Um sich genauer mit Diskriminierung auseinander setzen zu können, muss diese zunächst definiert und ihre verschiedenen Formen geklärt werden.
Dieser Arbeit ist zusätzlich ein Exkurs enthalten, wie Schutz vor Diskriminierung in Deutschland gesetzlich geregelt ist, und ob diese gesetzlichen Maßnahmen von Betroffenen in Anspruch genommen werden. Dies soll verdeutlichen, dass Diskriminierung, vor allem durch Institutionen und Behörden, ein ernstzunehmendes Thema darstellt, obwohl es nur eine geringe Anzahl von veröffentlichten Fällen gibt.
Anschließend wird geklärt, weshalb auch in sozialen Diensten Diskriminierung ein aktuelles Thema ist, und welche unterschiedlichen Gefahren der Benachteiligung im Beratungsalltag vorhanden sind. Welche Strukturen führen zu Diskriminierungsrisiken in der Sozialen Arbeit und wie kann man ihnen entgegen wirken? Diese Leitfragen werden in der folgenden Arbeit genauer thematisiert.
Abschließend wird beabsichtigt, verschiedene Lösungsansätze zu finden, welche Diskriminierung im Beratungsalltag der Sozialen Arbeit reduzieren und schließlich verhindern können.
Inhaltsverzeichnis
1 Diskriminierungsgefahren in der Praxis Sozialer Arbeit
2 Begriffsklärung
2.1 Diskriminierungsformen
2.2 Exkurs: Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
3 Diskriminierung in der Praxis Sozialer Arbeit? Der Widerspruch in einer Menschenrechtsprofession
3.1 Diskriminierung von MigrantInnen in der Sozialen Arbeit
3.2 Diskriminierungsrisiken
3.3 Handlungsperspektive: Diskriminierungs- und rassismuskritische Soziale Arbeit
4 Die Bedeutsamkeit von Diskriminierungskritik in der Sozialen Arbeit
Literaturverzeichnis
1 Diskriminierungsgefahren in der Praxis Sozialer Arbeit
Auf den ersten Blick scheint es widersprüchlich, Diskriminierung in der Praxis Sozialer Arbeit zu thematisieren. Ist es nicht eher die Aufgabe Sozialer Arbeit, die weitestgehend als Men- schenrechtsprofession verstanden wird, diskriminierte Minderheiten zu unterstützen und dis- kriminierende Strukturen aufzudecken?
Ja, doch bewahrt diese SozialarbeiterInnen nicht davor, selbst VerursacherInnen von Diskrimi- nierung zu sein.
Um sich genauer mit Diskriminierung auseinander setzen zu können, muss diese zunächst definiert und ihre verschiedenen Formen geklärt werden.
Dieser Arbeit ist zusätzlich ein Exkurs enthalten, wie Schutz vor Diskriminierung in Deutsch- land gesetzlich geregelt ist, und ob diese gesetzlichen Maßnahmen von Betroffenen in An- spruch genommen werden. Dies soll verdeutlichen, dass Diskriminierung, vor allem durch Institutionen und Behörden, ein ernst zu nehmendes Thema darstellt. Obwohl es nur eine geringe Anzahl von veröffentlichten Fällen gibt.
Anschließend wird geklärt, weshalb auch in sozialen Diensten Diskriminierung ein aktuelles Thema ist, und welche unterschiedlichen Gefahren der Benachteiligung im Beratungsalltag vorhanden sind.
Welche Strukturen führen zu Diskriminierungsrisiken in der Sozialen Arbeit und wie kann man ihnen entgegen wirken? Diese Leitfragen werden in der folgenden Arbeit genauer thematisiert.
Abschließend wird beabsichtigt, verschiedene Lösungsansätze zu finden, welche Diskriminierung im Beratungsalltag der Sozialen Arbeit reduzieren und schließlich verhindern können.
2 Begriffsklärung
Das Wort Diskriminierung bezeichnet die „(…) Ungleichbehandlung von sozial hergestellten Gruppen (…).1
Diskriminierung geschieht z.B. durch Blicke, Beleidigungen und Worte, kann jedoch auch durch Unterlassung, Erschwerung und Verweigerung einer Leistung entstehen.2 Diese Herab- würdigung bzw. Ausgrenzung einer Person wird mit dem Vorhandensein eines Merkmals begründet, wie z.B. Herkunft, Geschlecht oder Alter.
Die Liste der Diskriminierungsmerkmale ist lang und reicht von biologischen (Ethnie, Geschlecht) bis hin zu kulturellen Merkmalen (Herkunft, soziale Stellung).3
Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im April 2016 ergab, dass neben Alter, Geschlecht bzw. Geschlechtsidentität und Religion in Deutschland viele Menschen aufgrund ihres ethnischen Hintergrundes diskriminiert werden. 4
2.1 Diskriminierungsformen
Um Diskriminierung erkennen zu können, ist es von hoher Bedeutung, ihre Erscheinungsformen zu kennen.
Es wird zwischen direkter und indirekter Diskriminierung unterschieden:
- Direkte Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person oder eine Personengruppe aufgrund eines oder mehrerer Merkmale benachteiligt wird.
- Indirekte Diskriminierung liegt vor „(…) wenn an sich zulässige oder neutrale Vorgaben auf bestimmte Gruppen eine benachteiligende Wirkung haben (…)“.5
Beide Diskriminierungsformen können in unterschiedlicher Ausprägung und durch verschiedene Personen oder Institutionen geschehen.
Aufgrund dieses vielfältigen Auftretens von Diskriminierung in unterschiedlichen Bereichen werden weitere Formen von Diskriminierung unterschieden:
- Interpersonelle Diskriminierung geschieht zwischen Einzelpersonen und Personengruppen durch z.B. ArbeitnehmerInnen, KollegInnen, Pflegepersonal.
- Strukturelle Diskriminierung bezeichnet die Benachteiligung durch festgelegte Regelungen in der Struktur der Gesellschaft.
- Institutionelle Diskriminierung wird die Benachteiligung von Personengruppen durch Regelungen von Institutionen und Einrichtungen.6 Diese kann vor allem auf dem Arbeitsmarkt und in dem Bildungssektor stattfinden.
- Mehrfachdiskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund mehrerer Diskriminierungsmerkmale benachteiligt wird. 7
2.2 Exkurs: Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
In Deutschland ist 2006 erstmals ein Gesetz in Kraft getreten, welches Diskriminierung auf- grund von Diskriminierungsmerkmalen (ethnische Herkunft, Religion, Geschlecht, Behinde- rung, sexuelle Identität oder Alter) durch Personen wie z. B. ArbeitgeberInnen, VermieterInnen oder MitarbeiterInnen umfassend regeln soll.8
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll der Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien dienen.
Es enthält unterschiedliche Rechten und Pflichten für ArbeitgeberInnen sowie ArbeitnehmerIn- nen. Diese zielen darauf ab, dass bestimmte Verfahren diskriminierungsfrei ablaufen müssen, und für Beschwerden eine Beschwerdestelle in der jeweiligen Einrichtung eingerichtet werden muss.
Das AGG soll Betroffenen von Diskriminierung eine rechtliche Grundlage bieten Maßnahmen zu ergreifen. In der Realität geschieht dies jedoch selten.
Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle haben sich im Jahre 2016 nur 17,1% der von Diskriminierung Betroffenen bei einer offiziellen Stelle beschwert und 6,2% eine Klage eingereicht.9
Obwohl rechtliche Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung bei Erfahrung von Dis- kriminierung möglich sind, scheitert es häufig an den verschiedenen Regelungen.
Menschen, die Diskriminierung erfahren haben, können ihre Ansprüche innerhalb von nur zwei Monaten geltend machen. Aufgrund der kurzen Frist scheitert meist das Vorgehen, denn Betroffene sind eher zögerlich in Bezug auf juristische Maßnahamen, oder nicht ausreichend über ihre Rechte informiert.10
3 Diskriminierung in der Praxis Sozialer Arbeit? Der Widerspruch in einer Menschenrechtsprofession
Im Leitfaden des deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) zum Berufsbild für SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen, wird Soziale Arbeit als eine Profession bezeichnet, die ihre AdressatInnen mit ihren individuellen Fähigkeiten und Entwicklung in einer allumfassenden Sicht erfasst.
Ihr professionelles Handeln basiert unter anderem auf den „Code of Ethics“ und auf Werteori- entierungen wie Freiheit, Gleichberechtigung und Menschenwürde.11
Soziale Arbeit setzt dort an, wo Menschen Unterstützung auf dem Weg in ein selbstbestimmtes, menschenwürdiges Leben benötigen und den Weg aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Soziale Gerechtigkeit und die Prinzipien der Menschenrechte sind hierbei allgegenwärtige Grundlagen.
Aufgrund ihrer Leitprinzipien und ihrem Bestreben nach Hilfe in ein selbstbestimmtes Leben wird Soziale Arbeit als eine Menschenrechtsprofession bezeichnet.
„Dass Soziale Arbeit eine Menschenrechtsprofession ist, gehört mittlerweile zu den weithin akzeptierten Selbstverständlichkeiten „helfender Berufe“ beziehungsweise „personennaher so- zialer Dienstleistungen.“12
Die Förderung einer selbstbestimmten Lebensführung der AdressatInnen ist hierfür als einzige Zielsetzung jedoch nicht ausreichend.
Vielmehr ist es die Pflicht Sozialer Arbeit bzw. von SozialarbeiterInnen den Menschenrechts- ansprüchen durch ihr Handeln gerecht zu werden und sie zu fördern.13
Diese hohen Ansprüche sind in dem Beratungsalltag Sozialarbeiterinnen kaum zu erfüllen, da „(…) konkrete Handlungsanweisungen für berufliches Handeln nicht aus abstrakten Prinzipien und Imperativen deduktiv abgeleitet werden.“14
Lob-Hüdepohl beschreibt auf diesem Hintergrund die Berufsethik Sozialer Arbeit als einen Prozess, der jeweils von SozialarbeiterInnen innerhalb ihres professionellen Handelns verwirk- licht werden muss.15
Werden all diese Prinzipien Sozialer Arbeit und ihres professionellen Handelns betrachtet, so wird erkannt, dass Diskriminierung dem Selbstverständnis Sozialer Arbeit extrem widerspricht. Aus diesem Grund muss der Blick in Bezug auf die „Menschenrechtstauglichkeit“16 geschärft werden.
Denn auch wenn Soziale Arbeit eine Menschenrechtsprofession ist, und ein Aufgabenbereich die Unterstützung von diskriminierten Personen darstellt, so können SozialarbeiterInnen durch verdeckte und unbewusste Strukturen selbst VerursacherInnen von Diskriminierung sein.
3.1 Diskriminierung von MigrantInnen in der Sozialen Arbeit
In ihrer beratenden und diagnostizierenden Funktion laufen SozialarbeiterInnen häufig Gefahr, ihre AdressatInnen zu bevormunden und zu diskriminieren.
In vielen Fällen geschieht dies bei AdressatInnen mit Migrationshintergrund.
Unter Migration ist hierbei der Umstand gemeint, „(…) dass Personen für einen längeren oder unbegrenzten Zeitraum einen früheren Wohnort verlassen haben und in der Gegenwart in einem anderen Land als ihrem Herkunftsland leben.“17
Bei Problemdiagnosen wird in vielen Fällen generalisiert und individuelle Probleme der Ad- ressatInnen werden außer Acht gelassen.
Als Erklärungshilfe für soziale Probleme werden dann häufig Herkunft und Kultur verwendet. Gaitanides spricht hierbei von „Kulturalismus“.18 Das bedeutet, dass für das Verhalten eines Menschen seine ethnische Zugehörigkeit als Erklärung herangezogen wird. Sozialstrukturelle Ursachen werden dadurch nicht berücksichtigt.19
Der Begriff ethnisch bedeutet hierbei „(…) einer einheitlichen Volksgruppe angehörend oder die Kultur- und Lebensgemeinschaft einer Volksgruppe betreffend.“20
Bei gewalttätigem Verhalten von Männern mit muslimischem Hintergrund wird häufig ihre Religion als Erklärungsansatz verwendet, während bei Männern ohne Migrationshintergrund psychische Probleme als Ursache gesehen werden.
Den kulturellen Erklärungsansatz empfinden SozialarbeiterInnen als Erleichterung ihrer Arbeit, doch verspricht dieser in der Praxis wenig Erfolg und trägt zur Diskriminierung von Migran- tInnen bei.
Kulturalistische Vorurteile schränken SozialarbeiterInnen in ihrer allumfassenden Sicht ein, ha- ben eine diskriminierende Wirkung und gehen einher mit den Zugangsbarrieren von deutschen SozialarbeiterInnen zu MigrantInnen.
[...]
1 MELTER 2015: 9.
2 vgl. BINGGELI 2016: 5.
3 vgl. HAUSAMMANN 2012: 11.
4 vgl. BEIGANG u.a. 2016: 6.
5 BINGGELI 2016: 4.
6 vgl. ebd.: 5.
7 vgl. ebd.: 5.
8 http://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Recht_und_gesetz/DasGesetz/dasGe- setz_node.html Letzter Zugriff: 04.02.17.
9 vgl. BEIGANG u.a. 2016: 19.
10 http://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Recht_und_gesetz/DasGesetz/dasGe- setz_node.html Letzter Zugriff: 04.02.17.
11 http://www.dbsh.de/fileadmin/downloads/Berufsbild.Vorstellung-klein.pdf Letzter Zugriff: 19.02.17.
12 LOB-HÜDEPOHL 2003: 42.
13 vgl. ebd.: 42.
14 ebd.: 44.
15 vgl. ebd.: 44.
16 ebd.: 42.
17 HAMBURGER 2011: 947.
18 GAITANIDES 2016: 41.
19 vgl. ebd.: 41.
20 TREICHLER 2004: 83.