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Das Bildungssystem Deutschlands im Vergleich mit den PISA-Siegerländern Finnland und Japan

©2018 Hausarbeit 18 Seiten

Zusammenfassung

PISA ist ein Teil des Indikatorprogramms der OECD, das zur langfristigen Erfassung von Schülerleistungen im internationalen Bereich dient. Das Ziel ist es den OECD-Staaten vergleichende Daten über die Leistungsfähigkeit ihrer Bildungssysteme zur Verfügung zu stellen. Dabei beteiligten sich im Frühjahr 2000 erstmals 28 Staaten. Seitdem wird der standardisierte Test im dreijährigen Rhythmus fortgeführt. Dabei werden die Kenntnisse in den drei Litacy Domänen Leseverständnis, Naturwissenschaften und Mathematik, sowie Lern- und Denkstrategien, Lernmotivation, Selbstkompetenz, fachliches Interesse und Schulfreude bei einer Altersstichprobe von 15-Jährigen geprüft. PISA ist als large-scale studies insofern besonders, da die Ergebnisse öffentlich zugänglich und damit von besonderem Interesse sind. Gerade das öffentliche Interesse an PISA ist groß, da vor allem die Platzierung der nationalen Ergebnisse im internationalen Ranking verfolgt werden. Dabei dient das Ranking als Anlass für Reform- und Finanzierungsvorschläge im nationalen Bereich. Nach dem Erscheinen der ersten Ergebnisse im Jahr 2001, in dem Deutschland unterdurchschnittlich schlecht abschnitt, kam es in Deutschland zum sogenannten ‚PISA-Schock‘. Daraufhin entschloss sich die Politik das Bildungsangebot zu verbessern, indem das deutsche Bildungswesen modernisiert werden sollte. Zwar gab es bereits 1990 Überlegungen und Pläne zur Modernisierung des Bildungswesens, allerdings wurde erst durch die erschreckenden Ergebnisse der PISA-Studie ein intensiver bildungspolitischer Aktionismus ausgelöst. Zwar wurden deutsche Schulen und das Bildungssystem der Bundesrepublik nach den Ergebnissen des PISA-Schocks reformiert und auch die Ergebnisse der darauffolgenden PISA Studien verbesserten sich erheblich, trotzdem zählt Deutschland noch immer nicht zu den „Siegerländern“ der PISA-Studie. Seit dem Beginn der Erhebung ist auffällig, dass die Länder Finnland, China, Japan, Kanada und Südkorea häufig die vorderen Plätze des Rankings belegen, wohingegen sich Deutschland lediglich im oberen Mittelfeld verorten lässt. In dieser Arbeit soll geklärt werden, inwiefern sich die Bildungssysteme der „PISA-Siegerländer" zu Deutschland unterscheiden. Dabei wird im Rahmen der Arbeit vor allem auf den europäischen Vorreiter Finnland, sowie für den asiatischen Raum exemplarisch auf Japan eingegangen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das deutsche Schulsystem
2.1 Das finnische Schulsystem
2.2 Das japanische Schulsystem

3. Schulsysteme im Vergleich
3.1 Schulpolitische Entscheidungsfindungen in Finnland
3.2 Schulpolitische Entscheidungsfindungen in Deutschland
3.3 Schulpolitische Entscheidungsfindungen in Japan

4. Beruf und Ausbildung der Lehrer*innen im Vergleich

5. Abschlussreflexion

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

PISA ist ein Teil des Indikatorprogramms der OECD, das zur langfristigen Erfassung von Schülerleistungen im internationalen Bereich dient. Das Ziel ist es den OECD-Staaten vergleichende Daten über die Leistungsfähigkeit ihrer Bildungssysteme zur Verfügung zu stellen. Dabei beteiligten sich im Frühjahr 2000 erstmals 28 Staaten.1 Seitdem wird der standardisierte Test im dreijährigen Rhythmus fortgeführt. Dabei werden die Kenntnisse in den drei Litacy Domänen Leseverständnis, Naturwissenschaften und Mathematik, sowie Lern- und Denkstrategien, Lernmotivation, Selbstkompetenz, fachliches Interesse und Schulfreude bei einer Altersstichprobe von 15-Jährigen geprüft.2

PISA ist als large-scale studies insofern besonders, da die Ergebnisse öffentlich zugänglich und damit von besonderem Interesse sind. Gerade das öffentliche Interesse an PISA ist groß, da vor allem die Platzierung der nationalen Ergebnisse im internationalen Ranking verfolgt werden. Dabei dient das Ranking als Anlass für Reform- und Finanzierungsvorschläge im nationalen Bereich.3

Nach dem Erscheinen der ersten Ergebnisse im Jahr 2001, in dem Deutschland unterdurchschnittlich schlecht abschnitt, kam es in Deutschland zum sogenannten ‚PISA-Schock‘. Daraufhin entschloss sich die Politik das Bildungsangebot zu verbessern, indem das deutsche Bildungswesen modernisiert werden sollte. Zwar gab es bereits 1990 Überlegungen und Pläne zur Modernisierung des Bildungswesens, allerdings wurde erst durch die erschreckenden Ergebnisse der PISA-Studie ein intensiver bildungspolitischer Aktionismus ausgelöst.4

Zwar wurden deutsche Schulen und das Bildungssystem der Bundesrepublik nach den Ergebnissen des PISA-Schocks reformiert und auch die Ergebnisse der darauffolgenden PISA Studien verbesserten sich erheblich, trotzdem zählt Deutschland noch immer nicht zu den „Siegerländern“ der PISA-Studie. Seit dem Beginn der Erhebung ist auffällig, dass die Länder Finnland, China, Japan, Kanada und Südkorea häufig die vorderen Plätze des Rankings belegen, wohingegen sich Deutschland lediglich im oberen Mittelfeld verorten lässt. In dieser Arbeit soll geklärt werden, inwiefern sich die Bildungssysteme der „PISA-Siegerländer" zu Deutschland unterscheiden. Dabei wird im Rahmen der Arbeit vor allem auf den europäischen Vorreiter Finnland, sowie für den asiatischen Raum exemplarisch auf Japan eingegangen.

2. Das deutsche Schulsystem

Zur Veranschaulichung der Problematik und der Vergleichenden Schulpädagogik, sollen im Folgenden die drei genannten Schulsysteme miteinander verglichen werden.

Der Weg eines deutschen Schülers beginnt mit dem Alter von sechs Jahren in der Grundschule, die für gewöhnlich vier Jahre umfasst, in Berlin und Brandenburg sogar sechs. Die Schulpflicht umfasst für gewöhnlich zwölf Schuljahre, in einigen Bundesländern zehn. Neun Jahre müssen an allgemeinbildenden Schulen absolviert werden, der Rest kann an beruflichen Schulen als Teilzeitschule absolviert werden.5 Für Schülerinnen und Schüler (SuS), die nicht aufgrund von geistigen oder körperlichen Behinderungen, oder wegen verhaltensauffälliger Besonderheiten dem Unterricht an allgemeinbildenden Schulen nicht folgen können, besuchen nach der Grundschule regulär die Sekundarstufe 1 an einer von den Lernleistungen abhängigen weiterführenden Schule.6 Je nach Bundesland stehen bis zu fünf verschiedene Schulformen nebeneinander bereit. Während in Bayern die drei tradierenden Schulformen Mittelschule, Realschule, Gymnasium nebeneinander finden, wird in anderen Bundesländern noch um die Gesamtschule ergänzt. In den fünf neuen Bundesländern findet sich noch eine weitere Schulform, in der die Bildungsgänge von Haupt- und Realschule verbunden angeboten werden.7 Dabei ist das Schulsystem durchlässig. Das beutetet, dass in allen Schulformen ein Wechsel von einer Schulform in eine andere möglich ist. Außerdem kann jede*r Schüler*in von jeder Schulform aus die Hochschulzugangsberechtigung erlangen.8 Die Voraussetzung dafür ist das Besuchen der Sekundarstufe 2 (auch Oberstufe genannt) und das Bestehen der Abiturprüfung, in der je nach Bundesland andere Schwerpunkte geprüft werden.9

Diese Unterschiede zeigen zum Beispiel auch, dass die Zuständigkeit für Fragen bei der Schulorganisation bei den Bundesländern selbst liegt. In der Regel ist die Schule zurzeit noch eine Halbtagsschule, deren Unterrichtsstunde 45 Minuten dauert. Allerdings gibt es in immer mehr Bundesländern die Bestrebung nach Ganztagsschulen. In Deutschland ist Schule eine staatliche Angelegenheit. Alle Schulen der Bundesrepublik, auch Privatschulen, die allerdings nur einen prozentualen Anteil von 6% ausmachen, stehen unter der Aufsicht des Staates. Dafür gilt inFV Deutschland die Chancengleichheit. Das bedeutet, dass in allen staatlichen Schulen Schulgeldfreiheit, weitgehende Schulbuchfreiheit sowie kostenlose Beförderung gewährt wird. Außerdem wird SuS im Falle von Bildungsbenachteiligungen und nicht lernförderlichen häuslichen Bedingen besonderer Förderunterricht und Wahlunterricht kostenlos zur Verfügung gestellt.10

2.1 Das finnische Schulsystem

In Finnland beginnt die schulische Laufbahn für Kinder ab dem 8. Lebensjahr in einer Gesamtschule. Dabei gibt es allerdings keine Schulpflicht wie in Deutschland, sondern es handelt sich um die sogenannte Lernpflicht, die von 7-17 Jahren gilt. Damit einhergeht, dass die Lernpflicht sowohl in staatlichen, als auch in privaten Schulen, sowie im Heimunterricht abgeleistet werden kann. Lediglich die anzuerkennenden Prüfungen müssen an stattlichen Schulen abgeleistet werden.11

In der Primär- oder Unterstufe der Gesamtschule werden die SuS von einer Lehrperson in allen Bereichen/Fächern unterrichtet. Dabei gibt es nur selten Noten, sondern es wird vielmehr das Verhalten, die Fertigkeiten, die Mitarbeit und die Leistungen in einem Fach diagnostiziert und trimesterweise verbal kommuniziert. Dadurch kann besonderer Förderbedarf schnell diagnostiziert und Maßnahmen durch die Schulleitung bzw. die Lehrperson eingeleitet werden.12 Gerade bei Kindern mit Lern- oder Verhaltensproblemen werden die Eltern zur Zusammenarbeit mit der Schule verpflichtet. Außerdem stehen den Schulen Sonderpädagogen und -pädagoginnen sowie Lehrerassistenten und -assistentinnen zur Verfügung.13

Die ersten beiden Klassenstufen umfassen 19 Wochenstunden, wobei die tägliche Unterrichtszeit auf fünf Stunden begrenzt ist. In der neunten Klasse beläuft sich die Unterrichtszeit auf 30 Wochenstunden.14 Finnland bietet seinen SuS kostenloses Mittagessen in der Schule und Unterrichtsstunden bis in den Nachmittag an. Dafür werden weniger Hausaufgaben erteilt.Die Oberstufe der Gesamtschule (Klasse 7-9) wird unterrichtet von Fachlehrern, da zusätzliche Wahlfächer zur Verfügung stehen.15 Die neunjährige Gesamtschule kann bei Lerndefiziten freiwillig um ein Jahr verlängert werden.16

Anschließend an die Gesamtschule haben die SuS mit einem bestimmten Notendurchschnitt die Möglichkeit die gymnasiale Oberstufe zu besuchen. Dabei kann die Fächerkombination, sowie der Zeitplan in einem Kurssystem individuell zusammengestellt werden. Damit haben die SuS die Möglichkeit in ihrem eigenen Tempo zu lernen, da die Oberstufe in 2, 3 oder 4 Jahren absolviert werden kann. Im Anschluss an die Oberstufe wird das Abitur zweimal im Jahr zu bestimmten Zeitpunkten mit landeseinheitlichen Bewertungsmaßstäben abgenommen. Außerdem können die Abiturprüfungen im Gegensatz zu Deutschland zur Notenverbesserung wiederholt werden.17

36 % der SuS bewerben sich im Anschluss an ihre Zeit an der Gesamtschule für eine weiterführende berufsbildende Schule. In dieser kann der Zugang zur Fachhochschulreife oder zu bestimmten Berufsfeldern ermöglicht werden.18

5 % der Absolvent/innen entscheiden sich für eine Lehre.19 Der kleine Rest gliedert sich direkt im Anschluss an die Schule in den Arbeitsmarkt ein.20

2.2 Das japanische Schulsystem

Japanische Kinder sind mit der Vollendung des 6. Lebensjahres schulpflichtig. Es besteht eine neunjährige Schulpflicht für japanische SuS. Dabei absolvieren die SuS sechs Jahre Grundschule, drei Jahren mittelschulische Unterstufe.21 Mit dem Abschluss der Unterstufe ist die Schulpflicht offiziell beendet, allerdings wechseln etwa 94% der Mittelschulabsolventen an die Oberschule. Dabei kann gewählt werden zwischen einer allgemeinbildenden und einer fachspezifischen Oberschule. Dabei werden an einer fachspezifischen Oberschule fachliche Kenntnisse und Wissen gelehrt, welches für die Ausbildung künftiger qualifizierter Fachkräfte erforderlich ist. Die Zugangsberechtigung für eine Hochschule kann allerdings nur an einer allgemeinbildenden Oberschule erreicht werden.22 Das japanische Bildungswesen wird vom Staat zentral gesteuert. Das japanische Schulsystem umfasst deshalb ausschließlich Gesamtschulen.23 Japans öffentliche Schulen sind kostenlos, allerdings ist ihr Ruf in der Regel schlecht. Aus diesem Grund besuchen viele SuS Privatschulen, die von den Eltern finanziert werden. Für jede Schule, sogar Grundschulen muss eine Aufnahmeprüfung absolviert werden. Dabei richtet sich ihr Anspruch nach dem Ruf der Schule.24 Mit dem hensachi- Test, bei welchem die individuelle Testleistung an der sozialen Bezugsnorm gemessen wird, können SuS wissen, für welche Schule oder Universität ihre/seine Lernleistung ausreicht. Dabei wird jeder Institution ein hensachi -Wert zugeordnet. Dieser Wert ergibt sich aus dem Erfolg der Schüler und Schülerinnen der jeweiligen Schule.25

Schon der Kindergarten ist entscheidend dafür, welche Universität die Kinder später besuchen dürfen. Das liegt vor allem daran, dass das japanische Schulsystem undurchlässig ist. „Zu einem exzessiven Wettbewerb kommt es mit dem System der Aufnahmeprüfungen erst dadurch, dass jeweils bestimmte Schul- und Hochschulkarrieren angestrebt werden, spätere Wechsel kaum möglich sind und frühe Entscheidungen somit große Bedeutung erhalten.“26

3. Schulsysteme im Vergleich

In allen drei betrachteten Ländern beginnt die Schullaufbahn mit einer Schule, die die Gesamtheit der schulpflichtigen Kinder aufnimmt und unterrichtet. Auffällig ist allerdings, dass der gemeinsame Unterricht unterschiedlich früh endet. Während die Kinder in Finnland bis zum 16. Lebensjahr und in Japan bis zum 12. Lebensjahr gemeinsam lernen, werden Deutsche SuS schon nach vier Jahren Grundschule, also mit zehn Jahren getrennt. Kein anderes Land teilt seine SuS so früh auf unterschiedlich anspruchsvolle Bildungsgänge auf wie Deutschland.27 Die Klassengrößen unterscheiden sich deutlich, während in Finnland etwa 20 Schüler je Klasse sitzen, hat Deutschland etwa 21 und Japan sogar 27 Kinder pro Klasse.28 Allerdings ist anzumerken, dass obwohl in Japans Klassen deutlich mehr Schüler*innen sitzen, ist die Lernende-Lehrende-Relation (Sekundarbereich) geringer als in Deutschland. In Deutschland kommen auf eine Lehrkraft 13 Schüler*innen, in Japan 1229. In Finnland kommen auf eine Lehrkraft weniger als 10 Schüler*innen. Der OECD- Durchschnitt liegt bei 13:1.30

Die Unterrichtszeit in Finnland umfasst in den ersten beiden Klassenstufen 19 Wochen-stunden, wobei die tägliche Unterrichtszeit auf fünf Stunden begrenzt ist. In der neunten Klasse beläuft sich die Unterrichtszeit auf 30 Wochenstunden.31 Die Gesamtunterrichts-zeit während der allgemein Schulpflicht in Primar- und Sekundarbereich 1 beträgt in Finnland 6783 Stunden (Zeitstunden). In Deutschland beträgt die Gesamtunterrichtszeit 7386 Stunden und in Japan 7256 Stunden.32 Diese Zahlen zeigen, dass die Unterrichtszeit in Deutschland im Vergleich zu den beiden anderen Ländern nicht effektiv genutzt wird, da diese mit weniger Stunden mehr Wissen und Kompetenzen vermitteln.

Mit Blick auf die Inklusionspädagogik kann Japan als Vorreiter gesehen werden. Bereits 1956 wurde durch ein Gesetz geregelt, dass Kinder mit Behinderung auch an öffentlichen Schulen beschult werden müssen, sofern es von den Eltern gewünscht ist. Dafür wurden Förderklassen für beeinträchtigte SuS eingerichtet, um zu gewährleisten, dass SuS mit Beeinträchtigung die gleichen Bildungschancen erhalten wie alle anderen SuS. Dabei soll die inklusive Beschulung dazu beitragen, dass Nachteile, die durch ihre alltägliche Beeinträchtigung entstehen, leichter überwunden werden können.

Neben diesem Konzept bestehen auch Schulen für Sonderpädagogik, an welchen Gehörlose, Blinde, geistig und körperlich, sowie motorisch beeinträchtigte SuS unterrichtet werden. Dabei liegt der Gedanke zugrunde, dass neben der schulischen Ausbildung auch eine ihrer Behinderung gerechte Erziehung betrachtet werden müsste.33

Ähnlich wie in Japan verhält es sich auch in Finnland. Chancengleichheit in der Bildung ist in Finnland sogar ein Verfassungsgrundsatz, um dieses Ziel zu erreichen sind alle finnischen Schulen mit einem Fördersystem ausgestattet.34 Dabei werden innerhalb der Regelschulen Zusatzstunden für SuS angeboten, die in einem oder mehreren Fächern Schwierigkeiten haben. Diese Stunden werden von einer sonderpädagogisch ausgebildeten Lehrkraft begleitet. Sobald die Klassenlehrerin feststellt, dass ein*e Schüler*in in einem Fach Schwierigkeiten hat, holt sie die Speziallehrerin in ihren Unterricht und spricht anschließend mit ihr ab, in welchen Stunden das Kind statt des Klassenunterrichts Spezialunterricht bekommt. Dieser Förderunterricht findet je nach Anlass einzeln, oder in einer kleinen Gruppe statt. Der Förderunterricht findet so lange statt, bis das förderungsbedürftige Kind wieder Anschluss an das Niveau der Klasse gefunden hat. Während seiner Abwesenheit nimmt die Klassenlehrerin keinen neuen Stoff durch, sondern wiederholt mit den übrigen Kindern das bereits gelernte Wissen.35 So werden einerseits die Wissenslücken des Kindes gefüllt und auf der anderen Seit wird der bereits gelernte Soff gefestigt. Die PISA-Studien zeigten, dass Deutschland zu wenig Zeit für das Wiederholen des Stoffes verwendet, obwohl Wiederholungsstrategien enorm zum Lernerfolg beitragen.

Gelingt es auch durch den zusätzlichen Förderunterricht nicht die Lernprobleme des/der Schüler*in in den Griff zu bekommen, so schreibt das Gesetz vor, dass sich eine Spezialkonferenz bestehend aus Schulleitung, Klassenlehrer*in, Schulschwester, Kurator*in, Psycholog*in und Speziallehrer*in mit dem Fall befasst.

„Zunächst ist zu klären, ob den Lernproblemen des Kindes gesundheitliche Störungen zugrunde liegen. Wenn ja, ist der Schularzt zuständig, und die Eltern werden informiert. Ist das Kind nicht in diesem Sinne krank, sucht die Konferenz weiter nach den Ursachen seiner Lernprobleme und entwirft einen Plan, wie ihm zu helfen sei. Nach vier Wochen steht der Fall erneut auf der Tagesordnung. Die Frage heißt: Haben die Maßnahmen "gegriffen"? Wenn nicht: Wie soll es weitergehen? Eine Möglichkeit ist z.B., daß für dieses Kind ein eigener Lehrplan erstellt wird. Dann sind nicht alle Lernziele der Klasse auch seine individuellen Lernziele.“36

Deutschland ist im Thema Inklusion noch immer recht wenig fortschrittlich. In Deutschland besteht noch immer ein sehr differenziertes Sonderschulsystem, das SuS mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf auffangen soll. Allerdings gibt es schon seit den 1960 Jahren Debatten über die Notwenigkeit eines Sonderschulsystems. Dabei geht es vor allem darum, die Chancengleichheit zu erhöhen und die Benachteiligung bezüglich der sozialen Herkunft zu reduzieren.37 Vielfältig wird die frühe Selektion der SuS kritisiert. Der Soziologe Luhmann beispielsweise kritisiert das frühe Separieren. Er bezeichnet „Lob und Tadel, Zensuren, Versetzungen bzw. Nichtversetzungen, Zulassungen, bzw. Nichtzulassungen zu […] Schulsystemen als Selektionsentscheidungen, die als positive oder negative Bewertung weit tragende Folgen haben. […] eine Selektion setzt eine andere voraus und ermöglicht wiederum nachfolgende.“38 Durch die Ratifizierung der UN-Konvention und Vereinbarungen auf Länderebene hat sich Deutschland dazu verpflichtet ebenfalls ein inkulsives Bildungssystem aufzubauen.39

Zwar gibt es Bemühungen in denen alle Schüler gemeinsam unterrichtet werden, allerdings gibt es noch immer kein einheitliches Modell, das gewährleistet, dass stärkere und schwächere Schülerinnen und Schüler ohne Nachteil zusammen lernen. Gerade für spezialisiert ausgebildete Lehrer*innen ist es noch immer schwierig ihre fachlichen Kompetenzen mit teilweise sonderpädagogischen Anforderungen zu verbinden. Um den Inklusionsgedanken in Deutschland zu festigen, muss es mehr und besser ausgebildete Fachkräfte in den Schulen und einzelnen Klassen geben und gegebenenfalls das deutsche Bildungssystem revolutioniert werden.

[...]


1 Vgl. Köller, O. (2009): S. 142.

2 Vgl. Köller, O. (2009): S. 142. und Vgl. Wittek, D., Trumpa, S., Sliwka, A. (2017): S. 12.

3 Vgl. Wittek, D., Trumpa, S., Sliwka, A. (2017): S. 11.

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. Van Ackert, I., Klemm, K. (2009): S. 49.

6 Vgl. Wiater, W. (2009): S. 122f.

7 Vgl. Van Ackert, I., Klemm, K. (2009): S. 50.

8 Vgl. Wiater, W. (2009): S. 123.

9 Vgl. Esslinger-Hinz, I., Sliwka, A. (2011): S. 53.

10 Vgl. Wiater, W. (2009): S. 123.

11 Vgl. ebd. S. 131.

12 Vgl. ebd. S. 132.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. Trumpa, S., Wittek, D. (2017): S. 62.

15 Vgl. ebd. und vgl. Wiater, W. (2009): S. 132.

16 Vgl. Wiater, W. (2009): S. 131.

17 Vgl. Trumpa, S., Wittek, D. (2017): S. 63.

18 Vgl. Wiater, W. (2009): S. 133.

19 Vgl. Arbeitsgruppe internationale Vergleichsstudie (2007): S. 50.

20 Vgl. ebd. Wiater, W. (2009): S. 133.

21 Vgl. Gally, J. (2008): S. 3.

22 Vgl. ebd. S. 4.

23 Vgl. Urabe, M. (2016): S. 51.

24 Vgl. Sindern, K. (2009): S. 52.

25 Vgl. Drinck, B. (2017): S. 95.

26 Koop (2000): S. 196. nach: Drinck, B. (2017): S. 91.

27 Vgl. Arbeitsgruppe internationale Vergleichsstudie (2007): S. 81.

28 Vgl. OECD (2018): S. 460.

29 Vgl. OECD (2018): S. 461.

30 Vgl. OECD (2018): S. 454.

31 Vgl. Trumpa, S., Wittek, D. (2017): S. 62.

32 Vgl. OECD (2018): S. 446.

33 Vgl. Drinck, B. (2017): S. 97.

34 Vgl. Schmoll, H. (2002): S. 26.

35 Vgl. Schmoll, H. (2002): S. 23f.

36 Von Freymann, T. (2002).

37 Vgl. Arnold, K.-H., Graumann, O. (2009): S. 367.

38 ebd.

39 Vgl. Arnold, K.-H., Graumann, O. (2009): 160f.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (eBook)
9783668928855
ISBN (Paperback)
9783668928862
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Erscheinungsdatum
2019 (April)
Note
1,7
Schlagworte
Schulpädagogik PISA Bildungssysteme
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Titel: Das Bildungssystem Deutschlands im Vergleich mit den PISA-Siegerländern Finnland und Japan