Die Digitalisierung schreitet auch im Gesundheitswesen stetig voran. Diese Seminararbeit soll Möglichkeiten aufzeigen, wie elektronische Expertensysteme die Professionistinnen und Professionisten von Gesundheitsberufen unterstützen können.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Was sind elektronische Expertensysteme?
1.1.1 Entwicklung Expertensysteme
1.1.2 Definition Expertensystem
1.1.3 Anwendungs-Funktionen von XPS
1.1.4 Herausforderungen in der Praxis
1.2 Elga als Voraussetzung für Expertensysteme?
1.2.1 Was ist Elga?
1.2.2 Wie wird Elga finanziert?
1.2.3 Elga und XPS
1.3 Der Behandlungsprozess
1.3.1 Anamnese
1.3.2 Diagnostik
1.3.3 Therapie
2 Elektronische Expertensysteme im Behandlungsprozess
2.1 Digitale Technologien als Unterstützung bei der Anamnese
2.2 Digitale Technologien als Unterstützung in der Diagnostik
2.3 Digitale Technologien als Unterstützung bei der Therapie
3 Prozessdarstellung
3.1 IST Prozess
3.1.1 Informationsfluss im IST-Prozess
3.2 SOLL Prozess
4 Telemedizin – Ein Querschnitt durch Europa
4.1 E-Health in der EU
4.1.1 Schweden
4.1.2 Großbritannien
4.1.3 Deutschland
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Digitalisierung schreitet nicht nur in der Industrie, sondern auch im Gesundheitswesen immer weiter und schneller voran. Längst schon gibt es für den alltäglichen Gebrauch Unterstützungen aus dem digitalen Bereich (Beispiel Staubsaugroboter mit intelligenter Navigation und Schmutzerkennung, Sprachgesteuerte Assistenten wie Amazons Alexa etc.) Computer haben dabei den Vorteil gegenüber dem Menschen, dass sie wesentlich mehr Daten und Informationen in wesentlicher kürzerer Zeit verarbeiten können. In den nun folgenden Kapiteln möchten die Verfasser an das Thema elektronischer Expertensysteme heranführen, und der Fragestellung nachgehen, ob und wieweit diese Expertensysteme künftig wesentliche Entscheidungen in der Behandlung übernehmen und den Arzt hinkünftig unwichtiger machen.
1.1 Was sind elektronische Expertensysteme?
1.1.1 Entwicklung Expertensysteme
Die Anwendung von Expertensystemen ist ein Teilgebiet der Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Geprägt wurde der Begriff „Künstliche Intelligenz“ vom Amerikaner John McCarthy im Jahre 1955. Dieser hatte den Begriff in Programmvorstellung für Software, die Schach und Damen spielten als Überschrift verwendet. Seither wird der Begriff „künstliche Intelligenz“ als Teilbereich der Informatik verstanden, der versucht menschliche Intelligenz auf Computersystemen nachzuahmen. (Harren, Dittrich & Reineke, 2018, S.3)
Definition nach Gabler:
„Erforschung „intelligenten” Problemlösungsverhaltens sowie Erstellung „intelligenter” Computersysteme. Künstliche Intelligenz (KI) beschäftigt sich mit Methoden, die es einem Computer ermöglichen, solche Aufgaben zu lösen, die, wenn sie vom Menschen gelöst werden, Intelligenz erfordern. (Gabler Wirtschaftslexikon, Zugriff 08.12.2018, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/ )
Die Grundannahme künstlicher Intelligenz besteht darin, dass menschliche Intelligenz das Produkt von komplexen Berechnungen ist. Die Informatik versucht folglich auf Basis von verschiedenen Informationen Muster zu erkennen und Handlungen abzuleiten. Es gibt verschiedene Ansätze dieses Ziel zu erreichen. Wissensbasierte Intelligenzsysteme verwenden Informationen, welche in Datenbanken gespeichert sind. Andere Lösungsansätze verwenden stochastische Rechenoperationen. (Harren et al. 2018, S. 3)
1.1.2 Definition Expertensystem
Ein elektronisches Expertensystem (XPS) ist ein Computerprogramm, welches durch Verknüpfung von verschiedenen Informationen die Schlussfolgerungen von qualifizierten Expertinnen und Experten wiedergeben soll. Da die Basis von Expertensystemen Erfahrungswissen ist, werden diese auch wissensbasierte Systeme genannt. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff Expertensystem gleich mit dem Begriff wissensbasiertes System verwendet. (Styczynski, Rudion & Naumann, 2017, S. 12f.)
Definition nach Gabler:
„In der Künstlichen Intelligenz (KI) wird ein Programm oder ein Softwaresystem als Expertensystem bezeichnet, wenn es in der Lage ist, Lösungen für Probleme aus einem begrenzten Fachgebiet (Wissensdomäne) zu liefern, die von der Qualität her denen eines menschlichen Experten vergleichbar sind oder diese sogar übertreffen (Expertenwissen).“ (Gabler Wirtschaftslexikon, Zugriff 08.12.2018, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/ )
Wissensbasierte Systeme zeichnen dadurch aus, dass sie besonders komplexe Aufgabenstellungen bearbeiten können. Weiters erreichen sie durch die Verwendung von Erfahrungen eine besonders hohe Zuverlässigkeit bei der Problemlösung. Wichtig für Expertensysteme ist das „Füttern“ mit einer möglichst hohen Anzahl an Informationen (möglichst hohe Anzahl an Falldaten). Denn nur so können aus ähnlichen Ereignissen auch Muster erkannt werden. Durch diese Eigenschaften eignen sich Expertensysteme für folgende Aufgabenstellungen:
- Sachverhalte verstehen
- Entscheidungsoptionen analysieren und bewerten
- Entscheidungen treffen
- Informationen erwerben und strukturieren
(Styczynski, 2017, S.13)
Genau diese Kombination von Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten machen Expertensysteme so interessant für medizinische Anwendungen. Im Anwendungsbereich der Medizin werden XPS als Verknüpfung von medizinischem Wissen, welche medizinisches Fachpersonal (ÄrztInnen, TherapeutInnen und Pflegepersonal) bei Diagnose, Therapie und Patientenführung unterstützt, verstanden.
1.1.3 Anwendungs-Funktionen von XPS
Elektronische Expertensysteme können eine Vielzahl an Funktionen übernehmen, bzw. dabei unterstützen. Einige davon werden folglich kurz erläutert:
Tabelle 1 Ausgewählte Anwendungsfunktionen von XPS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.1.4 Herausforderungen in der Praxis
Obgleich die Anwendungsgebiete von XPS in der Medizin enormes Potenzial aufweisen, ergeben sich in der Praxis einige Herausforderungen.
1.1.4.1 Software als Medizinprodukt
Eine weitere Herausforderung in der Praxis ist des Bundesgesetzes für Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG). Das MPG, welches auch für Software als Medizinprodukte gilt (u.a. auch Expertensysteme), erhöht die Anforderungen an Medizinprodukte:
Erhöhte Anforderungen an Qualitätsmanagement
Die verpflichtende Zertifizierung durch eine benannte Stelle
Die Bewertung der technischen Dokumentation
Klinische Daten
Marktbeobachtung
(MPG BGBl. Nr. 657/1996)
Diese erhöhten Anforderungen sind zwar grundsätzlich positiv zu beurteilen, da so die Patientensicherheit erhöht wird, andererseits erschwert es auch eine Implementierung eines Expertensystems.
1.1.4.2 ÄrztInnen als Entscheidungsträger
Zusätzlich ist im Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) geregelt, dass, „…die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen …“, nur Ärzten vorbehalten ist. Weiters ist auch die Diagnose, und somit die Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel dem Beruf des Arztes zuzuschreiben. (ÄrzteG.1998 BGBl. I Nr. 169/1998)
Aus diesem Grund ist die Anwendung von elektronischen Expertensystemen derzeit nur in der Entscheidungsunterstützung möglich.
1.1.4.3 Einbeziehung verschiedener Interessensgruppen
Aufgrund der Vielzahl an verschiedenen Organisationen im Gesundheitswesen (Bund, Land, Sozialversicherungsträger, Kliniken, Krankenversicherungen, Privatversicherungen, Pharmaunternehmen, Apotheken, u.v.m.) ist es äußerst schwierig die Interessen der einzelnen Parteien mit zu berücksichtigen. Auch wenn des Patientenwohl für alle im Vordergrund steht.
1.1.4.4 Gemeinsame Rahmenbedingungen
Neben Standardisierung und Strukturierung der Daten ist die Schaffung von gemeinsamen Rahmenbedingungen eine klare Herausforderung. Es gilt vor allem eine Standardisierung von Schnittstellen und Übertragungen zu schaffen. (Elsner, Fischer, Schliemann, & Tittelbach, 2018, S. 108)
1.1.4.5 Datensicherheit & IT-Security
Gesundheitsinformationen (d.h. vor allem Krankeninformationen) gehören zu der besonderen Kategorie personenbezogener Daten (DSGVO Art.9 Abs.1). Dies bedeutet, dass sie einer besonderen Schutzwürdigkeit unterliegen. Sie dürfen nur bei Bedarf verwendet werden und die Weitergabe der Daten an Dritte ist nur in Ausnahmefälle oder mit Zustimmung der Person erlaubt. Das Thema der Security stellt eine große Herausforderung dar. Im Zuge der 2018 in Deutschland stattgefundenen Hackerkonferenz 35C3, wurde vorgestellt, wie schwierig es ist, die Gratwanderung zwischen hoher Usability und hoher Sicherheit zu schaffen. Aufgrund der möglichen Brisanz dieser Daten, stellen sie ein großes Interesse für kriminell motivierte Gruppierungen dar. Vor allem im Darknet werden persönliche Daten auf verschiedenen Marktplätzen zum Verkauf angeboten, um damit zum Beispiel gefälschte Bankkonten anzulegen. Ein aktueller Fall aus Deutschland, bei welchem Regierungsangehörige, Prominente sowie Journalisten betroffen sind, zeigt, welches Ausmaß ein solches Veröffentlichen von persönlichen Daten haben kann. (https://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/hacker-kaufte-passwort-daten-illegal-im-darknet-59452410,view=conversionToLogin.bild.html) Dieses Sammeln von privaten Daten durch unbefugte wird in der einschlägigen Szene auch Doxing genannt. Diese Überlegungen führen zum nächsten Punkt, der ethischen Herausforderungen.
1.1.4.6 Ethische Herausforderungen
Aus Sicht der Verfasser ist der Punkt der ethischen Herausforderungen ein sehr wichtiger, welcher jedoch aufgrund des begrenzten Seitenausmaßes nur grob angeschnitten werden kann. Expertensysteme benötigen Daten, um Fachexperten in der Arbeit und Entscheidungsfindung unterstützen zu können. Wie diese Daten erhoben, gespeichert und verarbeitet werden, stellt einen Punkt der ethischen Diskussion dar. Einen anderen Punkt stellt die Überlegung dar, wie Systeme Entscheidungen treffen oder Empfehlungen abgeben sollen (Schneider & Weiller, 2018, S. 859). Zusätzlich ist zu hinterfragen welche Informationen überhaupt relevant sind. Die Vermischung von Lifestyle, Prävention, und Gesundheitsförderung lassen Deep Learning immer tiefer in die persönliche Privatsphäre eingreifen. Diese Flut an Informationen kann zwar auch wichtige Risikofaktoren für mögliche Erkrankungen ableiten, jedoch ist die der Eingriff in die persönliche Freiheit des einzelnen Menschen kritisch zu hinterfragen. (Friele, Schmitz-Luhn & Woopen, 2018, S.88-90)
Ein ethischer Diskurs und ein dadurch gewonnener moralischer Leitfaden sollte hier am Beginn jedes Einsatzes von XPS stehen. Regularien müssen hier auch auf gesetzlicher Ebene das Einsatzgebiet für XPS klar abgrenzen. Diese Herausforderung zeigt sich aktuell auch in der Diskussion im Bereich des autonomen Fahrens.
1.1.4.7 Wissensakquisition und -strukturierung
Eine dieser Herausforderungen besteht in der Akquisition von Wissen (also der Verknüpfung von Informationen mit Erfahrungen). Um eine möglichst repräsentable Menge an Expertenwissen anzuhäufen benötigt es Zeit. Vergangenes Wissen in digitale Form zu bringen ist derzeit nur schwer möglich bzw. sehr aufwendig. Selbst wenn die Informationen in digitaler Form vorhanden sind, sind diese oft unstrukturiert und wenig standardisiert. Weiters gibt es in der Medizin auch verschiedene Lehrmeinungen. Auch dieser Aspekt muss beachtet werden. (Schneider & Weiller, 2018, S. 860; Janssen, 1997, S.38)
1.2 Elga als Voraussetzung für Expertensysteme?
1.2.1 Was ist Elga?
Elga ist ein elektronisches Informationssystem mit dem Patienten erstmals ihre eigenen Gesundheitsdaten einsehen und verwalten können. Der behandelnde Arzt kann zudem zeitnah und unkompliziert unten angeführte Daten seiner Patienten auslesen, und in die Behandlung miteinbeziehen. Durch diesen verbesserten Informationsfluss werden eine bessere Betreuung und Behandlung gewährleistet.
Mittels Unterstützung von Elga können folgende einrichtungsübergreifende, sowie patientenbezogene Daten gespeichert werden:
- Ärztliche und pflegerische Entlassungsbriefe aus stationären Aufenthalten
- Laborbefunde aus ambulanten Aufenthalten
- Laborbefunde niedergelassener Fachärzte im Fach „medizinisch-chemische Labordiagnostik“ sowie „Hygiene und Mikrobiologie“
- Befunde der bildgebenden Diagnostik niedergelassener Fachärzte im Fach „Radiologie“
- Medikationsdaten der niedergelassenen Allgemeinmediziner
- Eintragung von rezeptpflichtiger, sowie wechselwirkungsrelevanter nicht verschreibungspflichtiger Medikamente durch Apotheken
Weitere geplanten Speicherungsdaten:
- Patientenverfügungen
- Vorsorgevollmachten
- Gesetzliche medizinische Register,
(Elga, Meine elektronische Gesundheitsakte, Zugriff 12.12.2018, https://www.elga.gv.at/faq/wissenswertes-zu-elga/index.html)
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