Die Arbeit behandelt Möglichkeiten des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, den Präsidenten des Sudan, Omar Al-Bashir, nach Den Haag zu holen, um ein Verfahren gegen ihn führen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Rechtsprechung
Ausarbeitung
A. Einführung
I. Gegenstand der Arbeit
II. Gang der Arbeit
B. Hauptteil
I. Die Immunität Al-Bashirs vor dem Internationalen Strafgerichtshof
1. Immunität rati one materi ae
2. Immunität ratione personae
a) Völkergewohnheitsrechtliche Ausnahme für Verfahren vor internationalen Gerichten
b) Anwendbarkeit des Römischen Status auf den Sudan
aa) Direkte Anwendung
bb) Durch UNSC-Resolution 1593
(1) Anwendbarkeit wegen Unterbreitung der Situation gern. Art 13 b)
(2) Direkte Anordnung der Anwendbarkeit durch den UNSC
II. Rechte und Pflichten verschiedener Staaten(-gruppen) zur Verhaftung Al-Bashirs
1. Republik Sudan
2. Vertragsstaaten des Römischen Statuts
a) Keine Anwendbarkeit von Art. 98 I für Immunität von Staatsoberhäuptern
b) Unbeachtlichkeit der Immunitäten aus Völkergewohnheitsrecht
c) Fehlende Immunität in Folge der UNSC-Resolution
aa) Direkte Aufhebung durch UNSC
bb) Immunitätsverzicht durch Art. 27 II
3. Andere Staatengruppen
a) Mitglieder der Genozidkonvention
b) Sonstige Nichtvertragsstaaten des Römischen Statuts
C. Schluss
I. Fazit
II. Ausblick - Wie sollte der IStGH weiter verfahren?
1. Feststellung gern. Art. 87 VII bzgl. des Sudan durch die PTC
2. Nutzen der Genozidkonvention
3. Gutachten des IGH
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ausarbeitung
A. Einführung
I. Gegenstand der Arbeit
Die Vorverfahrenskammer I (PTC-I) des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag hat mit dem Erlass zweier Haftbefehle gegen den Präsidenten des Sudan, Omar Al-Bashir, am 04. März 20091 sowie am 12. Juli 20102 neues Land betreten; es ist das erste Mal, dass der Gerichtshof gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt, noch dazu das eines Nichtvertragsstaates des Römischen Statuts (Statut) vorgeht. Die Haftbefehle lauten auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (2009) sowie auf Völkermord (2010) - Taten, die Al- Bashir im Zusammenhang mit dem seit 2003 andauernden Darfur- Konflikt zwischen der Regierung des Sudan und Rebellengruppen in der gleichnamigen Provinz vorgeworfen werden. Das Verfahren ist seitdem Gegenstand massiver politischer sowie rechtlicher Diskussion gewesen.3 Der Fokus der rechtlichen Diskussion lag dabei auf dem Problemfeld der Immunitäten Al-Bashirs, die dieser in seiner Funktion als amtierendes Staatsoberhaupt genießt. Besondere Aufmerksamkeit erhielten hierbei die Fragen, ob der ICC überhaupt das Recht hatte, ein amtierendes Staatsoberhaupt eines Nichtvertragsstaates seiner Strafverfolgung zu unterwerfen. Weiterhin wurde angezweifelt, ob der Gerichtshof Staaten um die Überstellung Al-Bashirs ersuchen darf bzw. ob diese Staaten im Falle eines solchen Ersuchens berechtigt oder ggf. sogar verpflichtet sind, diesem nachzukommen. Das Spektrum der hierzu vertretenen Positionen könnte breiter nicht sein; so reicht es von einer völligen Ablehnung der Gerichtsbarkeit des ICC über Al- Bashir4 über die Annahme der ausschließlichen Rechtmäßigkeit der Haftbefehle5 bis hin zur Annahme einer umfassenden Verpflichtung aller Staaten, Al-Bashir zu verhaften und an den ICC zu überstellen.6
II. Gang der Arbeit
Diese Arbeit unternimmt es, die verschiedenen vertretenen Positionen zu analysieren und die für sie vorgebrachten Argumente zu evaluieren und zu ergänzen, um den rechtlichen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen sich die Handlungsmöglichkeiten des ICC zum aktuellen Stand bewegen. Das Problem besteht im Wesentlichen, wie bereits angedeutet, auf zwei Ebenen: Zunächst soll es um die Wirkung der Immunitäten Al-Bashirs in Bezug auf das Verfahren vor dem ICC gehen. Hier soll die Frage behandelt werden, ob Al-Bashirs Position als amtierendes Staatsoberhaupt eines Nichtvertragsstaates einer Verfahrensinitiierung entgegensteht. Insbesondere wird dabei auf mögliche Ausnahmen vom Immunitätsschütz aus Völkergewohnheitsrecht sowie unter Anwendung des Statuts auf den Sudan eingegangen.
Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Möglichkeiten zur Verhaftung und Überstellung Al-Bashirs. Da der ICC keine eigenen Vollstreckungsorgane unterhält, ist er hierzu auf die Vollstreckungsorgane einzelner Staaten angewiesen. Es soll daher die Frage beantwortet werden, ob -und falls ja, für wen und auf welcher Basis- ein Recht zur Verhaftung Al-Bashirs besteht, oder ob die ihm eigenen Immunitäten ein solches Vorgehen völkerrechtswidrig machen würden. Diese Analyse wird unterteilt in die Position des Sudans selbst, die der Vertragsstaaten des Statuts, sowie die der Nichtvertragsstaaten. Im Fall der Vertragsstaaten wird auf eine völkergewohnheitsrechtliche Regel mit diesem Inhalt hin geprüft und es werden die Auswirkungen der UNSC-Übertragung der Situation untersucht. Bei den Nichtvertragsstaaten wird zusätzlich der Gebrauch der Genozidkonvention als Vehikel zur Umgehung der Immunitäten Al-Bashirs überprüft. Zum Schluss wird nach der Ziehung eines Fazits ein Ausblick auf die Handlungsmöglichkeiten des ICC gegeben. Neben der Möglichkeit, nach Art. 87 VII7 tätig zu werden, wird die Einholung eines Gutachten des IGH diskutiert, sowie auf die praktischen Aspekte der Verwendung der Genozidkonvention eingegangen.
7 Alle Art., soweit nicht anders angegeben, sind solche des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs.
B. Hauptteil
I. Die Immunität Al-Bashirs vor dem Internationalen Strafgerichtshof
Staatsoberhäupter genießen im Völkerrecht grundsätzlich Immunität8. Immunität ist ein Verfahrenshindemis, das den, dem sie zugute kommt, vor jeder Ausübung der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates schützt.9 Bei Staatsoberhäuptern muss zwischen zwei Arten von Immunität unterschieden werden: Immunität ratione materiae und Immunität ratione personae10 unterscheiden sich in dogmatischer Herleitung und Anwendungsbereich.11 Immunität ratione materiae, die das Amt -nicht die Person- von Staatsbediensteten schützt, beruht auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller souveränen Staaten.12 Gleichberechtigung ist nicht gegeben, wenn ein Staat über den Amtsräger eines anderen Staates wegen einer Amtshandlung zu Gericht sitzt.13 Immuni täts schütz ratione materiae besteht wegen der Zurechnung der Handlung zum Staat, nicht der Person, über die Amtszeit hinaus.14 Immunität ratione personae15 hingegen kommt ausschließlich bestimmten hohen Amts- und Würdenträgern eines Staates zu, um ihnen auch im Ausland den für die ungehinderte Ausübung ihres Amtes notwendigen Handlungsfreiraum zu geben.16 Dieser wäre stark eingeschränkt, wenn andere Staaten die Möglichkeit hätten, Hoheitsgewalt über jene Amtsträger auszuüben.17 Diese Form der Immunität schützt die Person selbst, da gerade deren Handlungsfähigkeit aufrecht erhalten werden muss. Daraus ergibt sich die absolute Wirkung dieser Form der Immunität, ihr Anwendungsbereich erstreckt sich selbst auf priva- te Handlungen18 - jedoch endet mit dem Ausscheiden aus dem Amt auch die Schutzbedürftigkeit und somit der Schutz der Person.19
1. Immunität ratione materiae
Es besteht Übereinstimmung darüber, dass Immunität ratione materiae in einem Verfahren, in dem der Vorwurf auf Völkerstraftaten lautet, keine Anwendung findet.20 Begründet wird dies vor allem damit, dass Völkerstraftaten, die die internationale Gemeinschaft als Ganze betreffen, nicht vom Schutzbereich einer Immunität erfasst sein können, deren Ziel es ist, die Souveränität der Staaten zu schützen.21 Darüber hinaus könnten solche Verbrechen niemals den Schutz, der offiziellen Akten zukommen soll, in Anspruch nehmen22, da man so die schlimmsten Verbrechen, die der Menschheit bekannt sind, zum Staatsakt erklären würde. Die Al-Bashir vorgeworfenen Taten sind allesamt Völkerstraftaten23, ein Berufen auf Immunität ratione materiae scheidet daher aus.
2. Immunität ratione personae
Eine solche Ausnahme kennt die Immunität ratione personae mangels völkerrechtlicher Praxis oder ausreichendem Rückhalt im Schrifttum nicht; sie gilt absolut24, wie auch der IGH im Arrest Warrant-Fall noch explizit festgestellt hat25 - hier zwar in Bezug auf die Immunität von Außenministern, welche jedoch der Immunität ratione personae von Staatsoberhäuptern gleichgestellt ist26
a) Völkergewohnheitsrechtliche Ausnahme für Verfahren vor internationalen Gerichten
Insbesondere gestützt auf das obiter dictum27 des IGH in Arrest War- rant28 wird von einigen Autoren vertreten, dass Immunität ratione personae bei Verfahren vor bestimmten internationalen Gerichten -sofern diese Gerichtsbarkeit haben- eine völkergewohnheitsrechtliche Ausnahme erfährt.29 Der IGH stellte fest, dass „an incumbent (...) Minister for Foreign Affairs may be subject to criminal proceedings before certain international criminal courts, where they have jurisdiction. Examples include (...) the (...) International Criminal Court (...). The latter's Statute expressly provides, in Article 27, paragraph 2, that "[ijmmunities (...) shall not bar the Court from exercising its jurisdiction (...)".30 Begründet wird die Ausnahme damit, dass der Schutzzweck der Immunität ratione personae vor einem internationalen Gericht, welches die Staatengemeinschaft repräsentiert, nicht einschlägig sei: Vor nationalen Gerichten sei die Gefahr eines Machtmissbrauchs zu politischen Zwecken viel höher; diese Gefahr sei durch verschiedene Sicherheitsmechanismen und die Kontrolle durch die Staatengemeinschaft bei internationalen Gerichten vernachlässigbar gering.31 Die Annahme einer solchen Regel würde jedoch gleichzeitig bedeuten, dass Staaten gemeinsam tun können, was sie alleine nicht können - ein Widerspruch zum Grundsatz nemo dat quod non habet,32 Darüber hinaus wird den Befürwortern vorgeworfen, beim Verweis auf die bisher erfolgte Staatenpraxis zu verkennen, dass insbesondere die Anklage von Slobodan Milosevic durch den ICTY im Gegensatz zum ICC die ausdrückliche Autorität des UNSC hinter sich hatte.33 Es wird daher teilweise angenommen, dass vor vertaglieli gegründeten Gerichten nur die Immunität von Amtsträgem von Vertragsstaaten entfällt.34
Auch die Erwähnung von Art. 27 II durch den IGH spricht, da diese Vorschrift nur Vertragsstaaten bindet, dafür, dass sich die vom IGH postulierte strafrechtliche Verfolgbarkeit nur auf Mitglieder des Statuts beziehen sollte. Dieser Sichtweise wird jedoch richtigerweise widersprochen35, zunächst einmal, weil eine solche Qualifikation sich nicht aus dem Wortlaut des Urteils ergibt. Bzgl. des nemo dat quod non ha- èet-Arguments wird auf die wichtige Unterscheidung zwischen einer gemeinsam ausgeübten Gerichtsbarkeit verschiedener Staaten und der Ausübung des jus puniendi durch ein Organ der internationalen Gemeinschaft hingewiesen. Der ICC ist wegen seines universal verhandelten Statuts36, seiner Besetzung mit Richtern aus allen Teilen der Welt37, seiner Anbindung an die UN38, sowie durch seinen hohen Grad an Autonomie und Unabhängigkeit von seinen Mitgliedstaaten39 als ein Organ der internationalen Gemeinschaft zu sehen, dem die Ausübung des jus puniendi anvertraut wurde.40
Es existiert darüber hinaus ausreichend harte Staatspraxis, um das Bestehen einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel zu bejahen: Die Lehre von modern custom lässt dazu bei Vorliegen einer breiten theoretischen Grundlage bereits eine vergleichsweise geringe Staatspraxis ausreichen.41 Charles Taylor wurden vor dem SCSL, einem Gericht, das nicht durch eine UNSC-Resolution errichtet wurde, aus dieser Theorie jede Immunität abgesprochen.42 Die Akzeptanz dieser Entscheidung kann mangels Protestes der internationalen Gemeinschaft kaum in Frage gestellt werden.43 Es ist jedoch anzumerken, dass diese unter modern custom entstandene Ausnahme von der Immunität ratio- ne personae für Verfahren vor dem ICC nicht sonderlich gefestigt ist und der Gefahr von Abänderungen durch gegenteilige Staatspraxis ausgesetzt ist.44 Die Immunität ratione personae Al-Bashirs erfährt trotzdem eine Ausnahme vor dem ICC, welcher gern. Art. 13 b) i.v.m UNSC Resolution 159345 (R.1593) Gerichtsbarkeit über Al-Bashir hat.
b) Anwendbarkeit des Römischen Status auf den Sudan
Die Immunität Al-Bashirs könnte auch aus dem Statut entfallen.
aa) Direkte Anwendung
Eine Aufhebung der Immunität Al-Bashirs durch direkte Anwendung von Art. 27 II kommt wegen des Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter (Art. 34 WVRK) nicht in Betracht; die Republik Sudan hat das Statut zwar unterzeichnet, es jedoch nie ratifiziert. Eine vertragliche Bindung des Sudan an das Römische Statut scheidet daher aus.46
bb) Durch UNSC-Resolution 1593
Zum Teil wird aus R.1593 und der in ihr enthaltenen Unterbreitung der Situation an den ICC gern. Art. 13 b) eine Anwendbarkeit des gesamten Statuts auf den Sudan abgeleitet.47 Die Bindung an das Statut wäre in diesem Fall keine vertragliche, sondern entsprünge gänzlich den Kapitel-VII-Kompetenzen des UNSC.48 Sollte der Sudan durch R.1593 wie ein Vertragsstaat behandelt werden, würde gern. Art. 27 II jede Immunität Al-Bashirs ggü. dem ICC entfallen.49 Die Möglichkeit dafür ergibt sich aus Art. 25 UN-Ch, da der Sudan hier zugestimmt hat, alle Entscheidungen des UNSC auszutragen. Es kann daher von einem vorverlagertem Einverständnis des Sudan in die Aufhebung von Immunitäten gesprochen werden. Die Einrede der Souveränität steht dem Sudan im übrigen wegen Art. 2 Nr. 7 UN-Ch nicht zu, da der UNSC R.1593 unter Gebrauch seiner Kapitel-VII-Kompetenzen beschlossen hat.50
(1) Anwendbarkeit wegen Unterbreitung der Situation gern. Art 13 b)
Entgegnet wird dieser Theorie, dass gern. Art. 13 b) der einzige Effekt einer UNSC-Unterbreitung das Auslösen von Gerichtsbarkeit sei, nicht jedoch das Verwandeln eines Nichtvertragsstaates in einen Vertragsstaat.51 Dies habe die PTC-I auch implizit anerkannt52, als sie feststellte, dass der aktuelle Status Al-Bashirs als Staatsoberhaupt eines Nichtvertragsstaates den ICC nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit hindere.53 Der von Gaeta zitierte Satz aus der Entscheidung der PTC-I stellt, richtigerweise zusammen gelesen mit Absatz 44 der Entscheidung, jedoch lediglich klar, dass die Regeln des Statuts trotz der aktuellen Position des Sudan als Nichtvertragsstaat kraft der UN- SC-Unterbreitung Anwendung finden.54
Der UNSC hat in R.1593 zwar die Anwendung des gesamten Statuts auf den Sudan nicht explizit angeordnet, jedoch muss der UNSC, wie die PTC-I richtig feststellt, dabei akzeptiert haben, dass „any prosecution arising therefrom (aus der Unterbreitung) will take place in accordance with the statutory framework provided for in the Statute“55: Da der UNSC in der Resolution selbst keine eigenen Verfahrensregeln zur Verfügung stellt, muss der ICC hier nach dem Statut verfahren.56 Darüber hinaus wäre es dem ICC gem. Art. 1 S. 3 überhaupt nicht möglich, unter anderen Regeln als dem Statut tätig zu werden, selbst wenn der UNSC dies anordnen würde - der Verpflichtungsvorrang aus Art. 103 UN-Ch findet auf den ICC als Nichtmitglied der UN keine Anwendung.57 Jede Entscheidung des UNSC, dem ICC eine Situation zu unterbreiten, beinhaltet daher eine Entscheidung, das Statut auf diese Situation Anwendung finden zu lassen.58 Blommestijn leitet aus diesem Argument die zwanghafte Anwendung des Statuts ab, sobald der ICC Gerichtsbarkeit über einen Fall hat59 und merkt an, dass der ICC außer unter Art. 13 b) auch unter Art. 12 II a) 1. Variante Gerichtsbarkeit über das Staatsoberhaupt eines Nichtvertragsstaates erlangen könnte.60 Problematisch daran ist, dass die Gerichtsbarkeit über diesen Amtsträger dann vollständig ohne den Konsens des Entsendestaates ausgeübt würde; das in der ersten Situation herangezogene vorverlagerte Einverständnis liegt hier nicht vor. Dieses Ergebnis sei mit Art. 34 WVRK unvereinbar, was die Theorie von der obligatorischen Anwendung des Statuts bei Vorliegen von Gerichtsbarkeit zweifelhaft mache.61 Bantekas entgegnet diesem Argument mit dem Einwand, dass das Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter in gewissen, stark von ius cogens und erga omnes Pflichten geprägten Bereichen des Völkerrechts eine lediglich untergeordnete Rolle einnehme.62 Daher könnten gewisse globale, in hohem Maße transnationale Regelwerke wie das des ICC auch Regelungen mit Wirkung für Nichtvertragsstaaten beschließen.63 Diese Arbeit schlägt einen alternativen Lösungsansatz vor: Die Argumentation der obligatorischen Anwendung des Statuts bei Vorliegen von Gerichtsbarkeit ist unter Art. 1 zwingend. Jedoch ist die Anwendung des Statuts nur insofern wirksam, wie sie völkerrechtlich gerechtfertigt werden kann. Eine Rechtfertigung der Anwendung liegt für den Fall einer UNSC-Unterbreitung im Konsens zur UN-Ch, da mit der Zustimmung zu Art. 25 UN-Ch der Möglichkeit zugestimmt wurde, fremden rechtlichen Regelwerken ausgesetzt zu werden64. Im Fall einer Strafverfolgung eines Staatsoberhauptes eines Nichtvertragsstaates unter Art. 12 II a) 1. Variante fehlt eine solche Rechtfertigung in Form des von Art. 34 WVRK verlangten Konsens, weshalb Art. 1 für diese spezielle Konstellation (d.h. i.v.m. Art. 12 II a) 1. Variante) ultra vires ist. Im Falle einer Unterbreitung einer Situation durch den UNSC unter Art. 13 b) findet daher das Statut auch auf
[...]
1 ICC, PTC-I, Arrest Warrant for Al-Bashir, 04.03.2009
2 ICC, PTC-I, Second Arrest Warrent for Al-Bashir, 12.07.2010,
3 Statt vieler Kreß, in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff. (Fn. 4)
4 Mezyaev, IDC Europe (2009).
5 Gaeta, JICJ 7 (2009), S. 315.
6 Ssenyonjo, NUL 78 (2009), S. 397.
7 Kreß in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff. (251, 254).
8 Kreicker, HuV-21 (2008), S. 157 ff. (158); Satzger, Internationales Strafrecht, § 15 Rn. 45.
9 Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 101; Cryer, Introduction, S. 536; Kreicker, HuV-21 (2008), S. 157 ff. (158); Ssenyonjo, ICLQ 59 (2010), S. 205 ff. (209).
10 Auch funktionelle bzw. persönliche Immunität.
11 Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 101; Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (278); Safferling, Internationales Strafrecht, § 5 Rn. 60 f; Satzger, Internationales Strafrecht, § 15 Rn. 45; Werfe, Völkerstrafrecht, Rn. 697.
12 Kreicker, HuV-21 (2008), S. 157 ff. (158); Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (278).
13 Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 101; Werte, Völkerstrafrecht, Rn. 697.
14 Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (278); Werte, Völkerstrafrecht, Rn. 698.
15 Burghardt, ZIS 4/2009, S. 126 ff. (Fn. 26) mit weiteren Nachweisen.
16 Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 101; Burghardt, ZIS 4/2009, S. 126 fif. (128); Kreicker, HuV-21 (2008), S. 157 fif. (158); Werte, Völkerstrafrecht, Rn. 698.
17 Sherif, JCSL 14 (2009), S. 71 ff. (74).
18 Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 106.
19 Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 101; Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (278); Werte, Völkerstrafrecht, Rn. 698, 706 f.
20 Akande, AJIL 98 (2004), S. 407 ff. (413 f.y, Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 104; Blommestijn, ZIS 6/2010, S. 428 ff. (430 f); Cassese, International Criminal Law, S. 240 ff.; Cryer, Introduction, S. 542 ff.; Freeland, VUWLR 41 (2010), S. 179 ff. (191 í); Kreicker, HuV-21 (2008), S. 157 ff. (158 f), weitere Nachweise dort inFn. 8, 9; Kreicker, ZIS 7/2009, S. 350 ff. (352 f); Kreß/Kreicker, Rechtshilfeverkehr, Teil III E Rn. 14; Kreß, NStZ (2000), S. 617 ff. (621); Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (278 í); TriSterer/Kreß/Prost, Art. 98 Rn. 15; Zappala, EJIL 12 (2001), s. 595 ff. (600 ff.).
21 Cryer, Introduction, S. 542 ff.; Kreicker, HuV-21 (2008), S. 157 ff. (159).
22 Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (279).
23 Art. 5 ff. des Statuts.
24 Akande, AJIL 98 (2004), S. 407 ff. (411); Kreicker, HuV-21 (2008), S. 157 ff. (160); Kreicker, ZIS 7/2009, S. 350 ff. (355); Triffterer/Kreß/Prost, Art. 98 Rn. 20.
25 IGH, Arrest Warrant Urteil, Rn. 58.
26 Weiß, JZ 57 (2002), S. 696 ff. (698).
27 Vgl. supra, Fn. 24, Rn. 61.
28 Vgl. supra, Fn. 24.
29 Ambos, Internationales Strafrecht, § 7 Rn. 104; Bantekas, JCSL 10 (2005), S. 21 ff. (41); Cassese, International Criminal Law, S. 320 ff.; Freeland, VUWLR 41 (2010), S. 179 ff. (192 f).; i.E. auch Gaeta, JICJ 7 (2009), S. 315 ff. (322); Kreicker, HuV-I 21 (2008), S. 157 ff. (162); Kreicker, ZIS /2009, S. 350 ff. (355 f); KrQÜ/Kreicker, Rechtshilfeverkehr, Teil III E Rn. 32f; Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (280 f); Ssenyonjo, NJIL 78 (2009), S. 397 IT. (407).
30 Vgl. supra, Fn. 24, Rn. 61.
31 Cassese, International Criminal Law, S. 321; Gaeta, JICJ 7 (2009), S. 315 ff. (321); Kreicker, HuV-121 (2008), S. 157 ff. (162); Kreicker, ZIS /2009, S. 350 ff. (355 f).
32 Åkande, Oxford 2008, S. 2;. llebeek, Immunity of States, S. 276 f; Cryer, Introduction, S. 551; Sherif, JCSL 14 (2009), S. 71 ff. (78 f).
33 Sherif, JCSL 14 (2009), S. 71 ff. (78 f).
34 Akande, Oxford 2008, S. 2; Albanese/Mouwen;Alebeek, Immunity of States, S. 279.
35 Kreß, in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff. (244 ff); TriSterer/Kreß/Prost, Art. 98 Rn. 19 ff.
36 Kreß, in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff (247).
37 Kreicker, HuV-I 21 (2008), S. 157 ff. (162).
38 Kreicker, HuV-I 21 (2008), S. 157 ff. (162); Kreß, in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff. (247) - namentlich die Unterbreitung von zwei Situationen an den ICC durch den UNSC und das Relationship Agreement.
39 Gaeta, JICJ 7 (2009), S. 315 ff. (322).
40 TrifftererIKreß/Prost, Art. 98 Rn. 22.
41 Kreß in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff. (Fn. 68) mit weiteren Nachweisen zu modern custom.
42 SCSL, Decision on Immunity of Charles Taylor, 31.05.2004, Rn. 27 if.; TriШскРKreß Prost. Art. 98 Rn. 21.
43 Kreß in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff. (253 f ).
44 Kreß in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff. (251, 254).
45 Vgl. UNSC-Resolution 1593 vom 31.03.2005, abrufbar unter http://www.un.org/News/Press/docs/2005/sc8351.doc.htm (abgerufen am 12.12.2013).
46 So auch richtigerweise Kreicker, HuV-I 21 (2008), S. 157 ff. (161); Kreicker, ZIS 7/2009, S. 350 ff. (352).
47 So Akande, JICL 7 (2009), S. 333 ff. (340 ff.); Kreß, in: Bergsmo/Yan, S. 223 ff. (240 ff.); Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (285); Ssenyonjo, NJIL 78 (2009), S. 397 ff. (405); Uerpmann-Wittzack, AVR 44 (2006), S. 33 ff. (42); Werle, Völkerstrafrecht, Rn. 714; a.A. Cassese, International Criminal Law, S. 324.
48 Akande, JICJ 7 (2009), S. 333 ff. (340, 342); Cryer, Introduction, S. 556; Sherif, JCSL 14 (2009), S. 71 ff. (80).
49 Senn, Immunitäten, S. 150.
50 So auch Pichon, ICC und UNSC, S. 250.
51 Gaeta, JICJ 7 (2009), S. 315 ff. (324); Tladi, JICJ 11 (2013), S. 199 ff. (211).
52 Gaeta, JICJ 7 (2009), S 315 ff (324).
53 ICC, PTC-I, Decision on Arrest Warrant for Al-Bashir, Rn. 41.
54 Dies eigibt sich auch systematisch aus der Stellung von Rn. 41 vor Rn. 44.
55 Supra, Fn. 55, Rn. 44.
56 Åkande, JICJ 7 (2009), S. 333 ff. (340); Åkande, JICJ 10 (2012), S. 299 ff. (309); Pichón, ICC und UNSC, S. 249.
57 So mćh Akande, лег 7 (2009), S. 333 ff. (341); Akande, JICJ 10(2012), S. 299 ff. (310); Blommestijn, ZIS 6/2010, S. 428 ff. (436); Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (285).
58 Akande, JICJ 7 (2009), S. 333 ff. (341); Papillon, ICLR 10 (2010), S. 275 ff. (285).
59 Blomme Stijn, ZIS 6/2010, S. 428 ff. (436).
60 Blommestijn,z\s 6/2010, S. 428 ff (437)
61 Blommestijn,ZIS 6/2010, S. 428 ff (437)
62 Bantekas, JCSL 10 (2005), S. 21 ff. (37) führt beispielsweise die Genfer Konventionen an.
63 Bantekas, JCSL 10 (2005), S 21 ff (38).
64 Cryer, Introduction, S. 557.