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Welchen Einfluss hat Interesse auf das menschliche Lernen?

Eine Bestandsaufnahme der bisherigen Erkenntnisse

©2002 Hausarbeit (Hauptseminar) 25 Seiten

Zusammenfassung

In dieser Arbeit soll untersucht werden, wie bisher existierende Theorien das Zustandekommen von Interesse erklären und was für einen Einfluss das Interesse auf das menschliche Lernen hat. Dabei soll auch auf die Konsequenzen für den praktischen Unterricht bzw. das praktische Lernen eingegangen werden.

Die Bedeutung von Interessen für das schulische Lernen ist ein altes Thema der pädagogischen Psychologie. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts etablierte sich eine empirisch-pädagogische Forschung, die sich mit dem Thema Interesse, Lernen und Leistung auseinander setzte. Jedoch gelang es der frühen Interessenforschung nicht, den vielfältigen alltagssprachlichen Interessenbegriff durch wissenschaftliche Kategorien zu ersetzen.

Deshalb verzichtete man in der Psychologie des Lehrens und Lernens immer häufiger auf den Interessenbegriff und verwendete statt dessen andere, nämlich motivationale bzw. emotionale Konzepte, um einzelne Aspekte des Lerngeschehens präziser erfassen zu können. Erst seit Mitte der achtziger Jahre ist ein Aufschwung der pädagogisch-psychologischen Interessenforschung zu verzeichnen, da auch die motivationalen Konzepte nicht alle Aspekte des Lernens ausreichend erklären konnten.

Es besteht weitgehend Konsens darüber, dass Interessen eine zentrale motivationale Komponente im schulischen Lehr-/Lerngeschehen darstellen. Auch wird konstatiert, dass fachliche Interessen für die Vorhersage und Erklärung von Leistungsunterschieden in Schule und Studium einen signifikanten Beitrag liefern. Außerdem werden Interessen im Zusammenhang mit der Schule deshalb positiv eingeschätzt, weil sie einen leistungsfördernden Einfluss haben. In dieser Arbeit geht es deshalb um die positive Auswirkung von Interesse auf das Lernen und um das wünschenswerte Resultat Interesse durch das Lernen.

Leseprobe

Gliederung

1. Problemstellung
1.1 Interessenbegriff
1.2 Fragestellung

2. Person-Gegenstands-Theorien
2.1 Ein Rahmenkonzept intrinsischer Motivation
2.2 Modell der Wirkungsweise von Interesse

3. Äußere Einflussfaktoren der Interessengenese
3.1 Situationales Interesse
3.2 Mögliche Formen der Entstehung situationalen Interesses

4. Einfluss des Interesses auf Lernen und Leistung
4.1 Zusammenhang zwischen individuellen Interessen und bewerteter Leistung
4.2 Zusammenhang von individuellem Interesse und Wissensstruktur
4.3 Einfluss situationaler Interessen auf die schulische Leistung
4.4 Einfluss situationaler Interessen auf die Wissensstruktur

5. Folgerungen für das praktische Lernen

6. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Problemstellung

1.1 Interessenbegriff

Der Begriff des Interesses ist sehr vielschichtig. Im deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1877 wird Interesse definiert als den „antheil, den wir an einer sache nehmen: interesse wird das wohlgefallen genannt, das wir mit der vorstellung der existenz eines gegenstandes verbinden.“1 In einer zweiten Bedeutungsvariante der Gebrüder Grimm bezeichnet Interesse den „reiz einer sache, der unseren antheil hervorruft.“2 Eine weitere allgemeine Definition des Interesses liefert Hans Schiefele nach der sich eine Person dann für etwas interessiert, wenn sie sich dem Gegenstand ihres Interesses mit der Geste der Wertschätzung nähert, der Bereitschaft, sich etwas sagen zu lassen, was sie noch nicht wusste, der Erwartung, im Umgang mit der Sache, um die es geht, Spannung, Überraschung und Befriedigung zu erleben, mit der Freude, Neues zu entdecken und der Hoffnung, dass das Ergebnis schließlich allen Einsatz lohnt.3

Die historischen Interessendefinitionen von Piaget und Kerschensteiner dagegen haben eine pädagogische Ausrichtung. Für Piaget sind Interessen, „wenn das Ich sich mit einer Idee oder einem Objekt identifiziert, wenn es darin ein Ausdrucksmittel findet und sie zu einem notwendigen Stoff für seine Aktivität werden.“4 Somit ist Interesse der dynamische Aspekt der Assimilation.5 Für Kerschensteiner jedoch sind Interessen auf Gegenstände bezogen und mit Handlungstendenzen, Aufmerksamkeit und Gefühlen verbunden. Sie sind mit Werten eng verknüpft und beinhalten eine dauerhafte Beschäftigung mit dem Gegenstand.6

Auch in neueren pädagogisch-psychologischen Forschungen spielt die Person-Gegenstands-Relation eine herausragende Rolle7 aufgrund derer Theorien über Interesse entwickelt wurden und auf die noch näher eingegangen werden soll. In den folgenden Abschnitten soll keine feststehende Interessendefinition unterstellt werden, da verschiedene Interessentheorien mit unterschiedlichen Grundannahmen betrachtet werden. Anzumerken hierbei ist, dass Interesse damit intrinsisch, d.h. durch Eigenschaften in einer Person, oder extrinsisch, d.h. durch die Umwelt, bestimmt sein kann.8

1.2 Fragestellung

Die Bedeutung von Interessen für das schulische Lernen ist ein altes Thema der pädagogischen Psychologie. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts etablierte sich eine empirisch-pädagogische Forschung die sich mit dem Thema Interesse, Lernen und Leistung auseinander setzte. Jedoch gelang es der frühen Interessenforschung nicht, den vielfältigen alltagssprachlichen Interessenbegriff durch wissenschaftliche Kategorien zu ersetzen. Deshalb verzichtete man in der Psychologie des Lehrens und Lernens immer häufiger auf den Interessenbegriff und verwendete statt dessen andere, nämlich motivationale bzw. emotionale Konzepte, um einzelne Aspekte des Lerngeschehens präziser erfassen zu können. Erst seit Mitte der achtziger Jahre ist ein Aufschwung der pädagogisch-psychologischen Interessenforschung zu verzeichnen, da auch die motivationalen Konzepte nicht alle Aspekte des Lernens ausreichend erklären konnten.9 Es besteht weitgehend Konsens darüber, dass Interessen eine zentrale motivationale Komponente im schulischen Lehr-/Lerngeschehen darstellen.10 Auch Schiefele/Krapp/Schreyer konstatieren, dass fachliche Interessen für die Vorhersage und Erklärung von Leistungsunterschieden in Schule und Studium einen signifikanten Beitrag liefern.11 Außerdem werden Interessen im Zusammenhang mit der Schule deshalb positiv eingeschätzt, weil sie einen leistungsfördernden Einfluss haben.12 In dieser Arbeit geht es deshalb um die positive Auswirkung von Interesse auf das Lernen und um das wünschenswerte Resultat Interesse durch das Lernen.

Es soll untersucht werden wie bisher existierende Theorien das Zustandekommen von Interesse erklären und was für einen Einfluss das Interesse auf das menschliche Lernen hat. Dabei soll auch auf die Konsequenzen für den praktischen Unterricht bzw. das praktische Lernen eingegangen werden.

Zur Erklärung der Entstehung von Interesse soll zuerst eine Person-Gegenstands-Theorie veranschaulicht werden. Dazu gehört das Rahmenkonzept der intrinsischen Motivation und das Modell der Wirkungsweise von Interesse. Anschließend sollen äußere Einflussfaktoren der Interessengenese betrachtet werden. Hierzu wird das situationale Interesse erläutert und auf mögliche Formen der Entstehung eingegangen. In einem weiteren Schritt soll dargestellt werden wie sich das Interesse auf Lernen und Leistung auswirkt. Zum Schluss werden Folgerungen für das praktische Lernen und den Unterricht gezogen. Eine Schlussbetrachtung soll die Arbeit abrunden.

2. Person-Gegenstands-Theorien

2.1 Ein Rahmenkonzept intrinsischer Motivation

Im allgemeinen Verständnis ist die intrinsische Motivation durch einen von innen gesteuerten Lernantrieb und die extrinsische Motivation durch von außen kommende Anreize gesteuert.13 Inzwischen wird jedoch nicht mehr von intrinsischer Motivation sondern von Interesse bzw. intrinsischem Interesse gesprochen.14

Dabei bezeichnet Interesse eine besondere Qualität der Beziehung von Menschen (Subjekten) zu bestimmten Sachverhalten (Gegenständen), und zwar eine Beziehung, in der das Subjekt versucht erkennend, die Eigenart des Gegenstandes verstehend, ihn sich zu erschließen und dabei selbst Bereicherung zu erfahren. Jedoch ist bei der Fülle des Begegnenden Auswahl nötig, und da stets nur wenige Subjekt-Gegenstands-Bezüge mit besonderer Intensität realisiert werden können, ist diese Wahl persönlichkeitsbestimmend. Damit sind Interessen Orientierungen in Gegenstandsfeldern, die der Mensch aus eigener Initiative aufnimmt.15

Hierzu konkretisiert Krapp was Interessengegenstände in dieser Theorie alles sein können, nämlich im Prinzip alles, womit sich ein Individuum manipulativ oder geistig auseinandersetzt: konkrete Dinge ebenso wie Ideen und Wissensbestände über bestimmte Themen der sozialen und materiellen Umwelt.16 Prenzel dagegen bezeichnet die Interessengegenstände als komplexe Umwelt welche mit einer Person im Wechselverhältnis stehen. Der Begriff Person meint einen identifizierbaren Menschen mit je besonderen Merkmalen.17 Da die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand nicht von außen veranlasst wird, ist die Auseinandersetzung selbst veranlassend.18 Dies bedeutet, dass die Auseinandersetzung für sich genommen wertvoll ist und durch keine darüber hinaus gehende Zwecksetzung veranlasst wird.19 Diese Selbstintentionalität der Gegenstandsauseinandersetzung ist das zentrale Merkmal von Interesse. Dabei wird die Auseinandersetzung als Handlung betrachtet. Das mit dem Vollzug der Handlung konstituierte Handlungsergebnis wird intendiert; man spricht von Interessenhandlungen.20 Prenzel/Krapp/Schiefele bezeichnen dabei das aktuelle Handeln mit dem Interessengegenstand als zeit-situationsspezifische Beziehung zwischen Person und Gegenstand. Gegenstandsauseinandersetzungen die sich über einen längeren Zeitraum wiederholen werden dagegen als zeit- und situationsübergreifender Bezug zwischen Person und Interessengegenstand bezeichnet.21

Nach Krapp ist dabei der Gedanke der intrinsischen Motivation auf zwei Ebenen berücksichtigt: auf der Ebene der emotionalen Erlebensqualitäten während einer Lernhandlung und auf der Ebene der rational begründeten oder begründbaren Wertzuordnungen. Hinsichtlich der emotionalen Komponente des Interesses bedeutet intrinsisch, dass die auf einem Interesse beruhende Handlung mit positiven Erlebensqualitäten bzw. Gefühlen verknüpft ist. Auch gilt das für die entsprechenden kognitiven Repräsentationen von interessebasierten Handlungen, etwa Erinnerungen an zurückliegende oder Erwartungen an künftige Auseinandersetzungen mit dem Interessengegenstand. Hinsichtlich der wertbezogenen Komponente spricht Krapp von intrinsisch, wenn der Gegenstand des Interesses vorübergehend oder dauerhaft in die zentralen Regionen des Selbstkonzepts einer Person integriert worden ist. Dabei sind die mit dem Interessengegenstand verbundenen Intentionen (Handlungsziele) mit den das „Selbst“ konstituierenden Einstellungen, Erwartungen und Werten kompatibel.22 Dies verweist eben auf die Selbstintentionalität von Interesse.

Das gleiche Konzept haben Prenzel/Krapp/Schiefele unter der bereits erwähnten Annahme des Interesses im Sinne einer aktuellen Beziehung zwischen Person und Gegenstand als auch im Sinne eines situationsübergreifenden Bezugs betrachtet. Dabei wird die kognitive Komponente der Interessentheorie explizit als dritte Ebene der intrinsischen Motivation aufgeführt. Danach zeichnet sich Interesse im kognitiven Bereich durch eine gegenstandsspezifisch hohe Komplexität aus. Im aktuellen Handeln zeigt sich dies in einer differenzierenden und vielfältig variierbaren Gegenstandsauffassung, sowie in einem umfangreichen Repertoire an Handlungsmöglichkeiten. Der über längere Zeit bestehende Interessenbezug manifestiert sich in der Person in differenziertem und integriertem Wissen über den Gegenstandsbereich.

In der aktuellen Beziehung ist das Interesse im emotionalen Bereich auch hier durch eine insgesamt als anregend und angenehm erlebte emotionale Tönung des gegenstandsbezogenen Erlebens gekennzeichnet. Das Interessenhandeln wird von angenehmen Gefühlen begleitet, zum Beispiel von Freude, angenehmer Spannung oder vom „Ganz-in-der-Sache-Aufgehen“ im Sinne des Flow-Erlebnisses. Dagegen ist für den situationsübergreifenden Interessenbezug die positiv emotionale Akzentuierung der Gegenstandsabbildung charakteristisch. Auch das Denken oder Reden über den Interessengegenstand wird von angenehmen Gefühlen begleitet.

Der Wertbereich des Interesses zeichnet sich durch die herausgehobene Wertschätzung des Gegenstandes aus. In der aktuellen Interessenbeziehung kommt die Wertkomponente in der Selbstintentionalität des Handelns zum Ausdruck. Der situationsübergreifende Interessenbezug äußert sich in der Einordnung des Gegenstandes im oberen Bereich der individuellen Wertehierarchie. Das Selbstkonzept der Person wird durch den Gegenstand geprägt. Die Person gewinnt Identität über ihren Bezug zum Interessengegenstand.23

In einer anderen Publikation revidiert Prenzel das Zustandekommen von Interesse durch diese starke Definition von emotionalem, kognitivem und wertorientiertem Bereich. Auch danach zeichnet sich Interesse als Relation zwischen Person und Gegenstand aus, durch die kognitive Abbildung des Gegenstandes, durch positive Gefühle bei der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand und durch die Selbstintentionalität dieser Auseinandersetzung. Die gegebene Definition ist jedoch schwach, weil die kognitive Abbildung sich trivial aus der Begriffsbestimmung ergibt. Denn wenn Interesse als Relation zwischen Person und Gegenstand definiert ist und Gegenstände subjektive Konstruktionen sind, die sich auf Referenzobjekte (Umwelteinheiten) beziehen, dann ist mit Interesse notwendig eine kognitive Abbildung des Gegenstandes verbunden. Zumindest muss der Gegenstand als in sich strukturierte und geschlossene Einheit repräsentiert sein.

Die positiven Emotionen sind ein fakultatives Merkmal. Denn diese positiven Gefühle beziehen sich auf die Handlungsausführung und es ist nicht anzunehmen, dass Handlungen angestrebt werden die mit negativen Gefühlen verbunden sind. Somit ist dieses Merkmal eng mit der Selbstintentionalität verbunden. Jedoch können im Verlauf einer Gegenstandsauseinandersetzung durchaus verschiedene gefühlhafte Qualitäten auftreten. Nur in der Summe wird eine positive Emotionsbilanz gefordert. Deshalb ist unbestritten, dass selbstintentionale Auseinandersetzungen teilweise auch von unangenehmen Gefühlen begleitet werden können. Die positive Emotionalität bei der Auseinandersetzung ist von daher ein hoch wahrscheinliches, aber kein unbedingt notwendiges Merkmal von Interesse. Deshalb fungiert die Selbstintentionalität als einzig griffiges und entscheidendes Kriterium des Interesses.24

2.2 Modell der Wirkungsweise von Interesse

Die folgenden Überlegungen basieren auf einer Weiterentwicklung der im vorigen Kapitel vorgestellten Theorie intrinsischer Motivation. Dabei soll nicht mehr nur untersucht werden was Interesse ist und wie es zustande kommt, sondern wie Interesse funktioniert oder wie interessenorientiertes Handeln auf der Ebene interner Prozesse abläuft.25 Deshalb stellen sich aus pädagogischer Sicht zwei weiterführende Fragen: Wovon ist abhängig, dass interessierte Auseinandersetzungen mit einem Gegenstand aufrechterhalten bleiben? Und welche Bedingungen bestimmen darüber mit welchem Ausschnitt aus dem Gegenstandsbereich die Auseinandersetzung erfolgt?26

Das Aufrechterhalten von Auseinandersetzungen bzw. das wiederholte In-Beziehung-Treten mit einem Gegenstand über einen längeren Zeitraum wird als Persistenz definiert. Damit bezeichnet Persistenz die Entwicklung eines überdauernden Bezugs zwischen Person und Gegenstand. Die mit der Entwicklung dieses Bezugs verbundene Bildung von Schwerpunkten der Auseinandersetzung und spezifische Einengung des Gegenstandes wird als Selektivität definiert.27 Das Zustandekommen von Persistenz und Selektivität wird aus Prozessen erklärt, die in der Gegenstandsauseinandersetzung ablaufen, nämlich die der oben beschriebenen Theorie entsprechenden kognitiven, emotionalen und auf Werte bezogenen Prozesse. Dabei erscheinen Persistenz und Selektivität als abhängige Größen; sie werden durch Prozesse bedingt, die bei vorausgehenden Gegenstandsauseinandersetzungen ablaufen (s. Abb. 1).28

Hierbei ist anzumerken, dass auch andere als interessierte Gegenstandsbezüge Persistenz und Selektivität aufweisen. Wenn sie aber ohne feststellbare äußere Veranlassung auftreten und durch kognitive, emotionale und bewertende Prozesse in der Person-Gegenstands-Beziehung bedingt sind, ist auf Interesse zu schließen. Somit ist durch das Variablengefüge von Persistenz und Selektivität als abhängige und Kognition, Emotion und Steuerung als unabhängige Variablen das Wirkungsmodell beschrieben.29

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

Im kognitiven Bereich sind die bei der Entstehung und Auflösung von kognitiven Diskrepanzen oder Konflikten auftretenden Prozesse von Bedeutung. Kognitive Diskrepanzen oder Probleme entstehen, wenn sich die vorhandenen kognitiven Schemata als unpassend, unzureichend oder ungeeignet erweisen, um situative Gegebenheiten abzubilden, zu erklären oder zu verändern.30 Piaget folgend wird davon ausgegangen, dass die Person Gegenstand und Gegenstandsauseinandersetzungen in Schemata abbildet. Diese repräsentieren die subjektive Sicht des Gegenstandes und der mit dem Gegenstand vollziehbaren Handlungen. Die Menge der ausgeführten und bekannten Gegenstandsauseinandersetzungen sind also in Schemata abgebildet. Wiederum Piagets Theorie entsprechend definieren die zu einem Zeitpunkt vorliegenden Schemata einen Rahmen für mögliche folgende Gegenstandsauseinandersetzungen. Das Wirkungsmodell bezieht sich also, was die kognitiven Interessenaspekte betrifft, auf Schemata: die Erfahrungen aus Beschäftigungen mit dem Gegenstand schlagen sich in Veränderungen der Schemata nieder, die Schemata engen den Bereich möglicher neuer Gegenstandsauseinandersetzungen ein.31 Deshalb werden die mit den Bemühungen um Problem- oder Diskrepanzlösungen auftretenden Veränderungen kognitiver Schemata (z.B. Differenzierung, Erweiterung, Integration) als Effekte betrachtet, die sich auf die weitere Art der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand auswirken.32 Diese Vorgänge stellen eine Anpassung des Äquilibrationsprinzips an die hier beschriebene Konzeptualisierung der Interessentheorie dar.

Wie oben bereits erwähnt werden im emotionalen Bereich die handlungsbegleitenden positiven und angenehmen Gefühle als interessenspezifische Merkmale betrachtet. Strukturell schlagen sich diese Gefühle in emotional positive Akzentuierungen der Gegenstands- und Handlungsabbildungen nieder. Außerdem gewinnt hier die Funktion von handlungsbegleitenden Gefühlen (und deren Abbildung) für das Wiedereintreten (Persistenz) in bestimmte Auseinandersetzungen mit dem Gegenstand bzw. einzelnen Teilbereichen (Selektivität) theoretische Bedeutung.33

In diesem erweiterten theoretischen Modell wird der Wertebereich etwas modifiziert bzw. funktionalisiert, und zwar zu einem Bereich Selbststeuerung.34 Dabei unterscheidet diese Theorie zwei Ebenen der Selbststeuerung. Die nicht bewusste Steuerung erfolgt nach nichtreflektierten und nicht selbst gesetzten Kriterien, etwa nach dem Äquilibrationsprinzip Piagets. Die bewusste Steuerung ist durch eine explizite, wertorientierte Setzung von Handlungszielen und eine entsprechende laufende Handlungskontrolle gekennzeichnet. Je nach Art der Steuerung von Gegenstandsauseinandersetzungen und je nach Steuerungskriterien sind Auswirkungen auf ein Aufrechterhalten und die inhaltliche Ausgestaltung des Gegenstandbezugs zu erwarten.35

Nach Prenzel/Krapp/Schiefele bestehen nun folgende Annahmen über Zusammenhänge zwischen den unabhängigen und abhängigen Variablen: Auf der kognitiven Ebene wird die Persistenz eines Gegenstandsbezugs dadurch gefördert, dass die Erfahrung bestehender, aber auflösbar erscheinender kognitiver Diskrepanzen gemacht wird. Außerdem erfährt die Person einen Kompetenzzuwachs, d.h. Verbesserung in den Wissensbeständen in Bezug auf den Gegenstand bzw. die Umgangsweise mit ihm. Dagegen kommt es zu einer Beeinträchtigung der Persistenz, wenn auf der kognitiven Ebene keine oder extrem große, unauflösbare Diskrepanzen auftreten und wenn die Gegenstandsauseinandersetzungen zu keinem Kompetenzzuwachs führen. Auf der emotionalen Ebene wirken sich Zustände als persistenzfördernd aus, die als angenehm erlebt werden, z. B. die Freude über das Gelingen einer Tätigkeit oder der Zustand Spannung bzw. das versunkene Agieren während der Beschäftigung. Eine negative Auswirkung auf die Persistenz auf dieser Ebene haben zu geringe oder zu hohe und deshalb unangenehme Spannungen. Auf der Steuerungsebene hat die Erfahrung der Steuerbarkeit von positiven und emotionalen Zuständen, von Diskrepanz-und Kompetenzzuwachs persistenzfördernde Wirkung. Dabei erlebt die Person, dass sie durch bestimmte Arten der Gegenstandsauseinandersetzung bestimmte emotionale und kognitive Zustände herbeiführen kann. Dies führt auch zur bewussten Setzung längerfristiger Ziele der Gegenstandsauseinandersetzung. Dabei verfolgt die Person hochbewertete Handlungsziele und kontrolliert den Verlauf von Beschäftigungen in Hinblick auf diese Ziele. Dagegen wird die Persistenz auf der Steuerungsebene beeinträchtigt durch negative Erfahrungen bei Versuchen, erwünschte kognitive und emotionale Zustände herbeizuführen und durch mangelnde Übereinstimmung von Aktivitätsverläufen mit gesetzten Zielen.

[...]


1 Zit. in: Rost/Hoberg, 1998, S. 183

2 Zit. in: Rost/Hoberg, 1998, S. 183

3 Vgl. Schiefele, 1986, S. 153

4 Zit. in: Prenzel, 1988, S. 31

5 Vgl. Prenzel, 1988, S. 31

6 Vgl. Prenzel, 1988, S. 27

7 Vgl. Krapp, 1998, S. 185

8 Vgl. Steiner, 1983, S. 23

9 Vgl. Krapp, 1992, S. 747

10 Vgl. Krapp, 1998, S. 185

11 Vgl. Schiefele/Krapp/Schreyer, 1993, S. 124

12 Schiefele, 1986, S. 162

13 Vgl. Krapp, 1999, S. 388

14 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 164

15 Vgl. Schiefele, 1986, S. 156 f.

16 Vgl. Krapp, 1999, S. 397

17 Vgl. Prenzel, 1988, S. 114 f.

18 Vgl. Prenzel, 1988, S. 119

19 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 166

20 Vgl. Prenzel, 1988, S. 119 f.

21 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 166

22 Vgl. Krapp, 1999, S. 400

23 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 166

24 Vgl. Prenzel, 1988, S. 120

25 Vgl. Prenzel, 1988, S. 168

26 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 168

27 Vgl. Prenzel, 1988, S. 139

28 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 169

29 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 169

30 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 170

31 Vgl. Prenzel, 1988, S. 146

32 Vgl. Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 170

33 Vgl. Prenzel, 1988, S. 146

34 Vgl. Prenzel, 1988, S. 149

35 Prenzel/Krapp/Schiefele, 1986, S. 170

Details

Seiten
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783668898714
ISBN (Paperback)
9783668898721
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Konstanz
Erscheinungsdatum
2019 (März)
Note
1,0
Schlagworte
welchen einfluss interesse lernen eine bestandsaufnahme erkenntnisse Wirtschaftspädagogik Erziehungswissenschaft Pädagogik
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Titel: Welchen Einfluss hat Interesse auf das menschliche Lernen?