannten Veränderungen und Herausforderungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu reagieren.
Unterschiede bestehen hingegen in der verschiedenen Gesetzgebung (Bundes- oder Landesgesetze) und den Zuständigkeiten (Ministerium für Bildung bzw. Soziales) sowie in der Träger- und Finanzierungsstruktur (öffentliche bzw. freie Träger). Der Rahmen für die Schule ist vorgegeben z.B. durch die Schulpflicht, die Lehrpläne, Schularten und Bildungs- standards, während die Angebote der Jugendhilfe offen und freiwillig sind und sich an den Bedarfen sowie Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientieren. Dies sind flexible und sozialräumliche sowie zielgruppenorientierte Angebote. Schule hingegen ist sehr leistungs- und normorientiert. Weitere Unterschiede bestehen hinsichtlich der tätigen Fachkräfte und ihrer Qualifikationen. Für die Schule gibt es eine einheitliche Ausbildung der Lehrer und ein klares Arbeitsfeld. In der Jugendhilfe finden sich verschiedene Fachkräfte wie z.B. Erzieher, Sozialpädagogen, Familienhelfer etc. Hier wird deutlich, dass Unterschiede in den inhalt- lichen Schwerpunkten, den methodischen Zugängen und im Grad der Freiwilligkeit bestehen (vgl. Speck 2009, S. 36).
1.4. Verhältnis zwischen Jugendhilfe und Schule
Aus den vorgenannten Unterschieden wird bereits deutlich, dass diese beiden Professionen nicht unbedingt miteinander harmonieren. Die Schule ist sehr stark auf die Qualifikations- und Selektionsfunktion bezogen und vernachlässigt die Integrationsfunktion, während die Jugendhilfe nur den außerschulischen Freizeit- und Problembereich von Kindern und Jugendlichen im Blick hat (vgl. Speck 2009, S. 39). Es ist erforderlich, dass die Schule sich gegenüber der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen öffnet und einsieht, dass Schule nicht nur ihr Lernort, sondern auch ihr Lebensort ist. Sie soll Kinder und Jugendliche nicht nur in ihrer „Schülerrolle“ sehen, sondern als Personen mit Bedürfnissen und Interessen, unterschiedlichen sozialen Bezügen und Problemen der Lebensbewältigung.
Die Jugendhilfe hingegen darf nicht nur den außerschulischen Bereich sehen, sondern Schule als zentralen Lebensort/Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen einbeziehen, der/die in einer Wechselwirkung mit anderen Lebenswelten steht.
Es wird deutlich, dass sich ein Spannungsfeld zwischen Jugendhilfe und Schule ergibt, das sich einerseits durch die zugewiesenen Funktionen und andererseits durch die rechtliche und strukturelle Trennung, unterschiedliche Zuständigkeiten und Finanzierungen ergibt.
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