Es wird im Folgenden der Frage nachgegangen, was es bedeutet eine Autorität als Vorbild zu haben. Schließlich sollte man, wenn man eine Autorität als Vorbild hat, wissen, was es bedeutet eine Autorität als Vorbild zu haben.
Auch wenn Autorität in unserem Alltag eine nicht unmittelbar offensichtliche Rolle spielt, ist sie in unserer Gesellschaft fest verankert. So sind der Staatsapparat, Unternehmen oder Bereiche der Künste Plätze, an denen autoritative Strukturen vorherrschen. Diese Strukturen bauen auf einer hierarchischen Ordnung auf, bei dem Statusgefälle zwischen einzelnen Personen oder Personengruppen die Beziehung kennzeichnen. Es gibt in diesen Strukturen Personen, die in der Rangordnung eine höhere Position aufweisen und mindestens eine Person, die sich zwangsläufig darunter bewegt. Zeichnet sich die Ranghöhere durch einen Erfahrungs- oder Wissensvorsprung aus, der von den Rangniederen anerkannt wird, ist die Grundlage für eine Autoritätsbeziehung gegeben. Wenn die Autoritätsgebenden sich in einem gewissen Grad mit der Autorität identifizieren und die Anerkennung gesteigerte Gefühlsdynamiken verursacht, ist der Nährboden geschaffen, die Autorität als Vorbild wahrzunehmen.
Da sich die Konnotation von dem Begriff Autorität im Laufe der Geschichte stark verändert hat, ergeben sich aus einem Autorität-Vorbild-Verhältnis einige Unklarheiten, die im Nachahmungsprozess einige Widrigkeiten beinhalten können. Autorität entwickelte sich von einer durch Überzeugung und Durchsetzung geprägten Bedeutung hin zu einer positiv behafteten Form, die das Führen eher im Sinne von Anleiten versteht und frei von negativ behafteten Begleiterscheinungen ist, die man der traditionellen Form von Autorität zuschreibt. Diese etwas verwaschene Doppeldeutigkeit zwischen einer alten Bedeutung und der modernen Entwicklung macht die Grenze auch im Alltagsleben schwer differenzierbar.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung:
2. Autorität
2.1 Wandel
2.2 Traditionelle und postmoderne Autorität
3. Vorbild
4. Zusammenhänge Autorität & Vorbild
5. Autorität als Vorbild
6. Gefahren von Autorität als Vorbild
7. Fazit
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung:
Auch wenn Autorität in unserem Alltag eine nicht unmittelbar offensichtliche Rolle spielt, ist sie in unserer Gesellschaft fest verankert. So sind der Staatsapparat, Unternehmen oder Bereiche der Künste Plätze, an denen autoritative Strukturen vorherrschen. Diese Strukturen bauen auf einer hierarchischen Ordnung auf, bei dem Statusgefälle zwischen einzelnen Personen oder Personengruppen die Beziehung kennzeichnen. Es gibt in diesen Strukturen Personen, die in der Rangordnung eine höhere Position aufweisen und mindestens eine Person, die sich zwangsläufig darunter bewegt. Zeichnet sich die Ranghöhere durch einen Erfahrungs- oder Wissensvorsprung aus, der von den Rangniederen anerkannt wird, ist die Grundlage für eine Autoritätsbeziehung gegeben. Wenn die Autoritätsgebenden sich in einem gewissen Grad mit der Autorität identifizieren und die Anerkennung gesteigerte Gefühlsdynamiken verursacht, ist der Nährboden geschaffen, die Autorität als Vorbild wahrzunehmen. Da sich die Konnotation von dem Begriff Autorität im Laufe der Geschichte stark verändert hat, ergeben sich aus einem Autorität-Vorbild-Verhältnis einige Unklarheiten, die im Nachahmungsprozess einige Widrigkeiten beinhalten können. Autorität entwickelte sich von einer durch Überzeugung und Durchsetzung geprägten Bedeutung hin zu einer positiv behafteten Form, die das Führen eher im Sinne von Anleiten versteht und frei von negativ behafteten Begleiterscheinungen ist, die man der traditionellen Form von Autorität zuschreibt. Diese etwas verwaschene Doppeldeutigkeit zwischen einer alten Bedeutung und der modernen Entwicklung macht die Grenze auch im Alltagsleben schwer differenzierbar. Es wird im Folgenden der Frage nachgegangen, was es bedeutet eine Autorität als Vorbild zu haben. Schließlich sollte man, wenn man eine Autorität als Vorbild hat, wissen, was es bedeutet eine Autorität als Vorbild zu haben.
Der erste Abschnitt veranschaulicht den Bedeutungswandel des Begriffes Autorität. Es wird verdeutlicht, dass sich eine positive, subtilere Form in der Gesellschaft herausgebildet hat. Diese positive Form wird als Bezugspunkt für den weiteren Untersuchungsgegenstand in dieser Arbeit gelten. Da sich diese Arbeit vor allem auf die zwischenmenschliche Interaktion bezieht, wird der gesamte politische Bereich weitestgehend ausgeschlossen. Weiterhin wird der semantische Inhalt von dem Begriff Vorbild herausgearbeitet, um zu untersuchen, ob dieser Nachahmungseffekt zur natürlichen Wesensart der menschlichen Entwicklung gehört. Darauffolgend werden die Unterschiede bzw. Zusammenhänge aufgezeigt und erläutert. Abschließend wird untersucht, welche Gefahren sich hinter diesem Zusammenhang verstecken.
Ohne verhaltenspsychologische Ursachenforschung zu betreiben, werden Missverständnisse auf einer philosophischen Ebene differenziert betrachtet. Es wird untersucht, welche Gefahr durch ein Verfallen in einen negativen, autoritären Stil ausgeht, um den vermeintlichen Status des Vorbilds zu erhalten. Es wird herausgearbeitet, was wirkliche Autorität ausmacht und welche Eigenschaften als vorbildlich angesehen werden sollten.
2. Autorität
2.1 Wandel
Um sich den Bedeutungswandel von Autorität zu vergegenwärtigen, ist ein historischer Abriss unumgänglich. Der begriffliche Ursprung wurzelt in der römischen Antike. Gelehrte und ehemalige Amtsträger konnten ihren Platz im Senat finden, wenn sie ihr Leben in den Dienst des römischen Volkes stellten. Dieser Dienst bezog sich auf die Mehrung der Größe Roms und auf die Verwirklichung von Ethos und Sitte der Alten im eigenen Leben.1 Obwohl weder Befehle, noch Gesetze vom Senat verabschiedet werden konnten, hatten seine Mitglieder einen bedeutenden politischen Einfluss. Ihr Erfahrungs- und Wissensvorsprung begründete ihr gesellschaftliches Ansehen und wurden als «auctoritas» bezeichnet. Hieraus lässt sich eine Bedeutung für den heutigen Begriff ableiten: „Autorität gründete in der Werteüberlegenheit und im seinsmäßigen Gewicht ihres Trägers.“2
Ein zweiter Ansatzpunkt lässt sich im Zeitalter des Absolutismus finden. Ausgehend von einer göttlichen Instanz gab es eine klare hierarchische Ordnung, die bis an die Familie herangetragen wurden. Familie ist in diesem Zusammenhang als Hausgemeinschaft zu verstehen, die oftmals aus mehr als zwei Generationen bestand und auch Verwandte, Sklaven, Mägde, Diener, Knechte und Gesellen miteinbezog. In dieser Gemeinschaft galt der Vater als Familienoberhaupt, dem mit Respekt und Achtung zu begegnen war. Sein Ansehen beruhte auf die Mehrung des Familienstandes und der Wissensweitergabe.3 Als würdig erwies er sich, weil er der Stärkere war und somit hatte er einen moralischen Anspruch auf Unterordnung.4 Der Hausherr wurde zu einer Autoritätsgestalt für seine Familie.
Durch den Bruch mit dem feudalistischen System und dem Beginn der Industrialisierung haben sich Autoritätsbeziehung immer weiter auf den außerfamiliären Bereich verlagert. Gelten nicht mehr die Eltern oder der Hausvater vornehmlich als Autoritäten, sind nunmehr Lehrer, Coachs, Trainer oder auch Vorgesetzte an ihre Stelle gerückt. Der Rückgang von Gewalt im häuslichen sowie im öffentlichen Bereich lässt andere Formen des Folgens aufleben. Anerkennung und Legitimation beruhen auf einem Wissens- oder Erfahrungsvorsprung und begünstigen ein Ausführen von Anweisungen.
Um den Begriff Autorität eindeutig für die weitere Untersuchung zu verdeutlichen, wird weiter folgend eine Unterscheidung zwischen einer traditionellen, negativen und einer echten, positiven Autorität zusammengefasst.
2.2 Traditionelle und postmoderne Autorität
Autorität beschreibt immer ein Beziehungsgefälle von mindestens zwei Personen und ist abzugrenzen von Gewalt und Zwang. Die traditionelle Form zeichnet sich durch klare Hierarchien aus. Ausgehend von einer übergeordneten, göttlichen Instanz werden über eine Befehlskette (Gott-König-Familienvater)5 Befehle weitergegeben. Innerhalb der Familien gab es lediglich eine männliche Autoritätsform, die dem Vater als Familienoberhaupt innewohnte. Durch transzendente Legitimationsgrundlagen äußerte sich ihre Funktionsweise nicht nur als Rat, sondern vielmehr als Anordnung, die Gehorsam erforderte. Bei Missachtung oder Missbilligung der Autorität konnte es zu Bestrafungen in Form von Demütigung und Beschämung kommen.
Die postmoderne, positive Autorität besteht aus einem Beziehungsverhältnis, das flache und kurzkettige Hierarchien aufweist. Diese Hierarchien sind auf persönliche Eigenschaften (Integrität) oder einem Wissen- oder Erfahrungsvorsprung zurückzuführen. Da sie jederzeit von beiden Beziehungspartnern abgebrochen werden können, sind sie immer freiwillig. Ihre Werteüberlegenheit gilt als Legitimationsgrundlage. Anweisungen von Autoritäten sind als Rat oder Anleitung zu verstehen. Trotzdem kann es Krisen geben, die sich aber niemals in Form von Sanktionen oder Konsequenzen zeigen. Da die Beziehung jederzeit beendet werden kann, gibt es keine Strafen. Auch die Ausschließlichkeit auf eine männliche Präsenz ist nicht mehr gegeben, da es auch weibliche Autoritäten gibt.
Amtsautorität ist hiervon abzugrenzen, da sie durchaus Befehle erteilen kann. Dass macht deutlich, dass diesbezüglich weiterhin eine Mischform von Autoritätsgestalten existiert, die erst bei einer bewussten Auseinandersetzung deutlich unterscheidbar werden.
3. Vorbild
Als Vorbild versteht man im Allgemeinen ein Art Modell für das eigene Lebenskonzept. Etymologisch betrachtet besteht Vorbild aus den Wortstamm Bild und einem temporalen Präfix, dass eine zeitliche Einordnung zwischen einer Imagination und einem tatsächlichen Handlungsausdruck verdeutlicht.6 Dieser Begriff grenzt sich von vorbildlich dadurch ab, dass sich das Vorbild nicht nur auf einzelne Komponenten bezieht, sondern in seiner Gesamtheit betrachtet wird. Ein Vorbild verkörpert ein Konglomerat aus verschiedenen Eigenschaften und Fähigkeiten und findet in einem Nachahmen seinen Ausdruck. Diese Nachahmung muss aber nicht „Original und Kopie“7 bedeuten, sondern beschreibt durch ein großes Maß an Identifikation einen Prozess, der dem Trieb nach Selbstverwirklichung zuzuordnen ist. Es beschreibt mehr ein „Nachstreben“8 als „Nachahmen“9 und macht deutlich, dass es sich auf den Bereich des Wollens und des Handelns bezieht.10 Somit ist ein Vorbildverhältnis immer durch eine gewisse Distanz charakterisiert: Es gibt etwas, dass noch nicht ist, aber sein kann. Durch das Nachstreben wird versucht diese Distanz zu verkleinern bis die Identifikation mit dem Vorbild oder den Eigenschaften in der persönlichen Vorstellung ihr Maximum erreicht. Nur wenn man glaubt, die Fähigkeiten im gleichen Maße entwickeln zu können, kann sich das als Modell für das eigene Lebenskonzept entwickeln.11 Dieser Glaube bezieht sich lediglich auf die Selbstwahrnehmung und, damit einhergehend, die eigene persönliche Einschätzung, ob diese Fähigkeiten im gleichen Maße ausgebaut werden können oder nicht. Mit einer differenzierten Einschätzung gegenüber dem eigenen Stand hat das nichts zu tun. Diese vorbildlichen Fähigkeiten können Humor, sportliche oder musische Fähigkeiten oder auch Eigenschaften wie Souveränität, Durchsetzungsvermögen, auch Gelassenheit sein und werden in der persönlichen Vorstellung idealisiert. Diese Bewertungen sind aber nicht bewusst, sondern haben ihren Ursprung in einem eigenen Bedürfnis, diese Verkörperung in dem Vorbild zu finden. Des Weiteren gehen zwischen der Person, die das Vorbild wählt und dem eigentlichen Vorbild selbst ein ähnliches Wertesystem voraus. Die Normen und Werte sind Teil der Identifikation und können durch das Vorbild verändert werden , da das Vorbild einen gewissen Erfolg bezüglich dieser Eigenschaften oder Fähigkeiten verkörpert und dieser als richtig angesehen wird . Diese Eigenschaften des Vorbilds werden von der Person, die das Vorbild wählt, als bewundernswert aufgefasst. Diese emotionale Regung beinhaltet eine Sehnsucht oder ein unbefriedigtes Bedürfnis, die das Nachstreben anregt. Die Wahl eines Vorbildes ist demnach keine rationale Wahl, sondern findet ihren Ursprung in einem „prälogischen Bewusstsein“.12 Es kann festgestellt werden, dass dem Vorbild eine bestimmte Reaktion und Aufmerksamkeit geschenkt wird, die man in der Nachahmung erhofft auch zu erhalten. Es entsteht eine Art Spannungsverhältnis. Man kann den Menschen als seinwollendes Wesen begreifen, welches versucht, der persönlichen Identifikation gerecht zu werden. Da die Identifikation aber nur durch den Bezug zur Außenwelt stattfinden kann, ist auch die Fremdwahrnehmung für die Identifikation ausschlaggebend. Diese Bereiche können sehr stark voneinander abweichen und weiterführend ein größeres Nachstreben nach einem Vorbild verursachen.
Die beschriebenen Voraussetzungen für ein Vorbild-Verhältnis lassen sich nun klar abgrenzen zum Idol, Modell, oder Ideal. Ein Vorbild ist eine Art Leitbild und in allen Lebensbereichen und Lebenszyklen gegeben. Sind für Kinder meistens die Eltern die ersten Vorbilder, verlagert sich die Vorbildwahl mit dem Heranwachsen immer weiter in den außerfamiliären Bereich von Freunden, Bekannten, Vorgesetzten oder auch Personen aus dem öffentlichen Leben.
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1 Dürr (1970) S. 28
2 Dürr (1970) S. 29
3 Dürr (1970) S. 30 f.
4 Horkheimer (1988) S. 391
5 Landweer & Newmark (2017) S. 506
6 „vorbild“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://dwds.de/wb/dwb/vorbild>, abgerufen am 20.03.2018.
7 Dürr (1970) S. 53
8 Goethe (1980) S. 534 f.
9 ebd.
10 Dürr (1970) S. 54
11 Landweer & Newmark (2017) S. 514
12 Scheler (1927) S. 601 f.