Inwiefern Jugendliche mit Migrationshintergrund benachteiligt sind und weshalb es eine mehrfache Benachteiligung gibt soll durch diese Arbeit verdeutlicht werden.
Ein weiterer Aspekt, der aufgegriffen wird sind die Fördermaßnahmen. Zwar werden Fördermaßnahmen als Auffänger und neue Chance für die benachteiligten Jugendlichen postuliert, in Wahrheit führen sie aber zu weiteren Benachteiligungen. Das heißt, der (Un-)Nutzen von Fördermaßnahmen soll kritisch betrachtet und am Ende dieser Arbeit geklärt werden.
Als Einstieg werden die wichtigsten Begriffe definiert. Dazu gehören die Begriffe Benachteiligte, Förderungsbedürftige und Personen mit Migrationshintergrund. Nachdem diese Begriffe erläutert wurden, werden die verschiedenen Benachteiligungsgründe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufgegriffen. Dazu wird als Erstes die ethnische Diskriminierung und im Anschluss die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft erklärt. Anschließend werden zur Vollständigkeit einige Sätze zum ökonomischen Kapital gesagt, aber im weiteren Verlauf vernachlässigt, da es schwierig ist diesen Benachteiligungsansatz in Unabhängigkeit von anderen Variablen anzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen
2.1 Benachteiligte
2.2 Förderungsbedürftig
2.3 Personen mit Migrationshintergrund
3. Die Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Verschiedene Ansätze
3.1 Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft
3.2 Das Humankapital: Die Rolle der sozialen Herkunft
3.3 Die Rolle des ökonomischen Kapitals
3.4 Institutionelle Diskriminierung
3.5 Kulturelle Defizite
4. Studienergebnisse: Einstieg in eine duale Ausbildung
5. Das Übergangssystem
5.1 Kompetenzfeststellung
5.2 DIA-TRAIN
5.3 Fördermaßnahmen
5.4 BAVKA
5.4.1 Vorteile BAVKA
6. Vorschlag: Qualifizierung des Personals
7. Fazit
Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist verankert, dass jeder Mensch die gleichen Rechte hat und deshalb die selben Chancen bekommen sollte, unabhängig von seiner Herkunft, Behinderung, seines Geschlechts oder Ähnlichem (vgl. AGG §1 Art. 1). Dieses Gesetzt gilt auch für „den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung“ (AGG, §1 Art. 2). In vielen Studien zeigt sich, dass es zwischen Anspruch und Realität Diskrepanzen gibt. Vor allem im Übergang von der Schule zur dualen Ausbildung werden die Unterschiede sehr deutlich. Bestimmte Gruppen werden systematisch benachteiligt. Zwar gibt es viele verschiedene Gruppen, die benachteiligt werden aber es hat sich herausgestellt, dass insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund benachteiligt werden. Dies hat vermutlich den Hintergrund, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund mehrfach benachteiligt sind. Inwiefern diese Jugendlichen benachteiligt sind und weshalb es eine mehrfache Benachteiligung gibt soll durch diese Arbeit verdeutlicht werden.
Ein weiterer Aspekt, der aufgegriffen wird sind die Fördermaßnahmen. Zwar werden Fördermaßnahmen als Auffänger und neue Chance für die benachteiligten Jugendlichen postuliert, in Wahrheit führen sie aber zu weiteren Benachteiligungen. Das heißt, der (Un-)Nutzen von Fördermaßnahmen soll kritisch betrachtet und am Ende dieser Arbeit geklärt werden.
Als Einstieg werden die wichtigsten Begriffe definiert. Dazu gehören die Begriffe Benachteiligte, Förderungsbedürftige und Personen mit Migrationshintergrund. Nachdem diese Begriffe erläutert wurden, werden die verschiedenen Benachteiligungsgründe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufgegriffen. Dazu wird als Erstes die ethnische Diskriminierung und im Anschluss die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft erklärt. Anschließend werden zur Vollständigkeit einige Sätze zum ökonomischen Kapital gesagt, aber im weiteren Verlauf vernachlässigt, da es schwierig ist diesen Benachteiligungsansatz in Unabhängigkeit von anderen Variablen anzunehmen.
Danach werden die Gegenläufigen Theorien: die institutionelle Diskriminierung sowie die Diskriminierung aufgrund kultureller Defizite dargestellt und damit das Kapitel der Benachteiligungsgründe abgeschlossen. Durch diese umfangreiche Darstellung soll dem Leser die Bedeutung der mehrfach Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund veranschaulicht werden.
Um die dargestellten Theorien zu bestätigen werden im darauf folgenden Kapitel einige Studienergebnisse aus dem Übergang von Schule zu Beruf aufgezeigt. Dabei werden ältere als auch neuere Ergebnisse vorgestellt.
Nachdem, die für das weitere Verständnis grundlegenden Aspekte geklärt wurden, wird das Übergangssystem beschrieben. Im Anschluss werden die Kompetenzfeststellung und das Kompetenzfeststellungsmodell DIA-TRAIN vorgestellt. Es ist ein wichtiger Ansatz, der die Wichtigkeit von individueller Förderung der benachteiligten Jugendlichen aufzeigt.
Um dem Leser einen Überblick über die verschiedenen Maßnahmen zu verschaffen, werden anschließend einige Fördermaßnahmen kurz aufgegriffen. Danach werden das Modell BAVKA und seine Vorzüge ausführlich dargestellt.
Im Fazit werden die Ergebnisse zusammengefasst und die Frage nach dem (Un-)Nutzen der Fördermaßnahmen diskutiert.
2. Definitionen
Um dem Leser einen Einstieg in das Thema zu vereinfachen werden im Folgenden die Begriffe Benachteiligte, Förderungsbedürftig und Personen mit Migrationshintergrund definiert. Wichtig ist im Hintergrund zu behalten, dass es viele verschiedene Definitionen gibt. Da es zu umfangreich wäre alle aufzugreifen, werden im Folgenden nur ein bis zwei unterschiedliche Definitionen aufgegriffen.
2.1 Benachteiligte
Wie es sehr oft in den Sozialwissenschaften der Fall ist, ist es schwierig einen Begriff klar einzugrenzen. Dies trifft auch auf den Begriff Benachteiligte zu. Je nach Kontext kann die Definition variieren.
Wenn man einen Blick in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wirft kann man folgende Benachteiligte unterscheiden: Benachteiligte „[...] aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität […] (AGG, §1 Art. 1). Laut Bundesanstalt für Arbeit versteht man unter Benachteiligte:
„ausländische, lernbeeinträchtigte oder sozial benachteiligte Auszubildende, [...] verhaltensgestörte, ehemals drogenabhängige oder strafentlassene bzw. strafgefangene Jugendliche, [...] Spätaussiedler mit Sprachschwierigkeiten und [...] Auszubildende, deren Ausbildung zu scheitern droht“ (Eckert 2007, S.21).
Wie zu sehen ist unterscheiden sich die Definitionen voneinander. Beide greifen jedoch eine ganz bestimmte Gruppe von Benachteiligten auf, um die es auch in dieser Arbeit gehen wird: die Ausländer.
In der Definition wird die Bezeichnung „ausländische“ verwendet (ebd.). Da viele Menschen diese Bezeichnung als diskriminierend und ausgrenzend empfinden und der Begriff für Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind ziemlich absurd ist, werden inzwischen die Bezeichnungen Personen mit Migrationshintergrund und Personen ohne Migrationshintergrund verwendet (vgl. Auernheimer 2012, S.22, Hervorhebung durch Verfasserin). Diese Bezeichnung wird auch für diese Arbeit verwendet. Zum Verständnis wird die Bezeichnung weiter unten kurz erläutert. Davor wird jedoch der Begriff förderungsbedürftig definiert.
2.2 Förderungsbedürftig
Da es in dieser Arbeit u.A. um Förderansätze gehen wird, ist es wichtig zu klären wer als förderungsbedürftig gilt. Laut dem dritten Buch des Sozialgesetzbuches
„sind lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte junge Menschen, die wegen in ihrer Person liegender Gründe ohne die Förderung
1. eine Einstiegsqualifizierung oder eine Berufsausbildung nicht beginnen, fortsetzen oder erfolgreich beenden können,
2. nach der vorzeitigen Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses eine weitere
Berufsausbildung nicht beginnen können oder
3. nach erfolgreicher Beendigung einer Berufsausbildung ein Arbeitsverhältnis nicht begründen oder festigen können“ (§78) förderungsbedürftig.
„(2) Förderungsbedürftig sind auch
1. junge Menschen, die ohne die Förderung mit ausbildungsbegleitenden Hilfen eine Einstiegsqualifizierung oder eine erste betriebliche Berufsausbildung nicht beginnen oder fortsetzen können oder voraussichtlich Schwierigkeiten haben werden, diese erfolgreich abzuschließen, oder [...] (ebd.).
Wie zu sehen ist, ist der Begriff ziemlich breit angelegt. Um das Ganze einzugrenzen wird in dieser Arbeit nur auf die förderungsbedürftigen Jugendlichen
„die ohne die Förderung mit ausbildungsbegleitenden Hilfen eine Einstiegsqualifizierung oder eine erste betriebliche Berufsausbildung nicht beginnen oder fortsetzen können oder voraussichtlich Schwierigkeiten haben werden, diese erfolgreich abzuschließen“ (ebd.) Bezug genommen.
Unklar an der Definition ist, was unter „wegen in ihrer Person liegende(r) Gründe“ (ebd.) zu verstehen ist. Werden Faktoren wie Faulheit und Unmotiviertheit auch einbezogen oder geht es nur um extrinsische Faktoren wie Diskriminierung?
Ein weiterer Aspekt der auffällt ist, dass nicht speziell von Personen mit Migrationshintergrund gesprochen wird. Weshalb diese Gruppe dennoch zu einer der größten förderungsbedürftigen Gruppe gehört wird in den folgenden Kapiteln dargestellt. Zuvor wird eine Begriffsbestimmung von Personen mit Migrationshintergrund vorgenommen.
2.3 Personen mit Migrationshintergrund
Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind Personen mir Migrationshintergrund
'alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil' (Statistisches Bundesamt 2013, Hervorhebung im Originalen).
Bei diesem Attribut ist also die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation ausschlaggebend. Je nach Generation wird beurteilt, ob jemand mit Migrationshintergrund oder ohne Migrationshintergrund ist. Zu Personen mit Migrationshintergrund zählen demnach die erste und zweite Generation. Mit erster Generation sind die selbst zugewanderten Menschen gemeint. Unter die zweite Generation fallen alle anderen, deren mindestens ein Elternteil zugewandert ist (vgl. Engels & Köller 2011, S.10). Bei Personen ohne Migrationshintergrund müssen also beide Eltern in Deutschland geboren und aufgewachsen sein und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Nachdem die wichtigsten Begriffe erläutert wurden, wird es im nächsten Kapitel, um die Analyse der Benachteiligungsgründe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund gehen. Diese sollen dem Leser erstens verdeutlichen, dass die Benachteiligung nicht erst mit dem Eintritt in das Berufsleben stattfindet sondern schon viel früher Gestalt annimmt und den kompletten Werdegang beeinflusst. Zweitens soll es die mehrfach Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund veranschaulichen.
3. Die Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Verschiedene Ansätze
Es gibt verschiedene Spekulationen über die Gründe der Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Während einige Wissenschaftler die Begründung in der sozialen Herkunft der Jugendlichen suchen, sprechen andere von einer Benachteiligung aufgrund der kulturellen Defizite, die in der Herkunftskultur der Eltern vorzufinden sind. Wiederum andere gehen von einer Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft aus. Diese und weitere Ansätze sollen im Folgenden dargestellt werden.
3.1 Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft
Die Benachteiligung im Bildungssystem ist seit dem schockierenden Ergebnis von PISA in den Vordergrund gerückt. Die im Allgemeinen schlechteren Resultate der deutschen Schüler, im Vergleich zu anderen Nationen, führte zu dem so genannten PISA-Schock (vgl. Fereidooni 2011, S.17). Auch die Tatsache, dass es gravierende Kompetenz- sowie Leistungsunterschiede zwischen Schülern ohne und Schülern mit Migrationshintergrund gibt, hat zusätzliche Aufmerksamkeit erregt. Beispielsweise liegt die Nichtversetzung von Migrantenkindern etwa zwei- bis viermal höher als bei deutschstämmigen Kindern (vgl. ebd., S.57). So vermutet beispielsweise Diefenbach, dass das Lehrpersonal bei der Vergabe von Schulnoten oder Bildungsempfehlungen Schüler mit Migrationshintergrund aufgrund ihrer ethnischen Herkunft systematisch schlechter stellen als Einheimische (vgl. Becker & Beck 2012, S.137). Die These von einigen Bildungsforschern lautet deshalb, dass die ethnische Herkunft die Ursache für Bildungsdisparitäten sind (vgl. Fereidooni 2011, S.17). Diese These wird in vielen Studien bestätigt. Selbst bei selben schulischen Voraussetzungen werden Kinder und Jugendliche im Bildungssystem benachteiligt (vgl. BBMFI 2016, S.128ff). In den späteren Kapiteln wird dieser Sachverhalt durch ausgewählte Studienergebnisse veranschaulicht.
3.2 Das Humankapital: Die Rolle der sozialen Herkunft
Während auf einer Seite versucht wird die Bildungsdiskriminierung der Jugendlichen durch die ethnische Herkunft zu begründen, vertreten einige Wissenschaftler den humankapitaltheoretischen Ansatz vom französischen Soziologen Pierre Bourdieu.
Laut Bourdieu besitzt jeder Mensch ein sogenanntes Humankapital. Dies setzt sich aus dem ökonomischen, dem kulturellen- und dem sozialen Kapital zusammen. Unter ökonomischem Kapital fasst Bourdieu materielle Dinge wie Geld, Waren, Produktionsmittel, Schmuck und weiteres materielles Vermögen zusammen. Das kulturelle Kapital umfasst Dinge wie Erziehung, Bildung - dazu gehört auch die Bildung der Eltern -, Titel der Person, kulturelle Gegenstände wie Gemälde und Kunstwerke und Ähnliches. Das soziale Kapital beinhaltet soziale Netzwerke, d.h. Beziehungen und die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen (vgl. Bourdieu 1983, S.185ff).
Natürlich kann sich das Humankapital auch ändern. Das kulturelle Kapital kann z.B. durch Weiterbildungen erhöht werden. Im Klartext heißt das, wenn man eine Weiterbildung macht und somit sein kulturelles Kapital erhöht, wird sich im Idealfall auch sein ökonomisches Kapital erhöhen, da die Person mehr verdienen wird. Auch seine sozialen Netzwerke werden sich ausweiten, was wiederum zu einer Erhöhung des sozialen Kapitals führen wird. Alle Kapitalarten sind also miteinander verkoppelt und voneinander abhängig.
Laut Bourdieu spielt im Zusammenhang mit Diskriminierung vor allem das soziale Kapital eine große Rolle. Er war der Meinung, dass Ungleichheiten vom sozialen Kapital abhängen (vgl. El-Mafaalani 2011, S.23). Dies würde bedeuten, dass die Diskriminierung von Personen mit Migrationshintergrund nicht aufgrund ihrer ethnischen Herkunft sondern aufgrund ihrer sozialen Herkunft geschieht. Um diese Behauptung zu belegen müsste man Jugendliche mit Migrationshintergrund, deren Eltern hohes Prestige, d.h. ein hohes Humankapital besitzen analysieren. Wenn diese Gruppe von Jugendlichen keine Benachteiligung erfahren, würde die Behauptung von Bourdieu der Realität entsprechen. An dieser Stelle ist also Forschungsbedarf.
Nicht zu bestreiten ist, dass es eine Benachteiligung aufgrund der sozialen Herkunft, unabhängig von der ethnischen Herkunft gibt, da nicht nur Migrantenkinder benachteiligt werden, sondern auch Kinder ohne Migrationshintergrund, die aus sozial schwächeren Familien kommen. Dies wurde vor allem durch die PISA Studie deutlich. Die Befunde zeigten, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten – und speziell Kinder mit Migrationshintergrund – für eine Empfehlung für das Gymnasium, deutlich bessere Noten und Prüfungsergebnisse vorweisen müssen, als Kinder aus Familien mit akademischem Bildungshintergrund. Der Lebenslauf und somit die Zukunft von Kindern wird dadurch schon ziemlich früh negativ beeinflusst, da sich durch den Besuch der Hauptschule die Chance auf einen Aufstieg erheblich vermindert (vgl. Raiser 2007, S.17).
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