In Deutschland gibt es immer weniger Kinder und zugleich nimmt das Lebensalter weiter zu: Laut dem Bundesministerium für Gesundheit werden Menschen in den letzten 30 Jahren im Schnitt sieben Jahre älter, was einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 78,2 Jahren für Männer beziehungsweise 83,1 Jahren für Frauen entspricht. Dieser sogenannte demographische Wandel hat weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen und birgt insbesondere für das Gesundheitssystem große Herausforderungen. Eine der Problemstellungen ist z.B. der Mangel an qualifizierten Pflegekräften, welche die zunehmende älteste Bevölkerungsgruppe entsprechend pflegen und versorgen können. Obwohl die Altenpflege bereits zu einer der in den letzten Jahrzehnten am stärksten gewachsenen Berufsgruppen gehört, gibt es derzeit etwa 25.000 bis 30.000 unbesetzte Stellen. Dieser Mangel an professionellen Pflegekräften wirkt sich nicht nur als Stressfaktor auf die Berufstätigen aus, sondern schreckt auch potentielle Auszubildende zunehmend vor einer Ausbildung in dieser Berufsbranche ab. Zudem leidet die Qualität der Versorgung alter und kranker Menschen, welchen immer weniger Zeit gewidmet werden kann. Ein weiterer Mangel besteht bei den Plätzen in Kindertagesstätten (Kitas). Diese wären für viele Eltern dringlich, um ihr Kind gut versorgt zu wissen und trotzdem ihrer Berufstätigkeit nachgehen zu können. Laut der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey „deckt der Versorgungsgrad nicht annähernd den Bedarf“. Grund für die bundesweit etwa 300.000 fehlenden Kitaplätze ist ebenfalls zum Teil die Unattraktivität des Erzieherberufs, welcher als schlecht bezahlt gilt.
Im Rahmen des Seminars haben wir uns mit Problemlagen des Gesundheitssystems beschäftigt und mit dem „Gesellschaftsjahr“ ein Konzept entwickelt, welches den oben angerissenen Entwicklungen entgegen wirken und gesellschaftlich und gesundheitlich relevante Problemstellungen entschärfen könnte. Im Folgenden werden zunächst die Ursachen der Symptome näher erläutert, anschließend wird das entwickelte Konzept detailliert vorgestellt und als letzter Punkt ist eine Diskussion der Umsetzbarkeit, Chancen und Schwachstellen des „Gesellschaftsjahres“ angesetzt.
Inhalt
1. Mangel in der Pflege und bei der Kinderbetreuung als relevante Problemstellungen in Deutschlands Gesundheits – und Sozialsystem
2. Ursachen der aufgeführten Symptome
2.1 Demographischer Wandel als Kernursache für die kommende Unterversorgung im Pflegebereich
2.2 Unattraktivität des Pflegeberufs und der Beruf des Erziehers.
3. Das Konzept des Gesellschaftsjahres
3.1 Relevanz
3.2 Rahmenbedingungen
3.3 Anmeldung und Verteilung
3.4 Durchführung
3.4 Kosten und Finanzierung
4. Diskussion und Reflexion
4.1 Juristische Grundlagen
4.2 Umsetzbarkeit und positive Aspekte des Gesellschaftsjahres
4.3 Abgrenzung zum FSJ, Bundesfreiwilligendienst und ehemaligem Zivildienst.
5. Musterbogen zur Verteilung
6. Literaturverzeichnis
1. Mangel in der Pflege und bei der Kinderbetreuung als relevante Problemstellungen in Deutschlands Gesundheits – und Sozialsystem
In Deutschland gibt es immer weniger Kinder und zugleich nimmt das Lebensalter weiter zu: Laut dem Bundesministerium für Gesundheit werden Menschen in den letzten 30 Jahren im Schnitt sieben Jahre älter, was einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 78,2 Jahren für Männer beziehungsweise 83,1 Jahren für Frauen entspricht. 1 Dieser sogenannte demographische Wandel hat weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen und birgt insbesondere für das Gesundheitssystem große Herausforderungen. Eine der Problemstellungen ist z.B. der Mangel an qualifizierten Pflegekräften, welche die zunehmende älteste Bevölkerungsgruppe entsprechend pflegen und versorgen können. Obwohl die Altenpflege bereits zu einer der in den letzten Jahrzehnten am stärksten gewachsenen Berufsgruppen gehört, gibt es derzeit etwa 25.000 bis 30.000 unbesetzte Stellen. 2 Dieser Mangel an professionellen Pflegekräften wirkt sich nicht nur als Stressfaktor auf die Berufstätigen aus, sondern schreckt auch potentielle Auszubildende zunehmend vor einer Ausbildung in dieser Berufsbranche ab. Zudem leidet die Qualität der Versorgung alter und kranker Menschen, welchen immer weniger Zeit gewidmet werden kann. Ein weiterer Mangel besteht bei den Plätzen in Kindertagesstätten (Kitas). Diese wären für viele Eltern dringlich, um ihr Kind gut versorgt zu wissen und trotzdem ihrer Berufstätigkeit nachgehen zu können. Laut der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey „deckt der Versorgungsgrad nicht annähernd den Bedarf“.3 Grund für die bundesweit etwa 300.000 fehlenden Kitaplätze ist ebenfalls zum Teil die Unattraktivität des Erzieherberufs, welcher als schlecht bezahlt gilt.
Im Rahmen des Seminars haben wir uns mit Problemlagen des Gesundheitssystems beschäftigt und mit dem „Gesellschaftsjahr“ ein Konzept entwickelt, welches den oben angerissenen Entwicklungen entgegen wirken und gesellschaftlich und gesundheitlich relevante Problemstellungen entschärfen könnte. Im Folgenden werden zunächst die Ursachen der Symptome näher erläutert, anschließend wird das entwickelte Konzept detailliert vorgestellt und als letzter Punkt ist eine Diskussion der Umsetzbarkeit, Chancen und Schwachstellen des „Gesellschaftsjahres“ angesetzt.
2. Ursachen der aufgeführten Symptome
Der Mangel an geeignetem Pflegepersonal, die zunehmende Alterseinsamkeit aufgrund von knapp kalkulierten Zeiten für die einzelnen Bedürftigen sowie das Fehlen von ausreichend Kitaplätzen zur Betreuung von Vorschulkindern wurden im Laufe des Seminars als bedeutende Problemlagen im deutschen Gesundheitssystem sowie im Sozialsystem identifiziert. Für diese soll das Konzept des Gesellschaftsjahres Lösungsansätze und Problemminderung parat halten. Um Symptome angemessen bekämpfen zu können, ist es zunächst notwendig, die Ursachen der aufgeführten Probleme näher zu beleuchten.
2.1 Demographischer Wandel als Kernursache für die kommende Unterversorgung im Pflegebereich
Der demographische Wandel hat insbesondere für die Pflegebranche Folgen. Durch die zurückgehende Geburtenrate in Deutschland (im Jahr 2009 lag die Geburtenziffer bei nur 1,36 Kinder pro Frau im Vergleich zu 2,3 Kindern im Jahr 1960) 4 und die durchschnittlich gestiegene Lebenserwartung, kommt es zu einer beträchtlichen Verschiebung der Altersstruktur. Mit dem demographischen Veränderungsprozess ist auch generell ein Rückgang der verfügbaren Arbeitnehmer verbunden. Die mit dieser Entwicklung verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen liegen nicht nur im Bereich der Altersabsicherung und der Versorgung durch immer weniger Erwerbstätige und Beitragszahler, sondern vor allem darin, dass immer weniger junge, berufstätige Menschen die Pflege der zunehmenden älteren Bevölkerungsschicht übernehmen müssen. 5 Es kommt zudem zu einem Rückgang der informellen Pflegepersonen, also solchen ohne professionelle Berufsausbildung in diesem Bereich, so dass künftig wohl noch mehr Personen stationär von professionellem Pflegepersonal versorgt werden müssen. Manfred Haubrock geht zudem von einer steigenden Nachfrage an Gesundheitsversorgung durch ein gestiegenes Patientenaufkommen aus und schlussfolgert als Konsequenz, dass „mit einem Nachfrageanstieg (…) notwendigerweise eine steigende Nachfrage von qualifiziertem Personal einher [geht].“ Dies stellt das Gesundheitssystem nicht nur finanziell, sondern auch arbeitsmarkttechnisch vor gewaltige Probleme, da bereits heute eine drastische Unterversorgung von Fachpersonal im Gesundheitswesen in allen relevanten Berufsgruppen besteht. Gerade im Bereich der pflegerischen Versorgung wird, laut einer Studie aus dem Jahr 2010, von Personalengpässen im Jahr 2030 ausgegangen, welche zu einer prognostizierten Nichtbesetzung von 400.000 Gesundheits-/Krankenpfleger- sowie Krankenpflegehelferstellen führen werden.6 Als Gründe für den schon existenten gravierenden Pflegemangel können Personalabbau in der Vergangenheit, Frühberentung sowie die zunehmende Teilzeitquote genannt werden. 7 Zusammengefasst führt die Demografie dazu, dass vermehrt qualifizierte Pflegekräfte benötigt werden, um eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Eben diese Humanressource steht aber zum derzeitigen Stand nur begrenzt zur Verfügung.
2.2 Unattraktivität des Pflegeberufs und der des Erziehers
Der Mangel an Pflegekräften und Erziehern ist auch auf die Unattraktivität der beiden Berufsgruppen für junge Auszubildende zurückzuführen. In beiden Berufen wird den Angestellten viel abverlangt, sie sind fast permanent Stress unterworfen und werden dafür weder finanziell noch mit gesellschaftlicher Anerkennung entsprechend entlohnt. Obwohl die Ausbildung zum Erzieher mit vier bis fünf Jahren länger dauert als die meisten Bachelorstudiengänge, liegt der Lohn vielerorts auch nach mehreren Jahren Berufserfahrung noch unter 2000 Euro brutto für eine Vollzeitstelle. Aus diesem Grund nehmen viele Erzieher einen zweiten Job an, um sich größere Anschaffungen oder einen Urlaub finanzieren zu können.8 Auch der Beruf der Pflegekraft ist äußerst unattraktiv für potentiellen Nachwuchs in Deutschland, wobei bereits 20% der Berufstätigen nicht abgeneigt sind, sich zwecks besserer Arbeitsbedingungen, eine Stelle im Ausland zu suchen. 9 Nach Aussage des Bundesministeriums für Arbeit ist die Entwicklung des Personalnotstands in der Pflege jedoch auch stark von der Attraktivität des Pflegeberufes abhängig. Als notwendige Maßnahmen zur Steigerung dieser werden unter Anderem verbesserte Rahmenbedingungen für die Entlohnung, Entlastung im Pflegealltag durch zusätzliches Personal bei stationärer Versorgung sowie mehr Zeit durch einen Abbau der Bürokratie genannt.10
3. Das Konzept des Gesellschaftsjahres
Um denen im Voraus beschriebenen Entwicklungen entgegen zu wirken und Lösungsansätze für Problemstellungen des Gesundheitssystems aufzuzeigen, entwickelte unsere Arbeitsgruppe im Laufe des Seminars konzeptuell das „Gesellschaftsjahr“. Dieses würde eine verpflichtende Betätigung von Schulabgängern über einen gewissen Zeitraum im sozialen und gesundheitlichen Bereich beinhalten und könnte somit ambulantes und stationäres Pflegepersonal, die Verwaltung von Krankenhäusern und Kindertagesstätten entlasten. Die Leitmotive der Idee lauten „in Gesellschaft und für die Gesellschaft!“, „sozialer Zusammenhalt in einer modernen Gesellschaft“ sowie „zukunftsorientiert, nachhaltig, integrativ“ und spiegeln ihren Kerngedanken wider. Im Folgenden wird zunächst auf die Relevanz und den möglichen positiven Einfluss des Jahres eingegangen, anschließend werden die Rahmenbedingungen erläutert, wichtige Fragen zu Anmeldung und Verteilung geklärt und schließlich konkrete Ansätze zur Durchführung und zu den damit verbundenen Kosten beziehungsweise der Finanzierung vorgestellt.
3.1 Relevanz
Wie bereits unter Punkt 2 erläutert, steht das deutsche Gesundheitssystem aufgrund des demographischen Wandels vor gewaltigen Herausforderungen. Oftmals leidet aufgrund von Versorgungsengpässen die mentale Gesundheit der Pflegebedürftigen, welche teils unter Alterseinsamkeit leiden und nicht nur körperlicher, sondern sozialer Fürsorge bedürfen. An dieser Stelle kann der Einsatz von jungen Schulabgängern zur Beschäftigung der Pflegebedürftigen und zum sozialen Austausch positiven Einfluss nehmen. Zudem kann das professionelle Pflegepersonal schrittweise entlastet werden, indem es mehr Zeit pro Patient gewinnt, weil die Absolventen des Gesellschaftsjahres notwendige Aufgaben alltäglicher Arbeit übernehmen können. Auch auf Kindertagesstätten und administrative Arbeiten ist dieser Ansatz übertragbar. Durch das Gesellschaftsjahr vertieft man zudem den Generationenvertrag, indem man in der Jugend einen gewissen Zeitraum für soziale Tätigkeiten aufwendet, mit der Gewissheit, im Alter ebenso von der Fürsorge der jüngeren Generation zu profitieren. Sinn macht die Etablierung einer Zwischenstation zwischen Schulabschluss und Aufnahme eines Studiums oder Berufsausbildung auch mit Blick auf die verkürzte Schullaufbahn aufgrund des G8 sowie dem Bachelor/Mastersystem an den Universitäten. Die Schulabgänger sind mittlerweile immer jünger und die Lebenserwartung ist aber stark gestiegen, wodurch man nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wesentlich länger arbeitet als frühere Generationen. Einen Teil dieser Zeit in soziale Arbeit zu investieren könnte zudem das kollektive Empathievermögen stärken und der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Selbstbezogenheit der sogenannten ‚Generation Y‘ entgegen wirken.
[...]
1 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit: „Beschäftigte in der Pflege“, unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/index.php?id=646 (abgerufen am 01.08.2018)
2 Vgl. ebd.
3 Nehls, Anja: „Mangel an Kitaplätzen“, unter: https://www.deutschlandfunk.de/mangel-an-kitaplaetzen-kita-demo-in-berlin.1773.de.html?dram:article_id=418784 (abgerufen am 03.08.2018)
4 Vgl. Haubrock 2017 S.4
5 Vgl. ebd. S. 4ff.
6 Vgl. Ostwald et al. 2010, S. 10
7 Vgl. Isfort et al. 2010, S. 6 ff.
8 Vgl. Eckardt, Ann-Kathrin: „Beruf Erzieherin – Kein Kinderspiel“, unter: https://www.sueddeutsche.de/karriere/beruf-erzieherin-kein-kinderspiel-1.522539; (abgerufen am 16.08.2018)
9 Vgl. Isfort et al. 2010, S.46 f.
10 Vgl. Haubrock 2017, S.11 f.