In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen Lernen mit einem multimedialen Lernportal für Deutsch als Zweitsprache für die Lernenden in Bezug auf sprachliche Leistungen und ihr Lern- und Arbeitsverhalten haben kann.
Gegenstand dieser Arbeit ist die Fragestellung welche Veränderungen hinsichtlich der Einstellungen und der Lernleistungen bzw. den Lernergebnissen auftreten bei Deutschlernenden, wenn Sie an einem webbasierten Lernen für die Kompetenzstufe GER A1 teilnehmen. Die Forschungslücke besteht an dieser Stelle darin, dass das derzeit im Relaunch befindliche Lernportal Ich-will-Deutsch-lernen.de bisher noch nicht für die Niveaustufe A1 von Dritten evaluiert wurde. Leserinnen sind eingeladen, sich ebenfalls als Lesende angesprochen zu fühlen. In dieser Arbeit wird im Regelfall die gendergerechte Form verwendet und bei Auswertungen gezielt Bezug auf Lernende weiblichen Geschlechts und männlichen Geschlechts genommen. Intersexualität wird im Fragebogen berücksichtigt.
Insofern ist das Ziel des Verfassers, diese Forschungslücke zu schließen. Es geht inhaltlich bei dem Portal um ein web-based training zur Verbesserung der sprachlichen Kommunikation. Diese wird inhaltlich angelehnt an die deutschsprachige Version des GER von Glaboniat, Müller, Rusch, Schmitz, and Wertenschlag. Die Sprache kann damit überblicksartig mit Globalbeschreibungen und detaillierten Kannbeschreibungen näher bestimmt werden. Aus den Kannbeschreibungen ergeben sich die Kompetenzen, über die Lernende jeweils verfügen und es kann durch Lehrende und Prüfende eine Aussage über den Grad des Kompetenzerwerbs in der Diagnostik getroffen werden.
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Lernen mit Webseiten für Deutschlernende
2 Untersuchungsdesign, Konstrukte und Stichprobe
3 Erhebung
4 Auswertung und Interpretation der Daten
5 Fazit und Ausblick
Literatur- und Quellenverzeichnis
Appendix
Adaptierter LAVI-Fragebogen DaZ-LAVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Konstrukte im Forschungsbericht
Abbildung 2: Lernleistung abstrakt definiert
Abbildung 4: Konstruktion der Codes der Befragten für Fragebögen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Subskalen im LAVI mit Items
Tabelle 2: Auswahl relevanter Fragetypen in untersuchter Prüfungssoftware
Tabelle 3: Reliabilitätsstatistiken für Sprach-Tests
Tabelle 4: Reliabilitätsanalyse zu adaptierten Skalen des LAVI im DaZ-LAVI
1 Lemen mit Webseiten für Deutschlernende
Gegenstand dieser Arbeit ist die Fragestellung welche Veränderungen hinsichtlich der Einstellungen und der Lernleistungen bzw. den Lernergebnissen auftreten bei Deutschlernenden, wenn Sie an einem webbasierten Lernen für die Kompetenzstufe GER A1 teilnehmen. Die Forschungslücke besteht an dieser stelle darin, dass das derzeit im Relaunch befindliche Lernportal Ich-will-Deutsch-lernen.de bisher noch nicht für die Niveaustufe A1 von Dritten evaluiert wurde. Leserinnen sind eingeladen, sich ebenfalls als Lesende angesprochen zu fühlen. In dieser Arbeit wird im Regelfall die gendergerechte Form verwendet und bei Auswertungen gezielt Bezug auf Lernende weiblichen Geschlechts und männlichen Geschlechts genommen. Intersexualität wird im Fragebogen berücksichtigt Insofern ist das Ziel des Verfassers, diese Forschungslücke zu schließen. Es geht inhaltlich bei dem Portal um ein web-based training zur Verbesserung der sprachlichen Kommunikation.
Diese wird inhaltlich angelehnt an die deutschsprachige Version des GER von Glaboniat, Müller, Rusch, Schmitz, and Wertenschlag (2017). Die Sprache kann damit überblicksartig mit Globalbeschreibungen und detaillierten Kannbeschreibungen näher bestimmt werden (Glaboniat et al., 2017, pp. 56-59). Aus den Kannbeschreibungen ergeben sich die Kompetenzen, über die Lernende jeweils verfügen und es kann durch Lehrende und Prüfende eine Aussage über den Grad des Kompetenzerwerbs in der Diagnostik getroffen werden (Glaboniat et al., 2017, p. 57).
Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird der Forschungsstand referiert und die Fragestellung wird kontextualisiert. Im zweiten Kapitel wird das Untersuchungsdesign charakterisiert und im dritten Kapitel werden die Erhebung und das Studiendesign beschrieben. Im Kapitel vier werden Auswertung und Interpretation beschrieben. Im Kapitel fünf wird die Forschungsfrage im Rahmen der Möglichkeiten beantwortet. Im Anhang befinden sich Fragebogenitems (Appendix).
Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Konstrukte im Forschungsbericht Quelle: eigene Darstellung
Fremdsprachlernen kann mittels web-based trainings auf Webseiten von den Lernenden allein angefangen und zu einem Abschluss gebracht werden. Rössler and Würffel (2010) beschäftigen sich in dem Zusammenhang mit der Emanzipation der Lernenden vom Präsenzlernen, wenn sie feststellen, dass sich das Fremdsprachenlernen nicht mehr zwingend in einem realen Raum mit anderen Lernenden ereignet (Rössler& Würffel, 2010, p. 5). Mittels technischer Faktoren wie stabilen Internetverbindungen und mobilen Endgeräten wie Smartphone oder Tablet oder Laptop können die Lernenden sich in virtuelle Räume einwählen. Ein Beispiel stellt das web-based-Training-Angebot des Deutschen Volkshochschulverbandes Ich-will-Deutsch-lernen dar (Deutscher Volkshochschulverband [DVV], 2012). Dieses Lernangebot steht den Lernenden und Lehrenden kostenfrei zur Verfügung und ist zugelassen als kurstragendes Sprachlernangebot für Integrationskurse als ein ״Lernportal mit jeweils 15 Lektionen pro Niveaustufe (A1-B1) (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [BAMF], 2018, p. 2). Damit könnten wartende Lernende vor ihrem Deutschkurs selbst lernen.
In virtuellen Lernräumen bestehen verschiedene passwortgeschützte Berechtigungen für Lehrende, Lernende und Gäste und der Nutzerkreis wird damit auf die Personen beschränkt, die am Lernprozess beteiligt werden wollen. Die Lernenden erhalten zuweilen Lernaufgaben oder Audiodateien und können diese im Rahmen ihrer Lernprozesse nutzen. Lehrende können beispielsweise Aufgaben einstellen zur Bearbeitung durch Lernende. Damit erweitert eine Lernplattform mit einem virtuellen Lernraum das Lernen im Gegensatz zum Lernen durch Aufrufen einer Webseite grundlegend als Form des Lernens mit digitalen Medien (Meister & Shalaby, 2014, p. 37). Lernende können interaktiv mit Lerninhalten umgehen, wenn Elemente von Web 2.0 für sie nutzbar werden. Die Lernenden können dann selbst ihre Bilder, Audioaufnahmen und Videos mit anderen Lernenden oder Lehrenden teilen. Dies kann für Lernende mit geringem Lebensalter motivierend wirken und ihnen beim Lernen helfen. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur über Blended Learning zur Verbindung von Lernen in Präsenzkursen mit Übungsphasen auf der Lernplattform diskutiert. Rosier (2010) betrachtet Blended Learning als Mischung für Lehrende und Lernende aus methodisch und in Bezug auf die Art des Lernens differenzierbaren Elementen. Diese sollen so arrangiert werden, dass sich Lernen und Arbeiten in realen und virtuellen Umgebungen verbinden und damit als Ergebnis Lerneffekte verstärken und länger andauern (Rosier, 2010, p. 43).
Ulrich (2005, pp. 7-19) schlägt dazu bereits 2005 vor, Lernende auf der Niveaustufe GER A1 des europäischen sprachlichen Referenzrahmens zur Lernerautonomie und eigenständigen Arbeit anzuregen und traditionelle Arbeit mit Lehrwerken einzuschränken. Dies hat dann Veränderungen der Lernarrangements zur Folge. Im historischen Kontext kann dabei ersehen werden, dass die Lernenden phasenweise mehr Kommunikation üben konnten und dies auch heute noch in der Fremdsprachendidaktik ein Ziel darstellt (Glaboniat et al., 2017, p. 65).
Teil des Forschungsprozesses ist es somit, sprachliche Lernleistung im Hinblick auf das Zielniveau A1 und Einstellungen und Medienkompetenzen zu evaluieren, sprachlich adaptierte Fragebögen für quantitative Forschung entwickeln und testen. Die Konstrukte der sprachlichen Leistung ergeben sich aus der Operationalisierung des sprachlichen Referenzrahmens GER für die Sprache Deutsch (Glaboniat et al., 2017). Die Lernleistung ist mit Kerres (2001 ) als das ״Ergebnis didaktischer Aktivität“ zur erkennen und nicht nur das ״Behalten von Fakten, Ereignissen oder Vorgängen“, wobei dies neben der Erinnerung an Gelerntes auch Denkprozesse einschließen kann und Abläufe in Form von Schemata (Kerres, 2001, p. 11). Der Grad des Lernerfolgs erscheint dabei abhängig zu sein von der ״Möglichkeit die angestrebten kognitiven und emotionalen Lernprozesse anzuregen“ (Kerres, 2001, p. 147).
In dem Zusammenhang legt Kerres (2001) verschiedene Teile von Lernerfolg dar: ״erlebte Qualität des Lernangebotes, emotionale Reaktion, Lernmotivation, Lernverhalten, subjektive Zufriedenheit mit Lernverhalten und -ergebnis, faktische Nutzung / Akzeptanz“ sowie ״‘Lebensfähigkeit‘ des medialen Lernangebotes im institutioneilen Kontext“ (Kerres, 2001, p. 112). Im Rahmen dieser Arbeit wird an abrufbereite sprachliche Mittel und die formale Anknüpfung an Gelerntes Gebrauch gemacht, da eine Äußerung über Erlebnisse mit der Lernumgebung und Emotionen sowie Motivation und Verhalten die Ausdrucksmöglichkeiten von Lernenden auf der Niveaustufe A1 erheblich übersteigen können. So wird in der Globalskala und den verschiedenen Teilskalen gezeigt, dass das sprachliche Zielniveau A1 der Lernenden lediglich Äußerungen über sich und ihr unmittelbares Umfeld mit einfachen sprachlichen Mitteln erlaubt. Die Niveaustufen des GER entstanden auf das Betreiben des Europäischen Parlamentes hin (Europarat, 2013) und sie liegen aktuell in einer neuen Ausgabe vor (Europarat, 2018), die jedoch noch keinen Eingang in die Entwicklung des sprachlichen Testinstrumentes der Testanbieter gefunden.
Preussler and Baumgartner (op. 2006) machen deutlich, dass Lernerfolg häufig als ״Denkprodukt“ mit ״standardisierten Wissensabfragen“ gemessen werde, wobei dadurch kaum Denkprozesse erfasst würden als vielmehr prozedurales Wissen (Preussler & Baumgartner, op. 2006, p. 77). Die sprachlichen Handlungen könnten potentiell als Bestandteil von prozeduralem Wissen aufgefasst werden. Im Gegensatz zu Kerres (2001) trennen Schulmeister, Vollmers, Gücker, and Nüyken (2005) das Konzept des Lernerfolgs in Form eines objektivierbaren Maßes dokumentiert in Prüfungsleistungen von Lernerzufriedenheit, die hier nicht erhoben werden wird. Modernes Lernen bewegt sich demnach zwischen der Selbststeuerung durch die Lernenden und dem Wunsch nach Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit (Clement & Martens, 2000, p. 98). In dieser Arbeit lässt sich kaum ein grundsätzlich neuartiges Forschungsinstrument entwickeln, welches die Lernerzufriedenheit detailliert berücksichtigt.
Wenn nun die Messbarkeit insofern herausfordernd ist, als das Konstrukt des Lernerfolgs nicht mit der Behaltensleistung gemessen werden kann, so sind in Zukunft gegebenenfalls weitere Anpassungen der Testinstrumente notwendig, um die Veränderungen bei Fremdsprachenlernenden genauer zu untersuchen. Bezogen auf die sprachliche Testpraxis wird aktuell immer noch der Abruf von behaltenem Wissen forciert, dieser stellt die Grundlage für eine Kommunikationsfähigkeit nach GER dar. Diese Kommunikationsfähigkeit steht im Fokus der sprachlichen Lernleistung als Denk- und Handlungsprodukt der Sprachenlernenden. Ergänzend hätte noch das Befragungsinstrument von Moshagen and Thielsch (2010), erweitert bei Moshagen and Thielsch (2013), ergänzt von Moshagen and Thielsch (2014), eingesetzt werden können, um das theoretische Modell zur Evaluation von E-Learning (Thielsch, Gersie, Buchholz, Hüttemann, & Bommert, 2008) im Kontext der Zielgruppe von Fremdsprachenlernenden zu erproben. Aufgrund des Blended Learnings mit universitären Lehrveranstaltungen und ergänzendem E-Learning eignete sich dieses Instrument nur bedingt für eine Evaluation von web-based e-learning. Moosbrugger and Kelava (2012) liefern Hinweise auf die testheoretische Verödung.
Die betrachtete Lernplattform lässt sich im Kontext der Selbstregulation im E-Learning (Astleitner, op. 2006, p. 25) formal evaluieren, wobei fünf Phasen angesetzt werden, die sich aus Platzgründen ausführlich beschrieben bei Astleitner (op. 2006) finden.
Schulmeister et al. (2005) stellen fest, dass sich allein aus der verschiedenen Art von Präsentation der Lerninhalte keine Differenzierung für den Lernerfolg oder subjektive Lernqualität ergeben sollte. Dies wird bereits zuvor dargelegt von Hasebrook (1995).
Mögliche Alternativen zur medial fokusierten Forschung stellt Reinmann (2005) vor, wenn sie das Konzept des ״Design-Based Research“ weiterentwickelt. Im bildungswissenschaftlichen Kontext führen Elliot (1991 )sowie später Altrichter and Posch (1998) die Handlungsforschung. Einen geringeren Erfolg legen (Preussler & Baumgartner, op. 2006, p. 80) für die Forschung mit dem Ansatz des ATI nahe. Diese wird von Cronbach and Snow (1977) und später von Snow (1989) durchgeführt und legt für die Entwicklung von Fähigkeiten nahe, dass Lernergebnisse vorausgesagt werden könnten, wenn die Fähigkeiten der Lernenden und das zu Lernende kombiniert würden. Insbesondere lassen sich diese Kombinationen sehr häufig in Lehr-LernProzessen finden und sind gleichzeitig schwierig klar zu belegen (Cronbach & Snow, 1977, p. 51).
In Bezug auf die Einhaltung der Objektivität (Sedlmeier & Renkewitz, 2011, pp. 71-72) wird unterschieden zwischen Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität unterschieden wird. Die Durchführungsobjektivität meint, ob sich die Testergebnisse bei anderen Testleitungen verändert. Die Auswertungsobjektivität meint, ob verschiedene Testende und Testleitungen zu gleichen Ergebnissen kommen. Laut LAVIS-Handreichung ist diese gegeben, wenn eine feste Reihenfolge gegeben ist (Keller & Thiel, 1998d). Diese sollte auch für die Computertestung angewendet werden. Sie werden zunächst nach den verschiedenen drei Merkmalsausprägungen angetragen. Aus der Handreichung der Tests geht nicht hervor, ob Durchführungs- und Auswertungsobjektivität gegeben sind. Allerdings wird diese angestrebt. Die Auswertungsobjektivität kann nicht geprüft werden, da keine Daten hierzu vom Testanbieter bereitgestellt werden.
Der entsprechende Forschungsprozess lässt sich so beschreiben, dass zunächst Daten gesammelt werden (Sedlmeier & Renkewitz, 2011, pp. 760-761), anschließend analysiert (Sedlmeier & Renkewitz, 2011, pp. 762-763). Dann wird im Hinblick auf die Gütekriterien untersucht (Sedlmeier & Renkewitz, 2011, pp. 763-765), anschließend werden Interpretationen vorgenommen.
Theoretisch zeichnet sich zunächst die technologiebasierte Entwicklung (Littig, 2010, p. 122) ab, bei der ausgehend von der Konzeption von Lernmedien weitere Umgebungskonstruktionen vorgenommen werden und kategorisiert werden. Die Lernziele werden abgeleitet und die Lernenden werden einbezogen. Dabei wird ausgehend von Lernmedien die Lernumgebung konstruiert und Lernkategorien gebildet, die in Lernziele münden und von Lernenden erlernt werden (Littig, 2010, p. 122). Bei einer zeitlich späteren Betrachtung liegt der Fokus auf der lernerorientierten Entwicklung (Littig, 2010, p. 123). Die Lernenden werden im ersten Schritt beteiligt, um die Lernumgebung auf deren Anforderungen und Wünsche hin anzupassen. Anschließend werden Lernziele entwickelt und daraus werden Lernkategorien abgeleitet, die sich in den Lernmedien finden (Littig, 2010, p. 123).
In der neuen Gestaltung mit dem Relaunch des DW-Lernportals sind Medien bereits vorhanden, die Lernumgebung wird jedoch neu entwickelt. Unklar bleibt aufgrund der Webseite des Projektes, ob Lernkategorien, Ziele und Medien jeweils ausgehend von Lernenden oder eher ausgehend von verbandlichen Strukturen und Vorstellungen entwickelt werden sollten und werden. Die Aufgaben im Lernportal werden von den Lernenden bearbeitet, bestehen damit zum Zeitpunkt der Lernprozesse schon. Dies spricht für ein technologiebasiertes Entwicklungsschema. Allerdings nutzt das virtuelle Klassenzimmer als Lernportal die Rahmencurricula für Lesen (Silke Gausche, Anne Haase, Diana Zimper, 2016) und Schreiben (Ossner, 2016). Dies spricht für eine technologieorientierte Gestaltung. Im nächsten Abschnitt werden das Untersuchungsdesign und die Stichprobe beschrieben.
2 Untersuchungsdesign, Konstrukte und Stichprobe
Das gewählte Untersuchungsdesign entspricht einem quasi-experimentellen Entwurfsmuster (Mayer, 2010, pp. 26-27), da die Interessierten die Stichprobe bilden und nicht im Vorhinein Aussagen dazu möglich sind, inwiefern sie repräsentativ für Asylbewerbende in Deutschland auf dem sprachlichen Lernniveau A1 sind. Zudem folgt die Untersuchung dem Paradigma einer Längsschnittstudie, womit die Idee umgesetzt wird, dass sich Lerneffekte durch Messungen der Lernleistung zu einem Zeitpunkt vor der Arbeit am Lerngegenstand und nach dem Arbeiten mit einem Lerngegenstand ergeben und zeigen.
Die Stichprobe umfasst insgesamt N=100, die in einem Onlinekurs in die Arbeit mit dem E- Learning-Werkzeug eingeführt werden und dann mit der überarbeiteten Webseite DVV (2017) von www.iwdl.de lernen. Die Evaluation bezieht sich auf das Lernen mit der Webseite und nicht auf den Onlinekurs. Es ist möglich, dass die Teilnehmenden an den Befragungen dies nicht differenzieren können. Alle Interessierten erhalten vor dem Evaluationszeitraum zur Befragung Zugang auf ein LMS des Autors, in dem sie die Befragungen absolvieren. Neben einem Online-Beitrag zum Lernen mit dem LMS sind dort Informationen und Links auf die Lernplattform vorhanden.
Die Untersuchungszeitpunkte sind zu Kursbeginn (Pretest, t=1), in der Mitte des Kurses (Intervention, t=2) und am Kursende (Posttest, t=3) eines webbasierten Lernangebotes. Zielgruppe der Evaluation sind Pädagogen, die Deutsch lernende Asylbewerberinnen und Asylbewerber auf dem Sprachniveau A1 unterrichten. Dazu wurden Familienangehörige von Teilnehmenden an den Präsenzkursen des Autors angesprochen. Sie erhielten eine Information mit einem Link auf eine Moodle-Umgebung. Zu einem festen Termin erhielten die Interessierten eine videobasierte Einführung und ihre Zugangsdaten. Der methodische Zugang für den Pretest der Skalen bestand in einer kommunikativen Evaluation des Pretests, anschließender Anpassungen und der quantitativen Befragung über drei Zeitpunkte mittels kleiner Längsschnittstudie, wobei für den Sprachtest Variationen im Zeitverlauf umgesetzt wurden, um Lerneffekte in Bezug auf die Sprache und nicht in Bezug auf den Fragebogen messen zu können.
2.1 Konstrukt der sprachlichen Lernleistung
Lernleistung ausgedrückt in Lernergebnissen wird in Kapitel 1 definiert. Sprachliche Lernleistung lässt sich angelehnt daran auf Basis des Europäischen Sprachreferenzrahmens GER operationalisieren (Glaboniat et al., 2017).
Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Lernleistung abstrakt definiert
Quelle: eigene Darstellung mit Informationen von Glaboniat et al. (2017)
Konkret werden diese Konstrukte für die vier kommunikativen Kompetenzbereiche Schreiben, Lesen, Sprechen und Hören in entsprechenden Sprachtests.
Im nächsten Abschnitt werden Einstellungen von Lernenden vorgestellt, die als mögliche Variablen im Zusammenhang mit der Lernleistung als Lernergebnis stehen können.
2.2 Einstellungen in verschiedenen Fragebögen
Back Channel Survey - Kommunikation im Hintergrund (Sharp, 2016, p. 208) stellt ebenso wie Demographie and technology literacy profile - soziodemografische Informationen (Sharp, 2016, p. 86) und abschließend End-of-course survey (EOCS) - Befragung am Ende des Lernangebotes (Sharp, 2016, pp. 87-88) eine Ergänzung dar zur Erhebung von Student course engagement questionnaire (SCEQ) - Beteiligung von Lernenden (Sharp, 2016, p. 85). Insbesondere im Hinblick auf das Engagement der Lernenden gibt es eine für die Altersgruppe amerikanischer Lernender am College erprobte Itembatterie mit vier Subskalen. Neben Fertigkeiten (skills), emotionalen Faktoren (emotional), Teilnahme (participation) umfasst die letzte Subskala das Handeln im Kurs (performance). Auffällig dabei erscheint, dass die Lernenden im Hinblick auf Cronbachs alpha bei Emotionen in Verbindung Fertigkeiten (.44), Ergebnissen und Fertigkeiten (.36) sowie Emotionen und Teilnahme (.34) relativ geringe Werte erreichen. Hinzu kommt, dass die interne Reliabilität der Skalen für Skills und Emotional (.82), Participation (.79) und Performance (.76) sehr stark ist. Mit ״a = 0,7“ (Schmitt, 1996, pp. 350353) sind zur inhaltsunabhängigen Interpretation die Skalen zu Emotionen und Teilnahme und die Leistungsergebnisse von Performance reliabel.
Im Zuge der kommunikativen Validierung konnten die aus dem Amerikanischen adaptierten Items nicht überzeugen. Daher wurde auf das Inventar LAVI zurückgegriffen und dieses angepasst an die Situation der Deutsch lernenden Erwachsenen.
Der SCEQ-Test (Handelsman, Briggs, Sullivan, & Twoler, 2005) besteht aus den Skalen Skills (Fertigkeiten), emotion (Emotionen), participation (Teilnahme bzw. Beteiligung) und performance (Handeln bzw. Ergebnisse). Die Autoren zeigen für dieses Befragungsinstrument, inwieweit sich aus den Fragen die Skalen ergeben und untermauern dies statistisch übereine Faktorenanalyse und weisen Ladungen zwischen 0,40 und 0,86 aus. Im evaluierten Online-Kurs werden keine Zensuren vergeben und die Lernenden erhalten in diesem Rahmen keine Sprechstunden oder dergleichen. Daher werden diese Items aus der ursprünglichen Befragung möglicherweise wenig aussagekräftig sein. Genauer als die Faustregel bestimmt die Literatur ab ״a = 0,7“ (Schmitt, 1996, pp. 350-353) oder ab ״a = 0,8“ (Bortz & Döring, 2006, p. 703) die interne Konsistenz einer Skala in der Befragung.
Eine Möglichkeit zur Integration von Lernen von Menschen mit geringeren Sprachkenntnissen als College-Schülerinnen und -Schüler könnte in dem Einsatz von Testinstrumenten für jüngere Altersgruppen bieten.
Im Rahmen der Dissertation von Sharp (2016) werden die Items bezogen auf einen CollegeKurs für die Evaluation des Einsatzes von Web 2.0-Technologien. Für das Setting dieses E- Learning-Angebotes soll im Wesentlichen die Plattform des DW für den Kursbereich A1 evaluiert werden.
2.3 LAVI als Lern- und Arbeitsverhaltensinventar
Ein Testinstrument in Form eines Inventars stellt das Lern- und Arbeitsverhaltensinventar (LAVI) dar. Im Kern geht es um die Beobachtung, dass sich Schulerfolg abhängig vom Lern- und Arbeitsverhalten der Befragten zeigen lässt. Zielgruppe des Tests sind Schulen und hier Lernende in der Sekundarstufe 1 in den Klassenstufen 5 bis 10 und die auswertenden Schulpsychologen oder Beratungslehrkräfte. Die Schulleistung (und damit möglicherweise Lernleistung als Ausdruck von Lernerfolg) lässt sich empirisch belegen als beeinflussbare Größe bedingt durch Arbeitshaltung (Skala AH), Stressbewältigung (Skala SB) und Lerntechnik (LT) (Keller & Thiel, 1998d, p. 5).
In Bezug auf die Skalenniveaus lässt sich festhalten, dass für die Skala soziodemografischen Daten (SD) mit Nominaldaten besetzt ist. Beispiele sind das Geschlecht oder andere Variablen, die nicht in eine Rangfolge gebracht werden können. Die übrigen Variablen sind ordinalskaliert wie in der Skala mit den sprachliche Testteilen, der keine Werte zwischen den Merkmalsausprägungen liefert. Die Nominalskala (Sedlmeier & Renkewitz, 2011, p. 61). Die Ordinalskala (Sedlmeier & Renkewitz, 2011, p. 63) werden für die sprachlichen Bewertungen eingesetzt. Die Skala im LAVIS bildet eine dreiwertige Ordinalskala, wobei auffällig ist, dass eine ungerade Zahl von Merkmalsausprägungen verwendet wurde. Eine Intervallskala ist bei den Skalen gegeben, die mit 3,0; 1,5; 0 Punkten bewertet sind. Sedlemeyer (64-70) nennt weitere theoretische Aspekte.
Grundlage bildet theoretisch ein Fragebogen aus den 1970er Jahren für Lernende in der Sekundarstufe 2 und die Adaption aus den 1990er Jahren für Lernende in verschiedenen Schulformen der Sekundarstufe 1 (Keller & Thiel, 1998d, p. 5). Das Testinstrument basiert auf der Item-Response-Theorie und verschiedenen Schritten der Testkonstruktion. Im ersten Schritt werden Items entworfen und mittels Feldbeobachtungen von ״Lernverhalten (N = 445)“ (Keller & Thiel, 1998d, p. 5), Betrachtungen von Studien zur Wirksamkeit von Interventionen und Vergleichen von Extremgruppen gebildet. Dabei kommt ein Verfahren zum Einsatz, welches an ein Peer-Review durch Expertengruppen erinnert (Keller & Thiel, 1998d, p. 5). Aus den sieben Konstrukten ״[...] Selbstvertrauen [...], [...] Bedürfnisaufschub [...], [...] Lernorganisation [...], [...]Gedächtnisstrategien [...], [...] Konzentrationssteuerung [...], Lösungsstrategien [...], [...] Angstbewältigung [...]“ (Keller & Thiel, 1998d, p. 20) werden aus einem Itempool von 67 Fragen mit einer Stichprobe (N = 254) von Lernenden der Schulformen ״Hauptschule, Realschule und Gymnasium“ (Keller & Thiel, 1998d, p. 20) nahezu gleichverteilt mit einem Schwerpunkt auf Lernenden der Klassenstufe 7 und weniger mit Klassenstufe 6 drei Skalen bestätigt, wobei die Reliabilität zwischen rtt=.62 und rtt=.77 liegt und damit für die Autoren nicht zufriedenstellend ist. Auf Basis einer statistischen Analyse wird eine finale Ausgabe des Tests entwickelt und einem Retest unterzogen und anschließend an einer Stichprobe normiert (Keller & Thiel, 1998d, p. 5). Für die Reliabilität der Subskalen geben die Autoren für ״Arbeitshaltung“ (AH) mit rtt=.90 an, ״Stressbewältigung“ (SB) erreicht rtt=.81, ״Lerntechnik“ (LT) erzielt rtt=.72 (Keller & Thiel, 1998d, p. 21). Für eine Stichprobe (N= 41) ist eine Wiederholung vorgenommen worden, wobei die Lernenden das Gymnasium besuchten und sich gealtert in Klasse 7 und 8 befinden. Dabei werden niedrigere Reliabiltäten erzielt: AT mit rtt=.78, SB mit rtt=.68 und LT mit rtt=.73.
Eine Objektivität für die Testung wird als gegeben gesehen, sofern die Befragten genaue Instruktionen erhalten. Die Items sind als Single-Choice-Fragen gestellt, da sich für Multiple- Choice-Fragen eine Auswertung objektiv Umsetzen lässt (Keller & Thiel, 1998d, p. 20). Testtheoretisch und statistisch bedingt kann für dreiwertige Items mit den Werten 1 (״unbefriedigend“), 2 (״teilbefriedigend“) und 3 (״voll befriedigend“) (Keller & Thiel, 1998c) kein direkter Wahrscheinlichkeitswert als p genannt werden. In diesem Fall liegt der theoretische Mittelwert bei 2. Dieser Wert wird erreicht, sofern lediglich die mit 2 bewertete Item-Antwort gewählt wurde oder für das Item Gleichverteilung besteht (Keller & Thiel, 1998d, p. 21). Es existiert eine Kurzform des Inventars, die Lerntechniken als ״Lernverhalten“ betrachtet und ״Stressbewältigung“ einschließt, allerdings liegt dazu eine größere Stichprobe vor (N = 4321) mit Lernenden der Klassenstufen 6 und 8 von verschiedenen Schulformen der Sekundarstufe 1. Die Trennschärfe der Items für LAVI mit drei Subskalen ist in der Handreichung zu finden (Keller & Thiel, 1998d, pp. 21-23), ebenso wie Angaben zur Validität aufgrund der Faktorenanalyse, wobei sowohl die Faktorenanalyse als erster Schritt, als auch die multiple Regression als zweiter Schritt dargelegt werden (Keller & Thiel, 1998d, pp. 24-26).
Die Auswertungsschablonen zum Testinstrument legen die Zuordnung der Items zu den drei Skalen der unverkürzten Version des LAVI dar und sind hier zusammenfassend dargestellt (Keller & Thiel, 1998b).
Tabelle 1: Subskalen im LAVI mit Items
Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten
Der Test wird binnen 30 Minuten durchgeführt, wobei die Befragten eine Instruktion zum Ausfüllen des Testbogens erhalten und anschließend die Items zum Lesen erhalten und einen Hinweis auf die Ankreuzrichtung von ״links nach rechts“ zu geben (Keller & Thiel, 1998d, p. 12). Die Befragten erhalten nach der Instruktion den Auswertungsbogen (Keller & Thiel, 1998a) zum Ankreuzen ihrer Antworten und lesen die Items im Testheft als Fragebogen nach (Keller & Thiel, 1998c).
Die Auswertung der einzelnen Fragebögen besteht aufgrund der Antwortbögen aus mehreren Schritten, wobei zunächst die Bewertung der Antworten codiert wird mittels 1-3 Punkten je Item des Fragebogens. Anschließend ergeben sich für die Subskalen Summenscores oder Punktwerte für einzelnen Merkmalsausprägungen 1,2 und 3. Dazu werden die gezählten ItemWerte addiert. Mittels Testprofil können die T-Werte eingetragen werden, wobei diese aus den Skalenrohwerten abgelesen werden können. Aus Normtabelle zur Befragung können die t-Werte abgelesen werden (Keller & Thiel, 1998d). Die Normtabelle schließt alle Items mit ein, außer bei der Skala AH Rohwerte von 39 und 40. Falls diese auftreten, soll ein T-Wert von 24 im Antwortbogen vermerkt werden (Keller & Thiel, 1998d).
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