Diese Arbeit befasst sich mit Geschichte, Zielen und Problematik der staatlichen und der privaten Altersvorsorge.
Sie soll sich anhand des Policy-Zyklus dabei besonders mit den Veränderungen des Rentensystems zu Beginn des neuen Jahrtausends beschäftigen, die im Vergleich zu vorherigen Veränderungen des Systems schon heute eine historische Bedeutung haben.
Die private Rentenversicherung war bereits von Anfang an fester Bestandteil der deutschen Rentendiskussion. Ziel dieser Rente war es ursprünglich, die Altersarmut aktiv zu bekämpfen, sowie die Kommunen zu entlasten.
Staatliche Alterssicherungssysteme unterliegen definierten sozialpolitischen Zielen. Sie sollen es der Bevölkerung ermöglichen, den Wegfall ihrer Kerntätigkeit mithilfe staatlicher Zahlungen auszugleichen. Das staatliche Umlagesystem basiert auf dem Kerngedanken der Transferierung. Die arbeitende Generation soll mit ihren Einzahlungen in die Rentenkasse die Bezüge der Generation im Ruhestand zahlen. Dieser Rückfluss gestaltet sich in der Praxis deutlich komplexer als theoretisch angenommen, da sich die Wirtschaftsstruktur sowie die Arbeitsfelder laufend verändern und nicht jede Berufsgruppe von einer stark ausgeprägten Kaufkraft der Rentenbezieher profitiert.
Betrachtet man die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen die für die Rentenpolitik relevant sind, kristallisiert sich ein eindeutiger Trend heraus. Durch das generelle Abrücken von traditionellen Beschäftigungen hin zu dynamischen Arbeitsverhältnissen wie beispielweise Leiharbeit, verändert sich auch die Summe der Beitragszahler. Menschen aus derartigen Arbeitsverhältnissen sind immer seltener dazu verpflichtet, in die Rentenversicherung einzuzahlen. Zusammen mit dem demografischen Wandel verursachen dynamische Beschäftigungsmodelle einen immer größer werdenden Liquiditätsnotstand bei den gesetzlichen Rentenversicherern. Gleichzeitig wächst damit die Rolle der privaten Rentenversicherung mit jedem neu eingegangenen dynamischen Arbeitsverhältnis.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Der Policy-Zyklus
Die Geschichte der (privaten) Rentenversicherung in Deutschland
Ziele des staatlichen Alterssicherungssystems
KurzfristmaRnahmen und Strukturreformen
Gesellschaftliche Situation zum Zeitpunkt der Riesterrenten Einfuhrung
Problematiken des staatlichen Rentensystems
Das Strukturproblem
Das Finanzierungsproblem
Der Vorteil des Umlageverfahrens gegenuber anderen
Die Einfuhrung der staatlich geforderten Altersvorsorge
Das Verhaltnis von staatlicher und privater Vorsorge
Welche Rolle ergibt sich daraus fur die Riesterrente?
Die Neuausrichtung des Rentenziels
Folgen der Riesterrente
Mehr-Sauligkeit des Rentensystems
Fazit und Zukunftsperspektive
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Die private Altersvorsorge muss Pflicht werden"
(Walther Riester 2016)
Mit diesem Zitat stand der Erfinder und Namensgeber Walther Riester Anfang 2016 in den Medien und erweckte damit die Diskussion uber die private Vorsorge erneut zum Leben. Der SPD Politiker bezeichnet seine Erfindung als Erfolgstory, da bis zum Jahre 2016 insgesamt 16 Millionen Menschen eine private Altersvorsorge abgeschlossen hatten. Woher kommt dann die Forderung nach einer verpflichtenden privaten Vorsorge? Eine verpflichtende private Altersvorsorge ware eine weitere Veranderung innerhalb der deutschen Rentenpolitik. Generell befinden sich diese seit ihrem Bestehen in einem anhaltenden Wandel, mit welchem sie auf gesellschaftliche Veranderungen eingeht um eine konstante Leistung zu sichern.
Diese Hausarbeit soll sich anhand des Policy-Zyklus mit den Veranderungen des Rentensystems zu Beginn des 21. Jahrhunderts beschaftigen, die im Vergleich zu vorherigen Veranderungen des Systems schon heute eine historische Bedeutung haben.
Der Policy-Zyklus
Der Policy-Zyklus dient der wissenschaftlichen Analyse von spezifischen Politikfeldern. Vor allem das Zustandekommen und die Wirkungen gewisser Politik wird mit diesem Instrument untersucht. Der Zyklus lasst sich in sechs unterschiedliche Phasen einteilen, in denen diverse Akteure sowie verschiedene strukturelle Rahmen gegeben sind. Jedoch ereignen sich diese Phasen immer nach demselben Schema.
An erster Stelle steht im Policy-Zyklus die Problemwahrnehmung. Inhalt dieser Phase ist die Identifizierung und Definierung von Missstanden oder Problemen, welche auf die politische Agenda gesetzt werden sollen. Allerdings ist nicht jedes Problem objektiv vorhanden, sondern haufig von dem publizierenden Akteur abhangig. Daher mussen sie im Vorfeld moglichst objektiv untersucht werden, um den machtpolitischen Missbrauch von Problemen moglichst gering zu halten. Die Akteure in dieser Phase stammen zu einem groRen Anteil aus Politik und Verwaltung, welches eine objektive Problemwahrnehmung in der Realitat erschwert. Denn neben der allgemeinen Problemwahrnehmung uben die Akteure auch Einfluss darauf aus, in welcher Art und Weise ein Problem wahrgenommen wird.
Die zweite Phase des Zyklus ist das Agenda Setting. Dieser Begriff beschreibt die Ubersetzung eines abstrakten Problems in die politischen Strukturen. Im Rahmen dieses
Zuordnungsprozesses werden die Missstande den verschiedenen Politikfeldern zugeordnet, um eine Bearbeitung zu ermoglichen.
Die darauffolgende Phase schlieRt sich an das Agenda Setting an. Die Politikformulierung beinhaltet die konkrete Durchsetzung der zuvor ubersetzten MaRnahmen. Akteure spielen in diesem Fall eine besondere Rolle, da ein demokratischer Gesetzgebungsweg mit einer Vielzahl von Steinen versehen ist. Steine, beziehungsweise Veto- Spieler sind Akteure innerhalb dieses Prozesses, welche die Macht besitzen, das Inkrafttreten eines Gesetzes zu verhindern. Zu diesen Akteuren gehoren unter anderem: Regierungsparteien, zweite Parlamentskammern, Prasidenten und die stimmberichtigten Burgerinnen und Burger eines Landes. Regierungen haben einen starken Einfluss auf die Durchsetzungschancen von spezifischen Policies. Ob eine Partei einer Reform zustimmt, hangt in erster Linie von der machtpolitischen Situation, sowie der gesellschaftlichen Relevanz des Problems ab. Ist eine Reform in einem gewissen Bereich von einer Mehrheit der Wahler gewunscht und passt in das politische Profil der Regierungspartei, sind die Chancen fur eine erfolgreiche Durchsetzung hoch. Denn die Regierung ist bestrebt, ihre Wiederwahl durch die Leistung eines positiven Einflusses auf den Wahler zu sichern. Muss sie jedoch gegen den Wahlerwillen durchgesetzt werden, besteht nur eine geringe Chance auf eine Durchsetzung, da durch einen verargerten Wahler auch die Wiederwahl gefahrdet wird. Die Dritte Moglichkeit ist eine generelle gesellschaftliche Irrelevanz der Reform, welche der Grund fur eine fehlende BeschlieRung sein kann.
Wird ein Gesetz von allen Veto-Spielern akzeptiert, gelangt es in die Implementationsphase. Diese Phase konzentriert sich auf die Umsetzung eines beschlossenen Gesetzes durch die dafur zustandigen Ministerien, Verwaltungsbehorden und Gerichte. Auch dieser Abschnitt des Policy-Zyklus bezieht mehrere Akteure mit ein, denn die beschlossenen Gesetzesvorgaben uberlassen dem Verwaltungsapparat haufig einen groRen Interpretationsspielraum, welcher zu einer fehlgeleiteten Umsetzung eines Beschlusses fuhren kann. Kleinste Systemfehler innerhalb der durchsetzenden Akteure konnen fur das Scheitern eines gesamten Policy-Zyklus verantwortlich sein.
Wurde ein Gesetz implementiert, folgt darauf die Evaluation der Wirkung. Diese schlagt sich oft in wissenschaftlichen Studien nieder, kann aber auch in der Presse zum Ausdruck gebracht werden. Die Befragungen schlieRen im Idealfall unterschiedliche
Bevolkerungsgruppen und Akteure ein, um ein klares und moglichst objektives Bild von der Lage zu erhalten.
Ein Produkt dieser angelegten Evaluationen ist eine gesellschaftliche Ruckmeldung auf die von der Politik beschlossene Reform. Diese Ruckmeldungen entscheiden uber den weiteren Verlauf der Policy-Zyklus, welcher an dieser Stelle zwei unterschiedliche Wege einschlagen kann. Einer dieser beiden Wege ist die Wiederaufnahme des Kreislaufes mit einer neuen Problemdefinition, die sich aus den Ruckmeldungen der Evaluation ergibt.
Die zweite Moglichkeit ist die Terminierung beziehungsweise die Abschaffung einer Policy bei einem flachendeckenden Misserfolg der umgesetzten Reform. Terminierung meint dabei nicht ein vollstandiges Aussetzen einer Reform, sondern kann sich auch durch einen teilweisen Abbau auRern (vgl. Wenzelburger 2015:19)
Die Geschichte der (privaten) Rentenversicherung in Deutschland
Die private Rentenversicherung war bereits von Anfang an ein fester Bestandteil der deutschen Rentendiskussion. Die erste staatliche Rente wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter Bismarck eingefuhrt. Dieses System wurde hauptsachlich von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen und orientierte sich an dem Einkommen des Einzelnen. Ziel dieser ersten Rente war es, die Altersarmut aktiv zu bekampfen, sowie die Kommunen zu entlasten. Leider blieben die ausgezahlten Leistungen dieser Rente jedoch unter dem Armutsniveau.
Die nachste bedeutende Rentenreform ereignete sich 1957 in Westdeutschland durch die Einfuhrung von dynamischen Elementen in das staatliche Umlagesystem. Im Rahmen dieser dynamischen Elemente stand unter anderem die Kopplung der Renten an das Einkommenswachstum. Das ursprungliche Ziel aus der Bismarck-Zeit, die Altersarmut lediglich zu vermeiden wurde um die Vision erganzt, die ausgezahlten Renten als individuellen Einkommensersatz zu konzipieren (vgl. Ginn 2007:7). Dieses Konzept funktionierte durch die Anpassung der Renten an das allgemeine Einkommenswachstum, durch welche die Rentner Teilhaber am damaligen Wirtschaftswachstum wurden.
In den 70er Jahren wurde das Rentensystem weiter ausgebaut. Fur Manner entstand flachendeckend die Moglichkeit, anstelle der ublichen 65 Jahre, bereits mit 63 Jahren in das Alterssicherungssystem einzutreten. Fur Frauen bestand schon seit 1957 die Moglichkeit, mit 60 Jahren die Rente anzutreten.
Diese GroRzugige Rentenpolitik, wurde gegen Ende der 80er Jahre infrage gestellt. Gesteigerte Lebenserwartungen, sowie der Olpreisschock von 1973 waren der Grundstein fur eine weitere Rentenform im Jahr 1992. Die Reform von 1992 diente dazu, die steigenden Rentenausgaben an die aktuellen okonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Dies wurde unter anderem durch eine Neuberechnung der Bezuge vollzogen. Ab sofort folgte die Rentenentwicklung der Netto- statt wie bisher der Bruttolohne. Ziel der Rentenreform von 1992 war die Stabilisierung des Nettorentenniveaus (vgl. Ginn 2007:7).
Die neue Rot/Grune Regierung unter Kanzler Schroder sah 1998 die Zukunftsfahigkeit der umlagenfinanzierten Rentenversicherung in Gefahr und bereitete fortan die Offnung des staatlichen Systems fur eine flachendeckende private Rentenversicherung vor.
Ziele des staatlichen Alterssicherungssystems
Staatliche Alterssicherungssysteme unterliegen definierten sozialpolitischen Zielen. Sie sollen es der Bevolkerung ermoglichen, den Wegfall ihrer Kerntatigkeit mithilfe von staatliche Zahlungen auszugleichen. Diese Zahlungen werden von der berufstatigen Generation einer Nation erwirtschaftet und durch ein sogenanntes Umlagesystem der Ruhestandsgeneration zuganglich gemacht. Sinn dieser staatlich kontrollierten Vermogensverschiebung ist in erster Linie die Vermeidung von Altersarmut, von der 2013 knapp 3,0 % aller uber 65-jahrigen in Deutschland betroffen und 14,3 % davon bedroht waren (Bertelsmann Stiftung 2015:2). Diesbezuglich soll durch die staatliche Umlage die Teilhabe der alten Generation am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
KurzfristmaRnahmen und Strukturreformen
Rentenpolitische MaRnahmen lassen sich in KurzfristmaRnahmen und Strukturreformen unterteilen. Seit Mitte der 1990er Jahre gab es in Deutschland fast jahrlich eine KurzfristmaRnahme oder eine Strukturreform. Was in der breiten Offentlichkeit den Anschein erweckte, die Rentenpolitik sei eine Dauerbaustelle des Gesetzgebers, war im Hintergrund von bedeutender sozialpolitischer Relevanz, um das starre deutsche Umlagesystem schrittweise zu reformieren und zukunftsfahig zu machen. (vgl. Berner 2009:135).
Gesellschaftliche Situation zum Zeitpunkt der Riesterrenten Einfuhrung
Die amtierende Regierung stand vor dem unbeeinflussbaren Problem des demografischen Wandels, welcher unter anderem auch Einfluss auf die Rentenpolitik ausubte.
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